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Früher unter dem Titel:

Bergisches Volks-Blatt.

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Erscheint täglich mit Ausnahme der Sonn= und Feier­00 tage. Preis pro Quartal in der Expedition 1 M. 75 Pfg. 90. auf allen K. Postanstalten 2 M. Für die Redaktion verantwortlich: Rudolf Westphal in Solingen.

Freitag, 18. April 1890.

Druck u. Verlag von Ab. Pfeisser, Soltzgen, Iriegtteut.

Gebüdren für eine 1spaltige Petitzeile 10 liche Anzeigen derSolinger Zeitung" Mebrderechnung in dieGräfratder

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Zeitung" über.

42. Jahre.

Deutschland.

Der Kaiser hat für das deutsche Krankenhaus in San­sibar 20000 Mark bewilligt.

Der Kaiser ließ auf eine Einladung zum Besuch des Ulmer Münsterfestes mittheilen, daß er für die letzten Juni­tage bereits anderweitige Zusagen gemacht habe. Er werde sich jedoch bei dem Feste vertreten lassen.

Zur Feier des 60jährigen Dienstjubiläums des General­obersten v. Pape erschien, demReichs=Anz. zufolge, gestern um 9 Uhr Vormittags der Kaiser und überreichte dem Jubilar sein lebensgroßes Brustbild und das Groß=Komthur­kreuz des Hohenzollernschen Haus=Ordens. Außerdem erhielt der Jubilar eine ihn und seine großen Verdienste besonders ehrende Kabinetsordre. Ferner erschienen Moltke, Blumenthal, die gesammte Generalität Berlins, fast alle Staatswürden­träger, sowie zahlreiche Abordnungen mit kunstvoll ausge­führten Adressen und Ehrengeschenken.

Heute findet unter Vorsitz des Kaisers ein Kronrath statt. Morgen wird beim Kaiser ein Botschafterdiner stattfinden. Die musikalischen Werke Friedrichs des Großen, welche Kaiser Wilhelm dem französischen Delegirten zur Berliner Arbeiterschutz=Konferenz Jules Simon übersandte, waren, nach demTemps, von folgendem Briefe begleitet:

Mein Herr! Nachdem Ich schon lange Sie als gelehrten und philosophischen Schriftsteller schätzen gelernt hatte, habe Ich jetzt Ihre persönliche Bekanntschaft gemacht und wünsche Meinerseits dazu beizutragen, daß Sie ein gutes Gedenken der friedlichen und civilisatorischen Sendung, welche Sie in Meine Residenz führte, bewahren mögen. Ich sende Ihnen daher eine Sammlung der musikalischen Werke Meines Ahnherrn Friedrichs des Großen.

Berlin, 31. März 1890. Wilhelm J. R.

Es ist ein mit großer Pracht gedruckter Folioband, be­titelt:Musikalische Werke Friedrichs des Großen. Er enthält 25 Sonaten und 4 Stücke für Flöte. Ein Facsi­mile ist beigegeben.

Die Prinzessin Friedrich Leopold ist gestern Nachmittag in Potsdam von einer Tochter entbunden worden, das Be­finden ist den Umständen nach wohl; die Kaiserin hatte sich schon Morgens zu ihrer Schwester begeben.

Die Verhandlungen der internationalen Arbeiterschutz­Konferenz sind, demReichsanz. zufolge, nunmehr zusammen­gestellt. Ein im Auftrag des Handelsministers veranstaltete Ausgabe des französischen Textes und eine deutsche Ueber­setzung werden demnächst bei Dunker& Humblot in Leipzig erscheinen.

In der Budgetkommission des Abgeordnetenhauses wurde bei der Vorberathung der Nebenbahnvorlage eine Frage gestreift, die von großer Wichtigkeit ist und voraussichtlich noch häufig Erörterungen hervorrufen wird, nämlich die Frage, wer die Grunderwerbskosten bei der Anlage neuer Bahnen zu tragen habe. Ein Kommissionsmitglied fragte an, ob es richtig sei, die Grunderwerbskosten immer von den betheiligten Kreisen zu verlangen; bei der häufig unrichtigen Abschätzung sei es billiger, das Risico den Staat als die Kreise tragen zu lassen, es sei richtiger, eine bestimmte Summe von den Kreisen zu verlangen und den Grunderwerb durch

die Staatsregierung zu bewirken. Der anwesende Regie­rungskommissar ging auf die Frage nicht ein. Mehrere Mitglieder der Kommission äußerten ihre Zustimmung zu den Ausführungen über die Frage.

Die Budget=Kommission des Abgeordnetenhauses ge­nehmigte den Gesetzentwurf über den Erwerb von Eisen­bahnen. Der Antrag der Abgg. v. Eynern und Olzem, betr. Kriegsschulden von Königsberg und anderen Städten, wurde auf Vorschlag des Berichterstatters abgelehnt.

