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grec Anchu dr.
Nr. 225.
Chef=Redakteur: Dr. Ed. Hüsgen. Für die Redaktion verantwortlich: F. Breuer in Düsseldorf. Druck und Verlag der Akt.=Ges. Düsseldorfer Volksblatt in Düsseldorf.
Mittwoch, 20. August 1890(Bernardus).
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24. Jahrg.
Die„Kaiserrede" des Generaldirektors Dr. Ritter,
Le vom Wolffschen Bureau auszüglich verbreitet worden ecet eine entschiedene Absage an die Herren W. Funcke
Die Rede, welche s. Z. Herr Dr. Ritter im Abgeordtenhause bei der Streikdebatte hielt, war bekanntlich ht frei von arbeitgeberischer Einseitigkeit und forderte ent
Widerspruch heraus. Herr Hitze mußte nach dem
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ebeitlichen Versuch, die Kohlengruben als hygtenische Musterwerkstätten zu preisen, an den Herrn Generaldirektor Frage richten, ob er niemals etwas von der Bergarbeiterkrankheit, der Zerstörung des Lungengewebes durch den ewig lingegtmeten Kohlenstaub, gesehen oder gehört habe. Die abige Rede des Herrn Generaldirektors ist ein begeistertes Fekenntnis zur kaiserlichen Socialreform. Er spitzt selbst Ene Verherrlichung der Person und der Politik des Kaisers „ einer Polemik gegen den Standpunkt der Funckeschen Kroßindustriellen von Rheinland=Westfalen zu, indem er unter Hinweis auf das Verhalten Kaiser Wilhelms im Staatsrat bemerkt:„Ein Monarch, der, um selbst zu wissen, so seinem Volke den Puls fühlt[bekanntlich hatte der Kaiser sch auch mit einem socialistischen Arbeitervertreter untersalten!), der wird auch nie unberechtigten Einflüsen zugänglich sein, der forscht nach ganzer Wahrheit und wird sie stets zum Segen seines Volkes zu finden
wissen."
Funcke und Genossen teilen bekanntlich die Bismarcksche Anschauung, daß die kaiserliche Socialreform den Uebermut und die Begehrlichkeit der Arbeiter steigern werde. Dem titt Herr Dr. Ritter ausführlich entgegen. Er führt aus, daß die rückgängige Arbeiterbewegung und deren Eindämmung in die Ufer einer humanen Gesetzgebung nicht etwa dem wechselnden Atemzuge von Angebot und Nachfrage oder gar der neuen Bebelschen Parole zuzuschreiben sei, sondern daß man sie vornehmlich der starken Anregung und versöhnenden Kraft des Kaisers zu danken habe. Grillenberger irre sich, wenn er meine, daß gerade die kaiserlichen Erlasse die Sache der Socialdemokratie gestärkt hätten; das hätten freilich anfangs in der Verblüfftheit Viele gedacht, doch die Zukunft werde das Gegenteil lehren. Der Kaiser sei gerecht und messe mit gleichem Maße; deshalb dürften auch die Arbeitgeber getrost in die Zukunft blicken:„Die Wolken der Schwarzmalerei werden bald verfliegen."
Der Kernpunkt der Ritterschen Ausführungen ist das Bekenntnis, daß wir dem socialreformerischen Kaiser„die absolute Verhütung einer socialen Revolution zwischen den Vogesen und der Weichsel zu verdanken haben". Hoffentlich wird nicht bloß in Deutschland, sondern auch in den andern Kulturstaaten die sociale Revolntion verhütet. Bei dem Vergleich der Jetztzeit mit der Zeit der Einleitung der großen französischen Revolution hebt Herr Ritter mit Recht hervor, daß einesteils das Königtum jetzt gerade durch die Tugenden glänze, welche den Schwächen und Lastern des damaligen französischen Königtums entgegengesetzt sind, und daß andernteils die vielgemahnte, vielgewarnte moderne Gesellschaft aus dem Schlafe erwacht sei und zur Erkenntnis der Gefahr, die damals der maßgebenden französischen Gesellschaft abging, gelangt sei. In letzterer Hinsicht muß man daran erinnern, daß der Reichstag durch seine wiederholten Beratungen und Beschlußfassungen den Stein herangewälzt hat, den Kaiser Wilhelm durch die weltgeschichtlichen Hammerschläge vom 4. Februar als Eckstein der deutschen Socialpolitik festlegte. Das fast einmütige Vorgehen der Volksvertretung gegen die Bismarcksche Lauheit schmälert den Ruhm des Monarchen nicht, sondern verstärkte die Wucht des kaiserlichen Entschlusses, indem alle Welt erkennt, daß hinter dem Willen des Herrschers der Volkswille steht, wie er in der geordneten Vertretung der Nation in ganz zweifelloser Weise wiederholt kundgegeben wurde.
