früher unter dem Tttel:

Bergisches Volks=Blatt.

Erscheint täglich mit Ausnahme der Sonn= und Feier­#. 1 tage. Preis pro Quartal in der Expedition 1 M. 75 Pfg.

Nr. 41. auf allen K. Postanstalten 2 M. Für die Redaktion

verantwortlich: Rudolf Westphal in Solingen.

Montag, 14. Jannar 1889.

Druck u. Verlag von Alb. Pfeiffer, Solingen. Insertions­

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= Die Commission zur Vorberathung

der Alters= und Invaliditätsvorlage hielt in voriger Woche ihre erste Sitzung ab. Außer den bekannten Lohren'schen Abänderungsanträgen liegen vom Abg. Gebhardt(nl.) sehr viele Abänderungsanträge vor. In der Generaldiscussion entwickelte zunächst Abg. Gebhardt die Grundgedanken seiner Abänderungsanträge, Anlehnung an die Kranken­kassen, bei den Bezirksverbänden nicht sehr große Bezirke, etwa mit den Kreisen sich deckend, Lohnklassen nicht Orts­klassen. Redner betonte, durch die von ihm vorgeschlagene Organisation werde erreicht, daß die Quittungsbücher eine übersichtlichere Form erhalten, verlangte Meldestellen, welche die erforderliche Bescheinigung ausstellen und daß die Cen­tral=Instanz einer Abtheilung des Reichsversicherungsamts überwiesen werde. Abg. Lohren trat für vollständige Trennung der Altersversicherung von der Invalidenversor­gung ein und führte aus, daß sein Entwurf eine Invaliden= versicherung nicht kenne. Jeder, der Beiträge geleistet habe, müsse auch eine dem Beitrage entsprechende Rente erhalten. Es müsse aber geprüft werden, wie die Vermögensverhält­nisse der Einzelnen seien. Abg. Oechelhäuser meinte, das Gesetz werde nur den Charakter eines Provisoriums haben. Die Ortsklassen sollten durch 3 Lohnklassen ersetzt werden, die Renten nicht procentuell, sondern invividuell sein, der Reichszuschuß müsse Jedem gleichmäßig zu Gute kommen. Die Organisation solle als Finanzgemeinschaft, die durch die Reichsversicherungsanstalt controllirt werde, beibehalten werden. Redner besprach die Einziehung der Beiträge, die Quittungsbücher und die Hinzufügung der freiwilligen Versicherung im Lohren'schen Antrage. Dr. Buhl(nl.) stellte sich auf den Standpunkt, daß die Alters=Versorgung zu ersetzen sei durch verminderte Renten bei Halbinvalidität. Er verkennt nicht die Schwierigkeit der Festsetzung der Invalidität und wünscht eine Betheiligung des Kreises an den Verwaltungskosten. Der Regelung der Uebergangszeiten ständen die größten principiellen Bedenken entgegen; es müßten wesentliche Modificationen eingeführt werden. Der Entwurf enthalte ein Gesetz der Zutunft und müsse in ein Gesetz der Gegenwart umgewandelt werden. Abg. Hahn (cons.) constatirt, daß gegen das Zustandekommen des Gesetzes in der Diskussion sich noch Niemand gewendet habe. Schrader(freis.) erwidert, daß die Discussion un­fruchtbar sei. Abg. Struckmann(nl.) bezweifelt, daß es richtig sei, die Altersversicherung mit in das Gesetz aufzu­nehmen, dagegen müsse die Halbinvalidität eingeführt werden. Dienstboten, Handlungsgehülfen u. s. w. müsse man aus dem Gesetz herauslassen, denn diese würden nie etwas von ihren Beiträgen genießen. Das Markensystem, wie es vorgeschlagen, sei undurchführbar. Frhr. v. Man­teuffel(cons.) sprach sich für Hinzuziehung der Berufs­genossenschaften bei der Organisation aus. Die nächste Sitzung ist auf heute Abend anberaumt; es wird alsdann in die Spezialdiscussion eingetreten werden.

Lieutenant Axel's Freund.

Novelle von Marie von Schlägel.(8

(Fortsetzung.)

Nun alsol schießen Sie ab! Wenn's in meiner Macht liegt, Ihren Wunsch zu erfüllen

Ach ja, vollkommen in Ihrer Macht, Herr Kurtz!

Dann sollen Sie Ihren Willen haben, mein Wort darauf!

Ihr Wort, Herr Kurtz?! Halb zweifelnd, halb freudig klang die Frage.

Nun natürlich, mein Wort darauf! Glauben Sie, ich spiele mit Redensarten?

