Nr 211.

Dienstag den 2.

Inland.

* Absetzung und Entlassung der Staatsdiener.

Es wird gemeldet, daß es im Werke sey, ein neues Gesetz ein­zuführen, welches den Ministern die Macht, wenn auch nicht der Ab­setzung, so doch der Entlassung sämmtlicher Staatsdiener, sogar der Richter, verleihen soll. Wir glauben, daß in neuerer Zeit wenig Aenderungen in der Staatsverwaltung vorgegangen sind, wel­che an Wichtigkeit der jetzt projektirten gleichkämen. Lauteten die Nachrichten darüber nicht so bestimmt, wir würden das Projekt für erdichtet halten, der nachtheiligen Folgen wegen, welche dessen Rea­lisirung unserer Ansicht nach haben muß. Wollten wir französische Einrichtungen übernehmen, so gäbe es wahrlich bessere, als die, welche die Staatsdiener zu Werkzeugen der Minister macht, und zwar ohne daß, wie es in Frankreich dem Verfassungsprinzip gemäß seyn soll, die Minister zuvor zu Werkzeugen des Volkswillens gemacht wären.

Zunächst entsteht die Frage, welchen ostensiblen Zweck die Ein­richtung haben könne. Man will, im Fall durch neue Verwaltungs­organisationen oder andre Umstände Beamten überflüssig werden, sich der Pflicht entledigen können, dieselben noch versorgen zu müssen, oder man will, im Fall Beamten nicht allen Wünschen und Anforde­rungen entsprechen, aber keine hinreichende Veranlassung zur Ab­setzung geben, ein Mittel zur Disposition halten, sie auf andre Art zu removiren. Andre Zwecke wissen wir uns nicht zu denken, wenn wir nicht zum Theil dasjenige zu den Zwecken der Einrich­tung rechnen sollen, was wir unten zu den Folgen derselben rech­nen werden.

Betrachten wir zuvörderst den ersten Zweck. So lang keine Aen­derung des Pensionsreglements eingetreten, würde eine Entlassung ohne weitere Versorgung nur diejenigen Staatsdiener treffen können, die nicht 15 Jahre gedient hätten. Wer also 14 Jahre und 11 Mo­nate gedient hat, kann nackt und bloß in die Welt gesetzt werden, was ihn um so härter treffen wird, da, wer eine so lange Zeit Staats­diener gewesen, muthmaßlich auch Familienvater ist und in den An­trittsjahren sein etwaiges Vermögen zugesetzt hat. Doppelt unbil­lig würde diese Maßregel erscheinen, wenn der entlassene Beamte keine Schuld an der Entlassung trägt, sondern dieselbe lediglich durch Aenderungen im Verwaltungsleben herbeigeführt wird.

Nun der zweite Zweck: Entlassung als Ersatzmittel für Absetzung, also ein Mittelding zwischen Gesetz und Willkürmaßregel. Will der Staat sich sichern, daß keine unfähige oder unzuverlässige Diener seinen Willen ausführen, so sehe er sich vor bei der Anstellung.(Bei der Einrichtung von Supernumerariats=, Lehr= und Kündigungs= fristen, so wie derprovisorischen" Anstellungen hat er ja ohnehin hierzu Gelegenheit genug.) Ist aber die Anstellung einmal wirklich erfolgt, so muß auch der Staatsdiener zum Staat in einem Rechts= verhältniß stehen, worin seine Existenz nach bestimmten, rechtlichen, d. i. gesetzlichen Regeln steht oder fällt. Hat er keine Absetzung ver­wirkt, so muß er auch vor der Entlassung gesichert seyn, zuma ihn seiner Fähigkeiten gemäß zu placiren, so wie ihn für geringere Vergehen zu strafen, der Staat Mittel genug in Händen hat. Die Distinction zwischen Entlassung und Absetzung scheint uns in Bezug auf die projektirte Anwendung sehr gesucht. Wenn Entlassung die Absetzung ersetzen, nur eine mildere Art der Absetzung seyn soll, so schaffe man auch für sie ein Gesetz; kann man dies nicht, so abstrahire man eher ganz von ihr, ehe man sie der Willkür überläßt, und begnüge sich lieber mit dem jetzigen Zustand, der nur entweder Absetzung oder Beibehaltung kennt.

Dies ein paar Worte über den Zweck der Maßregel und die Unbilligkeit dieses Zweckes: nun Einiges über die Folgen. Die Nachtheiligkeit der Folgen wird sich zweifach äußern, nämlich erstens bei den Beamten, welche die Entlassung trifft oder treffen kann, und zweitens bei denjenigen, welche die Entlassung verfügen, nämlich den Ministern.

Wir erkennen an, daß in Preußen eher eine Beschränkung als eine Ausdehnung der Beamtenmacht nöthig sey, aber nur dem Publikum, nicht der Staatsverwaltung gegenüber; so lange na­mentlich die geheimen Konduitenlisten bestehen, so lange sogar ein­zelne Verwaltungen die Beamten ohne gerichtliche Vermittelung kön­nen ins Gefängniß führen lassen, ist wahrlich nicht zu besorgen, daß die untergebenen Beamten oppositionslustig oder unbeugsame Charak= termänner werden. Wer im Beamtenleben sich einigermaßen umge= sehen hat, der wird wahrgenommen haben, welchen Einfluß die ge­heime Macht der höhern auf die niederen Beamten ausübt.