In diesem Sinne hätte Herr Ritter in seiner Lobrede auch des Reichstags gedenken sollen. Jedenfalls hätte er bei seinem Panegyrikus auf die Bundesregierun
gen nicht vergessen sollen, daß die Herren Mitglieder des Bundesrats weder ihrer Einficht noch ihrer Tapferkeit ein glänzendes Zeugnis ausgestellt haben, als sie die Arbeiterschutzanträge des Reichstags auf Bismarcks Wink jedesmal in den Papierkorb fallen ließen. Wir bedauern das von unserm föderalistischen Standpunkte ganz besonders; aber es läßt sich nichts ändern an der Thatsache, daß die Hoffnungen der Socialreformer nicht auf den neubekehrten Bundesrat, sondern bloß auf den Kaiser und den Reichstag sich stützen.
Die matten Ministerien.
In einem Teile unserer Ministerien herrscht frisches Leben und Streben, kühner Unternehmungsgeist, etwas wie jugendkräftiger„Sturm und Drang". Aber es giebt auch Ressorts, die sich behaglicher Ruhe auf den wirklichen oder vermeintlichen Lorbeeren hingeben, vor fortschrittlichen„Abenteuern" eine heilige Scheu haben, die Vorsicht für den besten Teil der Tapferkeit halten und„konservativ" im stagnierenden Sinn des Wortes sind.
Das Ministerium des Innern wagt sich an die schwierige Landgemeinde=Ordnung; im Kultusministerium getraut man sich, ein„Volksschulgesetz" zu machen; im Finanzministerium wälzt man den Sisyphus=Stein der Steuerreform; das Reichsamt des Innern und das preußische
Handelsministerium widmen der gewaltigen Socialreform ihre Kräfte; im Kriegs= und Marine=Ministerium herrscht ein Fortschrittstrieb, der manchmal unheimlich wird für die Steuerzahler. Demgegenüber stehen nun die Justiz-, die Post= und die Eisenbahnverwaltung abseits vom Reformwinde; in ihren Wipfeln spürst Du kaum einen Hauch.
Ist etwa in den letztgenannten Gebieten Alles in Ordnung und Vollkommenheit? Giebt es dort keine Mißstände, die Abhülfe, keine Lücken, die Füllung, keine Bedürfnisse, die Reformen und Fortschritte verlangen? In Hülle und Fülle; aber man regt sich darüber nicht auf.
Auf dem Justizgebiete schweben, abgesehen von den Kostenfragen und anderen äußeren Angelegenheiten die hochwichtigen Fragen der Berufungsinstanz und der Entschädigung unschuldig Verurteilter. Sie„schweben" in einem fort. Mit der Justizreorganisation von 1879 scheint die Unternehmungslust in diesem Dienstzweige erschöpft worden und durch den Personenwechsel nicht aufgemuntert worden zu sein. Es ist aber ein handgreiflicher Irrtum, wenn man das Werk von 1879 für vollkommen und der nachbessernden Hand nicht bedürftig hält.
Herr Stephan, der Herrscher über Post und Telegraphie, war einst ein großer Reformer und Fortschrittler, welcher viel wagte und viel gewann, sowohl an Ehren, wie an Erfolgen. Jetzt ist sein Beharrungsvermögen in überwuchernder Weise entwickelt. Er sitzt ruhig auf seinen Ueberschüssen und zehrt vom Ruhme seiner flotteren Jahre. Auf die verschiedenen Anregungen im Reichstag hatte er nur eine ablehnende Antwort; er wollte nichts riskieren, um seine schöne Ueberschüsse nicht zu gefährden. Nachher hat die Postverwaltung einige Kleinigkeiten fortschrittlicher Art zugestanden; aber im großen und ganzen ist der frühere Spiritus zum Teufel und das Pflegma geblieben.
