Kr. 56. Erstes Platt.

Redacteur: Heinrich Kruse in Köln.

zer und Drucker: M. DuMont=Schauberg in Köln. Expedition: Breitestraße Nr. 76, 78.

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Benrath& Vogelgesang; Berlin Gropius'sche Buchh., A. Re­Creteld Kramer&am Naum: Düseldorf W. de Rlaen. Alkelstr. 18.

*

DOS S

Montag, 25. Februar 1867.

Prän.=Preis: in Köln 24 Thlr., in Preußen 22 Thlr., im übrigen Deutschland 3 Thlr. vierteljährig. Anzeige=Gebühr: 24 Sgr. die Zeile oder deren Raum. Briefeportofrei.

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Frankfurt a. M. Haasenstein& Vogler, Jäger'sche Buchh. u. G. L. Daube & Cp.; Hamburg, Basel u. Wien Haasenstein& Vogler; Leipzig H. Engler u. E. Fort Bremen E. Schlotte: Würzburg Stahelsches Annencen-Bureau.

Perlin, 24. Febr.

Deutschland.

Heute Mittag um 1

Uhr fand die Eröffnung

hstages des Norddeutschen Bundes im Weißen Saale des kgl. s in feierlichster Weise durch Se. Majestät den König Statt. eche der bedeutsamen Acte, welche im Weißen Saale Statt fan­

* Ort, an welchem der erste vereinigte Landtag versammelt war,

König Friedrich Wilhelm IV. und sein Nachfolger als Frlegent den Eid auf die preußische Verfassung leisteten, ist nun Weihestätte für den Reichstag des Norddeutschen Bundes ge­aus dessen Berathungen die Verfassung als Bürgschaft und und für die feste, zukünftige Gestaltung Deutschlands hervor­Coll. Die Stadt Berlin, welche zum ersten Male eine deutsche Versammlung in ihrem Schooße begrüßen sollte, hatte ihr Fest­

V angelegt; die königlichen Schlösser, die Ministerien und viele *ce Gebäude waren mit Flaggen und Fahnen in den preußischen 4" Flaggen=Farben des Norddeutschen Bundes(schwarz=weiß=roth)

sict. In der Nähe des Schlosses wogten seit früher Morgen­Kochte Menschengruppen, welche sich vermehrten, als der k. Hof,

Tandten und die Reichstags=Mitglieder in Gala=Wagen ihre zum Königsschlosse hielten, wo in der neuen Capelle ein feier­bottesdienst gehalten wurde. Die Predigt hielt der General=Su­ecdent Dr. Hofmann, die Gesänge führte der königliche Dom­

s, dem Genannten assistirte die gesammte Schloß= und Dom­eit. Ihre Majestäten der König und die Königin, so wie biche königliche Prinzen und Prinzessinnen waren bei dem Got­anwesend. Die Minister, die Bundes=Bevollmächtigten und stags=Mitglieder 2c. füllten in ansehnlicher Zahl die Capelle. ##ttesdienst währte bis gegen 1 Uhr. Im weißen Saale waren Punen für das Publicum gleich nach der Eröffnung überfüllt. er wenigen Logen war für Damen der Hofgesellschaft und ##rte Personen reservirt; ich bemerkte hier unter Anderen die kirstin von Putbus und Madame Pauline Viardot=Garcia. Der gite das gewohnte Ansehen nur in wenigen Beziehungen geän­

Jur Rechten des Thrones standen neun Armsessel, zur Linken der Stühle neun rothgepolsterte Sessel, die oberste Stufe des war rechts mit zwei Tabourets mit rothem Sammt und Pbcat, links von einem solchen Tabouret umgeben. Wie neu­rügte in der Vorhalle ein reicher Blumenschmuck, an den Sei­°7 standen Doppelposten der Garde=Unterofficier=Compagnie

Mittelthür zwei Mann Garde=du=Corps in großer Gala(mit den Superwesten) und gezogenem Pallasch. Der Saal blieb länger sonst. Das erste Reichstagsmitglied, welches erschien, war der

Piichts=Director Wachler aus Breslau; bald darauf trat der *Sohn des Kronprinzen, Prinz Wilhelm, in Begleitung seines leurs, in den Saal, um sich die Einrichtung anzusehen, verließ jedoch bald wieder. In den Diplomaten=Logen erschien das Estische Corps fast vollzählich, diese Bänke waren wohl noch sel­##efüllt. In der Eckloge waren wieder die Botschafter Englands Fankreichs mit ihren Damen. Nur den americanischen Ge­bemerkte man nicht; von den übrigen fehlte Niemand. Als esdienst zu Ende war, durchschritten Se. Majestät der König !* Königlichen Prinzen den Weißen Saal, um sich in die Ge­leben der Bildergalerie zu begeben, während Ihre Majestät die # die Kgl. Prinzessinnen und die Damen vom Hofe sich in der °oßcapelle versammelten und dann bald in der k. Loge sichtbar Zuerst erschien Ihre Maj. die Königin; die hohe Frau trug obe von grauem Atlaß, einen weißen Spitzen=Umhang und einen Lut; ferner Ihre Kgl. Hoheiten die Frau Kronprinzessin mit Kinzen Wilhelm, die Frau Prinzessin Karl, die Prinzen Wilhelm oden, Elimar von Oldenburg und Nikolaus von Nassau; in =ebenloge befanden sich Ihre Kgl. Hoheit die Frau Prinzessin Karl mit ihren Töchtern. Der Saal hatte sich inzwischen Reichstags=Mitgliedern gefüllt, zumeist erschienen dieselben in # ge e

