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Düsseldorser Zeitung

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Nummer 212

Sonntag, den 24. Auaust 1924.

175. Jahrgang

Auf der Suche nach einem Ausweg.

Berlin, 23. Aug.(Drahtb.) Der Vorsitzende der demokratischen Fraktion, Reichstagsabgeordneter Koch, be­gab sich gestern am späten Abend noch zum Reichskanz­ler, um bei ihm dagegen Protest einzulegen, daß man durch eine Schutzzollvorlage die innerpolitische Situation wieder einer schweren Belastung aussetzt. In dieser Unter­haltung wurde weiter dagegen Stellung genommen, daß man diese Schutzzollvorlage in irgendeiner Weise in Ver­bindung bringe mit der Haltung der Deutschnationalen zu dem Londoner Konferenzergebnis.

#h einer Meldung des Vorwärts sollen auch zwischen einem demokratischen Reichsminister und der demokratischen Fraktion über diese Vorlage tiefgehende Mei­nungsverschiedenheiten entstanden sein.

Nachdem die heutige Reichstagssitzung ruhig verlaufen ist, sind einige Fraktionen wieder zu Sitzungen zusammen­getreten. Die Deutschnationalen hielten nur kurze Beratungen ab, die sich mit den Dispositionen für Montag, namentlich mit der Bestimmung der Redner zu den ein­zelnen Gesetzen beschäftigten. Obwohl immer noch kein Ausweg zu erkennen ist, mit dessen Hilfe die Gesetze ange­nommen werden könnten, so ist man doch in parlamentari­schen Kreisen überzeugt, daß ein Ausweg gefunden werden muß. Diese Hoffnung stützt sich vor allen Dingen auf die Stellungnahme der Industriellen und ihrer Organisationen, namentlich aber auf die Kund­gebungen, die aus dem besetzten Gebiete nunmehr auch bei den Deutschnationalen eingehen. Trotzdem bleibt die deutsch­nationale Presse dabei, daß die Londoner Abmachungen abgelehnt werden müßten. DieKreuzzeitung" rech­net sogar fest mit Neuwahlen. Sie schreibt:Wenn die Regierung nicht irgendwie noch einen anderen Ausweg findet, den es nach unserer Meinung nicht gibt, so wird man auf jeden Fall mit der Reichstagsauflösung zu rechnen haben. Unsere Pflicht ist es, uns auch jetzt schon mit dem Gedanken vertraut zu machen und sofort im Anschluß an die Auflösungsorder den Wahlkampf zu beginnen. Denn darüber müssen wir uns klar sein, daß eine schwere Wahl­schlacht bevorsteht.

In parlamentarischen Kreisen erwartet man, daß die Deutschnationalen schließlich die Abstimmung für ihre Mit­glieder freigeben, und daß dann ein großer Teil ihrer Abgeordneten, namentlich diejenigen aus dem besetzten Gebiete, für die Gesetze stimmen werden. Voraussichtlich wird eine Sitzung der deutschnationalen Vertreter aus den besetzten Gebieten, die heute abend im Reichstage statt­findet, auf die Entschließungen der Fraktionen selbst starken Einfluß haben.

Berlin, 23. Aug.(Drahtb.) Wie in parlamentari­schen Kreisen verlautet, haben 27 Großindustrielle, die der deutschnationalen Volkspartei ange­hören, einen Brief an die deutschnationale Reichstags­fraktion gerichtet, in welchem sie ihren Austritt aus der Partei ankundigen, für den Fall, daß die Fraktion die Gesetze zur Ausführung der Londoner Ab­machungen ablehne. Sie hegründen ihren Schritt da­mit, daß die deutsche Wirtschaft, namentlich diejenige der besetzten Gebiete, ohne Kredithilfe nicht auskommen kann und keine Möglichkeit für Kredite sieht, falls der Dawes­Plan abgelehnt wird.

Der Reichswirtschaftsrat für die Gutachten­Gesetze.