Ueberschüsse können wie Schlafmittel wirken. Auch die Eisenvahn-Verwaltuna leidet an dem Bewußtsein riesiger Ueberschüsse. Wenn die preußischen Staatsbahnen so ungeheuer viel Geld einbringen und das ganze Budget über Wasser halten— was bedarf es da noch absonderlicher Anstrengungen und riskanter Neuerungen? Seit alle bedeutenden Linien in die Hand des Staates gelangt sind, fehlt der Stachel der Konkurrenz.„Uns kann Keiner", sagen Herr v. Maybach und seine Räte.
Es handelt sich dabei keineswegs bloß um die vielbesprochene, radikale Reform der Personentarife, wie sie Perrot und Engel vorgeschlagen, Ungarn und Oesterreich mit Erfolg vorgemacht haben. In der„Nat.=Ztg." sind kürzlich recht beachtenswerte Artikel erschienen, welche nachweisen, daß die preußischen Staatsbahnen in vieler Beziehung zuruckgeblieben sind, namentlich in den technischen Betriebseinrichtungen, dem Zustande der Geleise, der Lei
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* Sonnenried.
Roman von Marga Brechten.
14. Kapitel.
Ballblumen und Walzerklänge.
Ich haucht' im Lied die ganze Seele hin,
Und ihre tiefsten Tiefen legt' ich offen!—
Ich hatte nichts zu fürchten, nichts zu hoffen; Ich ging nichts suchen, hatte nichts zu flieh'n!— Das wunderbare Lied blieb unverstanden;
Die Herzen nur ihr eignes Weh d'rin fanden! Ged. v. d. Heide.
XXXI.
Wissen Sie, mein lieber Schwager, daß ich Ihnen
von Herzen zürne?" sagte Illa Eltmann eines Mors zu dem Baron, welcher eben das Frühstückszimmer „r. Er war im Reitanzuge und schien offenbar Eile d., denn er antwortete nur obenhin:
„Ich sehe mit Erstaunen, daß sich Ihr hübsches Gesicht denkliche Falten legt, wenn ich nur in die Nähe
Nun, und Sie finden es noch nicht einmal der Mühe zu ragen, wodurch Sie mich gekränkt haben? leisene m.„Nein, denn ich empfinde nicht die
ich meue und habe überhaupt gar keine Ahnung, daß willen etwas gethan haben könnte, das Ihren Unerdient hätte. Wenn ich schöne Damen zürnen Worten dies einfach für eine Laune." Mit diesen
ref nac dem Fenster, öffnete es und
hertrigh. welcher uch in der Nähe des Gartens um
zu. Sore. Dil', laufe einmal nach dem Gärtner und siehe „erm dem Bestellten fertig geworden ist!"
Sie dies wenn meine Schwester zürnt, wofür halten
Varen wieper nh ingse sagte Illa, als sich der
dem Rücken gegen das Fenster und Felienteer. Dann erwiderte er rasch: Felicitas. sie hat niemals Laune, sie ist—
unterbrach un haa ollommen. sie ungefähr wollte ich sagen, für mich wenigstens ist
ein lauernder, etwas spöttischer Blick traf ihn aus Illas
Augen. Er sah denselben nicht, sondern schaute ungeduldig nach der Thüre. Illa bemerkte es und ärgerte sich darüber. Sie kam gewöhnlich zuletzt herunter und liebte es, wenn ihr jemand Gesellschaft leistete, während sie ihren Morgentrank schlürfte. Nach einer Weile sagte sie:
„Ich glaube, Sie haben heute morgen wirklich die Absicht, mich noch ungünstiger gegen Sie zu stimmen."
„Ich lasse es wenigstens darauf ankommen. Trage ich doch eben heute morgen zwei Dinge bei mir, welche geeignet sind, allen Zoll und Groll einer Dame zu verscheuchen", sagte Freidorf, sie halb belustigt betrachtend.
