Mendener Zeitung

Erscheinungstage: Diens­tag, Donnerstag, Samstag. Bezugspreis: Durch die Boten oder die Post bezogen monatlich 1.40 M, durch den Briestäger frei ins Haus ge­dracht monatlich 1,40 M. Einzelne Nummern, sowie Belege werden mit 10 Pfg. berechnet. Druck und Ver­lag: W. Niedel in Menden.

Westfälischer

Amtliches Organ

Telegraph:

der Stadt Menden

Gegründet im Jahre 1860, Fernsprecher Nr. 17 Menden

Wöchentliche Beilage: Achtseitiges illustriertes Sonntagsblatt

Nr. 96. Erstes Blatt.

Samstag, den 9. August 1924.

Anzeigenpreis: Stadt= und Amt Menden 10 Pfg., aus­wärts 15 Pfg. für die Milli­meterzeile oder deren Raum. Reklamen die Millimeter­zeile 50 Pfg. Bei zwangsw. Beitreibung der Gebühren od. durch gerichtliche Mitwirkung wird jede Vergünstigung hin­fällig. Für die Aufnahme von Anzeigen an bestimmt vor­geschriebenen Tagen oder Stellen keine Gewähr.

65. Jahrgang.

Was gibt es Neues?

In London wurde über einige wichtige Punkte eine Einigung erzielt.

Das englisch=russische Abkommen wurde im Untes­hause von Lloyd George scharf kritisiert.

Präsident Coolidge erklärte, die amerikanische Re­gierung könne nicht die Garantie für die deutsche An­leihe übernehmen.

Der Lausanner Vertrag ist nach Ratifizierung durch drei Mächte(England, Italien und Japan) in Kraft getreten.

Herriot und Theunis haben mit Macdonald über die militärische Räumung verhandelt.

Höflichkeitsbesuche.

Marx und Stresemann bei Herriot.

Am Donnerstag nachmittag ½ 4 Uhr haben Reichs­kanzler Dr. Marx und Außenminister Dr. Stresemann Herriot einen Besuch abgestattet und bei den ande­ren Delegationen Karten abgegeben. Herriot hat den Besuch bereits erwidert.

Quotidien gibt den Wortlaut des Gesprächs wieder, das die deutschen Delegierten bei Herriot hat­ten.

Wir sind gekommen, soll Marr gesagt haben um Ihnen, indem wir sie gleichzeitig unserer Hoch achtung versichern, zu sagen, daß wir versucher möchten, normale Beziehungen zwischen unseren bei den Ländern herzustellen.

Herriot betonte seinerseits seinen Willen zur Zu­sammenarbeit und fuhr fort:Wir werden groß Schwierigkeiten zu überwinden haben, aber ich hoffe daß wir, wenn wir gemeinsachftlich daran arbeiten, den Frieden in Europa wiederherstellen.

Marx habe dann Herriot gegenüber betont, daf er kein Diplnmat, sondern daß er ein aufrichtiger Mensch sei, der den Friedensweg suche. Er habe dann, zum französischen Ministerpräsidenten gewendet, hinzu­gefügt daß, wenn es Herriot gelänge, alle Schwierig­keiten zu überwinden, er überzeugt sein könnte, ein großes Resultat vor der Welt erreicht zu haben.

*

Falls dies wirklich der ganze Inhalt der Unter­redung gewesen sein sollte, so würde dieser Besuch also noch nicht den Beginn der deutsch=französischen Verhandlungen über die Ruhrfrage bedeuten, sondern höchstens ein Vorspiel dazu. Dagegen soll in einer Besprechung, die Macdonald Donnerstag abend mit Herriot und Theunis hatte, hauptsächlich über die Ter­mine der militärischen Räumung gesprochen worden sein. Jedenfalls scheinen die Dinge doch nicht so schnel! zu gehen, wie es sich Optimisten einbildeten. Mac­donald äußerte sich am Donnerstag dahin, daß er hoffe, am Montag fertig zu werden.

Barthous Klage.

Die Repko kommt sich überflüssig vor.