Das Abgeordnetenhaus setzte gestern die dritte Bera­thung des Etats fort. Beim Etat der Justizverwaltung wünschte Abg. Schumacher(freic.) Berücksichtigung wirth­schaftlicher Interessen bei Festsetzung des Strafantritts ver­urtheilter Arbeiter und Dienstboten, Rickert unter Bezug­nahme auf den Bölgerschen Fall einheitliche Bestimmungen hinsichtlich der Behandlung politischer Gefangenen. Hierzu bemerkt der Abg. v. Eynern, daß man abwarten müsse, ob sich die Zeitungsnachricht über den Fall des Redakteurs Bölgen, welcher aus dem Herforder Gesängniß gefesselt, rasirt und geschoren vorgeführt worden sei, bewahrheite. Dann würde hier allerdings eine Grausamkeit ohne Maßen vorliegen. Für die vom Abgeordneten Windthorst gegebene Anregung zur Vereinigung der Strafanstalten in einer Hand könne er ihm die Unterstützung seiner politischen Freunde zusichern. Bödiker und Dr. Windthorst befür­worten bessere Geschäftsvertheilung bei den Amtsgerichten und Czwalina(frs) eine verminderte Verwendung von Referendaren als Vertheidiger. Beim Etat des Innern sprach sich Abg. Lückhoff(freic.) für eine erweiterte Fürsorge für verwahrloste Kinder aus. Abg. Stöcker beklagte die Zunahme der Prostitution, durch welche auch der revo­lutionäre Geist genährt werde. Junge Mädchen, die mit der Sittenpolizei in Konflikt kommen, solle man nicht gleich in die Listen der Prostituirten einreihen, sondern zu bessern suchen. Minister Herrfurth erwiderte, daß letzteres ge­schehe, und daß eine relative Abnahme der Prostitution eingetreten sei. Die Abgg. Dr. Brüel, Dr. Windthorst und Tramm sprachen für Rückgabe des Welfenfonds an die Hannoversche Königsfamilie, Abg. Dr. Enneccerus wandte sich dagegen. Minister Herrfurth bemerkte, daß die Aufhebung nur durch Gesetz erfolgen könne. Alsdann wurde noch der Etat der Landwirthschaft erledigt.

Eine an die Direktoren der höheren Schulen gerichtete Verfügung des Unterrichtsministers weist auf die beklagens­werthe Erscheinung der häufigen Selbstmorde von Schülern hin und betont die Pflicht der Schulverwaltung, nach Mit­teln zu suchen, um die krankhaften Neigungen des heran­wachsenden Schülergeschlechtes thunlich frühzeitig zu be­kämpfen. Der Minister empfiehlt den Direktoren und Lehrern, jeden Schüler nach seinen körperlichen und sittlichen Anlagen zu behandeln. Schließlich wird ein pflichtgemäßes und wohlwollendes Verfahren bei Versetzung der Schüler gefordert.

Aus den von dem Komitee zur Errichtung eines Bismarckdenkmals in Berlin einzuleitenden Sammlungen soll neben der Errichtung des Denkmals auch eine Stiftung be­

gründet werden, welche den Namen des Fürsten führen soll. Der Aufruf zu Sammlungen und zur Bildung von Lokalkomitee's steht bevor.

Von dem Komitee für Errichtung eines Bismarckdenkmals haben sich alle parlamentarischen Mitglieder der deutsch­freisinnigen und der Centrumspartei ferngehalten, so sehr man sich auch um diese Theilnahme bemüht und aus dem Aufrufe alle Parteitendenz weggelassen hatte. Unter dem von dem Komitee erlassenen Aufruf an das deutsche Volk finden wir u. A. die Namen des Herrn v. Eynern=Barmen, des Herrn Banquier Carl von der Heydt=Elderfeld und des Herrn Geh. Kommerzien=Rath Pfeiffer=Düsseldorf ver­zeichnet.

Anläßlich der Anfrage eines Bürgermeisters hat das Reichsversicherungsamt kürzlich beschlossen, daß die von der Naturalverpflegungsstation eines Kreises als Entgelt für die gewährte Verpflegung und Beherbergung jeweilig einige Stunden täglich beschäftigten Wanderer als Arbeiter im Sinne des Unfallve.sicherungsgesetzes anzusehen und des­hald bei dem Vorliegen der Voraussetzungen eines ver­sicherungspflichtigen Betriedes versichert sind.

In der Köngl. Turnlehrer=Bildungs=Anstalt in Berlin wird zu Anfang Oktober d. J. wiederum ein sechsmonat­licher Kursus zur Ausbildung von Tuenlehrern eröffnet.