„So, und wenn nun diese zwei Dinge gar nicht in Anspruch genommen werden? Es könnte ja sein, daß niemand darnach verlangte."
„Dann bin ich allerdings machtlos; aber ich zweifle stark an dem Eintreffen dieses Falles. Es giebt da einen kleinen Zug im Frauenherzen, so eine Art von Erbteil; und sehen Sie, für ein Erbe kann man ja nichts, das nimmt man ruhig und steckt's zufrieden ein."
„Ich bin keine neugierige alte Frau!"
„Oho! Gewöhnlich sind junge Leute neugieriger als alte. Wenn es sie tröstet, will ich hinzufügen: auch meine Felicitas besitzt das Erbe von unserer guten Stammmutter und es regt sich zuweilen bei ihr."
„Wirklich? ich hätte nicht gedacht, daß Sie so etwas eingestehen würden."
„Warum nicht? Neugierde ist ja keine Untugend. Sehen Sie, ich mache es Ihnen leicht,— wie ihre Augen blitzen! O, ich lasse auch mit mir unterhandeln, liebe Schwägerin."
„So? sehr gütig, mir auf halben Wege entgegen zu kommen," sagte Illa und heftete ihre Augen auf ein Anisbrötchen.
„Zunächst sollen Sie mir drei Fragen beantworten, dann werde ich Ihnen Ihre Sünde vorhalten und Pardon erteilen; hierauf werde ich es Ihnen am allerleichtesten machen und einfach sagen: Geben Sie nun ihre beiden Dinge heraus, denn ich sehe, Sie brennen vor Begierde, dieselben los werden."
„Mag sein; doch warten Sie, hier ist Bill; in einigen Minuten stehe ich zur Verfügung, schöne Inquisitorin."
Bill erschien mit einem herrlichen Strauß Astern.
„Ah, all ready, Bill? Alles bereit?" fragte der Baron
„Quiet fertig, Sir," schmunzelte der Negerknabe und schielte nach dem Backwerk hinüber. Illa rief ihm einige Worte
stungsfähigkeit der Lokomotiven, der Wirksamkeit der durch gehenden Bremsen, und daß dieses Zurückbleiben auf die mangelhafte Organisation der Verwaltung zurückzuführen sei. Ebenso lehrreich, wie diese Angriffe, war ein Verteidigungsartikel. Der Wortführer der Verwaltung giebt eine ganz gefährliche Abneigung gegen„Neuerungen" kund. Während in der ganzen übrigen Welt die Technik in der kräftigsten und fruchtbarsten Entwicklung begriffen ist, will das preußische Eisenbahnwesen nur von„Vorsicht" und Sparsamkeit sich leiten lassen. Unsere Militärverwaltung scheut keine Mühe, kein Risiko, keine Kosten, um mit allen Fortschritten der Technik gleichen Schritt zu halten; das Ressort des beflügelten Rades aber geht tastenden Fußes in der Nachhut. Die überwundene Carpenterbremse wird mit derselben Pietät beibehalten, wie der altehrwürdige Kilometertarif, dessen Grundstoff hinter all' den tausendfältigen Flicken kaum noch zu erkennen ist. Vertrocknet, verknöchert und altersschwach erscheint das preußische Eisenbahnwesen, wie in den allgemeinen Lebensäußerungen, so auch in örtlichen Unternehmungen, z. B. in der unglaublichen Verschleppung der Neuanlagen in der Umgebung Berlins.
Wenn wir die Reformlust der neuen Aera preisen, so müssen wir leider die genannten matten Ressorts noch ausnehmen. Wer wird auf diesen kalten Herden das Feuer wieder anblasen?
Deutsches Reich
= Berlin, 19. August. Der Minister des königlichen Hauses, v. Wedell ist mit längerem Urlaub nach Pies dorf in Sachsen abgereist.
