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zernstrech=Anschluß Nr. 97.
Dienstag, den 26. April 1904.
Postzeitungsliste Nr. 3276.
21. Jahrgang
Der Krieg zwischen Rutzland und Lapan.
London, 24. April. Mit gespanntester Erwartung stehl man den nächsten Meldungen vom Jalu entgegen. „Dally Chroniele" erhält eine von vorgestern datierte Depesche aus Söul, wonach es beretts am Jalu zu schweren Kämpfen gekommen wäre. Ein Zusatz lautei, aus stralegischen Gründen sei es einstwellen unmöglich, näheres zu erfahren.— Die„Morningpost“ vernimmt über Schanghal: Die erste japanische Armee habe ohne ernsten Widerstand den Jalu überschritten.
Söul, 25. Aprll. Die japanische Linle erstreckt sich auf 30 Meilen längs des Jaluflusses mit Jonggampho bis 10 Meilen oberhalb Widschus. Die Russen haben ihre stärkste Stellung bei Antung. Mehrere Inseln, eine oberhalb, zwei unterhalb Widschu, erleichtern den Angriff, da sie der Artillerie einen Stützpunkt bei der Deckung der Ueberschreitung des Flusses bieten. Die Japauer landen Truppen und errichten in Hunangtschau unterhalb Jongampho Baulen. Das Landvolk in Hualschung am Nordufer des Jalu verkauft Vleh und Mundvorräte an die Russen. Mehrere koreanische Offizlere, die im Verdachte sind, den Russen als Spione gedient zu haben, wurden verhaftet.
Pelersburg, 25. Aprll. Gestern ging das Gerücht, Wladtwostok sel von der sapanischen Flotte bombardiert worden. Eine amtliche Bestätigung der Nachricht liegt indessen noch nicht vor.
In Port Arthur herrscht, wie von amtlicher russischer Seite gemeldet wird, überraschende Ruhe. Die Seelente sowie die Bevölkerung ertragen die Belagerung erstaunlich kaltblütig und mannhaft. Der Untergang Makarows und des„Petropawlowsk“ samt dem ganzen Stabe habe nicht im geringsten die Zuversicht erschüttert, daß Port Arthur uneinnehmbar und daß eine baldige Riederlage der Japaner unvermeidlich set. In den letzten zwei Monaten sei Port Arthur in einen solchen Desensivzustand gebracht, daß es völlig unelnnehmbar sei. Die schwachen Punkte der Land= woie Seeseite seien armiert, der Bestand der Garnisonen aufs äußerste erhöht und die Festung mit allem Notwendigen auf länger als ein Jahr versorgt. Tagsüber erinnere nichts, daß Port Arthur sich in Belagerungszustand befinde. Auf dem Boulevard spiele die Musik, das Publikum ergötze sich an derselben. Des Nachts aber sei die Stadt in tiese Dunkelheit eingehüllt. Nur auf der Reede spielten die Scheinwerfer. Die Restaurauts und Magazine selen tagsüber zahlreich besucht.
Petersburg, 24. April. Siatthalter Alexejew
erließ eine Bekanntmachung, nach welcher in der Nähe der Küsten von Kwantung oder in dem Operalionsbezirk der russischen Seestreitkräfte ergriffene neutrale Dampfer, an deren Bord sich Korrespondenten befinden, welche mit Hilfe von in den Konventionen noch nicht vorgesehenen vervollkommneten Apparaten dem Feinde Nachrichten übermitteln, und falls die Dampfer drahtlose Telegraphie haben, als Kriegsprise fortgenommen werden, die Korrespondenten aber den Spionen gleichgestellt werden. Durch Zirkularschreiben ist gleichzeitig den russischen Vertretern im Auslande vorgeschrieben worden, den Reglerungen, welchen sie akkreditiert sind, davon Kerninis zu geben.
Uebersicht.
Deutsches Reich. Se. Majestät der Kaiser traf auf der„Hohenzollern“ mit den Begleitschiffen nach guter Fahrt Sonnabend nachmittag 8 Uhr in Bart ein. Es herrschte Regen und Wind. Bald nach seiner Ankunft empfing Seine Majestät den deutschen Vizekonsul, und arbettele später an Bord der„Hohenzollern“.— Infolge des durch schlechtes Wetter veranlaßten längeren Aufenthaltes in Galllpoll hatte der Kaiser den im Reiseprogramm vorgesehenen Besuch von Bart ganz erheblich abzukürzen geglaubt. Um dies zu vermeiden, bestimmte der Kaiser, statt des viel längeren Weges über Genua die erheblich kürzere Reise über Venedig für die Rückreise nach Deutschland zu wählen.
Im Auftrage des Reichskanzlers wird sich in den nächsten Tagen der Präsident des Reichsgesundheitsamts, Dr. Köhler, in Begleitung mehrerer Räle in das Ruhrkohlengeblet begeben. Es sollen u. a. einige Zechen und sodann das Instltut für Hyglene und Baktersologie besucht werden. Der Zweck der Reise ist lediglich das Studlum der Anordnungen für die Bekämpfung der Wurmkrankheit.