Die Reparationskommission blühte seit ihrer An­kunft in London bescheiden wie ein Veilchen im Moose. Man sprach wenig oder nichts von ihr. Diese Rolle konnte Herrn Barthou, dem hohen Präsidenten der Repko, natürlich nicht behagen. Er hat jetzt alli­ierten Journalisten gegenüber seinem grollenden Her­zen gründlich Luft gemacht. Er erklärte zunächst, daß die Repko ihre Aufgabe,die Organisationspläne der Dawes=Ausschüsse zu prüfen", abgeschlossen habe. Die Kommission wisse überhaupt nicht, wozu sie noch in London sei, da man, ohne mit ihr in Fühlung zu tre­ten, ihr nur eine Drucksache aus der Konferenz über­sandt habe, in der einige Punkte aufgezählt seien, über die sie mit der deutschen Regierungzu verhandeln habe. Die Pflicht der Konferenz wäre es gewesen, die Reparationskommission zu ersuchen, festzustellen, wel­che Fragen von der Reparationskommission selbst und welche Fragen von der Konferenz behandelt werden könnten.

Diese Konferenz, so meint Barthou,von der ich nichts anderes weiß, als daß man mit den Rechten der Reparationskommission nicht recht vertraut zu sein scheint, interessiert mich gar nicht. Sie fragen mich nach den Aussichten der Konferenz. Darüber müssen die Journalisten, die mit der Konferenz täglich in Be­rührung kommen, viel besser orientiert sein, als ich. Wir möchten am liebsten morgen Abend wieder nach Paris abreisen und dort in aller Gemütsruhe warten, bis wir ein Telegramm erhalten, zu einem bestimmten, klar umschriebenen Zweck nach London zu kommen. Dann werden wir es uns aber sehr überlegen, ob wir ebermals die Reise machen, und für unsere Mitwir­sung die Berücksichtigung unseres Standpunktes for­dern.

Der Londoner Kuhhandel.

Kleine Zugeständnisse.

möalis Konferenzarbeiten werden mit dem Verbauen, Hochdruck betrieben und die gegenseitigen

#ndlungen, die morgens schon in aller Frühe be­den#enden meist erst in den späten Abendstun­

en. Zwei der vor der Ankunft der deutschen Dele­

gation eingesetzten Kommissionen der Konferenz, und diejenigen, die sich mit der Frage der wirtschaftlichen Räumung der Ruhr bezw. der der Transferzahlungen und der Sachlieferungen befassen, hielten verschiedene Sitzungen unter Teilnahme der deutschen Delegierten ab. Das Hauptinteresse in politischen Kreisen ist na­türlich den Verhandlungen innerhalb des Rates der Vierzehn" zugewandt, der auch am Donnerstag meh­rere Sitzungen abhielt.

Offiziell allerdings verlautet über diese Verhand­lungen derVierzehn vorläufig noch nichts, aber von

gut unterrichteter Seite wird versichert, daß der Rat erVierzehn bereits zu einem Ergebnis über den Bericht der ersten alliierten Kommission über die Ver­fehlungsfrage gekommen ist, ohne daß diesem Ergeb­nis von irgend einer Seite nennenswerte Schwierig­keiten im Wege gestanden hätten. Nach der Erledigung dieser Frage wurde die Frage der Amnestie und außer­dem zwei andere Probleme von mehr oder minder politischer Natur aufgegriffen.

Die wirtschaftliche Räumung.

Die Verhandlungen der 2. Kommission über die wirtschaftliche Räumung sind in wesentlichen Punkter zum Abschluß gelangt. Nach den neuen Beschlüssen sol die Räumung am 5. Oktober statt am 15. Oktober zun Abschluß gebracht sein. Die Wünsche der deutschen De legation hinsichtlich der Verkürzung der Räumungs fristen sind also nicht ganz in Erfüllung gegangen aber es sind immerhin zehn Tage gewonnen worden

Die Amnestiefrage.

In der Amnestiefrage wurden die deutschen For derungen erfüllt, wonach auch Verbrechen der Sabo. tage, sowie Vergehen gegen dieSicherheit der Be­satzungstruppen in die Amnestie einbezogen werder sollen. Im übrigen wurde beschlossen, daß auf beider Seiten keine neuen Verfolgungen mehr in Kraft tre ten sollen. Die Tinzelheien des Uebereinkommen: werden gegenwärtig von dem juristischen Komitee aus. gearbeitet.