* Mit den Vorarbeiten zur Reform des MilitärStrafprozesses ist ein Ausschuß betraut, welcher nach Beendigung der Herbstmanöver im Oktober zusammentreten wird. Ein Unterausschuß hat die erste Lesung des Entwurfs schon beendet. Die Beschlüsse des großen Ausschusses werden an das Reichsjustizamt gehen und dürsten hier als Grundlage zu einem Entwurf für Bundesrat und Reichstag dienen.
* Zur Ausgabe ist laut Ankündigung im„Staats anzeiger" das Gesetz'enthaltend Bestimmungen über das Notariat und über gerichtliche oder notarielle Beglaubigung von Unterschriften der Handzeichen vom 15. Juli 1890, sowie der Staatsvertrag zwischen Preußen und Lippe wegen Herstellung von Eisenbahnen von Detmold nach Sanderbeck und von Lage nach Hameln vom 22. September 1889 gelangt.
* Das zu Ehren Peters und Genossen anberaumte Festmahl des Emin=Pascha=Komité's findet am Montag den 25. d. M. statt. Peters trifft hier am Samstag ein. Die Mitglieder des geschäftsführenden Ausschusses fahren ihm bis zur nächsten Station entgegen. Am Nachmittage fin det Begrüßung und Entgegennahme der mündlichen Berichterstattung des Reisenden statt.
— Die Kaiserin von Oesterreich tritt heute ihre große, schon seit längerer Zeit vorbereitete Reise von Ischl aus an, um sich zunächst nach Holland, dem Ausgangs punkte der Seereise zu begeben. In Vlissingen harrt derselben die Yacht des dänischen Gesandten Baron Falbe, welche die hohe Frau an die schottische Küste bringen wird, wo ein kurzer Aufenthalt geplant ist. Während der ganzen Reise, für welche drei Monate in Aussicht genommen sind, wird die Kaiserin das strengste Inkognito bewahren. Vorläufig ist nur bekannt, daß ein Anlaufen der Küsten Frank reichs, Spaniens und Afrikas beabsichtigt ist.
— Graf von Monts, der bei der Katastrophe auf dem Schießplatze bei Kummersdorf so schwer verletzt wurde, hat die Universitätsklinik verlassen, um in Charlottenburg bei seiner Mutter seine völlige Genesung abzuwarten. Das Allgemeinbefinden des Grafen ist gut.
— An Herrn Minister Miquel hat die„Freis. Ztg." eine kleine, durchaus nicht parteipolitische Bitte zu richten. Das Rechnungsjahr für den preußischen Staats haushalt vom 1. April 1889 bis zum 1. April 1890 ist vollständig abgeschlossen, ebenso wie dasselbe Rechnungs
zu und reichte ihm ein Stückchen, worauf der kleine Schwarze auf ein Knie sank und galant den Saum ihrer Morgenrobe küßte,— eine Geberde, welche sie ungemein liebte.
„Ich muß mit dem kleinen Foundling mein Englisch auffrischen," erklärte sie, als Bill gegangen.
„Das könnten Sie besser mit Ihno thun, er spricht es wie seine Muttersprache," antwortete der Baron.
„Da haben Sie gerade den streitigen Punkt berührt, und ich stelle meine erste Frage: Wo ist der Kapitän?"
„Drüben in Kiel geblieben, bei seinem Schiff. Er kommt übrigens in einigen Tagen wieder, wenn es Sie interessiert."
„Freilich interessiert es mich; doch was machen Sie mit dem Bouquet? Es war ja so entzückend gebunden!"
„Es ist allerdings schade um des Gärtners Kunstwerk;" entgegnete Freidorf gleichmütig, schnitt den Faden entzwei und breitete die Blumen einzeln auf dem weißen Damasttuche aus. Dann trat er zu einem Eckschranke, nahm Etwas heraus und kehrte zu dem Tische zurück.
„Ich denke, dieselben werden meiner Felicitas doch gefallen, wenn ich sie auch nicht so„entzückend" binden kann."
„Soll ich Ihnen helfen?"
„Danke, ich möchte ich es allein thun," erwiderte er und ordnete die Blumen um einen Gegenstand, welchen er in der Hand hielt.
„Ich glaube, Sie achten kaum auf das, was ich sage."