<space><space>*<space><space><space> doch war diesmal auch der schwarze Fraa ziemlich zaylreich Die Generalität, die Kammerherren und sonstigen Hofchargen een den glänzenden Kreis. Etwa 5 Minuten nach 1 Uhr tra­Bevollmächtigten der Bundesstaaten, geführt von dem Minister­enten Grafen Bismarck, der die Cuirassier=Uniform trug, in den und stellten sich links neben dem Throne auf; gleich neben dem

ae. a ar beusd der Hetalshe, ich liche Wüitze v. Feison, nier den Levollmächtigten befanden sich diejenigen koniglich preu­inister, welche von dem Könige zu Commissarien ernannt sind, o die Minister Graf zur Lippe, v. Mühler und v. Selchow sich der Amlung im Saale zugesellten. Bald darauf erschien der König Programmmäßigen Folge. Als Se. Majestät der König er­

brachte ihm der Geh. Rath v. Franckenberg=Ludwigsdorf ein *0, in welches die Versammlung begeistert drei Mal einstimmte. Lrig, der wie sämmtliche königliche Prinzen die große Generals­!0, das Band des Schwarzen Adler=Ordens und den decorirten #ug, beschritt den Thron, auf die Tabourets zur Rechten wur­Krone und der Reichsapfel, auf das zur Linken das Scepter die Träger blieben in der Nähe. An der Hinterwand des Thrones

iur Rechten der Feldmarschall v.

secäckie

zur Rechten der Feldmarschall:. Wrang

n-aHaup.#.#r. Prinzen und zwar der Kronprinz, die Prinzen #### Albrecht(Sohn), Alexander, Georg, Adalbert v. Preußen

zur Linken des Königs der

General v. Kunowski mit dem Reichs­Wrangel mit dem Reichspanier,

1 von Würtemberg und der Herzog Wilhelm von Mecklenburg zur Rechten des Thrones, der Prinz Friedrich Karl dagegen

als Reichstags=Mitglied der Versammlung angeschlossen. Der *=Präsident überreichte Sr. Majestät die(bereits mitgetheilte de, welche Allerhöchstderselbe mit lauter Stimme stehend und A Hauptes verlas. Die Stellen von der Machtstellung Preu­

von den Beziehungen zu den Süddeutschen, von den Hoffnungen 4schen Einheit für künftige Generationen begleitete die Ver­#ng mit lautem Beifall. Als der König die Rede verlesen prach Graf Bismarck:Im Allerhöchsten Auftrage Sr. Ma­##es Königs von Preußen und seiner erlauchten Bundesgenossen * ich hiermit den Reichstag des Norddeutschen Bundes für PV Der königl. sächsische Minister v. Friesen brachte, darauf Wstick Hoh uuft Sr. Hlacht, den Wtoda, Aumuchr, gchucte. 56h.

der Zug; bis er vorüber war, behielt der König das Haupt bedeckt, dann nahm er den Helm ab, grüßte nach allen Seiten und verließ den Saal. Graf Bismarck erklärte:Die Räume für den Reichstag stehen in dem Hause Leipzigerstraße Nr. 3 zur Disposition. Aus den vorliegenden Listen ergibt isich, daß der Geh. Rath v. Franckenberg­Ludwigsdorf das älteste Mitglied der Versammlung ist. Damit trenn­ten sich die Anwesenden.

Frankreich.

* Paris, 24. Febr. Die Debatsbeleuchten das Circular des Hrn. v. Beust und können nicht umhin, die Politik des österreichischen Minister=Präsi­denten in der orientalischen Frage als abenteuerlich zu bezeichnen. Der österreichische Minister, meinen sie, wolle also, daß alle europäischen Mächte sich darüber verständigten, gewisser Maßen die Polizei beim Sultan zu versehen. Besonders macht das Journal des Debats darauf aufmerksam, daß Herr v. Beust mit Einem Federstriche alle Resultate des Krieges in der Krim vernichten wolle, Resultate, die so große Opfer an Geld und Blut gekostet hätten.Die Plane des österreichi­schen Ministers, urtheilen die Debats,sind ohne Zweifel sehr weit­schichtig und scheinen nicht ganz frei von einer gewissen Naivität zu sein. Man hatte sich nicht getäuscht, als man meinte, Herr v. Beust sei ein thätiger, unruhiger Mensch, den die Lorbern des Herrn v. Bis­marck am Schlaf hinderten. Seit kurzer Zeit auf einen großen politi­schen Schauplatz gestellt und dazu gedrängt, als Eröffnungsstück einen Aufsehen erregenden Streich zu führen, scheint Herr v. Beust sich jener Schule von Staatsmännern anschließen zu wollen, die gern täglich eine neue Idee zum Besten geben möchten, wenn man sie nur dazu er­muntern wollte. Ueber die Quelle der neuen Anschauungen des Hrn. v. Beust bringt die Neue Freie Presse Enthüllungen, von denen wir heute nur bemerken, daß die Quelle Rußland selbst ist.

Das Siecle äußert bezüglich des Versammlungsrechtes:Das Recht für die französischen Bürger, sich friedlich und ohne Waffen zu ver­sammeln, ist eins der Rechte, welche in der allerformelsten Weise durch die Principien von 89 anerkannt wurden, welche die Grundlage unserer Constitution sind. Dieses Recht ist seitdem beständig mit verschiedenar­tigem Erfolge reclamirt worden. Wie sollte man in diesem Augenblicke, wo der Jahrestag der Februar=Revolution wiederkehrt, sich nicht daran erinnern, daß es eben die Negation des Versammlungsrechtes war, welche den Conflict zwischen dem Volke unter der Monarchie Louis Philippe's herbeiführte? Gewiß, die Ausdehnung des Wahlrechtes war der tiefer liegende Grund des Kampfes; aber das verweigerte Versamm­lungsrecht beschleunigte die Krisis, welche, morgen werden es 19 Jahre, mit dem großen und reinen demokratischen Siege vom 24. Februar endete, in der That ein edler und glorreicher Sieg, weil, unge­achtet der Enttäuschungen, die ihm folgten, der 24. Februar für jeden Demokraten eine unvergeßliche Erinnerung geblieben ist. Und wir soll­ten noch nicht einmal, 19 Jahre später, zum Versammlungsrechte ge­

Der Moniteur meldet, daß der Kaiser seit dem 1. d. M. mehrfach das Ausstellungsgebäude besucht und seine besondere Befriedigung über den guten Fortgang der Arbeiten an den Tag gelegt hat, welcher die

Eröffnung der Weltausstellung am festgesetzten Tage sicher stellt.