Berlin, 23. Aug.(Drahtb.) Der wirtschaftspolitische Ausschuß des vorläufigen Reichswirtschaft srates verabschiedeten nach mehrtägigen Verhandlungen die Gesetzentwürfe zur Durchführung des Sachverständigengutach­tens mit folgender Entschließung:

Der wirtschaftliche und finanzpolitische Ausschuß des vor­läufigen Reichswirtschaftsrates stellen einmütig fest, daß wichtige Voraussetzungen, die von den internationalen Sach­verständigen im Dawesgutachten selbst als unerläßlich für die Durchführung ihrer Vorschläge bezeichnet worden sind, im Londoner Abkommen unerfüllt geblieben sind. Unerfüllt geblieben ist namentlich auch die Voraus­setzung der wirtschaftlichen und finanziellen Souveränität Deutschlands, die durch die Fortdauer der militärischen Be­setzung des Ruhrgebietes weiter auf das schwerste beeinträch­tigt wird. Die Ausschüsse bezweifeln nach wie vor ernsthaft, daß die dem deutschen Volke in dem Dawes­Gutachten auferlegten Lasten von der geschwächten deut­schen Volkswirtschaft getragen werden können. Trotzdem hal­ten die beiden Ausschüsse angesichts der gegenwärtigen wirt­schaftlichen und politischen Lage namentlich im Hinblick auf die Unhaltbarkeit der Zu stände im besetzten Gebiet und der sich aus einer Ablehnung des Londoner Abkommens ergebenden schweren Folgen eine Ablehnung des­halb nicht für möglich und stimmen deshalb der An­nahme mit bestimmten Erwartungen zu, daß in den Organisationskommitees und bei der Ausführung der einzelnen Bestimmungen der Gesetze und Maßnahmen die Objektivität gehalten wird, die dem ersten Grundsatz des Dawesgutachtens, der Anpassung der Lasten an die Leistungsfähigkeit Deutschlands, Rechnung trägt. Diese Resolution wurde mit 31 gegen 10 Stimmen angenammen.

Die Minderheit, die gegen den letzten Absatz der vor­stehenden Entschließung stimmte, hatté für diesen Absatz fol­gende Fassung vorgeschlagen:

Bei dieser Sachlage können sich die Ausschüsse mit den Ergebnissen der Londoner Konferenz und mit dem Erlaß der Gesetze zur Durchführung des Dawes=Gutachtens nur unter dem Zwange der Leiden der Bevölkerung des besetzten Ge­hietes abfinden, in der bestimmten Erwartung, daß die Reichsregierung alle geeigneten Schritte unternehmen wird, um die alsbaldige Räumung des Ruhrgebietes durchzusetzen.

Nachdem dem Vorsitzenden die Ermächtigung erteilt war, das Mehrheits= wie das Minderheitsvotum der Reichsregie­rung sofort zu übermitteln, wurde am Schluß der Sitzung festgestellt, daß kein Ausschußmitglied gegen die Gesetz­entwürfe gestimmt hatte.

Beratungen im Auswärtigen Ausschuß.

Berlin, 23. Aug(Drahtb.) Der Auswärtige Ausschuß des Reichstages setzte heute nachmittag die Vorbera­kung der Gutachtengesetze fort. Reichswirtschaft

minister Hamm erklärte zu dem Entwurf des Privat­notenbankgesetzes, daß die Reichsbank und die Reichsregie­rung dem Wunsche auf Zulassung von Privatbanknoten im Betrage von 20 Mark nicht entsprechen könnten, da die frühere Mindestgrenze von 100 Mark schon auf 50 herab­gesetzt worden sei und ein weiteres Herabsetzen die mühsam erreichte Währungsordnung gefährden würde. Der Vor­lage wurde ohne weitere Debatte zugestimmt. Hierauf kam die Vorlage über die Liquidierung der Rentenbank­scheine zur Beratung. Der Gesetzentwurf wurde ohne Aus­sprache erledigt, ebenso der Entwurf des Münzgesetzes.

