Sonntag den 28. Oktober

Uebersicht.

erverhandlungen.

Kamm

Deurschreum# chuihevung von Lasten und Abgaben auf Muhlengrunoftucken; oie Telegraphenlinie; die angeblichen gebeimen Artikel in dem Waffenstillstandsvertrage mit Däne­mark; die Verpflegungsrosten des preußischen Militärs; Arsenik­vergiftung; Otto v. Gerlach. 1). Aachen(die Reise des Reichs­verwesers; die rheinische Eisenbahn): München(Interpella­tionen; Forterhevung von Steuern; das Amnestiegesetz). Stutt­gart(Errlärung Romer's). Freiburg(Standgericht). Frank­fürt(oie neue Senrralgewalt; die Reise des Reichsverwesers; die Weiniefe; militarische Vorsichtsmaßregeln; Truppenbewe­gungen).

bestreich. Wien(Hapnan; Hinrichtungen). Arad(Explosion).

Trentschin(Durchmarsch russischer Truppen). Kußland und Polen. Petersburg(kaiserl. Ukas). Frankreich. Paris(die Verbannungsgesetze der Bourbonen; Nachrichten aus Petersburg und Italien; die Freisprechung in Metz; Sitzung der Rational=Versammlung; Prozeß von Ver­sailles).

Italien. Neapel(angebliches Attentat auf den Papst). Rom (der Papst).

Schweiz. Luzern(die Aargauer Juden).

Verhandlungen der preußischen Kammern.

Aste Sitzung der zweiten Kammer am 25. Oktbr. Präsidenk: Graf v. Schwerin.

Am Ministertische: v. Ladenberg, v. Manteuffel, v. d. Heydt, Simons.

Die Tagesordnung geht zur Fortsetzung der gestern ver­tagten Debatte über.

Berichterstatter v. Beckerath: Es hat sich gegen den Vorschlag, daß die Prinzen geborne Mitglieder der Ersten Kammer seyzen, in der Kommission keine Stimme erhoben.

Als den ersten Vorschlag betrachte ich daber, daß die erbliche Stimmenberechtigung der früheren Reichsmittelba­ren fengestellt werde. Man stellt diese mit den Prinzen in gleicher Linie, und doch sind sie durch die neuesten Abände­rungen des Staatsrechtes in die Reihe aller übrigen Unter­thanen eingetreten. Zwar sollten sie nach der Bundesakte den ersten Stand in den betreffenden Staaten bilden, aber daraus folgt noch nicht das Recht ihrer erblichen Vertretung in unserer Verfassung, da jene Zusage sich auf ganz andere Institutionen bezog. Eben so wenig kann für Inhaber der Thronlehen ein Abänderungsvorschlag Annahme finden; da nur von dem Standpunkte aus, welche Elemente in der Ersten Kammer dem Staate förderlich seyn können, über die Bildung der Ersten Kammer entschieden werden kann. Ich kann daber auch dem Abgeordneten für Prenzlau nicht bei­simmen, wenn er sagt, man möge sich hüten, den Standes­herren ein Recht zu nehmen. Ich erkenne kein Recht und halte dafür, daß also auch keins genommen werden kann. Ich erinnere daran, daß im Jahre 1846 die Ritterschaft nehrerer Provinzen erklärt hat, daß die Zeit der Privilegien, der Vorrechte, vorüber sey.

Es ist gesagt worden, daß nach Lage der Dinge dem hohen Adel keine Gelegenheit gegeben war, sich in der all­gemeinen Entwickelung und in deren Interesse hervorzuthun. Diese Gelegenheit war aber da und ist nur nicht benutzt worden. Auch ist im Vereinigten Landtage es ausgesprochen und der Krone gesaat worden, daß es an der Zeit sev, das Volk an dem staatlichen Leben einen innigeren Antheil als bisher Theil nehmen zu lassen, und es wird nicht in Ver­gessenheit gekommen seyn, wer diese Männer besonders wa­ren.(Bravo! Zischen.)

Es ist also sehr fraglich, ob nicht diejenigen, welche die Entwickelung hemmen wollten, schuldiger an den eingetretenen Erschütterungen sind, als welche sie besonnen unterstützten. (Bravo!) Dem Volke aber wird schwer abzugewöhnen seyn, was es einmal mit Zuneiaung oder mit Abneigung ergriffen hat. Die National=Versammlung hatte den Sinn des Volkes für 595Königthum verkannt, daher dieser kräftig wieder durch­brach. Das preußische Volk ist durch das Königthum stark geworden, und wenn der hohe Adel hieran keinen Theil ge­sommen, so kann man sagen, daß trotz des Adels jene Kräf­gung des Volkes durch das Königthum erfolgte.