Das Finanz=Ministerium zeigt an, daß, mit Rücksicht auf das Staatsmonopol, die Fabrication und der Verkauf von Nitro=Glycerin durch Privatpersonen in Frankreich verboten ist.

6 Paris, 24. Febr. Das ominöse Datum des heutigen Tages sieht ganz Paris auf den Beinen, um dem Corso auf dem Long­champs beizuwohnen; sonst ist von einer Bewegung des Volkes nichts zu bemerken. Die Berathungen über das Preßgesetz nehmen die Re­gierung in immer erhöhter Weise in Anspruch. Der Staatsrath konnte gestern seine Discussionen darüber nicht beenden, und da Rouher und Vuitry durch dieselbe beschäftigt blieben, mußte die im Senat ange­kündigte Commissionssitzung zur Prüfung des neuen Senatusconsults ausfallen. Auch in dieser ehrwürdigen Versammlung regt sich von Zeit zu Zeit ein freierer Geist. Eine Senatorengruppe wollte hinter dem gesetzgebenden Körper nicht zurückbleiben und gleich jenem eine Interpellation über das Decret vom 19. Januar einbringen. Man wandte sich daher an Herrn Rouland, um diesen Schritt mit dem Klange seines Namens zu decken. Dieser aber lehnte die heikle Ehre ab, weil er früher einmal Minister gewesen, und so gab man die Interpellationsidee gleich wieder auf. Die France war gestern Abend falsch berichtet; bis heute Morgen hatte Thiers seine vielbesprochene Interpellation über die deutschen Angelegenheiten noch nicht einge­reicht. Der für morgen angesetzten Verhandlung über die Interpellation Betreffs der durch den Brief vom 19. Januar in dem Decret vom November 1861 bewirkten Modificationen mißt man in beiden Lagern die größte Wichtigkeit bei. Man denkt, daß die Debatte mindestens zwei Sitzungen in Anspruch nehmen werde. Als Redner für und wider werden genannt: Lanjuinais, Jules Favre, Ollivier, Picard, Latour­Dumoulin und Garnier=Pages; während im Namen der Regierung Rouher, Baroche und Vuitry das Wort ergreifen sollen. Die Stel­lung Walewski's scheint seit der Donnerstags=Sitzung, in welcher er als Präsident die Verhandlung selbst wiederholt alsgrave et solennelle hinstellt und so die Verlegenheit der Regierung mehrte, wesentlich er­schüttert. In der Umgebung Rouher's gibt man ihm kaum noch 14tägige Frist, und es ist nicht zu verkennen, daß der Staats=Minister alle Minen springen läßt, um sich jetzt, da seine Stunde gekommen, an Walewski für die Intrigue zu rächen, welche dem Briefe vom 19. Januar vorhergegangen. Die Abgeordneten der Provincialpresse haben sich nicht darauf beschränkt, die Minister und den Kaiser von ihren Wünschen in Kenntniß zu setzen, sondern jeder einzelne von ihnen hat außerdem den Abgeordneten seines Wahlkreises aufgesucht, um ihm zu sagen, daß, wenn er für die Preßvorlage stimme, wie sie jetzt bestehe, er darauf zählen könne, nicht wiedergewählt zu werden. Es scheint, als ob dieser Schritt einen bei Weitem größeren Erfolg gehabt, als alle die anderen Versuche, auf die Regierung einzuwirken. Im Uehrigen darf man darüber nicht erstaunen, daß die Freunde des Gouvernements Ordre erhielten, für die Abschaffung der Unverletzlichkeit der Abgeordneten als Journalisten im Namen derGleichheit vor dem Gesetze zu plaidi­ren, ferner die hohen Geldstrafen als den besten Schutz vor zu häufi­ger Verurtheilung hinzustellen, und endlich von der Erhöhung der

Caution als eben so im Interesse der Mitarbeiter und Gläubiger eines Blattes und demjenigen beleidigter Privatpersonen, als dem der Re­gierung zu sprechen. Es ist aber sehr zu bezweifeln, daß dieses Rai­sonnement in weiteren Kreisen viel Anklang finde. Am 2. März gibt Marquis de Moustier einen großen Ball, der, da ihn der Kaiser und die Kaiserin besuchen wollen, ein maskirter sein wird.

