Die Wacht
BESTANDHALTENDE INSTITUTIONEN
BESCHREIBUNG VERFASST VON
Björn Karlsson (2025), Historisches Institut - Abteilung für Neuere Geschichte, Universität zu Köln
Die Wacht (1905-1933)
Geschichte und Entwicklung
„Die Wacht“ aus Dülken war die erste nationalliberale Tageszeitung im damaligen Kreis Kempen. Sie erschien von 1905 bis 1933. Die Wacht war zentrales Sprachrohr der liberalen Bürger*innen und parteipolitisch eng mit den liberalen Idealen von Prof. Alwin Hannesen verflochten.
Gründung
Schon im Herbst 1904 kündigten Lokalzeitungen im Umkreis an, dass die „Wacht“ als nationalliberales Parteiorgan ab dem 1. Januar 1905 den niederrheinischen Zeitungsmarkt ergänzen würde (Viersener Zeitung, Abk. VZ, 25.10.1904). Am 21. Dezember 1904 gründeten einige wohlhabende Bürger Dülkens schließlich die Druck- und Verlagsgesellschaft m.b.H Dülken (DuVG) (VZ, 02.03.1905). Unter dem Vorsitz von Prof. Hannesen waren gleich mehrere Mitglieder der Liberalen Vereinigung des Kreises Kempen mitbeteiligt. Die DuVG hatte sich zum Ziel gesetzt, eine liberale Tageszeitung herauszugeben (VZ, 22.12.1904). Nicht Hannesen, der nie eine offizielle Position einnehmen sollte, sondern der Buchdrucker Richard Geduldig und der Redakteur Theodor Jossen leiteten die ersten Jahre die Geschäfte. Geduldig engagierte sich u. a. in Druckerei-Organisationen (VZ, 06.12.1906 oder VZ, 20.01.1930) und Jossen war kreisbekannter Redner der nationalliberalen Partei (VZ, 03.04.1905 oder Viersener Volkszeitung, Abk. VVZ, 14.12.1905).
Am 2. März 1905 erschien die erste Ausgabe unter dem Titel „Die Wacht – Liberale Rundschau für den Niederrhein“ auf der Schulstraße in Dülken. „Die Wacht“ erschien zunächst dreimal wöchentlich auf jeweils vier Seiten und richtete sich an die Leser*innen im Kreis Kempen und Kreis Geldern. Zum 1. Januar 1906 ging die Zeitung dann täglich in Druck und wurde wohl von Leser*innen weit über die Stadtgrenzen hinaus bezogen (VVZ, 14.12.1905). In Viersen leistete sich die DuVG sogar einen Korrespondenten (VVZ, 18.07.1906).
Lokale Konkurrenz
In der Kleinstadt Dülken bestanden bereits drei weitere Zeitungen: „Der Sprecher am Niederrhein“, der „General-Anzeiger“ und die „Dülkener Zeitung“. Obwohl die Dülkener*innen mit der „Wacht“ über ihre erste Tageszeitung verfügten, war die „Wacht“ nicht die erste liberale Zeitung im Kreisgebiet: Bereits seit 1865 erschienen der „Volksfreund“ aus Kempen und seit 1870 die „Neue Zeitung“ (später in „Dülkener Zeitung“ umbenannt). Während der „Volksfreund“ seinen Betrieb 1907 vollständig einstellte, driftete die „Dülkener Zeitung“ zunehmend in Zentrumsnähe (Neußer Zeitung, 23.06.1908). Die umliegende Zentrumspresse kritisierte die „Wacht“ von Beginn an scharf: Sie warf der „Wacht“ beispielsweise katholikenfeindliche Tendenzen (VVZ, 28.02.05) oder geringe Reichweite (VVZ, 14.12.05) vor.
Führung und Netzwerk
Nach dem Ausscheiden Jossens und Geduldigs übernahm 1907 der Redakteur Eugen Haller die Geschäftsführung. Durch gezielte Insertionen sollten kaufkräftige Kund*innen aus Industrie und Gewerbe in Mönchengladbach, Krefeld, Viersen und den Kreisen Kempen und Geldern akquiriert werden. Die Verbindung zur lokalen Industrie lässt sich an einem weiteren Beispiel veranschaulichen: Haller verschickte im Namen der Zeitung Reklame für die Kaffee-Rösterei Ferdinand Fueser aus Dülken (Arbeiter-Zeitung, 15.06.1908). Der Drucker Friedrich Schmidt führte ab 1910 – mit einer Unterbrechung zwischen 1923 und 1927 – für rund 20 Jahre lang die Geschäfte (Kölnische Zeitung, 08.04.1910 und VZ, 09.08.1928). Friedrich, der auch dem Vorstand der liberalen Ortsgruppe angehörte (VZ, 19.08.1930), war von 1913 bis zum Kriegsende Stadtverordneter von Dülken (VZ, 31.10.1913, und Süchtelner Zeitung, 07.11.1913). In der Zwischenzeit blieb die inhaltliche Linie weiterhin von Hannesen geprägt (14.04.1932), der 1907 auch in den Provinzialvorstand der Liberalen gewählt wurde. Dort engagierte er sich mit dem gebürtigen Viersener Ernst Brües, dem Chefredakteur der „Krefelder Zeitung“ (VZ, 04.04.1907).
