Gelefenste Tageszeitung und Haupt-Anzeigenblatt von meinerzhagen und Umgegend
Erscheint täglich mit Angnahme der Sonn= und Feiertage und kostet, durch unsere Boten frei ins Haus gebracht, monatlich 4.— Mk., durch die Post bezogen vierteljährlich 12,42 Mk.— Fernsprocher Amt Meinorzhagen Nr. 242.— Berantwort= icher Schriftleier: Walther Kämper.
Amtlicher
Wöchentliche Freibeilage: Jtlustriertes Soontagsblatt.
Anzeiger
Druck und Verlag: Walther Kämper, Meinerzhagen.
Anzeigenpreis für 1 mm Höhe und 45 mm Breite 20 Pfg., im Roklameteil 1 mm hoch und 90 mm breit 60 Pfg. Jede Nachlaß=Bewilligung wird bei zwangsweiser oder gerichtlicher Beitrei= dung hinfällig. Preis für Beilagen noch Uebereinkunft. Gegründet im Jahre 191
Nr. 228
Dienstag, den 12. Oktober
1920
Aus der Heimat.
Einsendungen aus unserm Leserkreise sind jøderzeit willkommen; umgohende Jusendung ist erforderlich.———
Meinerzhagen. den 12. Oktober.
— Die Luxussteuerpflicht erstreckt sich nach einer Entscheidung des Reichsministers der Finanzen sogar auf Diplome, Preisbestätigungen aller Art, Ehrenbürgerbriefe rc. Sie sind dies bei Hersteller als Schmuck= und Ziergegenstände der Inneneinrichtung, auch wenn Tert oder Innenzeichnungen auf ihnen noch nicht angebracht sind. Steuerfrei sind dagegen seidene Damenunterröcke aus Taft oder aus Messaline als Gegenstände der Oberbekleidung. Es gilt dies sogar für Unterröcke aus Taft faconne, da Taft faconne nicht zu besonders bestimmten feinen Seiden zählt. Damenstrümpfe sind dagegen luxussteuerpflichtig, wenn sie aus 50prozentiger reiner Seide und 50 Prozent mit Seide hinterlegtem Baumwollgarn hergestellt sind. Während Gebinde und sonstige Herrichtungen aus natürlichen Blumen und Pflanzen lurussteuerpflichtig sind, gilt dies nicht für die künstlichen Blumen, wenn nicht elwa wegen ihres Stoffes die Luxussteuerpflicht eintritt.
— Eine Erfindung, die Banknotenfälschungen verhindert.. Die Arbeit der Banknotenfälscher wird durch eine Erfindung erschwert werden, die soeben in Prag gemacht und bereits von der tschecho= lowakischen Regierung erworben worden ist. Sie besteht darin, daß dem Banknotenpapier Eisen= und Nickelblättchen beigemengt werden. Die aus solchem Papier hergestellten Banknoten werden infolgedessen von einem Magneten angezogen, wodurch ihre Echtheit leicht und allgemein überprüft werden kann. Da die Prüfung der Metallblättchen während der Papierfabrikation erfolgen muß und nicht anzunehmen ist, daß sich Banknotenfälscher die Errichtung einer Papierfabrik leisten werden, gibt dieses Mittel einen beinahe sicheren Schutz gegen Fälschungen.
— Bei der Erhebung der Umsatzstener soll auch die Polizei mitwirken. Insbesondere gilt dies für den Straßenhandel. Schon die Ausführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz sehen ein Zusammenarbeiten mit den Landesbehörden, insbesondere den Polizeibehörden vor, die sich mit der Bekämpfung des Wuchers und der Preistreiberei befassen. Die Ortspolizei soll dem Umsatzsteueramt alle Personen mitteilen, die von Gasthöfen, Pensionen 2c. als Neuankömmlinge gemeldet werden und von denen sie weiß oder vermutet, daß es sich um Kaufleute ohne inländische Betriebsstätte handelt, die sich zum Abschluß von Geschäften im Orte aufhalten. Auch die Aftermieter sollen gemeldet werden. Diese Mitwirkung der Polizei ist aber nicht bindend angeordnet, da sie besonders in den Großstädten kaum durchgeführt werden könnte. Die Ausführung soll vielmehr zwischen den Leitern der Umsatzstenerämter und den Polizeibehörden vereinbart werden. Der Reichsminister der Finanzen hat die Umsatzsteuerämter angewiesen, Besprechungen herbeizuführen und mit der Polizei dauernd zusammenzuwirken. Die Ueberzeugung von der Notwendigkeit eines engen Zusammenarbeitens müsse Gemeingut der Umsatzsieuer= und Polizeibehörden werden.
