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Annen, Blankenstein, Bommern, Herbede, Langendreer, Sprockhövel, Volmarstein, Werne, Wetter.

131. Für die Redaktion verantwortlich: H. Krüger jr., Witten.

Donnerstag, den 14. Mai 1914. Rotationsdruck und Verlag von C. L. Krüger, Bahnhofstr. 55.

Die Roller Werkband= Aussteuuug und ihre Fieke.

Originalbericht.

Köln, im Mai.

Die Ausstellung des Werkbundes steht dicht vor ihrer Eröffnung. Beim Stande der Ar­beiten ist die Hoffnung berechtigt, daß sie das Schicksal so mancher anderer Unternehmen, am Tage der Einweihung nicht vollendet zu sein, nicht teilen, daß sie vielmehr schon am 16. Mai in strahlendem, makellosem Gewande dem Besucher darstellen wird.

Dicht unter den Augen der alten Kolonia und ihres ragenden Domes dehnen sich auf einem Gelände von weit über 200 000 Quadratmeter die Hallen und Bauten des Werkbundunterneh­mens. Der Komplex hat seine besonderen Eigen­arten, welche die ästhetische Durchbildung des Ganzen aufs wertvollste fördern. So sind z. B. die Anlagen eines alten Forts, dessen Wälle und Gräben umschattet vom hundertfäh­rigen Baumbestand ein verschwiegenes Dasein träumten, der Anlage eines reizenden Teehauses nutzbar gemacht worden. Längs des ganzen Ge­ländes rauschen die Fluten des alten Vaters Rheins, in denen sich das ehrwürdige Bild der Stadt Köln, mit ihren Giebeln und Tür­men, die Bogen der mächtigen Hohenzollern­brücke spiegeln, überall zwischen den Bauten winken die Kronen prächtiger Laubbäume, deren Alter nicht mehr zu bestimmen ist. Der Cha­rakter der Bauten, die sie umgeben, trägt einer­seits dem des Geländes in durchdachtester An­passung Rechnung, anderseits führt er rein als solcher betrachtet eine so nachdenkliche Sprache, daß in diesen beiden Momenten schon eine Gewähr für außerordentliche Wirkungen liegt. Diese Wirkungen sollen vor allem nicht am äußerlichen hängen bleiben, sondern von inne­ren künstlerischen Werten sprechen. Demzufolge findet man weder Effekthascherei noch laute, her­ausfordernde Gegensätze. In schlichter, stolzer

Schönheit, alle von Führern der neuzeitlichen Baukunst errichtet, wissen die Bauten zu erzäh­len von dem ernsten Grundsatze des Werkbun­des, daß über dem Was das Wie stehen soll.

Der Sinn für Gutes und Gediegenes schlägt bei uns immer tiefer Wurzel. Aber es ist noch viel zu tun, um den Sinn für Schönheit und Wahrheit im deutschen Volke wieder zur Herrschaft zu bringen. Hier Mittler, Helfer und Führer zu sein, strebt der Werkbund an. Sein Ziel ist von vitaler Bedeutung für die Nation, handelt es sich doch letzten Endes nicht nur um eine Geschmacksveredelung zwischen den schwarz­weiß=roten Grenzpfählen, sondern um die Vor­machtstellung deutscher Arbeit und deutschen Ge­werbefleißes auf dem Weltmarkt, de#n vornehm­lich Form= und Qualitätsunterschiede regieren auf die Dauer dessen Lage.

Unter diesen Gesichtspunkten teilt sich die Kölner Werkbund=Ausstellung nach Karl Re­horsts Plänen in sechs große Abteilungen. In der ersten Gruppe sollen in vorbildlichen Sammlungsräumen auserlesene Einzelstücke aus alter und neuer Zeit zur Ausstellung gelangen. In der zweiten Gruppe werden die Künstler, die sich die Förderung der Werkbundideen in erster Linie haben angelegen sein lassen, zu Worte kommen, Pankok, Riemerschmid, van der Velde, Obrist, Behrens usw. Die dritte Gruppe bringt dieKunst im Handwerk und Industrie" und will zeigen, daß die Kunst vor den Er­

zeugnissen der Industrie keineswegs Halt zu machen braucht, sondern sich harmonisch mit

