Höxtersche Zeitung
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Nr. 79.(1. Blatt)
Höxter, Dienstag, 3. April 1928.
81. Jahrgang.
Neue Enthüllungen bei der Reichsbahn
Zweifelhafte Geschäfte eines Reichsbahndirektors.- Eine schloßartige Villa
und ihr geheimnisvoller Erwerb.
„Geschäfte des Reichsbahnzentralamtes
Die Sprache der Tatsachen.
Die Deutsche Volkspartei, die doch sonst so gern als die einzige Hüterin des liberalen Gedankens gelten will, weiß nicht recht, ob sie sich mit ihrer Rolle im Kampf um das Reichsschulgesetz brüsten soll oder ob es doch richtiger wäre. die Schuld am Scheitern des Entwurfs auf fremde Schultern zu laden. Während auf der einen Seite die prominentesten Schrittmacher des Liberalismus, so wie es der frühere Minister Dr. Becker=Hessen neulich in Frankfurt beim hessischen Landesparteitag tat, mit geschwellter Brust erklären, die Deutsche Volkspartei trüge die Schuld am Fiasko des Schulgesetzes gern, sie sei stolz darauf, die „Klerikalisierung der Schule“ verhindert zu haben, legen andere volksparteiliche Kreise, denen kulturelle Dinge offenbar weniger wichtig sind, als die Erhaltung der Gemeinschaft mit den Deutschnationalen, den größten Wert darauf, die von Becker=Hessen getragene Schuld, anderen Leuten in die Schuhe zu schieben.
Für Jemanden, der die Ausschußberatungen über den Schulgesetzentwurf mit wachen Augen und unbefangenem Sinn verfolgt hat, ist die Schuld der Deutschen Volkspartei ganz zweifelsfrei.
Wir haben vor einigen Wochen schon an dieser Stelle darauf hingewiesen, wie sich die Haltung der Deutschen Volkspartei zur Schulfrage entsprechend der immer stärkeren Betonung ihrer national=liberalen Vergangenheit vom Erträglichen zum Unerträglichen gewandelt hat. Wir wollen deshalb jetzt nicht zu weit in die Vergangenheit zurückgreifen, sondern nur ganz kurz schildern, wie sich die Deutsche Volkspartei in dem knappen Jahr von der letzten Kabinettsbildung bis zum Beginn der Ausschußberatungen im Winter hinsichtlich der Schulfrage umgestellt hat, und wie es allein auf diese Umstellung zurückzuführen ist, daß die christlichen Eltern auch dieses Mal nicht das ihnen verfassungsmäßig versprochene Recht haben gewinnen können.
Entsprechend den Bestimmungen der Artikel 120, 135 und 146 der Reichsverfassung, in denen im allgemeinen und im besonderen das Recht der Eltern und die Freiheit des Gewissens ausdrücklich gewährleistet werden, hatten die Richtlinien der Regierungsparteien vom Februar 1927 in Bezug auf die Regelung der Schulfrage folgendes verlangt: „Erlaß eines Reichsschulgesetzes unter Wahrung der Gewissensfreiheit und des Elternrechtes. Grundsätzliche Gleichstellung der in Artikel 146 der Reichsverfassung vorgesehenen Schularten. Sicherung des Religionsunterrichtes (Artikel 149 R. V.).“ In der Regierungserklärung, die der Reichskanzler Marx im Namen des Gesamtkabinetts am 3. Februar 1927 abgab, heißt es u. a.:„Wenn wir... einen Blick zurückwerfen in die deutsche Vergangenheit, so sehen wir, daß unsere heute bestehende Kultur auf christlicher Grundlage erwachsen ist. Aus diesem Mutterboden heraus muß sich der Geist des deutschen Volkstums immer wieder erneuern. Solche Gedankengänge werden ihre Auswirkung finden bei dem von der Reichsregierung in Aussicht genommenen Reichsschulgesetz. Grundlage dieses Gesetzes ist die Reichsverfassung. Nach ihrem Wortlaut und Sinn müssen die Freiheit des Gewissens und die Rechte der Eltern gewahrt und die Erteilung des Religionsunterrichtes in Uebereinstimmung mit den Grundsätzen der betreffenden Religionsgesellschaften unbeschadet des Aufsichtsrechtes des Staates gesichert werden. Auch ist für eine grundsätzliche Gleichstellung der in Artikel 146 der R. V. vorgesehenen Schularten zu sorgen.“