— Wie wird der Winter? Der Herbst dürfte
voraussich lich infolge der stärker austretenden Niederschläge die öfters von nördlichen„Winden begleitet sein werden, etwas frühzeitig Frostgefahr bringen, während der Spätherbst dann wieder verhältnismäßig noch warme Witterung aufweisen dürfte. Nach der bisherigen Entwicklung der Sonnenflecken und der von ihnen beschriebenen Kurven besteht Aussicht auf einen sehr milden, feuchten Winten. Ob's zutrifft?
— Einreise nach Oberschlesien. Nach den geltenden Vorschriften ist für die Einreise nach Oberschlesien das Visum einer französischen Vertretung erforderlich. Für die Bewohner der besetzten rheinischen Gebiete ist das französische Konsulat in Köln— Mainz zuständig. Ueber die Ausweispapiere, welche Abstimmungsberechtigte benötigen, ist noch keine Entscheidung getroffen.
— Briefmarken nicht mit der Zunge anfeuchten! Seit Monaten werden Briefmarken als Kleingeld verwendet; sie werden oft zwischen Kupfermünzen und anderem Gelde, zumeist recht beschmutztem Paviergelde, im Geldtäschchen, in der Westentasche, unterm Uhrdeckel herumgetragen, sind von Fingerschweiß und Fingerschmutz, Grünspan und allerhand schädlichen Stofsen, die leicht am Klebstoff hängen bleiben und diesen mit Bazillen versehen, behaftet. Niemand sollte daher die Briefmarken mit der Zunge anfeuchten.
— Billigere Zündhölzer? Das Reichswirtschaftsministerium hat mit der Zündholzindustrie Verhandlungen über die Ermäßigung der Zündholzpreise eingeleitet.
— Steuern von den Steuern. Bei verschiedenen Veranstaltungen hatten die Veranstalter die Billetsteuer auf den Preis der Eintrittskarten geschlagen, um an der Kasse keine Scherereien mit Nachforderungen für die Steuer zu haben. Die Steuerverwaltung verlangt dann aber nicht die Steuern von dem wirklichen Eintrittspreis, sondern von den eingenommenen Geldern, sodaß von den Steuern noch einmal Steuern vezahlt werden mußten. Auf eine Beschwerde der Wirte und Saalbesitzer hat jetzt die Steuerbehörde zugestanden, daß die Steuer von nun dem tatsächlichen Eintrittsgeld zu entrichten ist.
Moderne Reklame. Wie uns aus London ge schrieben wird, ist dort der Direktor eines Varietes auf eine gar nicht üble neuartige Reklame verfallen: Eines Tages fährt durch eine der belebtesten Straßen, noch dazu um die Mittagsstunde, eine Droschke. Plötzlich wird der Schlag aufgerissen und heraus stürzt ein Zuchthäusler, wie aus der Kleidung des Mannes leicht zu schließen ist, und sucht das Weite. Ihm nach der begleitende Wärter, dem es bald glückt, den Ausreißer, der im Gedränge nicht so rasch vorwärtskommt, wieder einzufangen. Nun setzt sich aber der Mann zur Wehr, reißt sich los und sucht wieder zu entkommen. Bald aber wird er durch das inzwischen au merksam gewordene Publikum am Weiterlaufen verhindert und flüchtet nun geradewegs in eine offenstehende Haustüre, gefolgt von dem hinter ihm hereilenden Wächter. Kaum waren beide im Hause, da flog die Türe zu und dem erstaunten Publikum zeigten sich große auf der Außenseite der Tür angebrachte Plakate, die auf das neue„Riesen=Weltstadt=Programm“ eines Varietes hinwiesen. Nach kurzer Zeit kamen der vermeintliche Sträf
ling und sein„Wächter“ Arm in Arm aus dem Hause, verneigten sich höflich vor dem Publikum und bestiegen ihr Fahrzeug aufs neue, um an einer anderen Stelle ihren Trick zu wiederholen.