Inhalt und Zielgruppen
Von 1913 bis 1927 reduzierte die Wacht ihre Erscheinungshäufigkeit auf drei Ausgaben pro Woche. Die Zeitung hatte dienstags und donnerstags einen Umfang zu je vier Seiten und samstags ein 1. Blatt zu je vier sowie ein 2. Blatt zu je zwei Seiten. Leser*innen konnten sich beispielsweise über die Beziehung zu Frankreich, den preußischen Landtag, provinzielle Meldungen aus dem Kreisgebiet oder über die Stadtverordnetenwahlen in Dülken informieren. Ein internationales Feuilleton und zahlreiche Lokalanzeigen ergänzten das inhaltliche Angebot. Der Monatspreis betrug 40 Pfennig.
Weimarer Republik
Nach dem Ersten Weltkrieg hielt die „Wacht“ an ihrer nationalliberalen Linie fest, auch nachdem sich die Liberalen zur Deutschen Volkspartei (DVP) neuformiert hatten. Hannesen gründete die DVP-Ortsgruppe in Dülken (30.10.1926). In den ersten Jahren der Republik traten einige Preissteigerungen in Kraft (01.10.1921), die mit der Einstellung der Unterhaltungsbeilage „Das Leben im Bild“ während der Hyperinflation einen vorläufigen Höhepunkt erreichte (16.09.1922). In den folgenden Jahren konnte sich die „Wacht“ nicht stabilisieren. Im Frühling 1923 wurde Geschäftsführer Friedrich vom belgischen Polizeigericht für zwei Monate Haft verurteilt, die er auch unmittelbar antreten musste (VZ, 07.04.1923). 1926 zog sich zudem Prof. Hannesen aus gesundheitlichen Gründen zurück.
Am 1. Oktober 1927 übernahm der Verlag Röhre & Co die Zeitung. Auch wenn die Wacht selbst von einer Anlehnung sprach, verlor sie damit ihre Unabhängigkeit. Außerdem änderte sich der althergebrachte Untertitel: Fortan wurde sie als „Die Wacht – Tageszeitung für Dülken und Süchteln“ veröffentlicht. Ihr neuer Verbreitungsradius lag entsprechend auf den Kleinstädten Dülken und Süchteln. „Die Wacht“ kehrt somit auch zur täglichen Erscheinungsweise zurück. Fortan wurden gleich mehrere Supplements – „Ziel“, „Lied“, „Volksschatz“ – beigelegt, die das thematische Angebot besonders um den Sport erweiterten (01.10.1927). Im Folgejahr bildete die Wacht mit der Viersener Zeitung, die ebenfalls von Röhre & Co verlegt wurde, eine Interessensgemeinschaft.
Zum 2. Januar 1934 erschien die „Wacht“ nicht mehr eigenständig und wurde namentlich im Untertitel verändert: „Vereinigte Tageszeitungen am Niederrhein – Krefelder Zeitung, Generalanzeiger für den Niederrhein, Niederrheinisches Echo, linksrheinische Rundschau und Die Wacht am Rhein“ – unter dem Haupttitel „Westdeutsche Zeitung“. Die selbst angegebenen Gründe für den Zusammenschluss waren politisch – u. a. durch das nationalsozialistische Schriftleitergesetz – und wirtschaftlich motiviert. In der Ausgabe für Viersen, Süchteln, Dülken und das Grenzland erschien der der Titel „Die Wacht am Rhein“ gemeinsam mit dem der „Viersener Zeitung“ (VZ, 28.12.1933).
Politische Ausrichtung
nationalliberal
Literatur und Quellen
- Sperling, H. O. (Hrsg.): Sperlings Zeitschriften-Adressbuch 1906, Dreiundvierzigste Ausgabe, Stuttgart 1906.
- Mosse, Rudolf (Hrsg.): Zeitungskatalog und Insertionskalender, Annoncen-Expedition, 1907 (41. Ausgabe) Berlin.