= Paris, 24. Febr. Vandal suchte in seiner Vertheidigungsrede Etienne Arago, 1848 General=Postdirector, anzuschwärzen und, um sich zu entschuldigen, zu behaupten, daß er im Interesse des Fiscus ähn­liche Maßregeln, wie er, angeordnet habe. Herr Arago antwortet nun heute Herrn Vandal, indem er sein damals veröffentlichtes Circular mittheilt. Aus diesem geht hervor, daß er befohlen hatte, daß die Briefe, welche Spitzen und andere ähnliche kleine steuerpflichtige Gegenstände zu enthalten schienen, nicht abgeliefert, sondern in Anwesenheit der Personen eröffnet werden sollten, an die sie gerichtet seien. Den Be­amten wurde dabei aufs strengste untersagt, die Briefe selbst zu lesen. Ein ähnliches Verfahren besteht übrigens den nicht recommandirten Briefen gegenüber, die Cassenanweisungen und dergleichen Werthpapiere enthalten. Da solche Briefe nicht aufgegeben werden dürfen, ohne re­commandirt zu sein, so werden dieselben ebenfalls in Beisein der Per­sonen geöffnet, an die sie gerichtet sind. Die Briefe selbst dürfen aber auch nie gelesen werden. Das Circular des Herrn Vandal hat also nicht die geringste Gemeinschaft mit dem des Herrn Etienne Arago, und da es scheint, daß Herr Vandal, der, nach der Erklärung des

Herrn Rouher, daß nicht Alles regelmäßig zugegangen sei, doch im imte bleibt, so kann man mit Sicherheit darauf rechnen, daß nichts geändert werden und man in Zukunft nur etwas behutsamer auftre­ten wird.

* Der General=Capitän von Madrid, Graf Cheste, der Verfasser der Ordonnanzen, welche die Redacteure und Drucker verführerischer Schriften zur Todesstrafe verurtheilt haben, hat seine Demission ein­gereicht, die auch angenommen worden ist. An seine Stelle tritt Ge­neral Mayalde.. am Perkasteat

In Madrid wurde am 25. Febr. ein Mann verhäfter, der unter die im Ministerium des Innern wachehabenden Soldaten geheime Journale vertheilte. Er wurde sofort füsilirt.

Großbritannien.

* London, 23. Febr. Wie engherzige Seelen es noch auf unserer Insel gibt, beweist eine Interpellation, welche Herr Newdegate im Unterhause angekündigt hat und die der Curiosität halber mitgetheilt zu werden verdient:Ob es nach der Ansicht der Minister Ihrer Majestät mit den Gesetzen des Landes oder mit den internationalen Gesetzen vereinbar sei, daß es einem Geistlichen, in seiner Stellung eines vom römischen Hofe bestallten Cardinals, der jenen Hof vertrete, ohne jedoch beim englischen Hofe beglaubigt oder sonst in irgend einem diplomatischen Charakter anerkannt zu sein, gestattet sein solle, bei öffentlichen Anlässen amtlicher Natur sich durch Ertheilung von Rath­schlägen oder anderswie in Angelegenheiten einzumischen, welche die Regierung des vereinigten Königreiches betreffen?" Die Interpellation bezieht sich, wie leicht zu errathen, auf die Anwesenheit des katholischen Cardinals Cullen bei der Einführungsfestlichkeit des Lord=Mayors in Dublin, und Newdegate sollte in seinem unduldsam protestantischen Gewissen eigentlich dem hohen geistlichen Herrn dankbar sein, der die Fenierbewegung nach Gebühr verurtheilt hat. Aber Scharlachstrümpfe bei einem britischen amtlichen Banket! Das heißt für Newdegate nicht nur dem Protestantismus Trutz bieten, sondern geradezu die britische Verfassung untergraben. Wie könnte das vone inem Conservativen geduldet werden, der nach seinen eigenen Wortenan den Principien der Constitution hängt, wie sie 1688 festgestellt worden, dem also alle Reformen der Neuzeit als revolutionär erscheinen müssen! Zum Lobe für das englische Par­lament müssen wir jedoch hinzufügen, daß es dem Antragsteller schwer sein würde, außer seinem ihn sogar überbietenden Gesinnungsgenossen Whalley einen Unterstützer der Interpellation zu finden. Die Frage wird voraussichtlich aus dem Hauseherausgelacht" werden, woran die beiden Herren freilich nachgerade schon gewohnt sind,

Das Oberhaus hat heute in kurzer Nachmittags=Sitzung den Antrag auf Verlängerung der Suspension der Habeas=Corpus=Acte in Irland zur ersten Lesung gelangen lassen.

Aus Athen kommen seit einigen Tagen Telegramme über eine Ac­quisition, welche die griechische Regierung gemacht habe. So lautet z. B. das letzte:Das frühere südstaatliche Kriegsschiff Alabama, wel­ches die Regierung angekauft und mit dem neuen Namen Arkadion be­legt hat, ist in Syra eingetroffen. Die wesentlichen Puncte bezwei­feln wir nicht, obwohl die Nachricht aus griechischer Quelle fließt; wenn aber durch den gefürchteten Namen Alabama der hellenischen Kriegs­marine ein Element der Stärke und vielleicht den Türken ein heilsamer Schrecken eingeflößt werden soll(worauf die TaufeArkadion zur Er­innerung an das berühmt gewordene Kloster auf Kreta hindeutet), so sei dagegen einfach das historische Factum angeführt, daß die Alabama um die Mittagsstunde des 19. Juni 1864 vor der Rhede von Cher­bourg von dem Unionsdampfer Kearsarge in den Grund geschossen und seitdem nicht mehr auf der Oberfläche erschienen ist.

ist schon früher davon die Rede gewesen, daß die Königin mit einer literarischen Arbeit beschäftigt sei; wie es heißt, ist die Veröffent­lichung nicht mehr fern. Dem Athenäum zufolge ist es wahrscheinlich daß Prinz Albert der Gegenstand des Werkes sei; ihr Herr Phelps, unterstützt die Königin.