Diese beiden Erklärungen, die Richtlinien sowohl wie die Kanzlerrede waren, das betonen wir noch einmal ganz ausdrücklich, im Einvernehmen mit der Deutschen Volksvartei ergangen. Man hätte also unbedingt erwarten dürfen, daß die Deutsche Volkspartei praktisch gemäß diesen Erklärungen handeln würde. Das Gegenteil aber ist der Fall gewesen. Die Deutsche Volkspartei hat von Beginn der Ausschußberatungen an fortwährend versucht, den Regierungsentwurf in einem den Regierungsabsichten zuwiderlaufenden Sinne umzugestalten. Sie ist in ihrem Bestreben soweit gegangen, daß sie. in Gemeinschaft mit der Opposition, lieber die ganze Koalition auffliegen ließ, als daß sie sich bereit gefunden hätte, ihren eigenen Richtlinien praktische Geltung zu verschaffen.
Man weiß, daß die Aktion der Deutschen Volkspartei gegen den§ 20, der die Verhältnisse in den alten Simultanschulländern regeln sollte, der wesentlichste Grund zum Scheitern des Reichsschulgesetzes gewesen ist. Diese Aktion lief bekanntlich geradezu darauf hinaus, in den alten Simultanschulländern Baden, Hessen und Nassau ohne Rücksicht auf die Wünsche einer anders denkenden Elternschaft die Errichtung von konfessionellen Schulen für alle Zeit unmöglich zu machen. Die Liberalen konnten sich gar nicht darüber im Unklaren sein, daß ihr, noch dazu verfassungswidriger. Antrag weder vom Zentrum, noch auch von den
Berlin, 2. April.(Eig. Drahtb.) Die„Vossische Zeitung“ veröffentlicht Enthüllungen über die Vorkommnisse beim Reichsbahn=Zentralamt. Das Blatt schreibt: Es besteht der Verdacht, daß der Leiter des Referates„S“ des Zentralamtes, Reichsbahndirektor Neumann von einzelnen Firmen, die durch Verträge begünstigt zu sein schienen, Vorteile erlangt habe.
Es wurde festgestellt, daß Neumann eine Villa in Neubabelsberg von einem Vertragskontrahenten erhielt. Von einem anderen wurde auf die Villa eine Hypothek eingetragen.
Nachdem das Blatt festgestellt hat, daß der zuerst bekannt gewordene Fall des Reichsbahnrates Schulze nur eine Episode innerhalb einer langen Kette gewesen ist, gibt es eine ausführliche Schilderung einer Anzahl vom Reichszentralamt geführter Geschäfte:
U. a. hat das Reichsbahn=Zentralamt im Jahre 1924 der Firma Dr. Kämpfer u. Co. in Griesmarode bei Braunschweig reichsbahneigenes Altmetall zur Umarbeitung übergeben. Als die Firma in der zweiten Hälfte des Jahres 1925 Metall im Werte von 400 000 A zurückliefern sollte, war sie dazu nicht in der Lage. Sie befand sich damals in Zahlungsschwierigkeiten und ist heute in Konkurs.
Die Firma Schoyer, Charlottenburg, deren Mitinhaber Pfeiffer mit Reichsbahndirektor Neumann persönlich befreundet war, und die Firma Alfred Dreyfuß, Charlottenburg, sind nach der Vossischen Zeitung an das Reichsbahn=Zentralamt mit dem Anerbieten herangetreten, die Forderungen an die Firma Dr. Kämpfer zu übernehmen.
Dafür wurde den beiden Firmen der größte Teil des Altmetallabfalles zum Zwecke der Umarbeitung auf die Dauer von 5 Jahren mit hohem Umarbeitungslohn und sehr günstigen Rückführungsbedingungen zur Verfügung gestellt.