Die deutsche Delegation stellte ferner den An­trag, daß die Deutschen das Recht erhalten sollen, auch gegen Entscheidungen der Rheinlandkommission an eir Schiedsgericht appellieren zu können. Dieser Antrag wurde jedoch abgelehnt und zwar auf Antrag des eng­lischen Vertreters Crowe

Aufrollung der Schuldenfrage?

Aenderung der öffentlichen Meinung Amerikas.

Wie aus Paris berichtet wird, scheint Frankreich est entschlossen zu sein, das interalliierte Schulden­roblem in den nächsten Tagen in London zur Sprache su bringen. Der französische Finanzminister hat dem mglischen Schatzkanzler eine Denkschrift über die in­eralliierten Schulden zugehen lassen. Ferner haben sie in London weilenden Vertreter der französischen ozialistischen Parteien neue Zusammenkünfte mit Mit­liedern der Labour Party gehabt. Sie legten in ihnen iusführlich den französischen Standpunkt in der Frage es interalliierten Schuldenproblems dar und drängten iuf ein Entgegenkommen der englischen Regierung.

DieInformation meldet aus New York, daß ser ehemalige amerikanische Beobachter in der Repa­ationskommission, Boyden, erklärt habe, daß sich in Amerika die öffentliche Meinung in ihrer gegen die Unnullierung der Kriegsschulden gerichteten Haltung u ändern beginne. Boyden habe der Auffassung Aus­rruck gegeben, daß die wirtschaftlichen Prineivien zu einer Revision der Schuldenfrage führen müssen.

Am den englisch=russischen Vertrag.

Entrüstungssturm im Unterhause.

Der Abschluß des englisch=russischen Uebereinkom­mens und die beabsichtigte Unterzeichnung des Ver­trages am Freitag hat einen Entrüstungssturm im Un­terhause hervorgerufen. Lloyd George und Sir Robert Horne sind die Führer im Kampf gegen die Unter­zeichnung des Abkommens.

Lloyd George nannte das russische Abkommen ein noch nie dagewesenes Dokument. Er sagte, er wünsche es klar zu machen, daß er keineswegs gegen einen Ver­trag mit Rußland sei. Die Regierungsform, die die Russen hätten, sei vollkommen Sache des russischen Volkes. Er sei stets nachdrücklich für einen Vertrag mit Rußland eingetreten. Lloyd George forderte Pon sonby auf, nur eine Streitfrage zwischen England und Rußland zu nennen, die in diesem sogenannten Ver­trage geregelt sei. Er drang in die Regierung, ein vorläufiges Uebereinkommen zu schließen und alle Dis­pute an eine Kommission zu überweisen, bevor ein Ver­trag. geschlossen werde. Horne verlangte die Hin­ausschiebung der Unterschrift bis zum Herbst.

Die Verhandlungen, die am Montag früh für abgebrochen erklärt wurden, sind lediglich durch das persönliche Eingreifen des Ministerpräsidenten wieder in Gang gekommen. Dieses Eingreifen ist, wie es heißt, infolge eines Drucks des linken Flügels der Arbeiter­

partei auf den Ministerpräsidenten erfolgt. Die Wie­deraufnahme der Verhandlungen und der Abschluß eines Vertrages wird als ein Sieg Sowjetrußlands bezeichnet, das die gegenwärtige Zwangslage der eng­lischen Regierung geschickt ausgenutzt habe. Der linke Flügel der Arbeiterpartei habe die außenpolitische und parlamentarische Behinderung der Regierung geschickt gegen Macdonald ausgenutzt. Eine zweite Quelle des Unwillens ist die ungenügende Berücksichtigung briti­scher Interessen; abgesehen von den Ansprüchen rus­sischer Gläubiger, bezweifelt man die Fähigkeit des englischen Geldmarktes, eine russische Anleihe aufzu­bringen. Die englische Regierung ist durch diesen An­sturm wegen des Abkommens in eine äußerst schwierige Lage gekommen.

Im Oberhaus erklärte Lord Curzon, der eng­lisch=russische Vertrag bestehe darin, alles zu geben und nichts zu nehmen.

Deutsches Reich.

Berlin, den 9. August 1924.