Nun denn... Noch einmal stockte Gustav, und zog sich vorsichtshalber näher an die Thür, ich wünschte, ich möchte..

Vorwärts, vorwärts, junger Diplomat!

daß Sie Fräulein Charlotte erlaubten,

Herrn von Dieffenborn zu heirathen!

Kreuz=Millionen=Donnerwetter!

Herr Kurtz mußte sich niedersetzen vor Schreck... dann plötzlich lachte er laut auf.

Ist das ein Spitzbube! ein ganz niederträchtiger Halunke! Und er lachte, daß er ganz roth im Gesicht wurde.Geschieht ihm ganz recht, daß er eine Woche ge­drummt hat. Das war wohlverdient, schon im Voraus!

Gustav, dem doch nicht ganz wohl gewesen sein mochte bei seiner Kühnheit, athmete erleichtert auf, nahm auch Herrn Kurtz seine eben ausgesprochenen Verbal=Injurien nicht übel.

Ich danke vielmals, Herr Kurtz, sagte er völlig ernst­haft,und wünsche vergnügte Feiertage.

Damit wollte er sich davonmachen, doch Herr Kurtz hatte sich mittlerweile gefaßt.

Stillgestanden! rief er.Verlangen Sie nun nicht auch noch, daß ich hingehe und zu Herrn Lieutenant von Dieffenborn sage: Verehrter Herr, ich habe eine hübsche und gute Tochter, ganz arm ist sie auch nicht bitte, thun Sie mir die einzige Liebe und heirathen Sie sie... muß ich das auch noch? Wenn er nun sagt: Danke bestens, will mir's überlegen.

Gustav wurde leicht verlegen, als er aber Herrn Kurtzen's jeviales Gesicht sah, faßte er neuen Muth.

Deutschland.

Die heutige Eröffnung des Landtages in Berlin wird Se. Majestät Kaiser Wilhelm II. in Person vornehmen. Es steht ferner fest, daß auch Fürst Bismarck der Landtags=Eröff­nung beiwohnen wird.

Der Kaiser trifft morgen Abend in Bückeburg zu den Jagden ein. Ein glänzender Empfang wird dem Monarchen von der Bevölkerung der Lippe'schen Hauptstadt bereitet werden.

Folgendes Handschreiben des Kaisers Friedrich an den Fürsten Bismarck gelegentlich der 50jährigen Erinnerung an den Eintritt des letztern in die Armee wird von der Nordd. Allg. Ztg. veröffentlicht: Charlottenburg, den 25. März 1888. Ich gedenke mit Ihnen, mein lieber Fürst, der heute abgelaufenen 50 Jahre, welche verstrichen sind, seitdem Sie in das Heer eintraten, und freue Mich aufrichtig, daß der Garde=Jäger von damals mit soviel Zufriedenheit auf dieses abgelaufene halbe Jahrhundert zurückolicken kann. Ich will Mich heute nicht in lange Auseinandersetzungen über die staatsmännischen Verdienste einlassen, welche Ihren Namen für immer mit unserer Geschichte verflochten haben. Aber das Eine muß Ich hervorheben: daß, wo es galt, das Wohl des Heeres, seine Wehrkraft, seine Schlagfertigkeit zu vervollkommnen, Sie nimmer fehlten, um den Kampf aufzunehmen und durchzu­führen. Somit dankt Ihnen das Heer für erlangte Seg­nungen, die es Ihnen niemals vergessen wird, und an der Spitze desselben der Kriegsherr, der erst vor wenigen Tagen berufen ist, diese Stellung nach dem Heimgang Dessen ein­zunehmen, der unausgesetzt das Wohl der Armee auf dem Herzen trug.(gez.) Ihr wohlgeneigter Friedrich.

Im Reichstage wird der Fürst Bismarck vermuthlich morgen erscheinen, da alsdann die Erörterungen über den­jenigen Theil des Auswärtigen Amtes zu erwarten sind, mit welchen sich die Budgetcommission zu beschäftigen hatte. Man will missen, daß der Reichskanzler diese Gelegenheit wahrnehmen würde, um im Allgemeinen über die Lage zu sprechen und auch die Fragen zu berühren, welche in der letzten Zeit die Aufmerksamkeit auf sich zogen. Seit dem 6. Februar v. J. hat der Reichskanzler nicht Anlaß ge­nommen, in eingehender Weise über die allgemeine Poliik vor dem Reichstage zu sprechen.

