Lokal=Anzeiger

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Amtlicher Anzeiger des Kreises Lübbecke

(Bisher:Tageszeitung für den Kreis Lübbecke)

Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Hugo Schlüter, Bad Essen Druck und Verlag: Franz Schlüter, Bad Essen

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Fernruf Bad Essen Nr. 7

Nr. 16

Preußisch Oldendorf, Freitag, 19. Januar 1923

17. Jahrgagg

Die wirtschaftliche Ausbeutung

Anleitung der Kohlentransporte zu Schiff und Bahn. Rodung linkstheinischer Staatsforsten. Keine neunenswerte Ausdehnung der Besetzung.

Kohlenbeschlagnahme.

Zögerndes Vorgehen der Franzosen.

Das militärische Vorrücken der Franzosen im Ruhr­gebiet geht jetzt langsamer vor sich als in den ersten Tagen der Besetzung. Allerdings zogen in Dortmund noch immer größere Truppenmengen durch, die östlich der Stadt kon­zentriert wurden. Von hier aus begann der weitere Vormarsch auf Hamm.

In der Nacht rollte ein Transport von 25 französischen Tanks durch die Hauptstraßen Dortmunds. Es scheint, daß auch der Plan, in der Richtung Münster vorzu­gehen, noch erwogen wird. Damit würden die Franzosen die neutrale 50=Kilometer=Zone verlassen, und in Münster auf die erste deutsche Reichswehrgarnison stoßen. Diese ist allerdings sehr schwach, und es versteht sich von selbst, daß man es nicht zu einem Zusammenstoß kommen läßt.

Die weiteren Gewaltpläne.

Gegen diewiderspenstigen" Zechenbesitzer ist Klage vor dem französischen Kriegsgericht erhoben worden; sie sind aber nicht in Haft genommen worden Die Kohlensteuer wird sosort erhoben werden, zunächst in Papiermark und später in fremden Devisen; mit Zustim­mung der italienischen Regierung sollen sogleich die links­rheinischen Staatsforsten mit Beschlag belegt und für die Reparationen ausgenutzt werden. Von neuen geplantenSanklionen sind in Aussicht genommen: die Konfiskation der staatlichen Gruben, die Aus­weisung der preußischen Beamten, Beschlagnahme aller Steuern sowie Einführung einer Zollgrenze. Es kann mit ziemlicher Sicherheit darauf gerechnet werden, daß die deutsche Regierung gegen die Beschlag­nahme der linksrheinischen Forsten in aller Form Pro­test einlegen wird.

Der Zugriff auf die Kohle.

Nach verschiedenen zögernden und mißlungenen Ver­suchen, die deutsche Kohlenförderung nach Frankreich ab­zulenken, haben die Franzosen jetzt nicht bei der Elsenbahn, sondern bei der Kohlenschiffahrt zugegriffen. Die Kohlenrequisitionen in der Rheinschiffahrt haben größeren Umfang angenommen, nachdem zunächst nur die Kohlen­ladung eines einzelnen Kahnes requiriert worden war. Die Franzosen haben eineganze Anzahlweiterer Schiffsladungen Kohlen beschlagnahmt und den Schiffern aufgegeben, sich neue Schiffspapiere ausstellen zu lassen, wonach die beladenen Kähne anstatt nach ihrem ursprünglichen Bestimmungsort nach Straß­burg gehen sollen. Diese Maßnahme der Franzosen wird notwendig zum

gänzlichen Stillstand des Kohlentransportes auf dem Rhein führen, da sich die Kohlenverfrachter nicht der Gefahr der Beschlagnahme ihrer Kohlensendungen aussetzen und daher die Kohlenverschiffung ein­stellen werden. In diesem Zusammenhang wurden ver­schiedene Falschmeldungen verbreitet. So ist es z. B. nicht richtig, daß sich der Reichskohlenkommissar nach Essen be­geben habe, ebensowenig sind die deutschen Lieferungen nach Italien unterbrochen worden. Der Kohlenversand ist in unveränderter Weise durchgeführt worden, und zwar sind die abtransportierten Kohlen entweder an die Ver­braucher und Abnehmer im Invustriegebiet oder nach dem unbesetzten Deutschland gegangen. Reparationskohlen­lieferungen sind bisher nicht erfolgt. Die Kohlensendungen ins unbesetzte Deutschland haben bisher keine nennens­werte Verringerung erfahren, auch hat eine Ablentung solcher Züge nach Frankreich noch nicht stattgefunden. Stillegung des Schleppverkehrs nach Deutschland.