Der Auswärtige Ausschuß schloß abends die Beratungen über das Mantelgesetz zum Londoner Abkommen ab. Die nächste Sitzung, auf deren Tagesordnung das Industrie­belastungsgesetz und das Reichsbahngesetz stehen, findet morgen vormittag statt.

Düsseldorfs Dank an die Delegation.

Berlin, 23 Aug.(Drahtb.) Beim Reichskanzler ist folgendes Telegramm aus Düsseldorf eingegangen:

Mit Bangen und Sorgen hat die Bürgerschaft der Stadt Düsseldorf den Gang der Londoner Verhandlungen und mit tiesem Verstehen für die Größe der Aufgabe, aber auch mit dem festen Vertrauen hat sie die Tätigkeit der deutschen Ab­ordnung verfolgt. In diesem Vertrauen sieht sich die Stadt Düsseldorf nicht getäuscht. Besser als Fernstehende vermögen die Düffeldorfer Bürger zu beurteilen, was praktisch erreicht ist.

Im Namen der Stadt Düsseldorf spreche ich der deutschen Vertretung, vor allem Ihnen, Herr Reichskanzler, tiefen Dank ür alles, was sie in diesen schweren Wochen mit aufopfernder Hingabe für uns getan und erreicht haben. Möge die Zeit nicht fern sein, wo die Stadt Düsseldorf Sie, Herr Reichs­kanzler, an der Stelle Ihrer früheren Tätigkeit hier in Düsseldorf als Gast der freien Stadt begrüßen darf. Auch bitte ich, den übrigen Mitgliedern der deutschen Abordnung den Dank Düsseldorfs zu übermitteln.

gez. Oberbürgermeister, i. V.: Geusen.

Für die Annahme.

Berlin, 23. August.(Drahtb.) Die maßgebenden Ver­tretungen der Reichs=, Länder= und Gemeindebeamten des besetzten Gebietes, die im Deutschen Beamtenbunde ver­einigt sind, traten gestern zusammen und haben an die Bundesleitung des Deutschen Beamtenbundes in Beilin ein Telegramm gesandt, in dem erklärt wird, wenn auch das Londoner Abkommen dem deurschen Volke schwexe Lasten auferlegt, betrachte die Beamtenschaft der besetzten Gebiete dasselbe dennoch als den ersten Schritt zur Völkerversöh­nung und wünscht die baldigste Annahme. Der Deutsche Beamtenbund hat die Bundesleitung und den Westausschuß, der bekanntlich die führenden Beamtenschichten für Rhein und Ruhr umfaßt, zum Sonntag nach Berlin berufen, um zur Lage Stellung zu nehmen und eventuell wichtige Be­schlüsse zu fassen.

Köln, 23. August.(Drahtb.) Der Handels= und In­dustriebeirat der Rheinischen Zentrumspartei hat an den Vorsitzenden der Reichstagsfraktion des Zentrums, Dr. Fehrenbach, gedrahtet, daß er trotz den vielen entgegen­stehenden Bedenken vom Standpunkt des rheinischen Han­dels und der rheinischen Industrie die Annahme der Lon­doner Abmachungen für eine notwendige und unerläßliche Maßregel halte. Eine weitere Fortdauer oder gar Ver­schärfung der gegenwärtigen Zustände führe in kürzester Zeit zum Untergange und werde den rheinischen Handel und die rheinische Industrie für eine lange Reihe von Jahren völlig aktionsunfähig machen. Er erwarte vom Reichstag, daß er dieser Forderung unter Verzicht auf alle parteipolitischen Rücksichten so bald wie möglich Rechnung trage.

Auch Bayern kann nicht nein sagen.