Ameri

ter 2e.1 im Vencrunstabe des mericanischen Generals Marquez angestell­- sranzösischer Officier berichtet nach Paris, daß Juarez im Ganzen freilich 70,000 Mann stark, aber auf einer fünfmal größeren Fläche zerstreut sei, als die Kaiserlichen, die zusammen noch 30,000 Mann zählten. Der Plan der letzteren, unter Marquez, Miramon und Mejia, bestehe darin, San Luis de Potosi wiederzunehmen, wo sich 6000 Jua­risten befänden. Gelänge dies, so würde man sich darauf beschränken, San Luis, Mexico und die Linie nach Mexico zu decken und darauf Contre=Guerillas zu organisiren. Schon habe Marquez den Anfang gemacht und zu diesem Zwecke 3000 Mann beisammen. Jedenfalls

habe man Bedacht genommen, vor Allem die Hauptstadt zu decken, deren Vertheidigung jetzt so organisirt sei, daß zu ihrer Eroberung ein Heer von mindestens 20,000 Mann regulärer Truppen nöthig wäre. Dennoch verhehlt sich dieser Officier schließlich nicht, wie verzweifelt im Ganzen die Lage Maximilian's geworden.

Die geheime Expedition der Kriegsschaluppe Gettysburg, die, wie man nachträglich vermeinte, den Ankauf der Bai von Samana auf San Domingo zum Zwecke hatte, ist unverrichteter Sache zurückgekehrt.

Literatur.

Jacoba von Baiern. Historisch=romantische Erzählung von I. van Lennep. Im Versmaße des Originals aus dem Holländischen übersetzt von Dr. Eduard Wegener. Berlin, bei R. Wegener. ländische Romantik, romantisches Holland, klingt wahrscheinlich deutschen Lesern etwas wunderlich, und sie werden meinen, das Beiwort widerspräche in beiden Fällen dem Hauptworte. Dennoch hat es dergleichen gegeben: im 14. Jahrhundert und bis gegen Mitte des 15. ist die Geschichte von Holland hinreichend wild und bunt, um Dichtern Stoff zu liefern für ro­mantische Erzählungen im vollsten Sinne des Wortes. Auch das Locale des Landes war dazumal für dergleichen ganz günstig, und wenn ein Dich­ter ohne Nachtigallen und ohne grausige Felsenschluchten fertig werden kann, so findet er alles Uebrige, was zu malerisch=romantischen Schilderungen vonnöthen ist. Das ist nun freilich eben etwas außer Mode, und es ge­mahnt uns eigenthümlich an frühere Zeiten und junge Jahre, wenn wir in einem neuen Buche Stoff und Form und das Colorit und den Ton von Walter Scott's romantisch=epischen Gedichten wiederfinden. Uebrigens ist bei dem vorliegenden Buche nur die deutsche Uebersetzung neu, das hollän­dische Original datirt aus den dreißiger Jahren dieses Jahrhunderts. Herr van Lennep, noch jetzt als einer der besten holländischen Dichter gerühmt, hat dazumal die romantische Periode der Geschichte seines Landes in ver­schiedenen Werken poetisch bearbeitet, und eine derselben,Jacoba en Bertha, ist das Original der Uebersetzung des Herrn Wegener. Das Gedicht er­innert, wie gesagt, durchaus an Walter Scott, am meisten etwa anThe lay of the last Minstrel, doch erscheint es dagegen etwas breiter und blasser von Farbe. Es hat denselben Wechsel der Versformen, die einge­streuten lyrischen Stücke. In der Uebersetzung wird, das kann nicht aus­bleiben, der Eindruck noch etwas blasser und schwächer, als im Original; so leicht es scheinen mag, aus dem Nederduitsch ins Hochdeutsche zu über­tragen, so schwer ist es: wenn man die Eigenthümlichkeiten des Dialektes abstreift, so bleibt nicht viel Charakteristisches übrig; nur die verhältniß­mäßige Schwere und Breite nimmt der Uebersetzer mit hinüber. Die vor­liegende Uebersetzung liest sich bis auf einige etwas gezwungene und unbe­queme Wendungen sehr gut.

Petersburg, 24. Febr. Ein Circular des Gouverneurs der West­provinzen widerspricht dem Gerüchte, als sei die Verordnung wegen Verkaufs der sequestrirten polnischen Güter aufgehoben, und erklärt, daß nach Ablauf der für den Verkauf angesetzten Frist am 10. Dec. sämmt­liche sequestrirte Güter licitirt werden würden.

New=York, 23. Febr. Das richterliche Comite beschließt, sich nicht zu Gunsten der Präsidenten=Anklage auszusprechen[].

Es heißt, der Senat werde den vom Hause der Repräsentanten an­genommenen Antrag auf Emission von 100 Mill. Dollars(Papier­geld statt verzinslicher Noten) verwerfen.

London, 24. Februar.

Morgen werden vier Millionen Gulden holländisch=indische Obligationen mit Regierungs=Garantie durch die Bankhäuser Horstmann&amp; Comp. und Gerstenberg ausgegeben. Emissionspreis 89, Zinsenertrag%. Es sind bereits zahl­reiche Subscriptionen anticipirt.

Kölner Local=Nachrichten.

r Köln, 25. Februar.

Das lustige Heer der Funken hat bereits sein diesjähriges Aushebungs­geschäft mit vielem Erfolg gefördert. Auch die Einübung der neu gewor­benen Mannschaften geht mit gewohnter Präcision vor sich und lassen sich die Recruten bereits so gut an, daß man es wagen konnte, schon am ver­stossenen Freitag Abend einen Parademarsch mit denselben auszuführen. Von dem Versammlungs=Locale dieser närrischen Stadtmiliz bei Fritz Schieffer in der Sternengasse setzten sich die Truppen mit klingendem Spiel in Bewegung. Zunächst ging es nach der Weberstraße, woselbst vor dem Hause des Vice=Präsidenten der Großen Carnevals=Gesellschaft Halt ge­macht und demselben ein Hoch gebracht wurde. Dasselbe geschah auf dem Heumarkte, vor der Wohnung des Präsidenten, worauf die Truppea, nach­dem sie zuvor in der Restauration Disch bivouakirt hatten, vor die Woh­nung des Herrn Stadt=Commandanten zogen, der sich auch in diesem Jahre in jeder Beziehung den carnevalistischen Bestrebungen freundlich erweist, und brachten demselben unter Präsentirung des Gewehrs ein Hoch, worauf die Musik die Melodie der LiederHeil Dir im Siegerkranz" undIch bin ein Preuße spielte. In ihrem Versammlungs=Locale setzten darauf die Mannschaften ihre Exercitien bis tief in die Nacht fort.