Aus dem Rhein=Herne=Kanal ist der gesamte Schiffsverkehr über die Schleuse 7 hinaus, die zwischen Herne und Reck. linghausen liegt, verhindert worden, nur der Pendelverkehr zwischen Schleuse 1, Ruhrort=Hasen und Schleufe 7 ist ge­stattet worden. Das bedeutet praktisch die Verhinderung aller Kohlentransporte aus dem neubesetzten Gebiet in das unbesetzte Gebiet.

Auch der bereits angeköudigte Eingriff in das Eisen­v#. gwesen ist erfolgt. Auf verschiedenen Stationen sind nach dim unbesetzten Deutschland rollende Kohlenzüge und Kohlenwaggons angehalten worden. Bis gestern gegen ebend lagen Meldungen über solche Beschlagnahme vor aus Langendreer und Herue, wo durch militärischen Zwang mit Kofs für Niederdeutschland beladene, Züge festgehalten wurden und Besehl erhielten, westwärts zu fahren. Ein ferer Versuch, einen Kohlenzug in Marten anzubalten, ist

mißlungen, doch erwartet man, daß die Beschlagnahme rasch einen größeren Umsang annehmen wird.

Verbot der Kohlenbeförderung nach Frankreich Den Beamten und Arbeitern der Reichsbahn ist der Bestimmung des Reichskohlenkommissars entsprechend untersagt worden, Kohlen für Frankreich und Belgien zu befördern oder bei der Umlettung deutscher Kohlenzüge nach diesen Ländern mitzuwirken.

Die Zechenbesitzer verhandlungsüberdrüssig Essen. Zu gestern nachmittag waren die Zechenvertreter wieder zu einer Sitzung zu dem. französischen General Simons nach Dusseldorf geladen. Nur ein Vertreter der Zechen des Ruhrgebietes begab sich nach Düsseldorf und erklärte, daß er und die übrigen Zechenvertreter auf dem eingenommenen Standpunkt beharren würden. In Bochum sind Tanks­

Abteilungen eingetroffen. Etwa 30 Tanks durchzogen demonstrativ die Stadt.

Französische Schikanen

Essen. Der Oberbürgermeister von Mülheim erhielt gestern abend von der französischen Besatzungsbehörde in Bredeney den Auftrag, verschiedene Großindustrielle, darunter Fritz Thyssen, aufzufordern, heute abend um 9 Uhr im Hauptquartier in Bredeney zu erscheinen, evtl. sollten die Herren durch Zwangsmaßnahmen gezwungen weiden. Letzteres Ansinnen hat der Oberbürgermeister abgelehnt, jedoch zugesagt, daß er die Herren benachrichtigen wolle. Herr Fritz Thyssen, der kurz vor 9 Uhr die Auf­forderung erhielt, lehnte es ab, ihr Folge zu leisten. Durchsuchung des Landesfinanzamtes Maßregelung seines Leiters

Düsseldorf. Der Oberdelegierte der Zivilverwaltung, General Dauvignes, hat an den Regierungspräsidenten in Düsseldorf, Dr. Grützner, ein Schreiben gerichtet, in dem er von der gestern nachmittag in dem von Dr. Schlutius geleiteten Landesfinanzamt vorgenommenen Durchsuchung Mitteilung macht und erklärt, infolge dieser Durchsuchung würden gegen diesen Beamten Maßregeln ergriffen werden, 1. wegen Gehorsamsverweigerung gegen die Befehle der Militärbehörden, 2. wegen äußerster Unverschämtheit, die er im Verlauf von Unterhaltungen mit verschiedenen, in amt­licher Eigenschaft zu ihm gekommenen französischen Beamten bewiesen habe.

Das Nachspiel von Bochum.