Der Abaeordnete für Barnim=Angermünde hat gesagt, die Bourgeoisie nach unten aristokratisch, nach oben ra­kkal sev. Ich möchte ihn fragen, ob sich das in der Na­okah Versammlung zu Berlin und Frankfurt herausgestellt

Wird die Erste Kammer nach dem Vorschlage der Kom­mission gebildet: so wird sie es mit der Zustimmung der fone; wird aber eine erbliche Pairie geschaffen, so kann 1 nur als aus ihr hervorgegangen und daher als gefähr­lich betrachtet werden.

Der Vorschlag der Vertretung des Interesses wird keine Fündliche Aufnahme finden, da sie dem modernen Staate icht entspricht. Im Mittelalter, bei einer scharfen Sonde­kung der Stände, wäre sie am Orte gewesen. In dem #elgehen der Standes= Anterenen in dem allgemeinen Lan­: Interesse beruht ja unsere allgemeine Wehrpflicht, ja Er. Staatsbürgerthum. Es muß daher für jede Kammer kmieden werden, auch nur durch einen Schein der Ver­

tretung ständischer Interessen neuen Kämpfen Nahrung zu gewähren. Die Interessen-Vertretung führte daher auch nothwendig zu dem Vorschlage der Vertretung durch Bischöfe und Ober=Rabiner und der Armee, und es müßten dann auch eben so gut die Aerzte und andere Stände Vertretung finden.

Am wenigsten würde ich von allen Vorschlägen dem mich anschließen, ein ferneres Provisorium für die Bildung der Ersten Kammer fortbestehen zu lassen. Soll zum dritten Male eine unfertige Verfassung aus den Beratbungen der Legislativen hervorgehen, so möchte das Urtbeil des Landes doch ein ungünstiges seyn.

Ich fordere daher dringend auf, solche Impotenzerklä­rung zu vermeiden. Die Wahl der sämmtlichen Mitglieder Erster Kammer möchte doch erhebliche technische Schwierig­keiten mit sich führen. Bedeutender aber noch ist die man­nichfache Verschiedenheit unserer Provinzen, und besonders von den Rheinprovinzen wurde daber schon für die Vereini­gung der Provinzen in einem Vereinigten Landtage gedrun­gen. Sehr leicht könnten durch die Provinzenvertretung für Gewerbe und Handel Majoritäten sich bilden, die dem Gan­zen nicht heilsam waren, und ich glaube, daß ohne die Be­zirksvertretung das Staatsinteresse mehr gefördert wird, ohne das Interesse der Provinzen zu vernachlässigen.

Was die Erhöhung der Zahl der Mitglieder der Ersten Kammer auf 240 betrifft, so halte ich den Mangel an aus­reichend gebildeten Männern im Staate für keinen Grund gegen jene Zahl, da ich jenen Mangel zur Ehre unseres Vaterlandes nicht einräumen kann: die Erhöhung selbst aber halte ich für nöthig, um das Ansehen der Ersten Kammer gegenüber der Zweiten zu erhöhen.

Der Vorschlag, daß zwei Drittheile der Kammermitglie­der durch die Bezirksvertretung gewählt werden sollen, hat ihre gute und üble Seite. Es ist schon angeführt worden, daß ein gefährlicher Parallelismus zwischen den Kreisvertre­tern und den Wahlkörpern der Zweiten Kammer sich erge­ben werde, was ich aber nicht zugeben kann.

Der Herr Minister des Innern hat gesagt, er wünsche, daß Beruhigung und Verständigung bald eintreten können. Wir theilen diesen Wunsch. Wenn nun auch hochehrenwerthe Männer an der Wahl sich nicht betheiligen zu können glaub­ten, so haben wir es doch, wenn auch nicht ohne Ueberwin­dung, gethan, in dem Wunsche, dem Vaterlande in schwerer Zeit zu dienen.(Bravö! Zischen.)

Man hat nun auch vorgeschlagen, einen Theil der Mit­glieder für die Erste Kammer nur aus Grundbesitzern her­vorgehen zu lassen. Das war allgemeiner Modus für die

Provinzialstände, die Verfassung vom 5. Dezember enthält aber nichts davon, und ich halte es daher für bedenklich, zu solchem Modus wieder zurückzukehren.