Eine Berliner Correspondenz erfährt aus Darmstadt aus erster Quelle, daß der Großherzog von Hessen mit dem Erbgroßherzog und der Prinzessin Alix nicht erst in der Zeit um Ostern die beabsichtigte Reise nach Petersburg antreten werden, sondern daß die genannten Herrschaften bereits am 25. d. Mts. nach Rußland abreisen, um da­selbst bis Ende Februars zu verweilen. Auf dieser Reise wird der Großherzog mit seinen Kindern zunächst einige Tage in Berlin verweilen, um an der Geburtstagsfeier des Kaisers theilzunehmen.

DieNat.=Ztg. erklärt die Nachricht, wonach die Ein­setzung des Herzogs von Cumberland als Herzog von Braunschweig und demgemäß der Rücktritt des Prinzen

Ich glaube nicht, daß das nöthig sein würde, sagte er höflich,Herr von Dieffenborn hat bisher wohl nur nicht gewagt..

Was hat er nicht gewagt? Um Charlotte zu werben? Hat ihr hinreichend die Kur gemacht, junger Mann, mehr als hinreichend! Ist längst öffentliches Geheimniß, glauben Sie mir! Ein so reiches Mädchen, wie meine Tochter...

Herr von Dieffenborn hat nicht so sehr nöthig. darauf zu sehen, Herr Kurtz. Er würde Fräulein Char­lotte heirathen, wenn sie auch nicht reich wäre.

So? wissen Sie das so gewiß? spottete Herr Kurtz. Erregt trat Gustav nun einen Schritt näher heran. Ja, das weiß ich gewiß! sagte er feierlich.Ich kenne Herrn Axel von Kindesbeinen an, und einen braveren, hochherzigeren, besseren Mann könnte Fräulein Charlotte auf der ganzen Welt nicht finden. Und wenn er sie nicht lieb hätte, könnte sie noch zehnmal reicher sein, und er sähe sie nicht an! Wenn ich ein Millionär wäre und der Lieute­nant wollte meine Tochter haben, ich würde mir's zur Ehre schätzen und Gott danken für das Glück... Ja, Herr Kurtz, fuhr er immer eifriger fort,Männer giebt's genug in der Welt, noch dazu für so schöne und reiche Mädchen wie Fräulein Charlotte, aber solchen Mann, wie unser Axel, so brav, so aufrichtig und gut, die kann man mit der Brille suchen und findet sie nicht, und solche Mutter, wie unsere Regierungsräthin, auch nicht. Und wenn das nicht wäre, glauben Sie, ich hätte überhaupt solchen Brief übernommen und dann über eine Woche ruhig als Ver­brecher im Loch gesessen, wo ich doch eine alte, kranke Mutter zu ernähren habe? So aber habe ich nur eine kleine Schuld der Dankbarkeit abgetragen und würde das jeden Tag wieder ebenso machen.

Gustav schwieg ganz erstaunt über seine eigene Courage. Herr Kurtz hatte ruhig zugehört. Als Gustav sich nun empfahl, hielt er ihn nicht zurück.

Das ist einmal eine merkwürdige Bestellung, die ich Dir zu machen habe, lieber Axel, sagte die Regierungs­räthin, als ihr Sohn bei anbrechender Dämmerung von einem Ausgang zurückkehrte.

Eine Bestellung? von wem? fragte der Lieutenant

Das ist ja das Merkwürdige dabei rathe! doch

Albrecht als Prinzregent bevorstehen soll, für eine thörichte Erfindung.

Die Herren v. Bennigsen und Oechelhäuser waren mit Hauptmann Wißmann am Freitag vom Fürsten Reichskanzler in Berlin zur Tafel geladen.

Der Reichstag berieth am Samstag den Antrag Baum­bach u. Gen. auf Einführung von Gewerbegerichten mit der Maßgabe, daß die Beisitzer derselden zu gleichen Thei­len von den Arbeitgebern und von den Arbeitern in ge­trennten Wahlkörpern und in unmittelbarer, gleicher und geheimer Wahl gewählt werden. Die Einführung soll ob­ligatorisch erfolgen. Der Antragsteller wies auf die auf diesem Gebiete bestehende Rechtszerrissenheit hin; für Berlin sei ein solches Gericht nicht bestätigt worden, obgleich das­selbe auf denselben Grundlagen errichtet werden sollte, wie das in Frankfurt a. M. bestehende. Geh. Ober=Reg.=Rath Lohmann empfahl, erst die Wirkung der neuen gesetzlichen Bestimmungen abzuwarten, welche die Innungen zur Bil­dung von Schiedsgerichten ermächtigen. Abg. Dr. Hart­mann(cons.) ist nur für facultative Zulassung von Schieds­gerichten, erklärt sich aber mit dem gleichen directen Wahl­recht für die Schiedsgerichtswahlen einverstanden. Abg. Struckmann(nl.) ist mit seinen Freunden mit den Zielen und Zwecken des Antrags einverstanden. Abg. Hitze(Ctr.)