Der französische Oberst Houillier, der für den blutigen Zwischenfall in Bochum die Verantwortung trägt, ist von seinem Posten abberufen worden. In Bochum ist das an dem Vorfall beteiligte Regiment durch ein anderes abgelöst worden. Ein förmlicher Protest der Reichsregie­rung wegen der unverantwortlichen Schießerei, die den Tod des Arbeiters Wirbe zur Folge hatte, steht bevor. Der Reichspräsident hat an den Oberbürgermeister von Bochum ein Betleidstelegramm gerichtet.

In Essen ist aus Befehl der Besatzungsbehörde das Singen nationaler Lieder wie dieWacht am Rhein und das Deutschlandlied verboten worden. Ein weiterer Be­fehl schränkt die Bewegungsfreiheit der deutschen Poli­zei erheblich ein, indem bewaffnetes Eingreisen der Schupo in größerer Stärke als 30 Mann ohne vorherige Anmeldung bei der Besatzungsbehörde nicht erfolgen darf.

Der zweite Streich.

Der französische General Degoutte hat der Welt mit­getellt, daß er sich jetzt im Ruhrgebiet als ge­nügend gesichert gegen die Deutschen erachtet. Es sind jetzt ausreichend Maschinengewehre vorhanden, um eventuell durch konzentrisches Massenfeuer auf die friedliche Bevölkerung sogar die strikte Durchführung des Verbotes des Absingens patriotischer Lieder sicherzustellen. Poln­caré hat heuchlerisch erklärt, daß er nur Essen besetzen werde. Aber, ohne auch nur eine Minute zu zögern, haben die französischen Generale nicht nur das gesamte Ruhr­gebieterobert, sondern sie sind sogar stellenweise darüber hinaus welter iu deutsches Land vorgestoßen.

Derselbe Polncars hatte mit schleimiger Sanftheit ge­sagt, die deutsche Bevölkerung werde ungestört und unbe­lästigt ihrer Arbeit wie bisher nachgehen können. Statt dessen ist in Bochum von der wildgewordenen franzö­sischen Soldateska ein Blutbad angerichtet worden. Die Bevölkerung wird von einer Hunaersnot bedrobt, weil die Franzosen nicht nur alle Lebensmittel austaufen, sonvern sogar die Erzeugung neuer verhindern, indem sie gewaltsam die Futtermittel wegnehmen. Daher soll nun auf den ersten Streich des milltärischen Überfalles der zweite solgen. Der Diebstahl des Ruhrgebietes soll wirtschaftlich ausgebaut werden. Man will die Kohlensteuer, vie dem Reiche zusteht, zwangs­

maßig erbeven, man will die Ausschlachtung der rheinischen Wälder beginnen, und bei alledem ist jedenfalls das eine sicher, daß sich der Haß und die Em­pörung der drangsalierten und ausgeraubten Bevölkerung gegen das glorreiche Frankreich ins ungemessene steigern wird. Aber, auch wenn die Franzosen nach außen hin mit allen Mitteln den Anschein zu erwecken suchen, als ob alles aufs beste verliefe, werden sie mehr und mehr erkennen, daß sie in eine Sache hineingegangen sind, deren Umfang und Charakter sie in ihrer historischen Selbstgefälligkeit und Überheblichkeit in keiner Weise geahnt haben. Sie haben sich, wie jetzt bekannt wird, ganz nalv über den ge­ringen Umfang der im Ruhrgebiet von ihnen festgestellten Lebensmittelvorräte gewundert. Das beweist, mit welcher verbrecherischen Hart­näckigkeit ihre maßgebenden Leute sich bisher bewußt einer richtigen Erkenntnis der wahren Lage Deutschlands ver­schlossen haben. Der sozialdemokratische Regierungspräsi­dent von Düsseldorf Dr. Grützner hat ihnen jetzt in einem offiziellen Schreiben einige schöne Lichter aufgesteckt. Er hat den französischen Generalen vor allem gesagt, daß mit Maschinengewehren das Problem nicht zu lösen ist. Er hat ihnen ferner auseinandergesetzt, daß in den nächsten Tagen 2,2 Milliarden Papiermark an Ar­beiterlöhnen bereitliegen müssen, und daß die schwer­sten Folgen unvermeidbar sind, wenn die Lohnzahlung nicht pünktlich erfolgt. Schließlich hat der deutsche Regie­rungspräsident noch einmal unwiderleglich bewiesen, daß der französische Militarismus ein neues Problem von europäischer Bedeutung schaffen würde, wenn auf sein Drängen hin das Ruhrgeblet vom übrigen Reiche abgeschnürt werden würde.