Professor Haeckel(Jena), der sich auf einer Forschungs­reise in Algier befindet, wurde dort alsSpion festge­nommen. Durch Vermittelung des deutschen Consuls kam er wieder frei.

Ausland.

In Wiener aristokratischen Kreisen ist eine Agitation eingeleitet, am 1. Mai, totz etwaiger Arbeiter=Kundgebungen, die übliche Praterfahrt wie sonst abzuhalten. Angedlich würde der kaiserliche Hof selbst an der Praterfahrt theil­nehmen.

In einer in Paris am Dienstag von den Anarchisten abgehaltenen Versammlung wurde beschlossen, am 1. Mai in die Straße hinabzusteigen und den Versuch zu machen, die Regierung zu stürzen. Luise Michel, die ebenfalls ge­kommen war, hielt eine äußerst heftige Rede.Wenn ich an diesem Tage, so meinte sieeingesperrt werde, so werde ich es verdient haben.

Rheinisch=Westfälisches.

Solingen, 18. April.

*. Die Stadtverordneten=Versammlung beschloß in ihrer gestrigen Sitzung die Anschaffung einer Straßenwalze, welche sich bei dem großen Umfange des städtischen Straßennetzes recht nutzbar erweisen wird. Der Neudau eines Schul­gebäudes wurde zur zweiten Lesung vertagt. Die Vollen­dung des Baues ist bis zum 1. Mai k. J. in Aussicht ge­nommen. Ein von der K. Eisenbahndirektion zu Elder­feld unterbreiteter Vertrag, betreffend die Uebernahme der in der Gemeinde belegenen Trenngrundstücke gab Veran­lassung zu längerer Debatte, weil durch Vollziehung dieses Vertrages der seiner Zeit Seitens der Stadt erhobene Protest

Fra Rabbioso.

Novelle von Konrad Telmann.

(Fortsetzung.)(12

Thu's, hörte man dann Benedetta in der abermals eingetretenen, erwartungsvollen Stille sagen,thu's, Matteo ich will's

Und der Bursche athmete schwer und raffte sich ge­

waltsam zusammen.Herr Fürst, sagte er, ohne seine Augen zu erheben, als ob er den Triumph im Gesichte des Anderen nicht sehen wollte,verzeihen Sie mir's, daß ich mich hinreißen ließ. Ich meinte, unsere Ernte nicht anders vor Ihnen und Ihren Pferden schützen zu können.

Er wollte noch mehr sagen, und seine Brust arbeitete heftig. Aber der Fürst sah ein, daß es in seinem eigenen Interesse am besten sei, die Sache hier abzubrechen und sich für befriedigt zu erklären, ehe der Jähzorn den Burschen von Neuem packen würde.Laßt gut sein", rief er

scheinbar gleichmüthig,Eure Strafe bleibt Euch ja, und

ich selber trage Euch nichts nach. Ein ander Mal nehmt Eure vorschnelle Zunge in Obacht. Ich denke, wir reiten dort links hinüber, Enna?

Auch der Herzog war froh, daß die peinliche Szene

vorüber war. Er nickte hastig zustimmend, winkte den anderen Reitern in die gedeutete Richtung und spornte sein Pferd. Als sie an einem der nächstgelegenen Felder vor­beikamen, wo Don Giosue. die Arbeiter beaussichtigend, zu Pferde hielt, rief er den Verwalter zu sich heran.Ihren neulich geäußerten Wunsch habe ich soeben erfüllt, Don Giosue, sagte er.Der Bursche Rabhioso nennt man ihn ja wohl ist von Stund an nicht mehr im Dienste des Schlosses. Man soll ihm zahlen, was ihm zukommt, und lieber zu viel als zu wenig, aber man sorge dafür, daß er den Bannkreis von Recalcati nicht mehr betritt. Ich will ihm nie wieder begegnen hören Sie?"

Der Herzog nickte dem sich tief verbeugenden Verwalter rasch zu und galoppirte hinter den Jagdgenossen drein die das Ergebniß lebhaft besprachen.

Haden Sie wohl bemerkt, daß der verstockte Bursche sich nur durch den Befehl der Dirne bewegen ließ, Ihnen Abbitte zu leisten? fragte der Marchese Donnafuga den Fürsten,es war geradezu staunenerregend, wie er beim

ersten Worte aus ihrem Munde von seinem Trotze abließ!

Ich habe etwas Aehnliches noch nie gesehen

Dem Zauber dieses Mädchens scheint sich eden Nie­mand entziehen zu können, fiel der Baron Pennissi, mit einem bedeutungsvollen Blick auf den Fürsten, ein.