Das Konsortium übernahm dafür die Forderungen der Reichsbahn, die aber nicht in bar bezahlt, sondern langsam mit dem Guthaben verrechnet werden sollten.
Aus diesem Vertrag sollen die Firmen einen Jahresverdienst von rund 1,2 Millionen A erzielt haben.
Aber, so fährt das Blatt fort, die Absonderheiten häufen sich. Zunächst verlautet gerüchtweise, daß Reichsbahndirektor Neumann, der eine schloßartige Villa in Neubabelsberg besitzt, zu
Deutschnationalen jemals hätte angenommen werden können, daß er also für die bestehende Koalition unbedingt ein Sprengpulver wirksamster Sorte sein mußte. Die Hartnäckigkeit, mit der die Deutsche Volkspartei, und selbstverständlich auch die ganze Opposition, trotz dieser Aussicht ihren Simultanschulenantrag durchbrachten, ist der beste Beweis dafür, daß die Liberalen den Fall des Reichsschulgesetzes wollten, und daß es lächerlich ist, wenn sie sich nachträglich um die Schuld herumdrücken wollen.
Die Simultanschulaktion der Deutschen Volkspartei war bekanntlich nicht der einzige Angriff, den diese Partei auf den Schulgesetzentwurf unternommen hat. Man weiß, wie die Deutsche Volkspartei schon wankelmütig wurde,, als es an die Definition der religiösen Grundlage des Bekenntnisschulunterrichtes ging; man entsint sich der erfolgreichen Quertreibereien, die die Liberalen beim Kapitel„geordneter Schulbetrieb“ unternahmen. Auch beim§ 13(über Schulaufsicht und Schulverwaltung) hat die Deutsche Volkspartei mit Unterstützung der Opposition einen Zentrumsantrag abgelehnt, der darauf hinwirken wollte, daß„in den örtlichen Schulverwaltungskörpern für Schulen, an welchen Religionsunterricht ordentliches Lehrfach ist, je ein Geisticher der entsprechenden Religionsgesellschaft mit Sitz und Stimme teilhaben“ sollte. Beim§ 14, der Allgemeines über den Religionsunterricht enthielt, hat die Deutsche Volkspartei ebenfalls darauf hingearbeitet, daß der Regierungsentwurf eine wesentliche Verschlechterung erfuhr. Es nützt also wirklich nichts, wenn sich jetzt volksparteiliche Kreise hinstellen und der Welt glauben machen wollen,
Der Reichskanzler wird bis zum 12. ds. Mts. wegen der bevorstehenden Parteisitzung der Zentrumspartei in Berlin bleiben. Danach wird er einen Erholungsurlaub auf einige Wochen antreten.
Der Reichspräsident hat sich auf einige Tage bis über Östern in Urlaub begeben, den er in Hannover zubringen dürfte.
Dr. Kämpfer, mit dem er den Verwertungsvertrag geschlossen hatte, in persönlichem Verhältnis stand und
daß der Firma Dr. Kämpfer u. Co. die 400 000 M. die
sie der Reichsbahn schuldete, auf dem Gnadenwege ge
schenkt worden seien,
da durch den oben erwähnten Vertrag die Forderungen der Reichsbahn von dem genannten Konsortium übernommen waren, das sie aus eigenem Guthaben abdeckte. Jetzt stellt sich aber heraus, daß die Villa in Neubabelsberg ehemals Besitz Dr. Kämpfers war, dem Reichsbahndirektor Dr. Neumann zunächst mietweise überlassen und dann von diesem zu außerordentlich günstigen Bedingungen erworben wurde. Der Erwerb geschah mittels einer Hypothek, die der evemalige Direktor der Frankfurter Metallgesellschaft Heinr. Warming auf das Haus hatte eintragen lassen. Warming, der bis zum Jahre 1924 Berliner Vertreter der Frankfurter Metallgesellschaft gewesen war, und als solcher vielfach mit dem Reichsbahnzentralamt arbeitete, hat im Jahre 1924 eine selbständige Gesellschaft gegründet, an der die Frankfurter Metallgesellschaft als stille Gesellschafterin beteiligt war. Durch persönliche Verhandlungen Warmings mit Neumann wurde erreicht, daß die Firma Heinrich Warming Treuhänderin sämtlicher zu verschrottenden Lokomotiven wurde. Während der Jahre 24 bis 26 sollen ca. 4= bis 6000 Lokomotiven zur Verschrottung gekommen sein. Der mit Warming geschlossene Vertrag soll außergewöhnliche Verdienste für Warming vorgesehen haben. Wie behauptet wird, soll er bis 1926 60 Prozent des Wertes erhalten haben, während zur Zeit 30 Prozent für Warming und 70 Prozent für die Reichsbahn festgestellt sind. Direktor Neumann soll sich für diese Verträge Rückendeckung bei dem damaligen Präsidenten des Reichsbahn=Zentralamtes gesichert haben.
