N318.

Donnerstaa den 17. November.

1842

nland.

Die Triersche Zeitung enthält folgenden bemerkenswerthen Artikel: Von der Westpreußischen Gränze, vom 5. Nov. Ein Auf­satz in der Rhein- und Moselzeitung, mit der Ueberschrift:Beam­ten=Statistik"(S. Nr. 299 der Düss. Z.), sucht mit großer Gründ­lichkeit nachzuweisen, daß unter den Beamten des Civil= und Militär­standes der Adel unverhältnißmäßig im Vortheil stehe gegen den Bürgerstand. Er weist unter andern besonders im Offizierkorps nach, daß von 45 Stabsoffizieren der Garde nur zwei bürgerlich sind, daß die Garde überhaupt fast ganz unvermischt sey. Nach ihr hat die Kavallerie, dann die Infanterie die meisten adeligen Offiziere. Am stiefmütterlichsten sind damit die Artillerie- und Ingenieurkorps versehen. Das letzte schneidet dabei am schlechtesten ab. Das Alles sind nun zwar längst bekannte Sachen, die schon von vielen Seiten beleuchtet worden sind; allein der Schluß, der sich an diese statistische Nachweisung kaüpft, der ist allerdings ganz neu, und indem mit komischer Naivität auf die Nichtigkeit der Zahlenverhältnisse hinge­wiesen wird, weiß man wahrlich nicht, ob darin mehr Satyre oder Furcht, Schwäche und Scheu, die wahre Schlußfolgerung auszuspre­chen, liegt. Wir lassen das an jene Statistik sich anreihende Raison­nement folgen.Wollte man aus diesen Zahlen=Kombinationen allein, heißt es, schon Schlußfolgerungen über die Wahrscheinlichkeit des Aufsteigens der adeligen und bürgerlichen Beamten ziehen, so würde sie für Letztere bis zu den Stellen der Abtheilungs=Dirigenten gün­stiger, für Erstere zu den Präsidenten und Oberpräsidenten günstiger seyn. Aber schon hieraus ergibt sich die Unsicherheit solcher Berech­nungen, denn es liegt in der Natur der Sache, daß, für wen die Aussicht zu höheren Stellen günstiger ist, gewiß auch die zu niedri­gern es seyn muß.(Daran wird freilich Niemand zweifeln. Aber welche eigenthümliche Logik!) Ein zweiter Umstand, und noch wich­tiger, um solche Zahlenfolgerungen in ihrer ganzen Nichtigkeit dar­zustellen, ist aber der, daß besennrtich nut das Batens fpen

Stellen überhaupt und höhere insbesondere hat, und daß auch nur solche Ansprüche ganz allein ohne Rücksicht auf Geburtsadel oder Bürgerthum im preußischen Staate beobachtet werden. Die obigen Zahlen=Aufstellungen können daher nur den Werth haben, daß einmal daraus das faktische Verhältniß zwischen Adeligen und Bürgerlichen innerhalb jeder Stufe erkannt werden könne, und daß sodann in je­der höheren Stufe die Beamten im Vergleiche mit ihren älteren ehe­maligen Genossen und Vorgängern, die noch auf einer niedrigeren Stufe stehen, für talentvoller ohne Rücksicht auf Adel oder Bürger= lichkeit gehalten werden müssen u. s. w."

Hierauf wird also geradezu ausgesprochen, daß die Intelligenz, Talente, Fähigkeiten im Adelstand unverhältnißmäßig gegen den Bürgerstand vorwalten. Armer Bürgerstand! So sieht es also mit deiner angerühmten Intelligenz, mit deinem geistigen Element noch sehr trüselig aus. In der That, dann sind alle Wünsche und Ansprüche auf öffentliches Volksleben, freie Presse u. s. w. noch sehr voreilig und Beitig. Was hast du geistesarmer Bürgerstand denn verbrochen bewter himmlischen Vorsehung, daß sie dich gegen den Adelstand sovernachlässigte? Erfüllt euch nicht, ihr Bürger= lichen, diese Buten=Statistik mit Schrecken, die euch haarklein in arithmetischen Pportionen sagt, wie sich euer Verstand zu dem eurer adeligen Vorgesetzten verhält? Und ihr Herren Lieutenants u. s. w. zweifelt nicht mehr daran, daß die Garde eure Sonne ist, von der ihr allein Wärme und Licht empfangt! Welcher ungeheure Gei­stesfond konzentrirt sich hier. Hier sehen wir keinen einzigen bür­lichen Regiments=Kommandeur und im 1. Garde=Regiment und Garde­du=Corps bis zum letzten patentirten Lieutenant hinab auch nicht einen Bürgerlichen. Also lauter Talente und Fähigkeiten, in ganz reinen Verhältnissen steigend und fallend. Bei der Linien=Kavallerie nehmen sie schon etwas mehr ab, noch mehr bei der Infanterie und verlieren sich fast ganz auf bürgerlichem Boden in der Artillerie und im In­genieurkorps. Aber wie kann der Staat gerade diese Waffen in gei­stiger Beziehung so vernachlässigen, die so ungeheures Geld kosten und die in allen andern Armeen den Stolz des Heeres bilden? Denn das wird man zugeben, daß die wenigen Adeligen, welche in diese Corps hinein geschneit sind, so zu sagen, das Kraut nicht fett machen werden. Der Verfasser jenes Raisonnements hat an solche Schlußfolgerungen vielleicht nicht gedacht, aber sie gehen aus seinen Be­hauptungen unmittelbar hervor.Auch spricht sich in diesen unverkennbar eine Ansicht aus, die wohl für das Jahr 1842 nicht mehr paßt. 1813 fand man die Bürgerlichen auch zu Besetzung höherer Stellen in günstigeren Verhältnissen ganz geeignet. Ein großer Theil der adeligen Herren räumte damals gern den Bürgerlichen die Ehren­