Wir wollen für alle Fälle dieser Stunde gedenken, sagte der junge Herzog.Ich muß gestehen, daß ich durch dies scheindar geringfügige Vorkommniß doch einen Eindruck von dem Charakter dieses Volksschlages gewonnen habe, der

mich erschrcht. g 11256, Kom fax39

Die Arbeiter auf dem Maisfelbe halten ungs ihre Beschäftigung wieder aufgenommen und brachen die gelben Fruchtkolben aus den welkblätterigen Stauden, um sie in den Leinensäcken zu sammeln. Sie redeten nicht viel da­bei, aber auf ihrer Aller Gesichter lag Unmuth und Ver­drossenheit, und wenn ein Wort zwischen ihnen siel, so klang es wie eine dumpfe Drohung oder ein leise gemur­melter Fluch. Nur Matteo arbeitete nicht mehr. Er stand am Feldrand, die Arme über der Brust verschränkt, und

brütete schweigend vor sich hin... 86

Als er eine Weile so reglos auf seinem Plage verharrt hatte, trat einer von den andern Burschen an ihn heran und sagte kopfschüttelnd:Das hättest müssen, Matteo. Wenn man den Muth hat und dem Pferde eines Fürsten in den Zügel fällt, so muß man nicht nachher feige sein und murmeln:Verzeihung. Man wird Dir nachreden, daß Dir das Wort einer Dirne mehr gilt, als Deine eigene Ueberzeugung. Mach' wieder gut, was Du heute versehen hast, Matteo, oder wir glauben nicht mehr

Maiteo gab keine Antwort, und der Busche, der geredet hatte, trat wieder von ihm zurück. Dann raffte sich der Brütende auf, sah um sich und trat schwer athr Benedetta zu, die am andern Ende des Feides arbeitete. Benedetta, sagte er mühsam,weshald hast Du mir das angethan? Du hast mich gezwungen, daß ihm erniedrigt habe, nur weil er sotz und mächtig ip##

ich am und gering. Wor er n.,,hrschz#er.

in Racalmutto getanzt hast, währene uid er: mente stle benden Mutter war? Detta, Detta, Du hast Schweres angethan, und die Andern verachten mich, weil ich einer Dirne mehr gehorcht habe, als mir selber

Sie zuckte die Achseln und ließ sich in ihrer Arbeit

nicht stören.Wäre Dir's lieber gewesen, sie hätten Dich

in Ketten nach Girgenti geführt, wie die eingefangenen Bri­ganten? fragte sie.Ist's nicht schon schlimm genug so, wie es ist? Du bist aus dem Dienst entlassen und magst sehen, wo Du ein Unterkommen findest. Dich mit Deinem Trotz und mit Deiner Wildheit werden sie nirgend haben wollen, Du bist verrufen in der ganzen Gegend. So einem Herrn in den Weg zu treten, Du mußt toll sein, Matteo. Und wenn er Dich nun niedergeschossen hätte? Kein Gericht hätte ihm Unrecht gegeben.

Matteo's Lippen kräuselte ein verächtliches Lächeln. Wenn Einer von uns den Anderen zu fürchten hat, Detta, sagte er kalt,so ist er's, nicht ich. Er mag sich hüten! Aber was geschehen ist, ist geschehen, ich kann es nicht wieder gut machen. Ich habe mich vor ihm demüthigen müssen um Deinetwillen und die anderen Burschen halten nichts mehr von mir. So ist's besser, ich gehe aus dieser Gegend fort, damit ich nie wieder daran erinnert werde und dem Schurken nicht noch einmal begegne. Drüben in der Provinz Catania find' ich schon Arbeit und bringe mich besser durch, als hier. Ader Dich kann ich nicht hier allein

lassen, Du mußt mit mir gehen, und wir wollen uns drüben zusammengeben lassen. Worauf warten wir noch?

Sie ließ das Messer, mit dem sie die Maiskolben löste, zur Erde fallen.Du bist toll, rief sie dann, sich dar­nach bückend,ich mit Dir gehen! Wohin? Aufs Gerade­wohl hinaus? Ich bleibe und warte, bist Du Arbeit ge­funden hast. Später läßt sich vom Nachkommen reden; aber als Bettlerin möcht' ich nicht mit Dir durch's Land

Er preßte die Lippen zusammen und schwieg eine lange Zeit. Dann sagte er:Ich weiß nicht, od ich Dich ohne

Schutz hier zurücklassen kann, Detta. Die Burschen mun­keln davon, daß Du Geschenke vom Fürsten annimmst, ist das wahr?

Ein heißes Roth brach in ihren Schläfen auf, aber sie entgegnete nichts und trieb ihre Arbeit fort. Es konnte eher aussehen, daß sie zu stolz sei, um sich gegen solche Verläumdungen zu vertheidigen, als daß sie sich schuldig fühlte und deshalb nichts zu erwidern wußte. Auch Matteo schien darüber im Zweifel. Dann sagte er:Ich will mit weiteren Fragen nicht erzürnen, Benedetta.

(Fortsetzung folgt.)