Zusammenfassend kommt die Vossische Zeitung zu dem Schluß, daß Neumann zum mindesten eine unglückliche Hand gehabt habe und daß die Verträge, die er abschloß und die vielleicht unter den damaligen wirtschaftlichen Bedingungen nicht zu beanstanden waren, die Reichsbahn heute schwer belasten.
*
Wie wir von anderer Seite hören, bestätigen sich die vorstehenden Angaben der Vossischen Zeitung im wesentlichen. Bei den Geschäften sollen außerdem noch sogenannte Lizenzgebühren eine Rolle spielen. Die Staatsanwaltschaft hat ihre Untersuchung in der Angelegenheit auch auf die erwähnte Frankfurter Gesellschaft ausgedehnt.
ihre Partei sei nicht am Scheitern des Schulgesetzes und nicht am Zerfall der Regierungskoalition schuld. Die Tatsachen sprechen ein so deutliches Wort, daß wir die Verteidiger der volksparteilichen Haltung wirklich nicht um ihre Aufgabe beneiden.
Nichtangriffspakt
Königsberg, 2. April.(Eig. Drahtb.) Ein polnisch-litauischer Nichtangriffspakt ist heute nachmittag von dem polnischen Außenminister Zaleski und dem litauischen Ministerpräsidenten Woldemaras in einer Note vorgeschlagen worden mit dem Ziele. jeden Angriff unmöglich zu machen.
Abschluß der Königsberger Konferenz.
Königsberg, 2. April.(Eig. Drahtb.) Die polnisch=litauische Konferenz fand heute nachmittag ihren Abschluß. In der letzten Sitzung beschränkte man sich auf die Einsetzung von drei Kommissionen, und zwar für Wirtschafts= und Verkehrsfragen, für Sicherheitsfragen und für den örtlichen Verkehr. Die Vorsitzenden dieser Ausschüsse sollen am 20. April in Berlin zusammentreffen und den Beginn der Ausschußarbeiten vereinbaren. Es ist in Aussicht genommen, daß der Ausschuß für Wirtschaftsund Verkehrsfragen in der litauischen Hauptstadt Kowno, der Ausschuß für Sicherheitsfragen in der polnischen Hauptstadt Warschau und der Ausschuß für den örtlichen Verkehr in Berlitagen wird. Am Schluß der Sitzung sprachen die Delegationsführer den deutschen und den Königsberger Behörden ihren Dank für den gastfreundlichen Empfang aus.
Polnisch=litauischer Grenzzwischenfall.
Kowno, 2. April.(Eig. Drahtb.) Eine Bande von etwa 60 bewaffneten Männern näherte sich letzte Nacht der Demarkationslinie des Bezirks Troky unweit des Dorfes Gerviniai und feuerte drei Minuten lang mit Gewehren und Maschinengewehren gegen Litauen. Wie die Litauische Telegraphenagentur mitteilt, bestätigen die erhaltenen Meldungen, daß dabei beabsichtigt wurde, eine kriegerische Auseinandersetzung herbeizuführen, was sich aber nicht verwirklichen ließ. Der Zwischenfall wurde heute auf der Königsberger Konferenz von Woldemaras mitgeteilt.