Haus. Hof
arlen
Blumengarten: Wir können noch Treibveilchen eintopfen oder ballenhaltende Büsche für die zeitige Frühjahrsblüte in kalte Kästen pflanzen. Alle empfindlichen Topfgewächse sind in Sicherheit zu bringen. Chrysanthemen mit vorgerückten Knospen gehören auch unter Dach, weil starker Reif letzteren immer schadet. Die Alpenveilchen belassen wir zunächst noch im Mistbeet, die kühle Herbstluft ist ihnen noch sehr zuträglich. Wer mit dem Einpflanzen von Goldlack und Winterlevkoien noch im Rückstande ist, hole die Arbeit baldmöglichst nach. Dahlien, Canna und andere Knollengewächse werden ausgehoben, nachdem die oberen Teile dem Froste zum Opfer sielen; sie werden zum Abtrocknen an einen luftigen, aber frostfreien Ort gelegt. Der Liebhaber frühblühender Sommergewächse schreite zur Aussaat von Iberis, Eschscholtzien, einjährigem Rittersporn 2c. An abgeblühten Stauden sind die Stengel nun kurz über dem Erdboden abzuschneiden, um die Pflanzen wird kurzer Dung gebracht. Wir sorgen in den Herbsttagen auch für eine ausreichende Bodenfeuchtigkeit an Koniferen und allen sonstigen immergrünen Gewächsen, damit sie im Winter nicht vertrocknen, sammeln recht viel gutes, möglichst trockenes Baumlaub und legen alles sonst nötige Deckmaterial schon bereit, Anzeichen für einen zeitigen Winter sind vorhanden.
Wann soll Obst gepflückt werden? Das Sommer= und Herbstkernobst, also die früheren Aepfel und Birnen, werden von unseren Gartenbesitzern fast durchweg zu spät und das Winterkernobst meistens zu früh geerntet. In beiden Föllen leidet die Haltbarkeit und der Wohlgeschmack. Sommerbirnen werden außerdem bei zu später Ernte mehlig oder teigig, braun und morsch. Die landläufige Ansicht ist, daß die Pflückreife gekommen ist, wenn die Kerne braun sind. Das ist aber ein Irrtum. Die richtige Baumreife ist gekommen, wenn bei gleichzeitigem leichten Anheben und Wenden der Frucht in der Hand sich die Frucht an der natürlichen Ansatzstelle des Stiles leicht vom Baum löst. Muß Gewalt angewendet werden, ist es zur Ernte noch zu früh, ganz besonders, wenn Teile des Fruchtholzes oder gar noch Blätter sich mit ablösen. Löst sich aber die Frucht leicht vom Baum, ist sie auch im Zustande richtiger Pflückreife, wenn sie einstweilen auch noch grün, duftlos und ungenießbar erscheint. Die Genußreife bekommt sie dann durch die Lagerung.
Dergute Ton.„Ist es wahr, daß du dich mit dem Assessor Bärenklau verloben willst?"—„Ja, lieber Onkel, das gehört nämlich zum guten Sen. mest ihm verlobt gewesen zu sein."
Die Diamantenkönigin.
Romaa von Erich Friesen.
29.
nur um den Verlust des guten Onkeis trauert sie— nein, weit mehr noch um den Verlust des Mannes, den sie liebt, liebt mit der ganzen Leidenschaft ihres unberührten Herzens.
Weit breitet sie die Arme aus, äls könne sie es halten, dieses Traumbild des Glückes.
Ach, könnte sie zu ihm, zu dem Geliebten! Könnte sie in seine Arme flüchten, daß er sie schütze vor jenem Unverschämten da unten! Könnte sie an seiner Brust ihren Schmerz, ihr Leid ausweinen!
Doch— wo ist er? Wie, wenn sie ihn nie wiedersehen sollte? Wenn die erbarmungslose Faust des Schicksals den farbenprächtigen Schleier, der ihre Zukunft ehedem mit zartem rosigen Dunst umhüllte, zerrissen und das schwarze Bahrtuch über ihr Lebensglück gebreitet hätte?
Wild schlägt ihr Herz bei diesem Gedanken; sie springt empor, will rufen, kein Laut kommt aus ihrer Kehle: die Hände aufs Herz gepreßt, steht sie am Fenster und blickt hinaus in den leeren Park— starr, tränenlos, und eine plötzliche Angst befällt sie, Angst vor der Zukunft, die sich wie ein düsterer Abgrund vor ihr auftut.