Die Fesseln der Beamten müssen bedeutend gelüftet, ihr Charakter muß bedeutend gebessert werden durch das Gefühl, daß sie vor will­

kürlicher Absetzung gesichert sind und nur durch den Richter von ihrem Posten weggewiesen werden können. Ein solches Gefühl muß dazu beitragen, den Beamten klar zu machen, daß sie nicht Verwal­tungs-, oder Chefs-, oder Vorgesetzten=Diener, sondern Staats­diener seyn sollen eine Unterscheidung, die bis jetzt von sehr we­nigen gemacht wird und die doch unendlich wichtig ist. Denken wir uns nun, daß durch die Sicherung vor willkürlicher Dienstentsetzung, welcher vermuthlich die Entfernung anderer Hauptübelstände, insbe­sondere der geheimen Konduitenlisten, bald folgen würde, eine Rege­neration der Beamten ins Leben getreten ware, welchen Eindruck muß es dann machen, welche Folgen muß es dann nach sich ziehen, daß man mit der linken Hand nimmt, was man mit der rechten ge­geben, daß man vor Absetzung sichert und sie unter dem Namen der Entlassung in das Staatsleben wieder zurückführt! Das Recht der Absetzung ohne das Recht der Entlassung ist besser, als das Um­gekehrte, da die Absetzung doch wenigstens motivirt werden muß, was man bei den projektirten Entlassungen höchst wahrscheinlich vermei­den wird.

Die Entlassungen werden daher noch mehr, als die Absetzungen, den untergebenen Beamten ihre Abhängigkeit von den Ministern be­greiflich machen und den Zustand noch verschlimmern, der so dringende Abhülfe erheischt. Bei dieser Abhängigkeit wird es nur auf den Minister ankommen, ob die Beamten ein guter oder ein schechter Geist beseelen soll. So lang in einem Staat nicht sämmtliche Rechte von der einen Seite gehörig garantirt und von der andern gehörig beschränkt sind, ist man immer befugt wie veranlaßt, den schlimmsten Gebrauch von der Macht hypothetisch anzunehmen. Erhalten wir also, wovor uns der Himmel bewahren möge, schlechte Minister, so wer­den sämmtliche Beamten in diesem Sinn ministeriell werden müssen, wenn sie nicht, aus irgend einem Grund entlassen zu werden, sich gefaßt halten wollen. Eine Hauptsache im gewöhnlichen Leben ist und bleibt die Existenz. Ob sie durchAbsetzung" oder durchEntlas­sung" genommen werden könne, die Folge, nämlich der Verlust der­selben, ist in materieller Beziehung gleich. Der Verlust oder Besitz der Existenz aber ist es, wodurch die unendliche Mehrzahl der Menschen, also auch der Beamten, regiert werden kann und regiert wird.

So viel scheint also klar, daß die neue Einrichtung auf den Geist und Charakter der Beamten nur den nachtheiligsten Einfluß ausüben wird. Dieser Einfluß wird sich aber auch in materieller Beziehung kund geben. Es gibt keine treue Diener ohne die Gewißheit des Bestehens. Wer alle Tage entlassen werden kann, wird auch alle Tage zu benutzen suchen, um für den Fall der Entlassung einige materielle Vorsorge zu treffen. Wir würden indeß jedenfalls, wenn wir über Beamten zu befehlen hätten, die stets mit einem Fuß vor der Thüre ständen, die Kassen mit doppelten Schlössern versehen lassen.

Die Entlaßbarkeit der Richter- würde eine eigene Abhandlung erfordern, die man in unserm Staat fürwahr nicht mehr für nöthig gehalten hätte.

Es bleibe nun noch übrig den nachtheiligen Einfluß zu beleuchten, welchen die neue Einrichtung auf Diejenigen üben müßte, welchen durch sie eine bis jetzt in Preußen nicht gekannte Macht in die Hände gegeben würde. Wir können uns die Mühe dieser Beleuchtung spa­ren, theils weil sie sich zum Theil aus dem Vorhergehenden ergibt, theils, weil wir noch immer zu unserer Schreibfreiheit mehr Ver­trauen haben, als zu unserer Druckfreiheit. Die ganze Einrichtung können wir nur einen entschiedenen Rückschritt nennen.

Vorstehende flüchtige Zeilen mögen wenigstens dazu dienen, andere Urtheile hervorzurufen. Der Schreiber dieses ist nicht Beamter, sein Urtheil kann also eher auf Unparteilichleit Anspruch machen. Er glaubt aber den Beamten nahe legen zu müssen, daß es ihre drin­gendste Pflicht wäre, nicht blos ihre Stimme öffentlich zu erheben, sondern auch gegen die neue Einrichtung schon jetzt in Masse bei Sr. Majestät dem König zu remonstriren.

Berlin, vom 26. Juli. In mehreren öffentlichen Blättern las man in diesen Tagen, daß in Erfurt ein Major S. arretirt und nach Berlin abgeführt worden sey. Diese Nachricht ist wahr; allein sie ist in keiner Beziehung mit den Verhältnissen der Politik in Verbin­dung, sondern der verhaftete Offizier, der übrigens seit einigen Jah­ren bereits außer Dienst ist und als ein wohlhabender Privatmann in Erfurt lebte, ist in einem Prozesse mit verwickelt, der vor einigen Mo­naten gegen den Kriegsrath B.. und einige andere Personen eröffnet worden ist und Geldangelegenheiten der hiesigen Artillerie=Werkstätte betrifft. Diese Angelegenheit scheint sehr verwickelt und weitläufig zu seyn, und sie erfordert vielfache Recherchen bei verschiedenen Be­hörden, da sie weit in die Vergangenheit hineinreicht.