Die niedrige französische Rachsucht wird sich trotz alle­dem zunächst an der Ruhr ausloben. Aber das deutsche Volk ist bereit und wird den ihm aufgedrungenen Kampf durchhalten. Der Reichsernährungsminister hat gegenüber den Gewerkschaftsführern am Mittwoch be­reits einige von den Sparmaßnahmen bekannte gegeben, die im Sinne einer vernünftigen Nationie­rung der Lebensmittel durchgeführt werden müssen. Auch die deutsche Industrie, soweit sie unmittelbar für die Lebensbedürfnisse der Bevölkerung sorgt, stellt sich bereits in großem Umfange auf die neuanhebende Pertode sparsamen Verbrauches ein. Das deutsche Volk steht kalten Blutes der Erkenntnis gegenüber, daß Frankreich jetzt in der Tat zu dem tödlichsten Schlage gegen unser Leben als Staat und Volk ausgeholt hat. In Deutschland hält man sich angesichts der jetzigen Vorgänge auch deren eigentlichen Sinn vor Augen. Man erkennt, daß das, was jetzt im Gange ist, tatsächlich den gigantischen Kampfzwischen der Großindustrie Deutschlands und der Großtnoustrie Frankreichs darstellt. Poincaré ist in Wirklichkeit nichts anderes als der Handlanger der französischen Industriellen, die darauf ausgehen, sich die Thyssen, Krupp und Stinnes hörig und untertan zu machen. Zugleich aber plant der französische Milttarismus nichts geringeres als die Verwirklichung des ungeheuer­lichen Clemencean=Wortes, daß es 20 Millionen Deutsche zu viel gibt. Wie sehen, daß die deutschen Industriellen den hingeworfenen Fehdehandschuh kühn aufgenommen haben. Auch das deutsche Volk ist einig in dem unerschütterlichen Entschluß, den welschen Massen­mordplan, über den künftige Geschlechter bis in die fernsten Jahrhunderte tiefstes Grauen empfinden werden, zum Scheitern zu bringen. Die Macht von 800 000 franzö­sischen Basonetten ist so groß, daß man weder in Eng­

land noch in Amerika Hand anlegt, um uns zu helfen. Aber diese Macht wird sich trotzdem als unzulänglich er­weisen, wenn ein 60=Millionen=Volk, in sich einig und ge­schlossen, der Welt den Bewets erbringt, daß es ein un­geschriebenes Menschenrecht glbi, das stärker ist als alle Kanonen und Bataillone, das Recht zu leben und seine Misston trotz allemuerfüllen.

Der erste Streich ist erfolgl; aber wie jedermann steht, zunächst als ein Lufthieb. Er soll erst durch den jetzt zu erwartenden zweiten Streich wirksam gemacht werden. Deutscher Abwehrwille wird und muß zeigen, daß auch diese Hoffnung trügt. St.

Polizeistunde abends 4 1 Uhr.

Verbot der Tanzlustbarkeiten.

Das preußlsche Ministerium des Innern setzt im Hin­blick auf den Ernst der Zeiten und die Notwendigkeit zur Elnschränkung der Schlemmerei und des unnötigen Ver­brauches die Polizelstunde für Gastwirtschaften usw. auf

11 Uhr abends herab. In kleineren Gemeinden soll es den Lokalbehörden überlassen seln, die Polizeistunde auf einen noch, früheren Termin zu verlegen. Hand in Hand mit der Verkürzung der Polizeistunde wird das Verbot der öffent­lichen Tanzlustbarkeiten sowie das Verbot der privaten Tanzlustbarkeiten in öffentlichen Räumen gehen.

Man erwartet, daß sich die übrigen Länder dem Vor­gehen Preußens anschließen. Die ersten Besprechungen über die Maßnahmen haben mit der Reichsreglerung statt­gefunden. Das Reichskabinett vertrat dabei den Stand­punkt, daß die schwere Lage des Reiches auch äußerlich zum Ausdruck komme, und daß die vielen Lustbarketten