Handels=Nachr

der

148t. bz.; Oberschle I

6 2½8 cz.; Rheinische=A.

.=A. Lit. A. u. C. 187¼;##covahn 81½ bz.; Mag­de#=Witten.=A.; Darmstädter Bank 85¼ oz.; Italienische Rente 54¼ neue rusfische Prämien=Anl. 90½; Americaner 77½ bz. Die Börse war geschäftslos.

Frankfurt, 24. Febr.(Effecten=Societät.) Im heutigen Privatverkehr war bei stillem Geschäfte keine wesentliche Veränderung eingetreten. Baierische Loose

niedriger, Steuerfreie Metall. 4915

77-76 7/844 bz. 5% Met 471 9

98¼ B. 3

teuerfreie Wetall. 491516- 7/8. National 55¾/ bz. Americ. 1852er Bonds

####nmn v. 4 1/2/ rgeuß.,Oolig. 100 G. 4½2% Nass. % Baier. 102., 101¾ G. 4 4/470 1jähr. 98 B 97¾ G.% ½jähr. 98½/8 B.% Würtemb. 9838 B.% Bad. 97¾., ½ G. Oesterr.

Bank 707 Bz,705 9. Verhach 15315-(. Jo) Eisahessen. 216 G. Vaier

Ostbahn 119¾

II. Emission 63½ österr. südd.0

Credit=Actien 1461-145 oz. Darmst, Bagse 2 466

5/4 C. Ludw.=Er dau 13/62 G. 36 Etsabeth= Pnggr. 74½ be. 69½., ¼ G. Staatsb.=Pr. 49¼ B. Livorneser 33⅛ bz. 3% Lomb. 45¾ G. 1858er Prioritäts=Loose 122½ bez. 1860er Loote

71½-¼ vez. u. G. 1864er Loose 77⅞8 bez. 4% baier. Prämien=Anleihe 101 3/8 ½ bez. Badische 35 Fl.=Loose 54¾ Br. Kurh. 40=Loose 56 Br. Wechsel auf Wien 9234 G.

Wien, 24. Febr.(Per Telegramm.)(Notirungen aus dem Privat=Verkehr.) Credit=Actien 191.50. Staatsbahn 212.60. 1860er Loose 90.20. 1864er Loose

83.90. Galizier 224.50. Nordbahn 167.80. Steuerfreies Anl. 63.15. Neue englische Metall. 89. Napoleondo'r 10.22.

8 Der Meerkönig.

Erzählung von Baldnin Möllhausen.

(Forts. S. Nr. 54 d. Bl.)

XXXIV. Capitel. Nach neun Jahren.

kor Bergmann, trotzdem er fast die ganze Nacht in Bewegung P hatte dennoch seine dringendsten Morgenbesuche zu der gewöhn­Stunde beendigt, und nachdem er sich noch einmal von Lieschens lh und fortschreitender Besserung überzeugt, rollte er wohlge­seinem Wagen in Mariens Begleitung seiner Wohnung zu.

Rasseln des Wagens ließ eine zusammenhangende Unterhaltung ###skommen; außerdem lebte Marie in einer so besorgnißvollen, Perhaften Spannung, daß sie dem Doctor nur kurz und zer­

GC.

luf seine heiteren, fast neckischen Fragen zu antworten vermochte. # sie langsam die Treppe zu des Doctors Wohnung erstiegen,

####g. Es trat ihm nämlich die Wichtigkeit der nächsten Minuten Seele, die über das Geschick zweier Menschen entscheiden sollten,

# ast beariffen haben meine theure Freundin begann

guten, alten Herrn fröhliche Laune vor einer tiefernsten

#werden tängse begregsen haben, meine theule Freundin, begann Marien gewendet, nachdem er mit ihr in sein Sprechzimmer war und sie aufgefordert hatte, Platz zu nehmen, Sie * sogar begrissen haben, daß nicht geringfügige Umstände mich

sten, Sie gerade hieher zu führen. Fassen Sie

Kundin, fuhr er mit päterlichem Wohlwollen fort,.s## be­daß Marie erbleichte und ein leises Zittern ihre Gestalt durch­#elen Sie Sich, denn der Fassung bedürfen Sie für das, was bevorsteht; selbst von beglückenden und lang ersehnten Ereignissen ## wir uns nicht schwach finden lassen. Denken Sie zurück in die Ksenheit, mein liebes Kind, weit, weit zurück; vergegenwärtigen beseligende Zeiten, goldene Tage; vergegenwärtigen Sie Sich Flnungen und treue, geliebte Züge, und wenn das geschehen ja, dann sind Sie im Stande, das entgegenzunehmen, (De gütige Vorsehung Ihnen zugedacht hat.

von ihm, versetzte Marie mit ersterbender Stimme, und krobe von Farbe wich aus ihrem schönen, engelsanften Antlitze;

i Lchricht von ihm, wiederholte sie noch leiser, indem sie flehent­####em Doctor emporschaute, wie wohl ein Kind thut, wenn es Vaters Munde ein entscheidendes Urtheil erwartet. Denn daß ####'s Bekanntschaft mit ihren früheren Verhältnissen aus seinen ###ervorleuchtete, befremdete sie nicht; es würde sie nicht befrem­##.77, wenn der gütige, alte Herr in seiner sonderbaren, Zutrauen ###den Weise plötzlich ihre ganze Lebensgeschichte von ihrer Geburt hätte.