stellen ein, und zog sich zur Beschützung des Eigenthums auf seine Güter zurück. Daher kam es denn auch, daß in den nächstfolgenden Jahren nach dem Kriege in allen Waffen und Regimentern viele Bürgerliche eingereiht waren. Später verschwanden sie gra­datim wieder in den Ranglisten und reduzirten sich in so auffallenden Verhältnissen, wie in jener Statistik angegeben. Warum? Vermuth= lich weil der Bürgerstand sich nur zu einem vorübergehenden Enthu­siasmus im Befreiungskampfe hinreißen ließ? Weil man seiner nur im Kriege bedarf; weil sich der Bürgerliche zum Offizier in Frie­denszeiten nicht eignet? Das eigentliche gediegene, auf ebener Bahn ruhig einherschreitende Geistesleben ist vielleicht nur dem Adelsstande eigen?

In der That, dergleichen kann nur der verkrustetste Aristokratis­mus behaupten. Ein Aristokratismus, der, wie es scheint, sogar in den mit freisinnigen Elementen so geschwängerten Rheinprovinzen neuerdings spukt, wo man an dergleichen Erscheinungen bisher am wenigsten gewöhnt war. In einzelnen Regimentern, wie wir nanent­lich ein Kürassier=Regiment kennen, ist seit 15 bis 20 Jahren kein Bürgerlicher mehr Offizier geworden. Warum? Nach den Schluß­bemerkungen derBeamtenstatistik" wäre es leicht zu beantworten. Wenn im Adel die Intelligenz wirklich vorherischt, so kann man es keinem Commandeur verdenken, wenn er mit der größten Gewissen­haftigkeit darauf bedacht ist, nur Adeligen in seinem Regiment das Avancement zum Offizier zu öffnen ein Princip, das auch wirklich mehrere festhalten und ausführen. Ebenso können wir es den Offi­zieren nicht verdenken, die ihren erloschenen Adel wieder, wie es in neuester Zeit oft geschah, geltend zu machen suchten, um nicht vom Avancement zu höheren Stellen ausgeschlossen zu werden. Bevor das betreffende Schluß=Raisonnement niedergeschrieben ward, hätte uns der Verfasser desselben die Frage beantworten sollen: Hät der Adel bloß Rechte, wogegen wir nichts einzuwenden hätten, oder hat er dem Bürgerstand gegenüber auch Vorrechte? Sodann, wie kommt es, Bürgerstand fast ganz ausschneßrt ander Garde der Adelstand den der Artillerie und des Ingenieurkorps, wo, wie bisher Niemand zweifelte, die meisten Kenntnisse und Fähigkeiten erfordert werden, und wo ein Offizier, der sein drittes Examen als Artillerie- oder Ingenieur=Offizier nicht besteht, doch noch zum Kavallerie- oder In­fanterieoffizier für geeignet gehalten wird, daß hier dessenungeachtet der Bürgerstand den Adelstand bei weitem überwiegt? Wir glauben den Grund für das letztere noch aus der Zeit Friedrichs des Großen herschreiben zu müssen.(Schluß f.)

Berlin, vom 10. November. Nachdem die Arbeiten der ver­einigten ständischen Ausschüsse am gestrigen Tage beendigt worden waren, versammelten sich dieselben heute Vormittags nochmals zur Genehmigung des letzten Protokolls und zu dem von Sr. Majestät befohlenen Schlusse ihrer Sitzungen.

Es wurde demnach das Königliche Staats=Ministersum durch eine Deputation in die Versammlung eingeführt, und der K. Kommissarius für diese Angelegenheit, Minister des Innern, Graf von Arnim, er­klärte nach einigen herzlichen Abschiedsworten, welche der Mar­schall der Auschüsse, Fürst zu Solms=Lich, erwiederte, die Ver­sammlung im Allerhöchsten Auftrage für geschlossen, worauf dieselbe sich mit einem begeisterten Lebehoch für Se. Maj. den König trennte.

Sie begab sich hierauf, von dem Minister des Innern geleitet, nach den Gemächern Sr. Maj., da Allerhöchstdieselben die Versamm­lung vor ihrem Scheiden nochmals empfangen wollten.

Se. Maj. der König erschienen und redeten nach gnädiger Be­grüßung der Versammlung dieselbe folgendermaßen an:

Se. Maj. habe, als Sie die Ausschüsse bei ihrer Einberufung empfangen, nicht zu ihnen in der Gesammtheit geredet. Sie hätten ihnen nur von Ihrem Vertrauen sprechen oder gute Lehren geben können. Beides habe Ihnen nicht angemessen geschienen. Mit dem Worte Vertrauen sey heutzutage so großer Mißbrauch getrieben, daß Se. Majestät da am wenigsten davon hätten reden mögen, wo die Sache, die Anwesenheit der sämmtlichen Ausschüsse selbst, das beste und größte Zeichen des vollen Königlichen Vertrauens gewesen wäre.

Denselben gute Lehren zu geben, habe Sr. Majestät nun vollends ganz unangemessen geschienen. Jetzt aber, da ihre Arbeiten voll­endet seyen, hätten Se. Majestät die Verpflichtung, ihnen von Ihrem Dank und von Ihrer Anerkennung zu reden. Hier, wo Se. Maj. Abgeordnete aus allen Provinzen um Sich sähen, sey es Ihrem Her­zen Bedürfniß, Sich offen gegen sie auszusprechen. Allerhöchst­dieselben hätten mit größter Aufmerksamkeit und Theilnahme, ja, Sie könnten sagen, mit besonderer Vorliebe seit dem Jahre 1823 die stän­