Aufwertung von Spareinlagen. Der Rat und dieStadtverordneten=Versammlung von Dömitz wol­len sich mit der Aufwertung der Spareinlagen befassen. Nach dem Antrage sollen die Spareinlagen bei der Stadtsparkasse bis zum 31. Dezember 1918 zum vol­len Goldwert, vom 1. Januar 1919 ab nach der Kauf­kraft im Inlande aufgewertet bezw. anerkannt werden. Eine Rückzahlung kann jedoch erst am 1. Januar 1928 verlangt werden.

Die schwierige Finanzlage Badens. Im ba­dischen Landtag gab Regierungspräsident und Finanz­minister Dr. Köhler ein Bild der gegenwärtigen äußerst prekären Finanzlage des Staates, die ein sofortiges energisches Handeln nötig mache. Trotz größter An­spannung aller Einnahmen und Abstreichung aller Aus­gaben schließt der Etat mit einem Defizit von vier Millionen Mark. Die ordentlichen Ausgaben von 166 Millionen weisen eine Steigerung von mehr als 18 Millionen auf. Der Gesamtzuschuß beträgt 15 Mil­lionen, von denen für 4 Millionen keine Deckung vorhanden ist. Diese Zahlen beleuchten den ganzen Ernst der Situation. Der Finanzminister bemerkte, er müsse vor aller Oeffentlichkeit erklären, daß man außerstande sei, diesen schweren Aufwand noch auf die Dauer bestreiten zu können.

Die Teutsche Volkspartei und die Verfassungs­feier. Die Stadt Düsseldorf hat für den 11. August eine Verfassungsfeier vorbereitet und dazu die Frak­tionen der Stadtverordnetenversammlung eingeladen. Nach einer Mitteilung derKölnischen Zeitung hat der Führer der Deutschen Volkspartei, Rechtsanwalt Dr. Fusbahn die Einladung abgelehnt mit der Begründung, daß die Deutsche Volkspartei gegen die Verfassung gestimmt habe, wenn sie dieselbe auch achte. Da sie eine Aenderung der Verfassung auf verfassungsmäßi­ger Grundlage anstrebe, habe sie keinen Grund, an einer Feier zur Erinnerung an diese vor fünf Jahren vollzogene Verfassung teilzunehmen. DieKölnische Zeitung bemerkt dazu, daß dieser Standpunkt zwei­fellos auch anderwärts im Reiche von der Deutschen Volkspartei eingenommen wird.

Auslands=Rundschau.

Spanien: Keine Rivera=Krise.

L- General Primo de Rivera hat gegenüber den Ankündigungen eines nahen Endes der Diktatur beim Verlassen des Königspalais, wo er dem König einige Verordnungen ohne Bedeutung zur Unterschrift vor­gelegt hatte, seinemErstaunen über diese Ansicht Ausdruck gegeben. Er erklärte, daß die Atmosphäre, die er bei seiner Ankunft in Madrid vorgefunden habe, eine äußerst günstige sei, und daß er nichts zu be­fürchten habe.

Bulgerien: Eine griechenfeindliche Kundgebung.

Bulgarische Manifestanten schlugen gemeinsam mit Soldaten im griechischen Konsulat in Philippopolis die Fenster ein und schmählen die griechische Flagge. Der griechische Gesandte in Sofia protestierte dagegen und verlangte Schadenersatz und Sanktionen. Bei dem n Bulgarien herrschenden Terror sind die dort woh­nenden Griechen gezwungen, die Städte zu verlas­sen und sich auf die Dörfer zu flüchten.

+ Athen. Es kam zu einem Zusammenstoß zwischen riechischen Soldaten und Komitadschis, bei denen einer etötet wurdbe. Nördlich von Petrich konzentrierte die

ulgarische Regierung 300 Soldaten, da sie Angriffe der ürken befürchtet.

Mussolinis Eigenlob.

Die Verdienste des Faszismus.

Im faszistischen Nationalrat hielt Mussolini eine Rede, in der er auf die verschiedenen Provleme ein­jing, die im Nationalrat zur Sprache gekommen wa­ten. Mussolini räumte ein, daß der Faszismus in zewissem Sinne die Eitelkeit allzu sehr begünstigt have. Es gebe zuviel Kommandeure und Ritter, und man jabe zu viel Auszeichnungen austeilen müssen. Der