####kachricht von ihm, mein liebes Kind, entgegnete der Doctor Bes: und zwar gute Nachrichten, die besten Nachrichten, Tau­Poz.: Nachrichten, wie Sie dieselben nicht besser wünschen können. Ke 7 Dank! hauchte Marie vor sich hin, und indem sie die Hände ereitete sich ein liebliches Roth über ihre vom Kummer nicht zebliebenen Züge aus.

Gott sei Dank, sage ich mit Ihnen, meine liebe Freundin, nahm

der Doctor wieder das Wort; aber Sie sind ein herziges, ein ver­ständiges Mädchen, Sie werden mich begreifen, wenn ich abermals wiederhole, daß man auch bei den freudigsten Nachrichten und Ereig­nissen seine Fassung behalten muß...

Er lebt also und ist gesund? unterbrach Marie den alten Herrn mit freudiger Spannung, denn die Bestätigung ihrer Frage war ja das Höchste, das sie zu hoffen wagte.

Er lebt und ist gesund; aber warten Sie, mein liebes Kind, Sie müssen Sich selbst überzeugen, ob ich zu viel sagte. Und bevor Marie des Doctors dunkel angedeutete Absicht errieth, verschwand er eilfertig durch die Thür.

Marie war auf ihrem Stuhle sitzen geblieben; des Doctors Worte hallten noch immer in ihrem Innern nach, und fest hafteten ihre Blicke auf der Thür, durch welche er sich entfernt hatte. Sie sehnte sich nach seiner Rückkehr, um endlich aus ihrer Spannung gerissen, über die er­wähnte Nachricht aufgeklärt zu werden.

Minuten verrannen; da vernahm sie hastige Schritte im Neben­gemach; die Thür öffnete sich leise, und vor ihr stand Waller, der Ge­liebte ihrer Jugend, der, dessen Bild seit ihrer ersten Bekanntschaft mit ihm keinen Augenblick aus ihrem Herzen gewichen war, und von dem sie einst ihre ganze irdische Glückseligkeit erhoffte und erwartete.

In ihrer Erinnerung hatte er seither fortgelebt als der liebreiche, mit allen Vorzügen der Jugend geschmückte Freund ihrer Seele, als der treue Geistliche, der mit seinem ernsten Berufe einen gewissen Grad jugendlicher Schwärmerei verband. Nun aber sah sie ihn plötzlich vor sich auf einer Stufe des Lebens, auf welcher der Jugendmuth weit hinter eine durch bittere Erfahrungen gereifte, ruhige Ueberlegung zu­rückgewichen sein mußte; sie sah ihn vor sich als einen Mann, dessen Aeußeres nicht nur durch die Jahre, sondern mehr noch durch Be­schwerden und Entbehrungen die frühere Frische verloren hatte; denn sein Haar war reich mit silberweißen Fäden durchzogen, die von den klimatischen Einflüssen gebräunten Wangen waren eingesunken, und manche Furche, die über die hohe Stirn hinlief, war unverkennbar ein Kind des Kummers, des verhaltenen Grams.

Bei dem ersten Blicke, welchen Marie auf Waller geworfen, zog sich ihr Herz vor tiefem Weh schmerzlich zusammen; es fehlte ihr die Kraft, sich zu erheben. Doch nur wenige Secunden dauerte diese Betäubung; die wenigen Secunden genügten aber, ihr einen Begriff von Waller's Vergangenheit zu geben, ihr eine Ahnung zu verschaffen, wie viel, wie unendlich viel er gelitten hatte. Was der Grund seiner Leiden gewesen, ob äußere Einflüsse oder Seelenqualen, das fragte sie nicht; sie sah nur die Veränderung in seiner äußeren Erscheinung, und das Herz hätte ihr vor Jammer brechen mögen,

Auch Waller war, nachdem er die Thür hinter sich herangezogen, wie gebannt auf derselben Stelle stehen geblieben, die wiedergefundene Geliebte mit Blicken betrachtend, in welchen sich seine ganze Herzens­güte, seine unerschütterliche Anhänglichkeit äußerte. Sie hatte sich ja ebenfalls verändert, sehr verändert; aber ihre guten, treuen Augen

waren dieselben geblieben, und mochten statt des städtischen Anzuges, in welchem Waller sie nur gesehen, einfache bäuerliche Kleider ihre schöne Gestalt umhüllen, mochten die Spuren vieler in Kummer durch­wachten Nächte auf ihren mit mildem Roth angehauchten Wangen zu­rückgeblieben sein, als Waller sie so vor sich sitzen sah und die treuen Gefühle, welche ihre Brust bewegten, aus ihren redlichen Augen heraus­las, da drang ihm das Blut so warm, so belebend zum Herzen, wie damals, als sie, fast noch ein Kind, mit holdseligem Erröthen an seine Brust sank, er das süße Geständniß ihrer Gegenliebe von ihren Lippen küßte und das Versprechen ewiger Treue mit ihr austauschte.

Mehr als neun Jahre waren seitdem verstrichen, und Beide hatten sie ihr Versprechen gehalten. Es bedurfte bei ihnen keiner Betheuerun­gen, keiner Schwüre; was sie einander noch waren, das wußten sie, nur die Worte fehlten ihnen, um das auszudrücken, was sie empfanden.

Marie! sagte Waller endlich in einem Tone, in welchem sich die tiefe Innigkeit seines Gemüthes aussprach.

Da löste sich die Erstarrung, welche sich beim ersten Anblicke um ihre Brust gelegt hatte, und Thräne auf Thräne entquoll ihren schö­nen, sanften Augen; zu erheben vermochte sie sich aber immer noch nicht.

