für die Amter Dr. Oldendorf, Levern u. Dielingen(Wehdem

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Amtlicher Anzeiger des Kreises Lübbecke

(Bisher:Tageszeitung für den Kreis Lübbecke)

Berantwortlicher Schriftleiter: Dr. Hugo Schlüter, Bad Essen Druck und Verlag: Franz Schlüter, Bad Essen

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Fernruf Bad Essen Nr. 7

Nr. 109

Preußisch Gldendorf. Sonnabend, 12. Mai 1923

17

Jahrgang

Kleine Zeitung für eitige Lefer.

* Die Reichsregierung wird gegen das Urteil gegen Krupp and die Direktoren des Krupp=Werkes durch das französische Kriegsgericht Protest erheben.

* Der Reichsrat genehmigte die neue Devisenverordnung, die verschärfte Bestimmungen gegen Spekulanten und Wechsel­stuben enthält.

* Der englische Kreiskommissar für Köln a. Rh. hat mit­geteilt, daß das Inkrafttreten der Ordonnanz, die den Paß­zwang für das besetzte Gebiet einführt, auf einige Tage ver­schoben wird.

* Vom französischen Krlegsgericht in Mainz wurden 17

Eisenbahnarbeiter, Beamte und Gewerkschaftsangestellte zu Gefängnisstrafen von 3 Monaten bis zu 10 Jahren und größeren Geldstrasen verurteilt.

* Die englische Regierung gab im Parlament Erklärungen über dieübereilte französisch=belgische Antwort an Deutsch­land ab.

Englands Einspruch.

Eine wichtige Regierungserklärung. englische Kabinett gab im Oberhause und im Unterhause Erklärungen zur französisch=belgischen Ant­wort an Deutschland ab, in denen eine deutliche Kritik und eine Wahrung der englischen Rechte in der Reparations­frage zum Ausdruck kam. Die Hauptsätze lauteten:

Die britische Regierung war der Ansicht, daß der beste und natürlichste Weg gewesen wäre, eine mit den Regie­rungen von Frankreich, Italien und Belgien verein­barte Antwort auf die deutsche Note abzusenden, um so mehr, als das hauptsächlich in Frage kommende Pro­blem, das der Reparationen, ein Problem ist, an dem alle Alliierten, und nicht nur Frankreich und Belgien allein, in hohem Grade interessiert sind. Die britische Re­gierung bedauert, was ihr an diesem Schritt als eine unnötige überstürzung erscheint. Sie fühlt sich indessen nicht von der Pflicht enthoben, ihre Ansichten in Beantwortung der deutschen Note festzustellen und beab­sichtigt dies mit dem geringstmöglichsten Aufschub zu tun. Es besteht Grund zur Annahme, daß die italienische Regierung, deren Haltung sich in allgemeiner Überein­stimmung mit derjenigen der britischen Regierung befindet, ein ähnliches Vorgehen erwägt.

Das englische Parlament verzichtete als Ausdruck der Zustimmung zu dieser Erklärung auf jede Debatte. In Paris aber hat sich in der Presse selbstverständlich ein Sturm der Entrüstung über diese wichtige Kund­gebung der englischen Regierung erhoben.

Die englische Antwortnote

beruht auf Vereinbarungen mit Italien. Sie soll eine strenge Kritik des deutschen Angebols enthalten und ihr Bedauern darüber aussprechen, daß Deutschland der eng­lischen Anregung nicht mehr entsprochen habe. Von der Ruhrfrage wird sie nicht handeln. In bezug auf die Garantien wird sie um Details bitten, dagegen den un­möglichen französischen Gegenvorschlag, daß der passive Widerstand aufhören müßle, nicht unterstüben.

Frankreich ist gerichtet!

Wenn es noch irgend in der Welt einen Menschen ge­geben hätte, der den französischen Kriegsrichtern in Wer­den bei der Verhandlung gegen die Kruppdirektoren eine Spur von Willen zugetraut hätte, dem Recht zu dienen dieser Mensch muß nach dem Urteil seine Gutgläubigkeit durch die Überzeugung ersetzen: diese Richter haben mit voller Absicht, wahrscheinlich als ehrlose Sklaven Pariser Besehlen unterworfen, aber dennoch ebenso ver­antwortlich wie ihre Herren und Gebieter, den unerhörtesten Justizmord begangen, den die Jahrhunderte kennen. Der Wortlaut des Urteils, nach der durch die Beweisauf­nahme in wesenloses Richts zusammenschrumpfenden, selbst vom Schweizer Verteidiger als Lüge gekennzeich­neten Anklage, bringt dafür den eklatantesten Beweis. Man wird das Urteil nicht oft genug hinausschreien können, um seine ganze Furchtbarkeit in das Bedächtis der Lebenden und der Nachwelt einzuhämmern.

