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Düsseldorf, Sonntag den 10. Januar 1836.

(Als Zugabe zur Düsseldorfer Zeitung.)

Wem mag er gehoren. (Ein nächtliches Abenteuer in einem Personenwagen.)

Wer hat nicht auch in Berlin die drückende Hitze dieses 1835er Sommers empfunden? Man arbeitete nicht nur im Schweiße seines Angesichts, sondern genoß auch darin jedes Vergnügen, und Viele was ihrer Sparsamkeit zum Ruhme gereicht benutzten diesen hohen Stand des Thermometers, um bei ihrem Vergnügen zugleich rus­sische Dampfbäder umsonst zu nehmen. Ich schob es von einem Tag zum andern auf, eine Wallfahrt zu der Pfau­eninsel zu machen, immer hoffend, daß ein wohlthätiges Gewitter die Luft abkühlen und ein erquickender Regen den Staub von den Bäumen und Pflanzen abspülen würde. Es heißt zwar: Hoffnung läßt nicht zu Schanden werden, aber keine Regel ohne Ausnahme! meine wurde diesmal zu Wasser, aber leider! ohne daß es ein ersehnter Regen war.

Ein Entschluß mußte gefaßt werden; ich nahm der Sicherheit wegen auf zwei Tage Urlaub, ob ich gleich nur einen Tag zu dieser Lustreise bedurfte; stellt man sich wieder früher ein, so verräth es Diensteifer und empfiehlt bei den Vorgesetzten.

Um der Hitze und dem Staube überhoben zu seyn, ging ich nach den Zeiten im Thiergarten und benutzte das Anerbieten, eine Wasserfahrt nach der Pfaueninsel zu machen. Die Zeit der Abfahrt ist sehr früh festgesetzt; ich fürchtete schon, als ich unter den Linden nach der akademischen Uhr sah, daß ich zu spät kommen würde und beflügelte meine Schritte. Unnöthige Furcht! Sehr Viele von denen, welche an diesem Tage die nämliche Wasserfahrt machen wollten, hatten das Sprichwort prak­tisch geübt: Eile mit Weile, und fast die Mehrzahl stellte sich nach und nach lange nach mir ein. Ich lernte dadurch das Gefühl kennen, was ein Reisender, der sich etwa in Hamburg oder Bremen nach Amerika einschiffen will, wenn es ihm in der Heimath nicht mehr behagt, oder, was wohl öfter der Fall ist, er dort Keinem mehr gefällt empfindet, der am Bord eines Schiffes lange auf günstigen Wind warten muß, damit endlich die An­ker gelichtet werden. Nachdem die Gondel der man den stolzen Titel Schiff gegeben, nach der Analogie, wie sich jeder Lohnschreiber geheimer Sekretär nennen läßt mit Besuchern der Pfaueninsel hinlänglich angefüllt war, ruderte man endlich ab. Bei der Langsamkeit der Fahrt würde ich große Langeweile gehabt haben, wenn ich nicht mein Auge an dem Anblick der mitunter recht anmuthi­gen Gegenden an beiden Ufern geweidet und mich an den verschiedenen Gruppen in der Gondel belustigt hätte. Ich be­dauerte, daß ich weder ein Hogarth noch ein Chodo­wiecki war, sie hätten mir reichen Stoff zu charakteristi­schen Bildern dargeboten. An Unterhaltung war nicht zu denken, denn auf der Gondel befand sich, wie auf manchem Schiffe, viel Ballast, dieser war aber hier nicht, wie in einem Schiffe, ruhig im untern Raume, er be­wegte sich vielmehr sehr unruhig und schien wie die Göt­ter in den Wolken zu schweben, es waren aber keine

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Weihrauch=, sondern nur alle mögliche Sorten von Ta­bakswolken, an die ich, trotz meiner gesunden Brust, in einem engen Raume würde haben ersticken müssen. Es schien ein ordentlicher Wetteifer zwischen diesen Rauchern obzuwalten, durch seine Cigarre den Preis im wider­lichen Geruche vor den Uebrigen davon zu tragen.

Nach mehrstündiger Fahrt sah ich mich endlich an dem ersehnten Ziel, und ich rief eben so freudig wie Kolumbus Gefährten bei der Entdeckung von Amerika: Land! Land!. Jeder wollte der Erste seyn, dem trüg­lichen Elemente zu entrinnen; ich hörte sogar die Worte: Des Wosser hot keene Balken, kümme geschwinde, Saul­chen! und ich lief bei dem Gedränge Gefahr, in die Havel gestürzt zu werden.

Endlich freier Athem schöpfend, dachte ich: per as­pera ad astra, und das Uebersetzen nach der Pfauen­insel war bald und ohne solche Unannehmlichkeiten ge­schehen.

Je weniger die Wasserfahrt von den Zelten meinen Erwartungen entsprochen hatte, um so größer war jetzt der Genuß auf diesem reizenden Eilande; ich sah mich gleichsam wie durch einen Zauberstab aus einer sehr un­ästhetischen Wirklichkeit in eine idealische Welt versetzt, und verlor mich, während ich umher wandelte, in süßen Träumereien.

Da ich keinen überflüssigen Beitrag zu den vielen Beschreibungen von Berlin und Potsdam und deren Um­gebungen liefern will, um nicht das zehnmal Gesagte zum eilften Male zu wiederholen, so bemerke ich nur, daß ich, nachdem ich die Insel verlassen, den Augenblick ver­säumt, wo die Gondel wieder ihre Rückfahrt angetreten hatte. Ich hatte meine Taschenuhr zwar aus Vorsorge bei dem Gang nach den Zelten, nach der akademischen Uhr gestellt, aber des Schiffers Uhr mußte wahrschein­lich schneller gehen als diese und sein Fahrzeug. Mir blieb nichts übrig, als nun eine andere Gelegenheit aufzusu­chen, um nach Berlin zurückkehren zu können. Ich tröstete mich leicht darüber, denn in Potsdam darf man sich dar­nach nicht lange umsehen.

Man mag sagen was man will, wenn sich auch Ge­müth und Phantasie noch so reichlich befriedigt fühlen, wenn man sein Auge an den Schönheiten der freundli­chen Natur und den Werken der Kunst geweidet, wenn man die lieblichsten Düfte von Flora's Kindern einge­athmet, so mahnt doch der leere Magen ungestüm, seiner nicht zu vergessen. Meine Reisegefährten auf der Gondel hatten sich reichlich mit Speise und Trank versehen, und statt in die Umgegend zu blicken, schauten sie lieber in das Schnapsglas. Man sah auf diesem Fahrzeuge alle Arten kalter Fleischspeisen, die man in der Königsstraße, in dem alten Postgebäude, in der Leipzigerstraße und an mehreren andern Orten feil bietet, in der größten Man­nifgaltigkeit; aber die Art und Weise und der Heiß­hunger, womit sie zuweilen verschlungen wurden, waren nicht dazu geeignet, meine Eßlust zu erwecken, selbst wenn ich mich mit etwas Eßbarem versorgt gehabt hätte.

Jetzt sehnte ich mich recht sehr, mich zu restauriren,