Düsseldorf, Mittwoch den 29. Juni 1836.

(Als Zugabe zur Düsseldorfer Zeitung.)

Der Friedhof.

strömt der Rhein mit seinen gelben Wellen Und netzt der grünen Wiesen Blumenrand,

Die Erdenpilger schlummern in den Zellen Den Letzten, durch des Todes kalte Hand!

Und leiser flüstern rings die Abendlüfte Und schweben klagend über Moos und Stein,

Wie schauerlich erhellt die stillen Grüfte

Doch sanft und mild des Mondes bleicher Schein.

Seid mir gegrüßt, ihr friedlich stillen Räume,

Wo Liebe Glaube und die Hoffnung weilt! Hier fliehen Wonne und die Erdenträume Und jeder Schmerz und jede Wunde heilt.

Wie einsam ist die Welt mit ihrem Glücke,

Mit ihrem Schimmer, ihrer bunten Pracht,

Wenn nach des Lebens düsterem Geschicke Die theure Mutter ruft in Grabesnacht.

Mit dir entfloh die Freude unsers Lebens,

Und dunkel ist der stürm'sche Lebenspfad,

Wir suchen auf der Erde dich vergebens,

Die uns mit inn'ger Liebe stets genaht!

Durch Deine Sanftmuth Deine Engelgüte, Hast Du die Deinigen so oft beglückt;

Und jedes Gute Schöne Edle blühte In Deinem Herz, durch Tugenden geschmückt!

Wie selig war Dein Tod zum schönern Leben Gingst Du durch jene dunkle Pforte ein,

Wenn auch die Herzen hier im Schmerz erbeben, Du schwebest dort in dem Verklärungsschein!

Du siehest jetzt die schönen ew'gen Sonnen Und sehnst Dich nach der Erde nicht zurück,

Und bei des Himmels ungetrübten Wonnen Verkläret sich Dein treuer Mutterblick!

Wir aber stehen einsam hier und weinen,

Und hoffen, daß der Tod uns wird vereinen.

M. v. E.. t.

Der Wirrwarr.

Novelle von W. Besglaßnoy. Aus dem Russischen.

(Fortsetzung.)

Zwei kräftige Fäuste griffen mir wieder unter die Arme; wir stiegen wieder einige Stufen hinunter; die Thüren knarrten wieder, ich hörte wieder das Schlagen der Ru­der und fühlte das Schwanken des Bootes. Meine Führer beobachteten, wie früher, das tiefste Schweigen.

Wic waren bereits lange unterweges und schon glaubte ich, der Augenblick meiner Befreiung sey da, als ich plötzlich bemerkte, daß meine Führer unruhig wurden. Hier ist etwas," sagte flüsternd eine Stimme.Es ist ein zusammengerolltes Segel," antwortete eine

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andere.Nein, es ist etwas Lebendes!" rief die er­stere aus.

Nach einem augenblicklichen Schweigen hörte ich einen Schrei, das Zischen eines gleitenden Dolchs, das matte Aechzen eines Sterbenden.

Halt! halt"" schrieen auf einmal einige Stimmen um uns her.

Das war mir denn doch zu arg: ich konnte mich nicht mehr halten und riß mir die Binde ab. Der Mond schien, zu meinen Füßen lag ein blutiger Leich­nam! Noch hatte ich mich vom Anblick dieses schreck­lichen Schauspiels nicht erholt, als das Boot, auf wel­chem ich mich befand, mit Haken zu einem anderen hin­gezogen ward, aus welchem in demselben Augenblick mir unbekannte Leute herüber sprangen, die mir, nach ihren Uniformen, Polizeibeamte zu seyn schienen. Meine Füh­rer waren schon nicht mehr im Boot; nach einigen Schüssen von Seiten der Soldaten zu urtheilen, schloß ich, daß man meine früheren Bekannten ins Meer gewor­fen habe.

Meine neuen Bekannten ließen mir weder Zeit zum Nachdenken, noch Zeit ein Wort zu sagen, sondern ban­den mir ohne Umstände die Hände und brachten mich in ihr Fahrzeug. Auf meine Frage, wohin man mich führe, antwortete mir einer der Sbirren:dahin, wo man der­gleichen brave Kerle, wie Du bist, gewöhnlich hinzuführen pflegt." In dieser Antwort lag nichts Tröstliches für mich. Auf alle meine Reden, auf alle meine Vorstellun­gen, daß ich von dem ganzen Ereigniß keinen Begriff habe, erhielt ich die Antwort, daß morgen Alles klar wer­den würde.

Das Fahrzeug landete; wir stiegen aus und hielten bald, nachdem wir einige Quergassen passirt waren, vor einem großen Gebäude, neben welchem Schildwachen stan­den. Große eiserne Thüren öffneten sich vor mir, doch bevor man mich hinein führte, ward mir ein kleines Pa­pier in die Hand gesteckt; maschinenmäßig drückte ich es zusammen, und folgte meinen Führern, in der Hoffnung, endlich Jemanden zu begegnen, von dem ich Aufklärung erhalten könnte; meine Erwartung ward aber getäuscht. Die Führer kehrten in einen kleinen Korridor ein, öffne­ten eine kleine niedrige Thüre, stießen mich durch diesel­be, sie schloß sich, hinter mir hörte ich mehrere Thüren schließen. Vergebens war all' mein Rufen: ich mußte mein Schicksal geduldig abwarten. Ich blickte um mich her; ich befand mich in einem kleinen viereckigen Raum, ohne Bett, ohne Stuhl, ja sogar ohne Fenster; eine kleine Oeffnung, ungefähr zwei Klafter vom Fußboden, mit einem eisernen Gitter, ließ den Schein einer aus­wendig hängenden Laterne durch. Als um mich her nichts zu hören war, als das Hin= und Hergehen der Schild­wache und bisweilen Seufzer, die aus einem benachbar­ten Gemach zu kommen schienen, entschloß ich mich dem Laternenschein näher zu treten; ich entfaltete das Papier und konnte nur mit Mühe folgende Worte herausbrin­gen:Vergessen Sie nicht das von Ihnen gegebene Ver­sprechen und seyen Sie ruhig."

Ich gestehe, daß mir dieser Zettel keine große Freude