Der„Deutschen Tageszeitung“ wird von angeblich gut unterrichteter Seite als sehr wahrscheinlich bezeichnet, daß der Bundesrat demnächst, wenn auch vielleicht nicht in den nächsten Wochen, in die Lage kommen werde, sich mit der Frage der Gewährung von Tagegeldern an die Reichstagsabgeordnelen zu befassen. Der Reglerung sei bereits ein diesbezüglicher Vorschlag zugegangen, der in folgenden belden Paragraphen formuliert ist:§ 1. Die Reichstags=Abgeordneten erhalten für die ersten 60 Plenarsitzungen jeder Session Anwesenheitsgelder in Höhe von je 30 Mark für die Sitzung. Ebensolche Anwesenheitsgelder werden gezahlt für die Tell
nahme an Kommissionssitzungen, die an Tagen stattfinden, an welchen eine Plenarsitzung nicht stattfindet.§ 2. Die Anwesenheit wird dadurch festgestellt, daß die Abgeordneten während der Sitzung ihren Namen in bereit gehaltene Listen eigenhändig eintragen. Der Anwesenheit wird es gleich gerechnet, wenn der Abgeordnete in Berlin anwesend, aber durch Krankheit an der Teilnahme an der Sitzung verhindert ist.
Ueber die geschäftliche Behandlung der wasserwirtschaftlichen Vorlage im Abgeordnetenhaus schretbt die Konservattve Korrespondenz: Es ist zwischen den Patelen insofern eln Einvernehmen zustande gebracht, als die Vorlage nicht, wie von einzelnen Seiten gewünscht war, geicennten Kommissionen, sondern einer gemeinsamen Kommission überwiesen werden sollen. Es hälte manches für sich gehabt, wenn man die Flußregulierungs= und Hochwasserschutzvorlagen einer besonderen Kommission und einer zwelten die elgentliche Kanalvorlage hälte übergeben wollen, aber auch die Kanalvorlage steht in einem gewissen Zusammenhange mit einem Tell der übrigen Entwürfe. Elne Beschleunigung der Kommissionsverhandlungen wurde also durch eine getrennte Beratung nicht herbeigeführt werden, da die beteiligten Minister und ihre Kommissare nicht gleichzeitig in zwei Kommissionen hätten erscheinen, ein gleichzeitiges Tagen also nicht hätte staufinden können. Konservativerseils wird selbstverständlich an der Prüfung der sämtlichen Entwürfe mit Wohlwollen und Sachlichkeit und nach rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten herangetreten werden. Wenn jedoch von einzelnen Seiten angenommen wird, das gesamte Vorlagematerial könne bald nach den Pfingstferlen bereits der 2. Plenarberatung unterliegen, so dürste man sich sehr täuschen. Man nimmt in den weltesten parlamentarischen Kreisen vielmehr an, es werde sich kaum ermöglichen lassen, daß die wasserwirtschaftlichen Vorlagen noch bis zum Hochsommer unter Dach gebracht werden.
Präsident Loubet traf Sonnabend nachmittag um 4 Uhr in Rom ein und wurde auf dem Bahnhose vom König, in dessen Beglettung sich der Graf von Turin und der Herzog von Genua befanden, auf das herzlichste empfangen. Sonntag abend wurde zu Ehren des Präsidenten Loubei ein großer Fackelzug veranstaltet, an dem sich auch Vertreter der Städte und Vertreter von Vereinen aus der Provinz beleiligten. Als der Zug vor dem Quirinal ankam, erschienen der König und die Königin mit dem Präsidenten und dem Prinzen auf dem Balkon; sie wurden von der Volksmenge jubelnd
Ungleiche Brüder.
Orlginal=Roman von Irene v. Hellmuth.
18
„Wo trafst Du die junge Dame?“ fragte Eugen hastig, und doch elwas verlegen.
Heinz blinzelte den Bruder von der Seite an.
„Dame?“ lächelte er schalthaft, und Eugen fühlte, wie ihm das Blut heiß in die Wangen stieg.
„Wo ich sie immer treffe,“ fuhr Heinz fort,„ich sah sie heute bereits zum vierten oder fünsten Mal denselben Weg daherkommen.“
„Und— war sie allein?“
Die Frage kam nur stockend heraus.
„##a, gunz alleln. Sie ging wie immer sehr rasch, aber da ich seit heute morgen weiß, daß wir gewissermaßen Hausgenossen sind, so sprach ich sie an. Ich bin viel zu galant, um zugeben zu können, daß ein junges Mädchen zu so vorgerückter Stunde allein auf der Straße bleibt. Ich bot ihr meine Beglettung an, hatte aber Mühe, ihr zu folgen. Sie lief beinahe. Ich glaube,— sie wollte mich los sein. Kaum ein Wort sprach die Kröte mit mir. Hast Du mich etwa bei ihr angeschwärzt?“
Eugen schlen die Frage überhört zu haben. Sie schritten schweigend zusammen den Gartenweg entlang. Dann berührte Eugen leicht den Arm seines Bruders.