ihnen vereinen kann. Gruppe vier will den Nachweis führen, daß die kirchliche Kunst sich nicht an die Nachahmung alter Stile zu halten braucht, sondern in freiem Schaffen unseren re­ligiösen Gefühle ebenso gut, wenn nicht besser, Ausdruck geben kann. Wie die Natur die Farbe schafft und in Einllang miteinander bringt, was die chemische Industrie Deutsch­lands zu leisten vermag, und welche Zusam­

menhänge zwischen Kunst und Farbe bestehen,

soll die Farbenschau zeigen Die Modeschau soll zu einer Befreiung von der Vorherrschaft des Auslandes den Weg weisen. In der fünften Gruppe bilden die künstlerischen Erziehungsme­thoden das Motiv, d. i. die Art, wie die neuen Ideen auf fruchtbarer Arbeit in Schule und Volk und namentlich auch in Käuferkreisen zu verbreiten sind. Die sechste und letzte Gruppe endlich illustriert die Werkbundbestrebungen in Oesterreich

Das ist ein weitgespannter Rahmen, in dem so ziemlich alles zur Darstellung kommt, was das Leben an Konkretem umgiebt. So soll der edle Geist deutscher Vollskunst eine Auferstehung vor Hunderttausenden feiern. Sie möglichst glanzvoll zu gestalten, haben Köln und der Werkbund alles Denkbare getan. Ob iniser Volksbewußtsein reif ist, die hohen Ziele, die ihm die Ausstellung rermitteln will, zu verste­hen, das wird der Erfolg der Ausstellung zei­gen, der ja nicht nur in einem Massenbesuch, sondern, vor allem, in einer ästhetischen Re­form der Umwelt bestehen soll. Soweit jetzt schon ein Urteil möglich ist, darf man die Hoff­nung hegen, daß von der Kölner Werkbund­Ausstellung des Jahres 1914 an in dieser Hin­sicht eine neue Zeit beginnen wird!

Russische Unfreundlichkeiten gegen Deutschland.

Es ist kein Zufall, daß gegen das Ende des Jahres 1917 der mit den französischen Milliar­den ermöglichte gewalt'ge Ausbau der russischen Wehrmacht beendet sein wird, und daß zur gleicen Zeit der deutschrusische Haudelsvertrag

abläust. Plant Rußland auch keinen Kr

gegen Deutschland, wirtschaftliche Schwierigkeiten sucht es uns zu bereiten. Durch den hohen Einfuhrzoll auf Getreide schädigt es die deut­sche Landwirtschaft des Ostens, die wegen der teueren Transportkosten nicht West= oder Süd­deutschland mit Getreide versehen kann, sondern auf den Erport nach Rußland angewiesen ist. Weit erheblicher als der Getreidetransport war bisher die Ausfuhr der deutschen Industrie nach Rußland; sie exportierte in dem jüngsten Be­richtsjahre Waren im Werte von 565 Millio= nen dorthin.

In dem Bestreben, sich von Deutschland un­abhängig zu machen, bemüht sich Rußland mit allen Kräften um einen Aufschwung seiner In­dustrie und hat darin in der letzten Zeit ge­waltige Fortschritte gemacht. Auch durch die Sperrung des Zustromes seiner Wanderarbeiter nach Deutschland sucht Rußland s in Ver­legenheit zu bringen. Welche Folgerungen die deutsche Regierung aus dieser Lage ziehen wird, so schreibt dieKöln. Ztg., bleibt abzuwarten Auch in Rußland fehlt es nicht an Stimmen, die zu einer vernünftigen Zurückhaltung mah­nen. Deutschlands gesamte Einfuhr nach Ruß­land beträgt noch nicht 700 Millionen, diese­nige Rußlands nach Deutschland gegen 1700 Millionen Mark. Auch bilden die Löhne der russischen Feldarbeiter im Ausland, von denen allein 40000 in Deutschland Beschäftigung sin­den, einen beträchtlichen Teil der russischen Zah­lungsbilanz.

Verstärkung des Presscreferates des Auswärtigen Amtes.

Im diesjährigen Etat des Auswärtigen Am­tes werden, wie man weiß, die Mittel für die Stelle eines neuen vortragenden Rates in der Politischen Abteilung I. A. gesordert und für diese Stelle, deren Bewilligung als sicher an­genommen werden kann, ist, wie bereits halb­amtlich mitgeteilt wurde, der jetzige Botschafts­rat der deutschen Botschaft in Paris von Rado­witz in Aussicht genommen. Herr von Radowitz soll, so hirt dieN. G. C., ein politisches

Dezernat übernehmen und außerdem im sog. Pressereferat des Auswärtigen Amtes mitarbei­ten.