Von allen gemachten Vorschlägen würde ich mich am liebsten für den Antrag des Abgeordneten Riedel in Verbin­dung mit dem Antrag der Kommission erklären. Zwar ver­langt auch er eine Vertretung des Grundbesitzes für einen Theil der Mitglieder der Ersten Kammer, aber er hat nicht die Grundsteuer allein, sondern alle direkte Steuern als Maßstab für die Wahlberechtigung aufgestellt. Doch auch hier tritt Interessenvertretung hervor, die ja um so mehr vermieden werden kann, als ja Grundbesitzer und Industrielle Gelegenheit genug haben, in der Bezirks= und Provinzial­vertretung sich Anerkennung zu verschaffen und dadurch für ihre Wahl zu wirken.

Wenn ein Theil des Volkes tbut, als ignorire er die Gegenwart, weil sie seinen Ansichten nicht entspricht, so gibt es einen andern Theil, welcher zu ruben scheint. Allein das sind vorübergehende Erscheinungen, und es wird daher gut seyn, daß wir eine Verfassung begründen, welche die Theil­nahme der Mehrzahl des Volkes, besonders der Besseren gewinne. Lassen Sie uns erhalten, was gut ist, aber blei­ben wir fern von jeder Bevorzugung irgend eines Standes. Ich empfehle daher die Verwerfung aller Amendements und die Annahme des Kommissionsantrages.

Der Minister des Innern: Ich würde nicht nach dem Referenten sprechen, wäre das Referat ein reines Re­ferat geblieben. Es ist uns aber darin ein Rath ertheilt worden, wie wir ihn schon in der vorigen Sitzung gehört haben. Wir nehmen gern guten Rath an und haben von verschiedenen Seiten Rath erhalten. Es riethen uns im vorigen Jahre ehrenwerthe Männer zu Schritten, die wir mit unserem Gewissen nicht vereinigen konnten, und wir hat­ten den Mutb, diesen Ratb zurückzuweisen. Wir wollen das Volk zum Glück führen, und ich glaube, es steht in unge­heurer Majorität hinter uns.(Bravo und Zischen!

Der Präsident eröffnet die besondere Debatte über die einzelnen Artikel, zunächst beginnt sie über Artikel 62 und 63, obgleich derselbe bemerkt, daß auch nur um diese beiden Artikel die allgemeine Debatte sich gedreht habe.

Zu Art. 61 und 62 sind keine Veränderungsvorschläge eingebracht. Art. 62 und 63: v. Kleist=Resow spricht sich für erbliche Pairie aus, es sey bei Einer Wahlkammer zweifelhaft, ob man wünschen dürfe, die Prinzen des königl. Hauses in einer solchen Kammer sitzen zu seben. Eine Vertretung der Kirche, des Heeres und der obersten Gerichts­

höfe empfiehlt der Redner ebenfalls. Antrag auf Schluß der Diskussion wird angenommen.

Abstimmung, zunächst namentliche über das Amendement Keller an Stelle Art. 62.Die erste Kammer besteht:

1) Aus den Prinzen des königl. Hauses, welche ihren Sitz in der Kammer einzunehmen berechtigt sind, sobald sie das 18. Lebensjahr zurückgelegt haben.

2) Aus den Häuptern der svormals unmittelbaren deutschen Reichsstände(gemäß der deutschen Bundesakte vom 8. Juni 1815 Art. XIV. und der Verordnungen vom 21. Juni 1815 und 20. Mai 1820), deren Zahl durch königl. Ernennungen aus den übrigen großen Grund­herren, mit Rücksicht auf verhältnißmäßige Ausgleichung der einzelnen Provinzen auf 120 zu vermehren ist. Dieselben vererben ihr Recht auf ihre männlichen Des­cendenten nach den Regeln der Erstgeburt. Die Be­dingungen seines Erlöschens bestimmt das Gesetz. Ihr Eintritt in die Kammer findet bei erreichter Volljährig­keit statt.

3) Aus Abgeordneten der 2 bis 4 bedeutendsten Städte jeder Provinz, welche durch das Gesetz zu bezeichnen sind, und deren Magistrate je einer aus ihrer Mitte auf 6 Jahre zu wählen haben.