„Und— fragtest Du sie nicht, woher sie komme, was sie so spät noch außerhalb des Hauses zu tun habe?“—
„Aeh,— mein Lieber, wer wird so neugierig sein!
Ich habe gar kein Verlangen darnach, es zu erfahren. Das Mädchen ist sehr hübsch, es gefällt mir; aber über ihr Tun und Lassen will ich durchaus keine Auftlärung haben! Was geht es mich auch an? Wer weiß, wenn ich sie fragte, ob sie mir die Wahrheit sagen würde! Kranken
pflegerin ist sie jedenfalls nicht, das weiß ich bestimmt!“
Heinz lachte wieder übermütig auf, und beschleunigte seine Schritte.
„Miserables Wetter,“ brummte er,„die Kälte dringt durch den dicksten Mantel.“
„Sagtest Du nicht vorhin, daß das Mädchen arm sei?“ begann Eugen wieder, indem er sich bemühle, mit dem Bruder gleichen Schritt zu halten,„sprach sie davon?“
„Ja,— arm wie eine Kirchenmaus,— das find ihre eigenen Worte.“
„Ich hatte nämlich beschlossen, sie nicht länger mehr im Gartenhause zu lassen, denn hinter diesem nächtlichen Umherstreifen steckt nichts Gutes; aber,— wenn sie so arm ist,— was meinst Du?—“
Eugen vollendete den Satz nicht. Er blickte den Bruder fragend, beinahe ängstlich an, als hinge von dessen Antworl Tod und Leben für ihn ab.
„Es ist das Beste, Du läßt sie gehen, Eugen,“ sagte Heinz jetzt sehr ernst.„Denn wenn Du es Dir auch nicht eingestehen willst, ich weiß es doch, Du bist verliebt in das Mädchen,— nein, leugne nicht,“ schaltete er ein, als Eugen eine ungeduldig abwehrende Bewegung machte. „Ich war in meinem Leben schon sehr oft verliebt, und kenne daher die Symptome genau. Bei mir macht das ja nicht viel,— ist es die eine nicht, ist es die andere. — Aber Du,— Du bist ein völlig anderer Charakter und hast die Liebe noch nicht kennen gelernt. Geschieht es aber einmal, so wird sie bei Dir zu einer elementaren Gewalt, die jede Schranke niederreißt! Siehst Du, davor möchte ich Dich bewahren! Ich bin ein guter Kerl, wenn ich Dir auch manchmal leichtsinnig erscheine. Nun ja, ich sehe die Welt und das Leben eben mit ganz anderen Augen an, als Du. Aber vor dem Leid, das eine unglückliche Liebe über Dich heraufbeschwören würde, muß ich Dich warnen. Du kannst das Mädchen unmöglich zu
Deiner Lebensgefährtin machen, das wirst Du Dir bei einiger Ueberlegung selbst sagen müssen,— und deshalb muß es fort, es ist die höchste Zeit,— hoffentlich ist es noch nicht zu spät!“
Das Letztere hatte Heinz mehr zu sich selbst gesprochen. Eugen hörte auch gar nicht darauf. Es kam so selten vor, daß der lustige Heinz in solch ernstem, dringendem Ton zu ihm sprach; deshalb befremdete es ihn auf das Höchste.
Sollte der Bruder recht haben? Sollie die allgewaltige, tiese, heilige Liebe jetzt wirklich Besitz von ihm ergreisen, nachdem er niemals auch nur den leisesten Wunsch in sich gefühlt, dieses oder jenes Mädchen besitzen zu dürfen? Nein
Er wollte es sich nicht eingestehen, und doch zog er, als er allein In seinem Zimmer war, ein rotes Band aus seiner Brusttasche, betrachtete es lange und verschloß es dann im hintersten Fach des alten Schreibtisches.
Dann saß der junge Mann, den Kopf in die Hand gestützt, lange Zelt unbeweglich, und starrte träumerisch vor sich hin. Vor ihm auf dem Tische lag ein Bogen Papter, nebst Tinte und Feder. Aber das Blatt enthielt nur die beiden Worte:„Meln Fräulein!“ Eugen ärgerte sich über sich selbst, daß ihm der Brief nicht aus der Feder wollte. Er konnte die Worte nicht finden. Endlich begann er zu schreiben. Doch gleich darauf wurde das Papier in Fetzen gerissen und unter dem Tisch geworfen. Erregt sprang Eugen auf und lief mit großen Schritten im Zimmer hin und her.
„Das dumme Gepfeife ist schuld daran,“ murmelte Eugen.
In der Tat drang aus dem Zimmer des Bruders, das dem seinigen schräg gegenüberlag, ein lustiges Pfeisen. Eugen blieb stehen und lauschte. Es war eine übermütige Operettenmelodie.
„Ich wollte, ich könnte sein wie Heinz.“ Klüsterte er