Marie, vergib mir! begann Waller von Neuem, ihr einen Schritt näher tretend; ein finsteres Geschick hat über uns gewaltet, aber Gott hat uns wieder zusammengeführt.

Armer, armer Freund, wie mußt du gelitten und gesorgt haben! versetzte Marie unter Schluchzen, indem sie sich schnell erhob und, Waller ihre beiden Hände entgegenstreckend, auf ihn zu eilte.

So verändert, daß du mich fast nicht wiedererkannt hättest, bemerkte Waller mit freundlichem Lächeln, und seine Arme ausbreitend, schloß er Marie an seine Brust.

Doch, doch, du Guter, du Theuerster, ich würde dich wiedererkannt haben unter Tausenden; o, mein Herz würde dich erkannt haben, wenn es den Augen nicht mehr möglich gewesen wäre! Und so sprechend, küßte sie Waller heiß und innig, wie sie vormals gethan, und Thränen der Freude und der Wehmuth rannen, während sie sich gegenseitig mit stummem Entzücken in die Augen schauten.

Die Vielgeprüften, mit ihren noch immer kindlichen Herzen, sie forschten nicht nach der Ursache, in Folge deren sie einst von einander gerissen wurden. Kein Wort der Klage oder des Vorwurfs kam über ihre Lippen, kein Gedanke an die Urheber so vieler kummervollen Jahre trübte bei ihnen die Freude des Wiedersehens. Sie hatten sich wieder­gefunden, hielten sich in den Armen, für sie überreich genug, um alles vergangene Leid zu vergessen, die Hoffnung, die feste Zuversicht auf eine helle, glückliche Zukunft mit voller Kraft zu erwecken.

Und als das erste Entzücken in eine ruhigere Freude übergegangen war und sie wieder zusammenhangender zu denken vermochten, da sprachen sie, wie vor Zeiten, getrost, heiter und zufrieden von ihrer Vereinigung, die sie als noch in weiter Ferne liegend betrachteten. Aber sie haderten deßhalb nicht mit dem Geschick, noch ließen sie sich zu Klagen und Trauer hinreißen. Im Vertrauen auf den Lenker aller Dinge ergaben sie sich geduldig in das Unabänderliche, gerade wie vor

Zeiten und als ob die neun langen Jahre nicht zwischen dem Früher und dem Jetzt gelegen hätten.

Als sie dann endlich auch ihres gemeinsamen Freundes gedachten, des guten Doctors, der so viel Theilnahme für sie an den Tag gelegt und ernstlich darum gebeten hatte, sie unter seinem Dache zusammen­führen zu dürfen, da war bereits eine Stunde verflossen. Sie selbst aber saßen neben einander und merkten nicht das Enteilen der Zeit, noch wußten sie, daß der Doctor in die Nebenstube geschlichen war und von dort aus durch die Spalte der angelehnten Thür sie mit innigem Wohlgefallen betrachtete.

Der gute, alte Herr war bereits wieder von einem kurzen Ausfluge zurückgekehrt; den Hut hatte er abgelegt, die Haarpyramide stolzer denn je emporgeschraubt, und den Stock hielt er so zwischen den Hän­den, als ob er ihn jeder Augenblick, gemäß seiner alten, trauten Ge­wohnheit, zum Musiciren hätte benutzen wollen.

Aber guch die Frau Doctor bemerkten sie nicht, wie dieselbe hinter loremn Herrn Gemahl stand und ihm mit einer tiefen Rührung über die Schulter lugte; und die Frau Doctor war nicht nur eine erem­plarische Frau, sondern sie besaß auch einen sehr scharfen Blick, denn sie brauchte die beiden Leute, die in ihres Gatten Sprechzimmer so traulich bei einander saßen, nur anzusehen, um sogleich zu wissen, daß dieselben im höchsten Grade die Theilnahme verdienten, welche sie ihnen

Ich muß zu meinem Lieschen, sagte Marie endlich, indem sie sich mit holder Verwirrung erhob; denn als ihre Blicke zufällig die Thür streiften, hatte sie des Doctors freundliches Antlitz entdeckt, wie das­selbe ihr aufmunternd zunickte.

Und ich muß zu meinem Paul, versetzte der Missionar, sich gleich­falls erhebend; der arme junge Mann ist seit gestern sehr von mir vernachlässigt worden, und seit wir uns in der Heimath befinden, scheint er noch mehr als sonst zur Schwermuth hinzuneigen; er hat ir. der That die sorgfältigste Pflege nöthig, um wieder die Heiterkeit des Gemüthes in ihm zu wecken.

In diesem Augenblicke öffnete der Doctor, der sich entdeckt sah, die Thür ganz. Waller's letzte Worte hatte er vernommen; er vermied da­her aus Rücksicht für Marie, deren Verhältniß zu dem Missionar zu­berühren, und wendete sich sogleich an

Ich kenne Ihren jungen Freund zwar noch nicht, hob er an, allein­ich finde es ganz natürlich, daß er sich hier nicht heimisch fühlt; wenn wir erst etwas Leben in die Sache gebracht haben, wird sich auch seine Heiterkeit wieder einstellen. Und Leben wollen wir bald genug hinein­bringen, nachdem uns in in Ihrer ich wollte sagen....

Sprechen Sie es nur immer aus, fuhr Waller, des Doctors Rede aufnehmend, fort, indem er Mariens Hand ergriff und sie mit edler Einfachheit der Gattin des Doctors vorstellte; Marie Reichart ist meine vor Gott und den Menschen mir verlobte Braut, und was auch einst feindlich in unser Geschick eingegriffen haben mag, jetzt soll uns nichts: mehr von einander trennen, als der Tod.

(Forts. folgt.)