München, 23. August.(Drahtb.) Der Zwischenausschuß des Bayerischen Landtages trat heute vormittag zur Eur­gegennahme der Regierungserklärungen über das Londoner Abkommen zusammen. Ministerpräsident Held gab in fast dreistündigen Ausführungen ein Bild der Verhandlungen in London und der Besprechungen bei der Berliner Konferenz der Ministerpräsidenten. Er schloß seine Ausführungen mit den Worten, er könne es mit seinem Gewissen trotz der hef­tigsten Bedenken und trotz eines gewissen nationalen Auf­bäumens nicht vereinbaren, zu dem Londoner Abkommen nein zu sagen. Der Ministerpräsidenr richtete an alle Parteien den Appell, die ganze Frage losgelöst vom partei­politischen Standpunkt aus zu betrachten.

München, 23. August.(Drahtb.) Die deutschnationale Fraktion hat mitgeteilt, daß sie sich ihre Stellungnahme zu dem Londoner Abkommen noch vorbehältte.

Rededuell Herriot=Dubois.

Paris, 23. Aug.(Drahtb.) In der Vormittagssitzung der Kammer ergreift zunächst der ehemalige Vorsitzende der Reparationskommission, Dubois, das Wort zu einer Kri­tik über die in London vorgekommenen Abänderungen an den Statuten der Reparationskommission. Er beruft sich darauf, daß während seiner 2½jährigen Amtstätigkeit die Kommission nie eine wichtige Entscheidung auf Grund der französisch=belgischen Stimmen allein traf, daß vielmehr sämtliche Beschlüsse über die Festsetzung der deutschen Schul­den auf 132 Milliarden Goldmark auf Grund des einstimmi­gen Beschlusses erfolgt. Als er an dem Sachverständigen­plan tadelt, daß er die deutschen Gesamtschulden auf 40 Milliarden Goldmark herabsetzte, erwidert der Minister­präsident, er habe gestern erklärt, daß das Londoner Zah­lungsstatut von 1921 noch bestehe. Es sei in keiner Weise beeinträchtigt worden.

Der Abgeordnete Dubois führt darauf Beschwerde über die Verminderung der Vollmachten der Reparationskom­mission, wofür Frankreich keine Kompensationen erhielt.

Herriot erhebt sich neuerlich zu einem energischen Protest und erklärt, es sei unrecht, zu behaupten, daß in London auf die französischen Rechte ohne Kompensation verzichtet wurde, Rechte, die übrigens theoretischer Art seien, da die Reparationskommission bisher nichts erreicht habe. Anschlie­

Fend deran konmtes zu einer scharf zugesbitzten Auseinandersetzung zwischen Herriot und Dubois über das Verdienst der Reparationskommission und schließlich zu Lärmszenen zwischen der äußersten Rechten und der äußersten Linken.

Die Nachtsitzung.

Paris, 23. Aug.(Drahtb.) In der Nachtsitzung der Kammer sprach als erster Redner Fabry zu seiner Inter­pellation über die Sicherheitsfrage. Er bedauerte, daß das Ruhrgebiet militärisch geräumt werden solle.

Während der Rede Fabrys kam es zu einer Interven­

tion Briands, der erklärte, man habe die öffentliche Meinung in einer Atmosphäre gefährlicher Mystik gehalten. So sei die Militärkontrolle tatsächlich wirksam gewesen, seit Deutschland zur Ausführung eines Handstreiches außerstand gesetzt wurde. Aber nach der Ruhrbesetzung sei die Kon­trolle fortgefallen. Diese Aeußerung Briands ruft einen Protest des früheren Kriegsministers Maginot hervor.