Der nächste Tag steigt langsam auf hinter der grauen Regenwand, die die ganze Natur ringsum umschließt. Vom bleifarbenen Himmel regnet es in feinem Gesicker, in plätschernden großen Tropfen, in schiefen, eiligen Strahlen fort und fort, den ganzen Vormittan— mit imponierender Ausdauer.
Frau von Althoff=Harrison hat es vorgezogen, ihr Frühstück im Bett einzunehmen; gähnend schlürft sie ihre Schokolade, dreht sich dann mißvergnügt wieder auf die andere Seite, um weiter zu duseln, und bequemt sich erst gegen Mittag zum Aufstehen. Ihre Lanne ist auch jetzt noch die denkbar schlechteste; nichts kann Gertrud ihr recht machen, an allem findet sie ctwas zu tadeln.
Plötzlich erregt ein gelles Töff=Töff unten im Park ihre Aufmerksamkeit; sie eilt ans Fenster und wie durch einen Zauberschlag ist jede Spur von Langeweile, von Mißstimmung aus ihrem Antlitz weggewischt in ihren Augen zuckt es triumphierend auf, ein Lächeln der Befriedigung umspielt ihre Lippen.
„Rasch, rasch mit meiner Toilette! Sie sind heute furchtbar langsam, Gerda!“
Nach kurzer Zeit steht Madame vor dem hohen Ankleidetrumeau und mustert aufmerksam ihr Spiegelbild, wobei sie mit besonderer Sorgfalt an ihren Stirnlöckchen zupft und noch einmal mit der Puderquaste über das etwas erhitzte Gesicht fährt; dann nimmt sie mit bei ihr seltsamer Hast die Schleppe ihres perlgrauen Samtgewandes zusammen und eilt davon.
Ganz gegen ihre Gewohnheit blickt Gertrud ihrer Herrin durch die offene Tür nach, wie sie, strahlend im Schmuck ihres leuchtend blonden Haares, die tep pichbelegten Treppenstufen hinabschwebt, und eine gewisse Neugier regt sich in ihr, wer der neue Gast wohl sein könne, der Madame in so freudige Aufregung versetzt
Wie von einer unsichtbaren Macht getrieben, beugt sie sich über das Treppengeländer und späht hinab, als ein Name an ihr Ohr dringt, der ihr das Blut in rasender Geschwindigkeit zum Herzen treibt.
„Ah. mein lieber Herr Rode, schön, daß Sie noch
gekommen sind!“ schallt die fette Stimme des Bankiers Morgenstern zu der oben gespannt Lauschenden herauf.
Wäre es möglich? Er— hier? Er, nach dem ihr Herz so sehnsüchtig verlangt?
Doch nein! Nicht der schlanke junge Schriftsteller ist es, dem Frau von Althoff=Harrison soeben mit honigsüßem Lächeln die beringte Hand entgegenstreckt, sondern ein ältlicher, behäbiger Herr mit etwas rotem freundlichen Gesicht und leicht ins Graue spielendem Haar und Bart.
„Endlich, endlich erscheinen auch Sie auf der Bildfläche!“ flötete der Madame modulationssähige Stimme. „Bereits über eine Woche amüsieren wir uns hier köstlich— dank der Liebenswürdigkeit unseres verehrten Gastgebers— und Sie fehlten noch immer!“
„Geschäfte; dringende Geschäfte, meine Gnädige! Sonst hätte mich nichts abhalten können," lautet die eifrige Erwiderung.„Denken Sie nur, man ist der ge heimnisvollen Diamantendiebin auf der Spur!“
„Ah— wirklich?" macht Madame, scheinbar lebhaft interessiert, während die oben noch immer über das Treppengeländer gebeugte Gertrud etwas wie ein Zittern der Angst in der silberhellen Stimme zu vernehmen glaubt.
„Bah! Lassen wir die langweiligen Geschäfte!“ lacht Madame wieder mit den ihr eigenen girrenden Lauten.„Kommen Sie herein zu den andern, Herr Rode! Ich ernenne Sie für den ganzen heutigen Tag zu meinem Ritter!“
Sie“ legt die Hand in seinen Arm und schwebt an seiner Seite dem Speisesaal zu, Gertrud aber, die sich schon enttäuscht in ihr Zimmer zurückziehen will, wird noch einmal auf ihren Lauscherposten festgebannt.
Fortsetzung folgt.