Nr. 211.
Samstag, den 11. September 1920.
34. Jahrgang
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Amtriches Kreisbtau, Anzeiger für Reuhaus und
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Gejahrbung des beutschen Funtberrehrs.
Der polnisch=litauische Streit.
Eingreifen des Völkerbundes.
In England sieht man mit Besorgnis der anhaltenden Verschärfung in den Meinungsverschiedenheiten zwischen
Polen und Litauen zu. Man kündet zwar an, der Völkere bund werde sich binnen kurzem mit der Frage befassen, muß aber andererseits zugeben, daß eine Entscheidung deshalb schwierig sei, weil Litauen nicht Mitglied des Völkerbundes sei und infolgedessen sich weigern könne, sich einem etwaigen Schiedsspruch zu unterwerfen. Inzwischen gehen die Reibungen zwischen den beiderseitigen Streitkräften auch ohne
Das strittige Gebiet zwischen Litauen und Polen.
formelle Kriegserklärung weiter. So melden die Polen: „An der litauischen Front ist— außer kleineren Zusammensößen unserer Reiterei mit litauischen Fußtruppen— die Lage unverändert. Die Bürger der wiedereroberten Stadt Lipsk bestätigen einmütig die Zusammenarbeit der Litauer mit den Bolschewisten. Im Bereich südlich von Grodno besetzten unsere Abteilungen Krynki. Auf der Bug=Linie. von Brest bis Grubeschow und von Krystynovol bis Busk, Kämpfe der Feldpatrouillen.“
Das litauische Pressebureau teilt mit, die litauische Regierung werde in den nächsten Tagen ihren Sitz nach Wilna, als der Hauptstadt, verlegen. Einem aus London
commendes Telegramm von einem Verzicht Litauens auf die Stadt Suwalki schenkt man wenig Glauben.
Ein baltischer Staatenbund.
Aus Riga meldet das lettische Pressebureau, daß die Konferenz der baltischen Staaten in Riga geschlossen wurde. Die Konferenz faßte auf ihrer letzten Sitzung den Beschluß, einen dauernden Staatsbevollmächtigtenrat zu errichten, der leinen Sitz in Riga haben soll. Präsident Ulmanis hob in seiner Abschiedsrede hervor, zwischen den baltischen Staaten sei eine politische Annäherung erfolgt, die als das Hauptergebnis der Konferenz gelten müsse.
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Die Friedensverhandlungen von Riga.
Der polnische Gesandte in Riga hat seiner Regierung nitgeteilt, daß die lettische Regierung sämtliche von Rußland geforderten Garantien übernommen habe. Der Gesandte hat gleichzeitig die Sowjetregierung von dieser Tatsache verständigt. Nach einem Beschluß des polnischen Ministerrates werden sich die polnischen Delegierten am 11. d. Mts. nach Riga begeben.
Innere Uneinigkeit der Polen.
Bisher ist es nicht gelungen, im Ausschuß für außenpolitische Fragen eine Grundlage für einen Friedensvorschlag mit Rußland zu finden. In dem Ausschuß haben die nationalistischen Elemente das Übergewicht, so daß anzunehmen ist, daß es nicht zu einer Einigung kommen wird Der Widerstand gegen Pilsudskt wird jedoch von Tag zu Tag schärfer. Der Burgfriede ist bereits gebrochen und die Opposition geht mit Heftigkeit gegen Pilsudski vor. Bevorstehender Vormarsch der Bolschewisten. Die in Helsingfors eingetroffenen bolschewistischen Blätter Derichten, daß in ganz Rußland zahlreiche Freiwillige in das Heer eintreten. Sobald die neuen Heere an den verschiedenen Teilen der polntschen Front organisiert sind, soll ein großer Vormarsch nach Wetten beginnen.
Kleine Zeitung für eilige Leser,
* Das Reichsministerium des Innern hat die Aufhebung des Ausnahmezustandes über die Provinz Sachsen verfüg:
* Frankreich hat allein im August von Deutschland, England, Amerika und Belgien zuzüglich der eigenen Förderung 4 360000 Tonnen Kohlen erhalten, während Deutschland nach der Regierungsnote an die Entente den schlimmsten Mange) leidet.
* Dem Reichstag werden alsbald nach seinem Zusammentritt Gesetzentwürfe über die Meldepflicht bei Stillegungen von Betrieben und über eine Arbeitslosenversicherung zugehen.
* Die„Breslauer Morgenzeitung" veröffentlicht ein geheimes Rundschreiben des Generals Le Rond, in dem er den französischen Kreiskontrolleuren in Oberschlesien unverhüllte Anweisungen zur Begünstigung der Polen gibt.
* Der Parteitag der Unabhängigen Sozialdemokratie ist auf den 24. Oktoh r nach Halle einberufen.
* Der frühere Kronprinz Rupprecht von Banern erklärte in einer Unterredung mit einem österreichischen Staatsbeamten, daß er niemals die Krone eines südkatholischen Reiches übernehmen werde. Er werde niemals einen Schritt unternehmen, der die Reichseinheit gefährden könne.