4) Aus einem Abgeordneten jeder der sechs Landes= Uni­versitäten, von der Versammlung der ordentlichen Pro­fessoren auf 6 Jahre gewählt, ferner der Akademie der Wissenschaften, der Akademie der Künste und der Aka­demie zu Münster, ebenfalls auf 6 Jahre gewählt. Auch andern Anstalten für Wissenschaft der Kunst, welche korporative Gestalt erlangen würden, kann durch das Gesetz die Wabl eines Abgeordneten zugetheilt werden.

5) Aus den katholischen Landesbischöfen und einer entspre­chenden Zahl von Vertretern der evangelischen Kirche, nach näherer Bestimmung des Gesetzes.

6) Aus fölgenden Würdeträgern des Militär= und Civil­standes, nämlich den Feldmarschällen, 8 Generalen nach gesetzlicher Bestimmung, dem Präsidenten des Ober­Tribunals und des Revisionshofes und dem Präsiden­ten der Ober=Rechnungskammer, so wie den Inhabern derjenigen Aemter, mit welchen das Gesetz künftig den Sitz in der ersten Kammer verbinden wird.

7) Aus höchstens 12 Mitgliedern, welchen der König für hervorragende Verdienste in Wissenschaft, Kunst, Staats­dienst oder durch gewerbliche Unternehmungen oder Be­gründung gemeinnütziger Anstalten erworben, den le­benslänglichen Sitz in der ersten Kammer verleihen wird.

Das Amendement Keller wird mit 245 gegen 62 Stim­men verworfen.

Die Amendements von Wahnschaffe, von v. Fock und von Urlichs, welche die erbliche Pairie festhalten und nur einen Theil der Mitglieder der ersten Kammer aus Wahlen hervor­gehen lassen, werden verworfen.

Däs Amendement des Grafen Arnim kommt zur nament­lichen Abstimmung. Es lautet(statt Art. 62 u. 63):Die erste Kammer besteht 1) aus den Prinzen des königl. Hau ses, welche ihren Sitz in der Kammer einzunehmen berechtigt sind, sobald sie das 18. Lebensjahr zurückgelegt haben. 2) Aus 80 vom Könige zu ernennenden erblichen Mitgliedern aus der Zabl der Grundbesitzer, welche ein Einkommen von mindestens 8000 Thlr. aus dem Grundbesitze beziehen. Die nähern Bestimmungen enthält das Gesetz. 3) Aus 160 ge­wählten Mitgliedern, über deren Wabl ein Wablgesetz das Nähere bestimmt. Uebergangs=Bestimmung: Bis zur Ema­nation des Wahlgesetzes für die erste Kammer(Art. 63) kommen die Bestimmungen des interimistischen Wahlgesetzes für diese Kammer vom 6. Dezor: 1848 in Anmenenn Das Amendement des Grafen Arnim wird mit 228 gegen 78 Stimmen verworfen.

Das Amendement Reck(welches 40 erbliche Pairs außer den Prinzen und den Häuptern der ehemals reichsunmittel­baren Familien verlangt) wird verworfen. Ebenso ein Amen­dement Breithaupt(Wittstock), welches nächst den Prinzen und den Häuptern der reichsunmittelbaren Familien die erste Kammer aus 220 von den Grundeigenthümern gewählten Mit­gliedern, den größern Gewerbtreibenden, den Universitäten, der Provinzialvertretung und aus 8 Vertretern der katholi­schen Kirche, 8 der evangelischen Kirche und 8 Vertretern der Armee besteben lassen will.

Ein Amendement von Wegener, eine transitorische Be­stimmung zu dem Amendement Breithaupt enthaltend, wird verworfen. Ein Amendement v. Wehmer(7/ der Mitglie­der durch königl. Ernennung, ½ durch Wahl der Provin­zialvertreter und ½ durch Wahl der Kreisvertreter zu bil­den) wird verworfen.

Hierauf wird über den Kommissionsantrag namentlich abgestimmt und derselbe mit 170 gegen 137 Stimmen ver­worfen.(Dafür stimmen u. A. Graf Arnim. v. Auers­wald, Minister v. d. Hevdt, v. Manteuffel, v. Patow, Graf Schwerin; dagegen Graf Dohrn, Reichensperger, Frhr. v. Canitz, Wentzel, Herzog v. Ratibor, v. Kleist.)

Die Amendements Gamet und Ebert, welche einen Theil der Mitglieder der ersten Kammer von den höchstbesteuerten Grundbesitzern gewählt wissen wollen, werden auch verwor­