Wilhelm v. Radowitz wurde am 6. März 1874 als Sohn des Botschafters Joseph von

Radowitz und seiner Gemahlin Nadedja, geb. von Ozerow, geboren. Er erhielt seine Schul bildung auf dem Kaiserin Augusta=Gymnasium in Charlottenburg, bestand dort 1891 die Reife­prüfung, studierte Jura von 1891 bis 1894 in Berlin und Königsberg und legte die vorge­

schriebenen Staatsprüfungen 1896 und(zum Gerichtsassessor) 1902 ab. In demselben Jahre trat er in die diplomatische Laufbahn ein und wurde zunöchst der Gesandtschaft in Tanger, dann der Botschaft in Madrid attachiert. Nach­dem er das diplomatische Examen bestanden

hatte, finden wir ihn 1903 als Legationssekre tär bei der Gesandtschaft in Peking, 1906 bei der Botschaft in Madrid, 1907 bei der Botschaft in Washington und 1908 bei der Gesandtschaft in Meriko. 1909 wurde er vorübergehend als Hilfsarbeiter in die politische Abteilung des Auswärtigen Amtes berusen und in demselben Jahre zum Legationsrat besördert, 1910 zum Legationssekretär in Kopenhagen ernannt, 1911 erster Sekretär der Botschaft in Tokio und 1913 Botschaftsrat in Paris. Herr von Radowitz, der als einer der befähigtsten unserer jungen Diplomalen gilt, ist seit dem 1. März 1910 mit der Gräfin Battista Matuschka verheiratet, einer Tochter erster Ehe des in Berlin=Schöneberg wohnenden Dr. phil. Grasen Franz Matuschka.

Reichstagsabgeordnete oder nicht?

Der Reichstag ist am Schluß der bisherigen Tagung angelangt. Und doch konnten noch

nicht alle Mandate auf ihre Güttigkeit geprüft werden! Das liegt, so schreibt dieN. G. nicht an der Wahlprn#ungskommission, die e###rig gearbeitet hat, sondern Schuld haben die un handlichen geschäftsordnungsmäßigen Bestim­mungen üher die Prüsung der Wahlen. Fast ein Viertel aller Reichstagsmandate wurde an­gesochten. Gegen 86 Wahlen lagen rechtzeitig eingereichte Proieste vor. Von diesen 86 be­anstandeten Wahlen wurden bis jetzt 57 erle­digt. Etwa 10 harren noch der Entscheidung in der Kommission. 45 Wahlen wurden vom

Plenum für gültig erklärt. Ueber 9 Wahlen sind Beweiserhebungen im Gange. Es handelt sich dabei um die Abgeordneten von Polko, Dr. Pachnicke, von Winterfeld, List=Eßlingen, Graf Oppersdorff, Glowatzki, Pens, Reck, Leue. 12 Wahlen wurden für ungültig erklärt und zwar die Wahlen der Abgeordneten v. Halem(Rp.), v. Oertzen(Rp.), v. Liebert(Rp.), Pauli(k.), Hoesch(kons.), Kröcher(kons.), Kuckhoff(Ztr.), Koelsch(natl.), Vietmeyer(wirtsch. Verg.), Haupt(Soz.). Herr Kaempf, der Reichstags­präsident, legte sein Mandat nieder, ebenso einmal Herr von Halem, der zwei Nachwahlen durchmachen mußte. Von diesen Herren wurden wiedergewählt von Halem, Kaempf und Kuck­hoff. Eine ganze Reihe von Wahlen konnten in der Kommission noch nicht erledigt werden, z. B. die Wahlen des Abgeordneten Basser­mann(natl.), Dr. Oertel(kons.), Raumann (Fortschr. Vp.), v. Graese(kons.), Graf Schwe­rin=Löwitz, Dr. Böhme(natl.), usw. Es sitzen also noch jetzt, zwei Jahre nach der Wahl, 29 Abgeordnete im Reichstag, die nicht wissen, ob sie rechtmäßig hineingehören! Ein unhaltbaret Zustand.

Der Besuch des dänischen Königspaares in Paris.