„O doch, ich bin ganz Ohr, aber ich muß noch mehr Astern haben. Bill, wo steckst Du? Geschwind, besorge noch einige her, aber quickly, quickly, hörst Du?— So, und nun, was befiehlt meine erzürnte Dame?"
„O, ich möchte zunächst erfahren, warum Sie so unliebenswürdig waren und nach Kiel reisten, während Sie uns hier zurückließen? Guter Gott, wie hatte ich mich auf diese
Reise gefreut!"
„Wirklich? Wie schade!
Vergnügen davon gehabt; und rauh."
„O gehen Sie! ich bin sehr abgehärtet und gar nicht so zart, wie ich aussehe."
Baron Freidorf blickte Illa überrascht an, er hatte nie gedacht, daß sie so aussähe. Sie war sehr schön, aber der Ausdruck„zart" paßte nicht auf ihre volle, üppige Gestalt.
Daher sagte er nur:
jahr für den Reichshaushalt. Die Ergebnisse dieses Jahres für den Reichshaushalt sind längst durch den„Reichsanzeiger" im Monat Juli veröffentlicht worden. Eine Veröffentlichung der Ergebnisse über den preußischen Staatshaushalt ist indeß nicht erfolgt. Die„Freis. Ztg." wünscht nun, daß dieselben baldigst im„Reichsanzeiger" veröffentlicht werden möchten. Zur„Geheimniskrämerei" liege kein Grund vor.
Der Geh. Oberpostrat Schiffmann, Vorsteher der Oberpostdirektion in Berlin, ist gestern hier einem Herzschlage erlegen. Der„Reichsanzeiger" hebt seine Verdienste auf postalischem Gebiete hervor und rühmt seine Treue als Beamter, seine Milde und sein Wohlwollen gegen seine Untergebenen. Er erreichte ein Alter von 69 Jahren.
— Frhr. v. Schorlemer=Alst hat kürzlich im Westfälischen Bauernverein mitgeteilt, seine Gemahlin sei nach viermonatlicher schwerer Krankheit als genesen zu betrachten und er werde daher im Herbst wieder in den Reichstag eintreten.
— Mit dem socialdemokratischen Parteitag in Halle soll auch eine Konferenz aller Leiter der Organisation der Gewerkschaftsbewegung verbunden werden. Diese Konferenz wird sich in erster Linie mit dem Hamburger Streik beschäftigen, und darüber beraten, wie die Arbeiter den Unternehmerkoalitionen am wirksamsten entgegentreten können.
— Er hat ihn ja nur an der Schulter gefaßt, nämlich Genosse Bebel den Genossen Harnisch, als sie zu Dresden gegen einander in Harnisch gerieten. Im„Berliner Volksbl." lesen wir nämlich:„Anläßlich der letzten Dresdener Parteiversammlung, in welcher über die„Sächs. Arb.=Ztg." verhandelt wurde, brachte das„Berl. Tagebl." einen Bericht, in dem es heißt:„Nur wenige Redner widersprachen Herrn Bebel. Als einer derselben sagte, die Fraktion mißbrauche ihren Einfluß, sprang Herr Bebel vom Vorstandstische auf und packte den Redner; der Vorsitzende mußte Beide trennen." Der wirkliche Vorgang ist folgender: Herr Harnisch, der Miteigentümer der„Sächs. Arb.=Ztg.", sprach in so provocierender Weise, daß in der Versammlung ein Sturm der Entrüstung entstand und Gefahr war, daß die Versammlung aufgelöst wurde. Da sprang Herr Bebel auf, faßte den Redner, um ihn zur Besinnung zu bringen, bei der Schulter und rief ihm zu: er provociere wohl absichtlich, um die Versammlung zu sprengen. Darauf mäßigte sich Herr Harnisch; daß der Vorsitzende die Beide haben trennen müssen, beruht auf einer optischen Täuschung. Nach Schluß der Versammlung trat Herr Harnisch an Herrn Bebel heran und bat wegen seines Auftretens um Entschuldigung; er habe sich nur in Aufregung zu weit hinreißen lassen. Herr Bebel antwortete, daß er alsdann auch das gegen ihn(Herrn Harnisch) Gesagte zurücknehme, worauf beide sich die Hände reichten." Herr Bebel hat eine eigentümliche Methode, die Leute„zur Besinnung zu bringen!"