* Von französischer Seite wird auf Grund eines Patentankaufs aus dem Jahre 1912 Anspruch auf Übernahme der deutschen Funkstation Eilvese erhoben.
* Der englische Gewerkschaftskongreß in Portsmouth faßte einstimmig eine Entschließung, in der die Forderungen der Bergarbeiter als gerecht erklärt werden. Sie müßten sofort angenommen werden.
* Bei der Beisetzung der Opfer der letzten Tage kam es in Triest zu Zusammenstößen zwischen Truppen und Manifestanten. Es gab ein vierstündiges Feuergefecht, wobei zwei Personen getötet und 30 verletzt wurden; die Stadt wurde militärisch besetzt.
* Alle serbischen Garnisonen auf dem rechten Ufer der Bojana wurden verstärkt. Die Serben führen Kriegsmateria) herbei und verlegten weitere Truppen nach Tarabosch. Sie verhehlen ihre Absicht nicht, demnächst Skutari zu besetzen.
Am den Orient.
England ruckt von Wrangel ab.
Keine Trennung der Krim von Sowjetr##ßland.
Die trotz aller Ausweisungsgerüchte noch immer in London weilenden und ruhig weiter verhandelnden russischen Vertreter sind ein lebender Beweis dafür, daß die britische Regierung gar nicht daran denkt, die Brücken zu rußland abzubrechen. Kamenew hat sich an den englischen Premierminister Lloyd George mit der Frage gewandt, wie die englische Regierung sich nach der Anerkennung Wrangels durch die französische Regierung zu ersterem verhalte, ob England vielleicht für die Angriffe Wrangels verantwortlich sei und ob England sich vielleicht verpflichtet fühle, in Anbetracht seiner früheren Schritte zugunsten Wrangels neue Maßnahmen zu seiner Unterstützung zu ergreifen.
Lloyd George erwiderte bestimmt, daß die englische Re. zierung die Absicht habe, die Kampfhandlungen in Ost. europa zu beenden, und nur die persönliche Sicherheit der in der Krim befindlichen Truppen und Flüchtlinge garantieren wolle. England habe nie die Absicht gehabt, die Krim von Sowjetrußland zu trennen oder sich oder Wrangel die Herrschaft über die Krim vorzubehalten.
Die russische Delegation in London gab ferner die Antwort auf die letzte Note Englands bekannt. Die Antwort ist sehr maßvoll gehalten und beklagt sich über die plötzliche Anderung in der Haltung der englischen Regierung. Es scheine, daß Balfour unter dem Eindruck stehe, in der militärischen Lage zwischen Rußland und Polen sei eine radikale Anderung eingetreten. Was in Wirklichkeit geschehen sei, sei. daß eine militärische Teilunternehmung nicht geglückt sei. Die Kräfte Rußlands, verglichen mit denen Polens, seien dieselben wie vorher. Wenn also die englische Regierung vor drei Wochen anerkannt habe, daß Rußland als Sieger das Recht habe, seine Bedingungen aufzuerlegen so sei die Lage weiter unverändert.
Kleine Meldungen.
Bergwerksunglück.
Dreslau. Auf der Concordiagrube in Hindenburg gerieten, als im Andreasfloetz ein schlechter Wagen werden sollte, mehrere Förderwagen ins Rollen, rasten mit größter Schnelligkeit bergab und überraschten auf der Strecke mehrere Grubenarbeiter, von denen drei getötet und zwei schwer verletzt wurden.
Schon wieder ein Steuerstreik. Duisburg. Auf dem Stahlwerk Böher in Oberkassel streikt die Belegschaft, weil sie mit dem Steuerabzug nicht einverstanden ist. Sie fordert, daß das Werk den Abzug tragen soll. Von dort aus gingen Bestrebungen der gesamten Schwerindustrie auf dem linken Niederrhein zum Einstellen der Arbeit zu bewegen. Auf der FrjedrichAlfred=Hütte in Rheinhausen ist bereits darüber eine geheime Abstimmung vorgenommen worden. Die Belegschaft entschied sich jedoch mit überwiegender Mebrheit, für die Weiterarbeit. Auch auf anderen Werken des linken Niederrheins ist es nicht zu Arbeitseinstellungen gekommen.