König Christian 10. von Dänemark und seine Gemahlin, die Königin Alerandrine, werden mächster Tage in Paris zu einem gsit i. 1en Be­

Roman von Martin Bauer.

34] Nachdruck verboten.

Doktor Nieburg fühlte sich freilich nicht be­friedigt in seiner Ehe, immerhin, er war nicht umsonst Gatte und Familienvater, dem Pflicht und Gewissen keinen leeren Schall bedeuteten; er kämpfte einen harten Kampf mit sich, bevor es so weit kam, daß auch über seinem Kopf die Wogen der Leidenschaft zusammenschlugen.

Und dann träumten sie ihn zusammen, den wilden, gefährlichen Traum, in dem die Lei­denschaft daherbraust wie ein reißender Strom, der aus den Ufern getreten ist, und für den es keinen hindernden Damm mehr giebt.

Doch Träumen pflegt selten eine lange Dauer beschieden zu sein. Auch die beiden erwachten aus ihrem Traum, und die Wirklichkeit grinste sie mit kaltem Hohn an.

Für Alexandra kam das Erwachen an dem Tage, da ihre Wirtin eine vorurteilslose Witwe in reifen Jahren, ihr den Besuch einer Dame meldete, die ihren Namen nicht nennen wollte.

Alexandra hatte sich unter dem Vorgehen einer Erkrankung für einige Zeit von ihren Berufspflichten frei gemacht. Diese Pflichten, die sie niemals mit besonderer Freudigkeit er­füllt hatten, ekelten sie seit einigen Wochen förmlich an, und sie kam ihnen nur widerwil­lig und lässig nach. Sie war blaß, hatte Ringe unter den Augen, und ohne auch nur dem Schein nach sich einer Beschäftigung hin­zugeben, saß sie, die Hände lose ineinander ge­legt, am Fenster und starrte mit verträumten Augen vor sich hin.

So konnte sie stundenlang sitzen und warten warten auf das Erscheinen des Geliebten, dem alle ihre Pulse entgegensieberten. Alle übrigen Menschen waren zu wesenlosen Sche­men für sie geworden, sie sah nur den einen, einzigen, dem jeder Atemzug galt, ohne den das Leben für sie nicht viel anderes mehr be­

deutet hätte, als eine schwere, niederdrückende Last.

Beim Eintritt der etwas gewichtigen Per­sönlichkeit von Frau Auguste Schade, schraf Alexandra zusammen und strich mit der Hand über Stirn und Augen, als habe sie dort etwas wegzuwischen, das unberusenen Blicken, nicht preisgegeben werden dürfe.

Sie wissen doch, Frau Schade, daß ich keine Besuche empfange Besuche von Fremden, meine ich, setzte sie mit einer gewissen Hast hinzu, als sie das vieldeutige Schmunzeln wahrnahm, das über das gutmütige, breite Ge­sicht der würdigen Dame hinlief.

Als ob Frau Schade auch nur für die Dauer von füns Minuten an die gemeinsamen beruflichen Interessen, die so viel Privatunter­haltung erforderten, geglaubt hätte! Das war so eine Mäntelchen, das man gefällig umhing, um den Schein zu wahren. Aber im übrigen, Du lieber Gott! da kannte sie die Welt denn doch zu gut, um zu wissen, was es be­deutet, wenn so ein stattlicher Mann wie Dok­tor Nieburg und eine junge Dame wie ihr Fräulein gar zu oft die Köpfe zusammensteck­ten.

Frau Auguste Schade huldigte aber dem Grundsatz:Leben und leben lassen, und hatte die bequeme Angewohnheit, stets die Augen fest geschlossen zu halten, wenn ihr Ahnungs­vermögen ihr verriet, daß das angebracht sein dürfte. Das Schmuizeln verschwand, vas breite Gesicht erschien so ausdruckslos wie irgeid möglich, und sie zuckte die Achseln.

Das habe ich der Dame schon gesagt, aber es hat nichts genutzt. Sie bleibt dabei, sie ließe sich nicht abweisen, und sie sei bereit, auf Ihre Rückkehr zu warten, falls sie nicht zu Hause sein sollten.

Alexandra machte eine intgeduldige Handbe­wegung.

Fragen Sie die Dame nach Ihrem Anlie­gen und sagen Sie ihr, daß ich zunächst drin­gend um ihren Namen bitten lasse. Ich liebe

es nicht, mich von Fremden belästigen zu las­sru.