* Zum Streit in dem socialdemokratischen Lager durfte man sich von der Berliner allgemeinen Versammlung, die für Mittwoch Abend angesetzt war und in welcher der Abg. Singer über die Angriffe gegen die Taktik der Parteiführer reden wollte, einen sehr lehrreichen Beitrag versprechen. Es hat nicht sollen sein. Wie der Abg. Singer heute im„Berl. Volksbl." mitteilt, ist diese Versammlung auf Grund des Socialistengesetzes von der Polizeibehörde verboten. Ob eine für denselben Abend, zur selben Stunde, in demselben Lokale und mit derselben Tagesordnung angekündigte socialdemokratische Volksversammlung, für welche nicht Herr Singer sondern eine obskure socialdemokratische„Größe" als„Referent" angemeldet ist, die polizeilische Genehmigung erhalten wird, ist noch nicht bekannt. Einstweilen haben wir es nur mit diesem ersten polizeilichen Verbote zu thun, und das hat in den Berliner politischen Kreisen ungeheuer überrascht. Gesteht doch selbst die„Nordd. Allg. Ztg." ein, daß das Verbot dieser Versammlung eigentlich zu bedauern sei. „Wem Gott ein Amt giebt, dem giebt er auch den nötigen Verstand" sagt ein bekanntes Sprichwort, aber der skeptisch
Doch Sie hätten diesmal kaum das Wetter war zu stürmisch
„Ja, aber Felicitas ist es, und wir konnten keine bessere Zeit abwarten. Mein Sohn erhielt erst am Abend vorher die Nachricht, daß seine Anwesenheit wünschenswert sei. Er bat mich, mitzureisen und mir sein Fahrzeug anzusehen. Aber ich sage Ihnen, es war ein Hundewetter! Uns Beiden, einem echten Seebären und einem alten Soldaten, thut das nichts; Damen hätten sich jedoch auf der Werft nicht halten können. Felicitas— Sie wissen, Ihre Schwester ist sehr vernünftig."
„O gewiß; ich bin davon überzeugt."
„Nun wohl, sie meinte, ihre Gegenwart sei unter diesen Umständen nur hinderlich für uns. Es wäre in der That so gewesen, denn wir hatten in den zwei Tagen keine freie Stunde; die Besichtigung der fortgeschrittenen Arbeiten, sowie die Geschäftsunterhandlungen nahmen unsere Zeit bis zum Abend in Anspruch."
Der Strauß war inzwischen vollendet; Bill wurde beauftragt, denselben seiner Herrin zu überbringen mit dem Bemerken, dies sei der versprochene Gruß aus Kiel.„Halte ihn immer nach oben, Junge," sagte der Baron und fuhr dann zu Illa gewendet fort:
„Ueberdies, Felicitas war ermüdet von den Anstrengungen der letzten Wochen. Es verging ja fast kein Tag, an welchem wir nicht Besuche machen und Einladungen annehmen mußten. Sie haben wirklich eine Reihe von Triumphen gefeiert, meine schöne Freundin."
„Meinen Sie?" fragte sie lächelnd.„Allerdings, ich glaube selbst, einige Ruhetage thaten meiner Schwester not. Sie war ganz erschöpft, als wir am Dienstag von Hohenheim kamen, nachdem wir erst am Tage vorher bei Neubergs gewesen waren. Aber wenn auch, ich wäre doch für mein Leben gern mitgefahren."
„Sie? Ich dachte, Sie würden jedenfalls lieber zur Gesellschaft und Pflege Ihrer Schwester hier bleiben wollen. Wenn ich nicht irre, gaben Sie dies auch zu verstehen."
Illa errötete, dann erwiderte sie leichthin:
„Felicitas würde mich kaum vermißt haben."
„Wenn ich gewußt hätte, daß Ihnen so viel daran lag, würde ich mehr in Sie gedrungen haben," fuhr Freidorf fort.„Zu der nächsten Reise können wir indessen gutes Wetter abwarten und dann soll es mich freuen, wenn Sie beide uns begleiten."
Forts. folgt.)