Die Scheinfreiheit, die England kürzlich den Agyptern gewährt hat, ist in nationalbewußten ägyptischen Kreisen selbst als durchaus unzulänglich und als eine erste Abschlagszahlung“ gekennzeichnet worden, die dem Kampf um die volle und wirkliche Unabhängigkeit des alten Pharaonenlandes keinen Abbruch tun könne. Es ist nur eine Etappe auf dem Wege zum Selbstbestimmungsrecht der Völker, zu jenem Grundsatz, der von der Entente unter Führung Englands in dem großen Völkerringen proklamiert und nun von ihr selbst wieder praktisch verleugnet wird. Allen von der Entente beherrschten und von ihr mehr oder weniger abhängigen Völkerstämmen wird das Selbstbestimmungsrecht vorenthalten, in ganz besonderem Maße aber den Völkern des Morgenlandes. Inder, Agypter, Perser, Afghanen und jetzt auch die Türken sind nicht viel besser als englische Hörige. Nicht umsonst hat England all seine reichen Hilfskräfte, alle Künste seiner skrupellosen Propaganda, der Verführung und Gewalt in den Krieg geworfen. Großbritannien war sich bis in die tieferen Schichten des Volkes bewußt, was auf dem Spiele stand, wenn England besiegt aus dem Weltkrieg hervorging. Dann war das Weltreich unrettbar zerfallen und verloren, denn die Kraft, noch fernerhin Indien und den Orient festzuhalten, ja auch nur die Dominions wie Australien, Kanada und Südafrika an das Mutterland zu fesseln, hätte ein nicht siegreiches England nicht mehr aufgebracht.
Nun ist jedoch der Kampf von den Schlachtfeldern ver legt in die geistige Arena. Die Losung, die England ausgegeben, um die kleinen Völker Mitteleuropas, die in ihrem geschichtlichen Gefüge seit Jahrhunderten sich leidlich wohlfühlten, zum Kampf gegen Deutschlaud zu entflammen, diest Losung wirkt nun fort, und ihre treibende Kraft gegen den westlichen Imperialismus ist nicht das besiegte und ohnmächtige, durch seine unglückliche geographische Lage zur Passivität verurteilte Deutschland, sondern das unbegrenzte und unangreifbare, darum auch im letzten Grunde unbesiegbare und unerschöpfliche Rußland. Dort hat sich im Bolschewismus ein neuartiger Imperalismus des Geistes, aufgetan, der ganz offen sein Ziel verkündet, die Welk seinen Anschauungen und seinen Gedanken zu unterwersen. Dieser Imperialismus wendet sich mit aller Schroffhett und Schärfe gegen den Westen, namentlich gegen England und da Großbritannien die Wurzeln seiner Kraft und seines Reichtums in der Herrschaft über den Orient findet, so is# es ganz natürlich, wenn die bolschewistische Agitation sich mit Hochdruck auf die verschiedenen Ländergebiete des Orients wirft und dort die Völker und Stämme mit dem Geist der Unzufriedenheit gegen die englische Verwaltung und Herrschaft erfüllt. Schon erheben sich neutrale Stimmen, die sich mit der Tatsache beschäftigen, daß die Bolschewisten es verstanden haben, durch eine geschick organisierte Propaganda große Teile des englischen Orients zu untelminieren und die daraus den Schluß ziehen, daß die Erhebung des Selbstbestimmungsrechts der Völker zu einem politischen Grundsatz eine große diplomatische Unklugheit der Entente war, weil die Durchführung dieses Prinzips den Untergang der britischen Weltherrschaft bedeutet. In der Tat muß man in dem englischen Zugeständnis an Agypten bereits einen nicht unbedeutenden Erfolg der Selbstbestimmungspropaganda erblicken, einen Erfolg, der heute noch nicht sehr groß sein mag, aber immerhin schon den Anfang auf einer Bahn darstellt, auf der es keiner Stillstand mehr gibt. 91—4
Seit etwa einem Jahre arbeitet auch in Indien die „bolschewistische Liga für die Befreiung des Orients.“ Soeben kommt ein Bericht aus Kalkutta, wonach dort vor einigen Tagen eine Sondersitzung des indischen Nationalkongresset stattgefunden hat, dem etwa 20000 Personen, darunten 5000 gewählte Delegierte und Vertreter aller indischen Provinzen beiwohnten. Die Tagung verlangte für Indien die Unabhängigkeit, die Agypten gewährt worden ist. Die Geister, die es gerufen hat, wird England wohl nicht mehr los. In Persien dringt das bolschewistische Gist durch die bereits bolschewistischen Randstaaten Aserbeidschan, Enselt und Georgien langsam, aber unwiderstehlich ein. Die revolutionären, gegen England gerichteten Bewegungen häufen sich auch in Persien derart, daß der Schah die Hilfdes„Völkerbundes“ angerufen hat. Auch Mesopotamien i# schwer bedroht. Diese überaus unsichere Lage im nahen und fernen Orient erklärt die schwankende Haltung Lloyd Georges gegen Sowjetrußland. Er ist ja kein Freund der Bolschewisten, aber er möchte gern ihre bedrohliche Agitation im Orient unterbinden.
Der Weltkrieg ist noch nicht zu Ende...
Meldepflicht für Betriebseinstellungen.
Arbeitslosenversicherung.
Wie der Arbeitsminister Dr. Braun im Volkswirtschaftlichen Ausschuß mittellte, wird dem Reichstag bald var
seinem Zusammentritt eine Verordnung unterbreitet wer
dis für Stillenung von Betrieben Meldenflicht vorschreihe