Nachdem Fabry seine Rede beendet hat, erklärt als näch­ster Redner der Abgeordnete Taittinger, er fürchtete, daß es Herriot nicht gelingen werde, abzurüsten, wie er es hoffe Herriot erhebt sich und erklärt, es liege ihm nichts mehr am Herzen als die Sicherheitsfrage. Man werfe ihm vor, daß er sich den Realitäten gegenüber gleichgültig verhalten habe. Er wisse, daß Vorsichtsmaßregeln notwendig seien, um die Abrüstung Deutschlands zu sichern. Der Gedanke, den er zum Ausdruck gebracht habe, sei etwas anderes als naiver Idealismus. Es gelte, in Deutschland die Rechte des verabscheuungswürdigen Regimes zu zerstören, das die Völker eines gegen das andere gehetzt habe und Frankreich fast dem Untergang nahegebracht habe. Ausrotten lane sich aber ein ganzes Volk nicht. Namens der Demokratie werde die französische Regierung wachsam sein. Sie wolle, daß das alte Deutschland verschwinde und das junge Deutschland in Erscheinung treten könne. Der unabhängige Sozialist Brunnet schließt sich unter stärkem Beifall dem Minister­präsidenten an. In seinen weiteren Ausführungen weist er auf die Gefahr hin, die dem Frieden durch die militärische Politik der Sovjets drohe.

Kurz nach Mitternacht wird ein Antrag der Opposition auf Vertagung mit 305 gegen 256 Stimmen abge­lehnt.

Der Abgeordnete de Montidie verlangi von Herriot Er­klärungen über die Tragweite und etwaigen Folgen des Mac Donaldschen Briefes über die militärische Räumung des Ruhrgebietes. Er unterstreicht die Konzessionen Frankreichs in London und verweilt sehr lange bei der Sicherheitsfrage. Besonders scheint ihm die Entwicklung der deutschen Luft­fahrt für Frankreich gefährlich. Dann verlangt der Abge­ordnete Marin erneut die Vertagung und führt Beschwerde darüber, daß die Redner der Mehrheit zu reichlich zu Worte kommen.

Die Aussprache wird um 2 Uhr morgens auf heute vor­mittag 10 Uhr vertagt.

Herriot erklärte in der Nachtsitzung der Kammer, daß er einen Entwurf für die Einführung der 26proz. Abgabe von der deutschen Einfuhr nach Frankreich entsprechend der englischen Reparations­abgabe habe vorbereiten lassen.

Nach der Rede Fabrys erklärte Briand noch, daß die Kontrolle der deutschen Rüstungen bis zum Jahre 1922 wunderbar funktioniert habe; aber seit dem Aufleben des Nationalismus in Deutschland, als Folge der Ereignisse Ende 1923, habe die Kontrolle völlig aufgehört, und das sei die wahre Gefahr.

Förderung des Ruhrgebietes.

Essen, 23. Aug.(Drahtb.) Nach den vorläufigen Be­rechnungen wurden vom 10. bis 16. August im gesamten Ruhrgebiet(ohne die von der Regie betriebenen drei Zechen und zehn Kokereien) in sechs Arbeitstagen 1877.024 Tonnen Kohle gefördert(auf das besetzte Gebiet entfallen davon 1727.350) gegen 1824191(1·687 807) in der vor­hergehenden Woche bei sechs Arbeitstagen. Die Koks­erzeugung stellte sich in der Berichtswoche in sieben Ar­beitstagen(in Kokereien wird auch Sonntags gearbeitet) auf 369·884 Tonnen(besetztes Gebiet 337.675) gegen 372 126 Tonnen(340 302) in der vorhergehenden Woche. Die arbeitstägliche Kohlenförderung immer ohne die besetzten Betriebe betrug vom 10. bis 16. August 1924 im gesamten Ruhrgebiet 312 834 Tonnen(gegen 304 032) in der vorhergehenden Woche und 368 681 Tonnen im Jahre 1913, die tägliche Kokserzeugung 52 841 (53 161 bzw. 62.718). Im besetzten Gebiet ergab sich eine arbeitstägliche Kohlenförderung von 287 892 Tonnen (281 301 bzw. 348586) und eine tägliche Kokserzeugung von 48 239 Tonnen(48 584 bzw. 58 338).

Die Magdeburger Ausstellung.