Das Gericht verhängte gegen Krupp v. Bohlen und Halbach eine Gefängntsstrafe von 15 Jahren und 100 Millionen Mark Geldstrafe, gegen Direktor Bruyn 10 Jahre Gesäugnis und 100 Millionen Mark Geldstrafe, gegen Direktor Hartwig 15 Jahre und 100 Millionen Mark Geldstrafe, gegen Direttor Oesterlen 15 Jahre und 100 Millionen Mark Geldstrafe, gegen die abwesenden Direktoren Baur. Schäffer. Schräp­ler und Cunp je 20 Jahre Gesängnis und 100 Millio­nen Mark Geldstrafe, gegen den abwesenden Ingenieur Groß 10 Jahre Gesängnis und 50 Millionen Mark Geldstrafe, gegen das Betriebsratsmitglied Müller 6 Monate Gesängnis.

Das Urteil gegen Krupp wurde mit drei gegen zwei Stimmen beschlossen, die übrigen Urtette einstimmta. Von

den 23 Schuldfragen sind 21 mit Ja beantwortet worden.

Die Angeklagten sind sowohl eines Komplotts wie auch der Störung der össentlichen Ordnung für schuldig befunden worden. Von seiten der Verteidigung ist gegen das Urteil Revision angemeldet worden, die wahrscheinlich am 18. Mal vor dem Kriegsgericht in Düsseldorf ver­handelt wird. Was auch in Düsseldorf bei der Revision geschehen wird, an dem Ucteil wird nichts mehr geändert werden, das ehern eingegraben zwischen den Zeilen des wiedergegebenen Falschspruches steht: Frankreich ist über­wiesen und schuldig befunden des schnöden absichtlichen Justizmordes, Frankreich ist gerichtet!

*

Ein baskisches Sprichwort sagt: Wer die Wahrheit findet, muß blind sein. Und die französischen Richter, die in Werden das Urteil über die Krupp=Direktoren gefällt haben, erbringen den Beweis, daß der Volksmund sich nie­mals irrt. Die französischen Offiziere, die der Befehl ihrer Vorgesetzten auf ihren Platz stellte, waren nämlich durch­aus nicht blind, sondern sie wußten ganz genau, was man von ihnen erwartete, und sie haben darum die Wahrheit auch nicht gesunden, denn sie haben sie gar nicht ge­sucht. Darum ehrt dieses Urteil diejenigen, gegen die es gerichtet wurde, und es schändet die, die sich seine Urheber nennen müssen.

Es ist aber ein politisches Ereignts allererster Ord­nung. Denn soviel Verbrechen der französische Militaris­mus auch schon auf sein schuldbeladenes Haupt häufte: hier wurde ein so ungeheuerlicher Mord an der Justiz und an dem einfachsten menschlichen Rechtsbewußtsein be­gangen, daß auch die dreisteste Gebärde die kalte Ziel­bewußtheit seiner Urheber nicht verhüllen kann. Die PariserHumanité neut es eine Herausforderung der ganzen Welt. Wir haben dem nichts hinzuzu­fügen.

Die Absicht der französischen Gewalthaber ging in doppelter Richtung: einmal glaubte man durch möglichst hohe Strafen die Meinung der großen Offentlichkeit in dem Sinne beeinflussen zu können, in dem bereits Poin­caré vorgearbeitet hat. Es sollterestlos" bewiesen wer­den, daß die Deutschen die alleinige Schuld des Essener Blutsonnabends tragen. Die Herren in Paris, die außer durch das eigene Herz auch durch den allbeherrschenden neufranzösischen Militärgeist dirigiert werden, haben sich aber zu unserem Vorteil eines Mangels an Psychologie schuldig gemacht, der seine Folgen für ihr Land haben wird. Man hat gesagt, ein gleicher Mangel habe Deutsch­land den Verlust des Krieges eingetragen. Es könnte sein, daß er Frankreich den Verlust des Friedens ein­bringt. Und diese Niederlage würde dann die schwerere sein. Denn gerade die exorbitante Höhe der insgesamt 229 Jahre Gefängnis und 850 Millionen Geldstrafe, die der Werdener französtsche Oberst mit seinen drei Unter­gebenen zu verhängen wagte, muß dieAbsicht" bemerkbar machen. Die Welt muß es merken. Und der zweite Plan? Er war noch feiner und verruchter, aber er ist ge­nau so zum Scheitern verdammt. In dem Deutschtum an der Ruhr sollte Leidenschaft und Empörung so hoch aufgepeitscht werden, daß es zu Zwischenfällen käme und die Franzosen endlich die Handhabe gewännen, um ihr militaristisches Aufgebot zugleich zu rechtfertigen und in Aktion zu setzen. Die Erregung im Ruhr­gebiet ist allerdings stark und heiß, aber die Franzosen werden sich trotzdem täuschen. Der berechtigten Empörung hält eine noch größere Verachtung die Wage, und diese Verachtung wird der Leidenschaft die Zügel anzulegen wissen.