Alerandra war in diesem Augenblick ganz das Freifräulein von Veltlingen, und ein un­glaublicher Hochmut klang aus ihren Worten heraus. Frau Schade horchte auf und schüttelte den Kopf mit dem üppigen Harknoten im Nacken, der eine ganz andere Farbe zeigte, als das schon bedenklich dünne Scheitelhaar.

Sie will ihren Namen nicht nennen, das ists ja eben. Danach habe ich doch zu allererst gefragt. Unsereiner ist doch nicht von gestern und weiß, was sich schickt.

Frau Schade sab würdevoll und selbstbewußt drein, zögerte ein Weilchen und setzte dann in vertraulichem Tone hinzu:

Sie kommen nicht drum rum, Fräulein von Veltlingen; die draußen läßt sich nicht abwei­sen; ich seh's ihr an den Augen an, daß sie ihren Kopf aussetzt.

Ich werde doch noch Herrin in meinen eige­nen vier Wänden sein!" beharrte Alexandra, we­nig zur Nachgiebigkeit geneigt.

Frau Schade bequemte sich zum Rückzug; aber in demselden Augenblick, in dem sie die derbe Hand aufs Türschloß legte, öffnete sich die Tür, eine Dame trat ein, schob Frau Schade beiseite, was diese aus lauter Ver­blüfftheit auch geschehen ließ, und sagte laut und deutlich:

Ich habe mit Ihnen zu reden, Fräulein von Veltlingen, und ich werde es tun, auch gegen Ihran Willen. Dann, zu Frau Schade ge­wandt, als sei es an ihr, hier Besehle zu ge­ben, und Anordnungen zu tressen:Lassen Sie uns allein!"

Und Frau Schade, unglaublich, aber wahr, verließ gehorsam das Zimmer, sogar rascher, als sie dies sonst zu tun pflegte. Daß Horchen keinen rechten Zweck hatte, wußte sie aus trau­riger Erfahrung, da die Tür gut schloß und ihr Gehör leider außerordentlich zu wünschen übrig ließ. So begnügte sie sich denn damit, in ihrer gegenüberliegenden Küche auf Posten zu ziehen, indem sie deren Tür weit ofsen

ließ, denn sie war eine ehrbare Frau, die keine Geheimnisse hatte und jederzeit in ihrem Tun und Lassen beobachtet werden konnte.

Drinnen im Zimmer stand Aleganora sehr grade, aufrecht und maß die unwillkommene Besucherin mit Augen, die vor Zorn sprühten. Die Fremde ertrug gelassen den Blick, ja, sie hob den Schleier, der bisher ihr Gesicht verhüllt hatte, und gab ihn zurück, wobei auch in ihren Augen eine Flamme aussprühte.

Sie hatte ein blasses, längliches Gesicht mit keinem einzigen hervorstechenden Zug. Nicht häßlich, cht hübsch, nicht jung, nicht alt, so ein rechtes Duvendgesicht, Alerandras Augen durchsorschten es. Es war ihr sremd, doch ver­meinte sie, es schon einmal vor Jahren gese­hen zu haben, nur ließ sich das Wanni und Wo durchaus nicht feststellen, und doch stieg es wie eine quälende Erinnerung in ihr auf. Sie unterdrückte sie gewaltsam und sagte mit be­herrschter Stimme:

Ich warte auf eine Erklärung dieses zum mindesten etwas ungewöhnlichen Ueberfalls.

Einen ungewöhnlichen Ueberfall nennen Sie mein Eindringen in Ihre Wohlung, Fräulein von Velilingen?". Die Dame maß mit den Augen Alerandras schöne, stattliche Erscheinung und ein Zucken lief um ihren Mund.Unge­wöhnlich meinetwegen, aber nicht unberechtigt, o nein, nicht unberechtigt. Sie trat dicht an Alexandra heran, so dicht, daß diese hörte, wie sie mülsam und stoßweise Atem holte, und hielt ihre Augen mit einem zwingenden Blick fest.Können Sie nicht erraten, wer ich bin, Fräulein von Veltlingen?

Ich bin nicht stark im Rätselraten, gab Alexandra mit küblem Hochmut zurück; aber dabei flutete ihr eine heiße Welle durch die Adern, die Herz und Pulse zu fieberhaften Schlägen antrieb und Wangen und Stirn blut­rot färbte.

(Fortsetzung folgt.)