Magdeburg, 23. Aug.(Drahtb.) In Anwesenheit von Vertretern der Reichs= und Staatsbehörden sowie der städti­schen Körperschaften wurde heute vormittag auf dem Aus­stellungsgelände von Magdeburg die Ausstellung für Gas, Wasser und Elektrizität eröffnet. Die Ausstellung ist in einer Doppelhalle untergebracht und bedeckt eine Fläche von 5000 Luadratmeter. Sie bietet ein fast lückenloses Bild über die Anwendung dieser Energiequellen unter besonderer Berücksichtigung des Haushaltes und des Kleingewerbes. Hervorragende Firmen der Elektrizitätsbranche, der lation und des gasverbrauchenden Apparatebaues sind ver­treten. Die Ausstellung ist auch von ganz besonderem Interesse für alle Kommunalverwaltungen, da sie als Vor­bild für großzügige Reklame für diese meist unter der Kom­munalverwaltung stehenden Energiequellen dient. Die Er­öffnungsfeier wurde durch eine Ansprache des Vorsitzenden des Ausstellungskomitees, Karl Miller, eingeleitet, worauf Oberbürgermeister Baims die Ausstellung namens der Stadt übernahm.

Anhaltende Unruhen in Neapel.

Neapel, 25. Aug.(Drahtb.) Die Stadt ist seit den Vorgängen am letzten Sonntag noch nicht zur Ruhe ge­kommen. Gestern nacht ereigneten sich wieder Zusam­menstöße zwischen Anhängern der Opposition und Faschisten. Ein ehemaliger Kriegsteilnehmer wurde von den Faschisten überfallen und durch Messerstiche schwer ver­letzt. Auch wurden mehrere Revolverschüsse abgefeuert. Auf einen Straßenbahner wurde von den Faschisten mehr­mals geschossen und er schließlich mit einem Revolverkolben niedergeschlagen. Auf Grund dieses Vorfalles hat die Straßenbahn den Verkehr zeitweilig eingestellt. Die Sicherheitsmaßnahmen wurden heute von den Behörden verstärkt.

Brücken.

Erkennt man im deutschen Volke denn, worum es in diesem Kampfe um dasGesetz über die Londoner Konfe­renz recht eigentlich geht? Erkennt man im nationalen Bürgertum recht deutlich die Fäden, die von links gesponnen werden? Hat man den Sinn des fast hysterischen Drängens der geifernden Linken nach Reichstagsauflösung oder gar nach einem dummen oder sinnlosen Volksentscheid übri­gens eines der wertlosesten Requisiten aus der Verfassungs­kammer von Weimar begriffen?

Wir fürchten: nein!

Und doch müßte ein einziger Satz desVorwärts jedem deutschen Bürger die Augen öffnen.

Einmal muß die Stunde der Abrechnung mit der deutschnationalen Vergiftung kommen. Einmal müssen sie sich selber in den Schlingen fangen, die sie anderen legen wollten. Deutschland kann nicht leben; kann nicht gedeihen, wenn es sich nicht restlos von dem Einfluß dieser Volksverführer frei­macht.

Und noch mit volleren Backen posaunt er's in der nächsten Nummer in alle Winde:

Selbst wenn die Deutschnationalen noch in allerletzter Stunde die Vorsicht als der Weisheit besseren Teil erwählen und durch irgendein parlamentarisches Manöver das Zu­standekommen der Zweidrittelmehrheit ermöglichen würden, auch dann wäre die Auflösung unbedingt notwendig.

Deutlicher kann die Tendenz und die Taktik der Linken, auf die wir schon am Anfang dieser Woche auf das eindring­lichste hingewiesen haben, nicht ausgesprochen werden. Man spekuliert bei einer etwaigen Neuwahl auf Parteiprofitchen für sich selbst und nimmt die außenpolitische Rot und den Zwang des Volkes zur Annahme der schwerlastenden Londo­ner Abmachungen als gefälliges Deckmäntelchen! Damit will man drei Fliegen mit einer Klappe schlagen; man spielt sich als Retter des deutschen Volkes auf, man heimst die klei­nen Prositchen ein und bricht zugleich der natio­nalen Einheit der Rechtsparteien das Genick!