Die Stimme der wirklichen Wahrheit, die in Werden weder gesucht noch gefunden wurde und bereits aus der Humanité herausklang, indem sie sich mit begreiflicher Besorgnis paarte, tönt auch aus England herüber, wo dieDaily News schreiben, selbst die wildeste Phantasie hätte nicht erwarten können, daß die Erschießung von 14 Deutschen von den Franzosen auf diese Weisegerecht­fertigt werden würde. Der Tatbestand, der von dem eng­lischen Blatt bestätigt wird, ist ja auch so klar und ein­deutig, daß an ihm nicht zu rütteln ist. Ein französischer Leutnant mit seinem Zuge wird von seinen Vorgesetzten stundenlang ohne Befehl gelassen und gerät, wie voraus­gesehen, in nervöse Stimmung. Er läßt in die nach Zeugenaussagen eher humoristisch als feindlich gesonnene Menge schleßen, und zwar auch dann noch, als sie be­reits in wilder Flucht ist. Die jetzt Verurteilten hielten eine Direktorialsitzung ab und haben auf den Knall der Schilsse hin alles getan, um welteres Unheil zu verhinvern. Folge: man spricht sie des Attentats auf die Sicherheit der französischen Truppen

chulldig!

Herr Krupp v. Bohlen=Halbach stellte sich den Franzosen zur Verfügung, obgleich man ihn vorher warnte. Es ist ihm aber mit Recht eine Ehre, im selben Glied mit den anderen Ruhrdentschen zu kämpfen, und er und die mit ihm verurteilten Direktoren des Krupp=Unter nehmens handelten als aufrechte Deutsche, die freudig mit der eigenen Person für die Sache ihres Landes eintreten wollten. In ihnen sollte nach französischem Willen der deutsche Name gebrandmarlt werden. Sie haben ihn statt dessen mit einem Glanz umhullt, der uns anderen Deut­

schen in dieser dunklen Zeit zu stolzem Troste gereichen. ein Aufruf zur Nacheiferung im gleichen Geiste sein wind.

Ein neues Schandurteil.

Geheimlustiz gegen 17 Eisenbahner.

Mainz, 9. Mai.

Die 17 Eisenbahnarbeiter,=beamten und Gewerk­schaftsangestellten, die sich seit März in französischer Unter­suchungshaft befinden, wurden jetzt von dem französischen Kriegsgericht wegen angeblicher Spionage und Streikver­gehens verurteilt. An Strafen wurden verhängt

Gegen den Eisenbahnarbeiter Roth 10 Jahre Gesäng­nis, Becker 6 Monate und 100000 Mark Geldstrafe, Ge­werkschaftssekretär Bößzwetter 7 Jahre, Leber: 5 Jahre, Weiß 4 Monate und 100 000 Mark Geldstrafe, Leineweber 3 Jahre, Nuß 8 Jahre, Harzdorf 3 Monate und 100 000 Mark Geldstrafe, Engel 1 Jahr und 100 000 Mark, Klinger 6 Jahre, Salomon 4 Jahre, Hummel 1 Jahr und 100 000 Mark, Hertling 6 Jahre, Ludwig 6 Jahre, Krimmel 6 Jahre, Haask 8 Jahre, Lütte 7 Jahre Gefäugnis. Heinrich, der in Abwesenheit verurteilt wurde, bekam 10 Jahre Gefängnis.

*

Der Reichspräsident

hat an den Reichsverkehrsminister ein Schreiben gerichtet, in welchem er sagt: Diese Schreckensurteile sind ein Schlag gegen Wahrheit und Gerechtigkeit, ein Akt wildesten Ter­rors, der überall Entrüstung und Verachtung hervorrufen wird. Der fremde Militerismus wird auch durch diesen Gewaltakt den Widerstand der deutschen Eisenbahner nicht brechen, sondern die Reihen der Abwehr nur enger schließen.