befürwortet den Antrag, für welchen sodann Bebel(Soc) in längerer Rede, in denen er auch das Wahlrecht für die Arbeiterinnen fordert, eintritt. Das Zustandekommen des beantragten Gesetzes werde nur durch die Rücksicht auf alle möglichen particularistischen und anderen Interessen ver­hindert. Staatssecretär v. Bötticher erwidert, daß gerade die Gesetzgebung eine gute sei, welche allen berechtigten In­teressen möglichst Rechnung trägt. An verschiedenen Orten beständen Gewerbeschiedsgerichte, die man erst möge wirken lassen. Es seien noch die Erfahrungen einiger Jahre er­forderlich. Nachdem noch Windthorst den Antrag befür­wortet, wird der Antrag Baumbach angenommen.

DieNordd. Allg. Ztg. meldet: In voriger Wochze zertrümmerte Nachts ein Franzose die Fensterscheiben des Zollamtsgebäudes in Deutsch=Avricourt und warf beleidi­gende Schriftstücke hinein. Die französischen Beamten wei­gerten sich, den Thäter zu ermitteln.

Dem Vernehmen nach, beläuft sich die Forderung der Regierung für die Landblocade in Deutsch Ostafrica auf etwa zwei Millionen Mark.

Der Gesundheitszustand auf den deutschen Schiffen, welche die Blocade der Sansibarküste ausführen, ist nach den neuesten in Berlin eingetroffenen Berichten durchaus nicht so schlimm, wie es die kolonialfeindlichen Zeitungen darstellen. Ein Theil der Mannschaften ist allerdings am Fieber erkrankt; dasselbe ist aber durchweg leichter Natur und rasch wieder zu heben. Auch nicht ein einziger der Matrosen ist dem Fieber erlegen.

Nach einer aus Zanzibar eingegangenen Meldung sind die Aufständischen bei einem Angriffe auf Dar es Salam mit großem Verluste zurückgeschlagen worden. Auf deut­scher Seite sind nur der Beamte der ostafrikanischen Gesell­

nein, das räthst Du im Leben nicht! von Herrn Kurtz!

Von Herrn Kurtz! Axel fuhr nun doch herum.Ist das nicht vielleicht ein Irrthum? setzte er sofort hinzu.

Kein Irrthum, Axel! Eben war ein Dienstmann hier; Herr Lieutenant von Dieffenborn also ganz sicher Du! möchte doch so gegen vier, fünf einmal zu Herrn Kurtz kommen, wenn seine Zeit es ihm erlaubte. Es wäre drin­gend, Herr Kurtz könne unmöglich selber zum Herrn Lieute­nant kommen, es ginge nicht gut an. So sagte der Dienstmann," erzählte die Frau Regierungsräthin eifrig, um was mag es sich handeln, Axel?

Der Sohn dachte kopfschüttelnd nach.

Nein, wie gedankenlos, Mama! sagte er dann.Um was sollte es sich anders handeln, als um die unglückliche Geschichte mit Gustav! Er will vielleicht irgend etwas für den Aermsten thun, und da ich ihn genau kenne, ist es nur natürlich, daß Herr Kurtz sich an mich wendet. So recht geheuer war ihm aber doch nicht bei der Sache, obwohl Axel es sich nicht merken ließ.

Frau von Dieffenborn sah etwas enttäuscht aus.

Das wäre doch am Ende nicht so dringend, meinte sie.

Vielleicht will der alte Herr ihm etwas aufbauen, erwiderte Axel,und da ist allerdings nicht viel Zeit zu zu verlieren; es ist gleich dunkel.

Nun, dann geh'! sagte seine Mutter, da sie den Sohn nach seiner Kopfbedeckung suchen sah,und empfiehl mich den Damen, wenn Du sie siehst.

Die werde ich schwerlich sehen, sagte Axel etwas trüdselig.Die Damen haben gewiß alle Hände voll zu thun für heute Abend. Adieu, Mama, auf Wieder­sehen!

Bleib' nicht zu lange! mahnte die Mutter, als er schon auf der Treppe war,Du weißt, um sechs Uhr wird geklingelt. Allein Axel eilte bereits unten aus der Thür.

Als der Lieutenant das Kurtz'sche Haus betreten hatte, fand er es zwar angenehm erwärmt und erleuchtet, aber keinen Menschen, der ihn hätte anmelden können. Er stieg langsam die breite Treppe zum ersten Stock empor, doch auch hier war Niemand zu sehen. Schon wollte erirgend­wo anpochen, da blieb er wie gebannt stehen.

(Fortsetzung folgt.)