Die Sozialdemokratie will die Stunde nützen, weil sie hofft, sich jetzt der politischen Bedeutungslosigkeit, in die sie die Wahlen vom Frühjahr dieses Jahres mit Recht geworfen

haben, durch politische Kniffe wieder entwinden zu können. Weil sie hofft, jetzt sei der Augenblick gekommen, um der allmählich eingetretenen inneren Ueberwindung der soziali­stischen Gedanken wieder einen festeren Damm entgegenzu­setzen. Zu parteitaktischen Zwecen also will man die Londoner Abmachungen ausschlachten, und damit tut man gerade das, was man der Rechten vorzuwerfen nicht müde wird. Und diese Infamie ist das Schlimmste, was uns aus der Londoner Konferenz erblühen konnte!

Daher auch der plötzliche Umschwung in der Beurteilung des Eisenbahngesetzes!

Denn vor der Londoner Konferenz bestand in pazifisti­schen, sozialistischen und demokratischen Kreisen die Neigung, eines der drei Gutachten=Gesetze, nämlich das Eisenbahn­gesetz, nicht alsverfassungsändernd anzusehen und da­durch die Notwendigkeit zur Schafsung einer Zweidrittel­mehrheit zu vermeiden. Und in der Tat sollen, wie wir hören, zwei juristische Gutachten vorliegen, von denen das eine den verfassungsändernden Charakter des Eisenbahn­gesetzes betont, das andere aber ihn verneint. Da nun in der Linkspresse post festum ein anderer Wind weht, hört man von der Entbe rlichkeit der Zweidrittelmehrheit kein Sterbenswörtchen mehr; im Gegenteil, sie wird mit um so schlagenderen Beweisen verworfen, mit denen man sie ehe­dem proklamierte.

Das ist ja an sich kein Schaden, daß diese Verlegenheits­floskel aus den Hirnen der Linksleute verschwunden ist; wir begrüßen es vielmehr vom Standpunkt einer ehrlichen und gradlinigen Politik, daß man auch auf dieses Taschenspieler­kunststück verzichtet hat.

Dadurch wird die Stellungnahme der Deutschnationalen wohl schwieriger, weil ausschlaggebend und entscheidend schlechthin, keineswegs aber zweifelhafter, oder sie sollte es wenigstens nicht sein, im Interesse des natio­nalen Bürgertums.

Denn: Kommi es zur Auflösung des Reichstages und damit zu Neuwahlen so wird aller Voraussicht nach der Wahlkampf so erbittert und unheilvoll unter den bürger­lichen Parteien wüten, daß der dadurch entstandene Riß auf absehbare Zeit noch nicht einmal überkleistert werden könnte. Das nationalgesinnte Bürgertum hätte sich durch eine leider Gottes so oft geübte Zwietracht selbst zerfleischt und freiwillig sich als den ausschlaggebenden Faktor der deutschen Politik ausgeschaltet.

Hier mag die Mahnung Spenglers, des harten Lehr­meisters der Politik, am Piatze sein:Wir müssen uns, so hart es uns ankommen mag, dazu entschließen, Politik als Politik zu treiben, als eine lange, schwere, einsame und wenig volkstümliche Kunst und nicht als Rausch und mili­tärisches Schauspiel.

Begreift daher die jetzige Regierung ihre nationa­

len Pflichten, und wir meinen, die deutschvolkspartei­lichen Minister werden das ihrige dazu beitragen, so muß sie alles tun, um den Deutschnationalen diese ihre Ent­scheidung zu erleichtern, und sie hat Mittel dazu, und alles nach Art der Linkspresse und=parteien vermeiden, was die Deutschnationalen noch mehr verbittern und verärgern könnte. Es ist nicht wahr, daß alle Wege zur Einigung schon verbaut seien; man muß nur den Mut haben, sich den Pfad durch das Dickicht zu hauen!

Hier handelt es sich nicht um Parteien, hier handelt es sich um das nationale Wohl und Wehe de# gesamten deutschen Volkes.