Deutscher Reichstag.

(350. Sitzung.) CB. Berlin, 9. Mal.

Sosort nach Erössnung der Sitzung nahm Präsident Löbe das Wort zu einer Ansprache, die eine Kundgebung gegen das Urteil im Krupp=Prozeß einleitete. Die Ansprache wurde von den Abgeordneten stehend angehört. Präsident Löbe führte aus:

Ihnen allen sind die Schreckensurteile bekannt, die in Mainz und Werden gesällt worden sind. Landsremde mili­tärische Richter haben versucht, den Mord an den Essener Arbeitern dadurch zu verhüllen, indem sie die deut­schen Landsleute der Ermerdeten zu langjähriger Kerterstrafe verurteilten. Die landsemden Richter geben sich vielleicht der kindtschen Aufsassung hin, daß sie die Welt damit blenden und hinter dem dunklen Vorhang der Schreckensurteile das Blut abwaschen können, das die militärischen Gewalthaber befleckt. Ich beneide diese Richter nicht um ihr Rechtsgefühl. Aber ich beklage, daß durch solche Vorgänge erneut der Haß verstärtt wird zwischen zwei Bölkern. Wir glauben, daß große Teile des französischen Volkes mit diesen Dingen nichts gemein haben wollen, aber die volle Verantwortung dafür trifft die jetzigen Machthaber Frankreichs. Den Opsern dieser Schrecensjustiz rusen wir zu:Was Ihr schuldlos leidet, leidet Ihr für Euer Volk. Es wird der Tag kommen, der die Qual, die Ihr heute leidet, heil und leuchtend zu Eurem Ruhme im Buche der Geschichte stehen wird, während die Grau­samkeit Eurer Feinde der Verachtung verfallen wird.

Hierauf wurde in die Tagesordmung eingetreten. Nachdem die Verlängerung des Notgesetzes bis zum 31. Ottober d. J. in 3. Beratung endahiltig beschlossen war, ging man an die Fortsetzung der 2. Beratung des Haushalts des Neichssinanz­ministerinms.

Abg. Lamge=Hegermann(Zentr.) führte aus, unsere Steuer­gesetzgebung ist so verwickelt geworden, daß es kaum noch man­lich ist, eine richtige Steuererklärung abzugeben.(Hört, hört!) Sobald das Maß der Reparationslaßt festgestellt ist, werden die bürgerlichen Parteien dafür gerade stehen, daß die Steuer wirk­lich gerecht nach dem Einkommen bemessen wird, und daß die ersorderlichen Ausgaben durch Steuern gedeckt werden. Der Reduer betonte dann, daß die Regierungsmaßnahmen gegen die Devisenspekulation sich bieher als unwirksam erwiesen haben.

Abg. Lambach(Deutschuat.) sprach ebenfalls über die Mark­stützungsaktion, wobei er bemerkte, wir müssen mit aller Ent­schiedenheit die Stimmungsmache zurüchvetsen, durch die Herr Stinnes als Schuldiger bezeichet oder von einemDolchstoß der Industrie gesprochen wird. Mit viel größerem Recht hätte man sich gegen das Anreißertum der Banken wenden müssen, die dauernd zur Spekulation in Aktien animierten. Wir wer­den gegen die sozlaldemokratische Entschlietzung stimmen, die Lasten der Ruhrattion nicht der Allgemeinheit, sondern einer kleinen Schicht von Bestyanden auszuerlegen.

Abg. Dauch(D. Volksp.) lehnte ebenfalls die sozialdemo­kratische Entschließung ab. Ganz salsch sei der sozialdemotta­tische Vonvurf, daß die Stützungsaktion für die Mark nicht früh geuug eingesetzt habe. In einem früheren Zeitpunkte hätte die Aktion keinen Ersolg haben können. Bei einem Stei­gen der Devisen sei eine allgemeine Preiesteigerung gar nic zn vermeiden.

Abg. Dr. Fischer=Koln(Dem.) dankte den Finanzbeamten im besetzten Gebiet für ihre Hingebung und Ausdauer und führten dann aus, daß unsere Währung nicht ehne weiteres saniert werden könne, dazu geböre auch eine erhebliche Ver­besserung unserer Handelsbilant.

Der Redner bedauerte die Arllit, die an den Kreisen der deutschen Wirtschaft wegen der mangelhaften Zeichnung der Dollarschatanleihe geübi wurde. Den sozialdemok#### tlschen Antrag, der alle Lasten der Rubraktion dem großen Ven­