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N 75.
Fald, Donnerstag den 1. Juli 1875.
Zur Jahrzing.
Erscheint Dienstag, Donnerstag und Samstag.
Preis per Quartal durch die Post und Boten bezogen 1½ Mark.
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Verantwortlicher Redacteur P. W. Vossen in Wald. Zugleich Drucker und Verlege-* V. Vonven in Walh
S14— und Grseger F. W. Vossen in Wald.
Insertionen werden die 6spaltig Petitzeile oder deren Raum mit 10 Pfennige = 1 Sgr.,
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Allgemeiner Anzeiger für Wald, Alerscheid, Ohligs, Gräfrath und Paan.
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Wilh. Hill in Ohligs, E. Larsch in Solin
igen, C. vom Eigen und Julius Hill in Haan
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pro 3. Quartal beliebe man bei den Kaiserl. Post=Anstalten bei den Agenten Herren C. vom Eigen und Jul. Hill in Haan, Gottl. Engels und C. W. Hill in Ohligs, Carl Selbach in Leichlingen und in der Expedition baldgefl. zu machen.
Wir machen noch besonders darauf aufmerksam, daß im Laufe der nächsten Woche eine sehr spannende Erzählung
„Nemesis“
von Friedrich Friedrich beginnen wird. Die Expedition.
Politische Tagesschan.
Deutschland.
Berlin, 28. Juni. Die Nordd. Allg. Ztg. schreibt über die jüngsten fürstlichen Begegnungen u..: Kaiser Franz Joseph hat durch den Besuch des hochgeehrten Führers des österreichischen Heeres, des Erzherzogs Albrecht, in Jugenheim und Ems dargethan, daß neben Deutschland und Rußland Oesterreich nach wie vor der Dritte im Bunde ist. Heute findet die Begegnung in Böhmen Statt, Angesichts der Denkmäler des culmer Schlachtfeldes, drei Wochen später die in Ischl. Wenn das europäische Publikum sich endlich gewöhnt, den Bund der drei Kaiser als feste, unabänderliche Thatsache zu betrachten, wird es aufhören, unausgesetzt neue Bekräftigungen zu verlangen und jeder neuen Begegnung eine andere Bedeutung beizumessen als die, welche sich aus der persönlichen Sympathie und dem Bedürfniß guter Nachbarschaft genügend erklärt.
— Ueber das Befinden des Kaisers sind sehr günstige Nachrichten nach Berlin gelangt, so daß, wenn auch die auf die Gasteiner Kur gesetzten Hoffnungen sich erfüllen, die Reise nach Italien im Herbst immer mehr wahrscheinlich wird. Jedenfalls gedenkt der Kaiser zuvor den TruppenUebungen in Schlesien beizuwohnen; erst nach denselben soll über die italienische Reise Beschluß gefaßt werden.
— Fürst Bismarck bleibt nach den jetzigen Dispositionen für die nächste Zeit in Varzin. Man hört, daß der Fürst durch die ländliche Ruhe und Fernhaltung von allen Geschäften sich der besten Gesundheit erfreut und hofft daher um so sicherer, daß er im Herbst wie im vorigen Jahre zu seiner Thätigkeit zurückkehren wird.
— 29. Juni. Der Minister des Innern, Graf Eulenburg, ist gestern Abend nach Ems abgereist. Der„Norddeutschen Allgemeinen Zeitung" zufolge hat der Appellationsgerichtsrath August Reichensperger in Koln um seine Entlassung aus dem Staatsdienst nachgesucht.
Swinemünde, 28. Juni. Der Kronprinz ist heute etwas nach 5 Uhr Nachmittags eingetroffen. Auf offener
Rhede fand Flaggenparade Statt; die Stadt ist illuminirt. Der Kronprinz machte durch die Straßen eine Rundfährt, von den Einwohnern und zahlreichen Fremden enthusiastisch begrüßt.
Posen, 28. Juni. Der Chefredakteur des ultramontanen Volksblattes„Orendownik", Dr. Schymannski ist wegen Preßvergehens zu einjähriger Gefängnißstrafe verurtheilt und auf Befehl des Staatsanwalts sofort verhaftet worden.
Von Kiel aus ist das deutsche Panzergeschwader nach Swinemünde in See gegangen und kehrt am 6. Juli nach Kiel zurück. Das amerikanische Geschwader bleibt bis Mitte nächster Woche in Kiel.
Darmstadt, 29. Juni. Die„Darmstädter Zig." bringt einen energischen Artikel gegen die regierungsfeindliche Agitation der ultramontanen Partei und richtet an die reichsfreundlichen Bewohner des Großherzogthums die Mahnung, nicht müßig zu sein, sondern bei den Wahlagitationen für den Sieg ihrer Meinung zu kämpfen.
Oesterreich.
Eger, 28. Juni. Kaiser Franz Joseph ist heute früh 6½ Uhr mittelst Separatzuges der Franz=Joseph=Bahn hier eingetroffen. Auf dem Bahnhofe wurde derselbe vom Landescommandirenden Feldzeugmeister Philippovic, vom Statthalter Baron v. Weber, vom Landesmarschall Fürst Carlos Auersperg, so wie von den Spitzen der Behörden empfangen. Als der russische Hofzug herannahte, erschien der Kaiser auf dem Perron und blieb daselbst, bis derselbe in die Halle eingefahren war. Als Kaiser Alerander den Zug verlassen hatte, umarmten und küßten sich beide Kaiser. Nach Besichtigung der vor dem Bahnhofe aufgestellten Ehrencompagnie erfolgte die Vorstellung der beiderseitigen Suiten worauf sich die Monarchen in den Wartesalon begaben. Um 9¼ Uhr setzten die beiden Kaiser in einem gemeinschaftlichen Waggon des russischen Hofzuges die Weiterreise in der Richtung nach Kommotau fort.
Kommotau, 28. Juni, 12 Uhr 20 Min. Nachm. So eben haben die Kaiser von Rußland und Oesterreich nach kurzem Aufenthalte Kommotau verlassen. Hier hat ein feierlicher Empfang Statt gefunden. Alles schien von der Bedeutung der Stunde durchdrungen; die Bahnhofsgebäude prangen im reichsten Flaggen= und Guirlandenschmuck. Es beginnt jetzt der schönste Theil der Kaiserfahrt auf der Dux=Bodenbacher Bahn, die auch das Schlachtfeld von Kulm überschreitet.
Bodenbach, 28. Juni, 3 Uhr Nachm. Der Hofzug mit den beiden Majestäten fährt grade jetzt vom festlich geschmückten Bahnhofe der Dur=Bodenbacher Bahn nach dem Staatsbahnhofe. Während der Fahrt auf der Dux=Bodenbacher Bahn wurde das Diner genommen. Hier endet die gemeinschaftliche Reise der beiden Kaiser. Der Kaiser von
Rußland fährt um 4 Uhr nach Dresden, der Kaiser von Oesterreich etwas später gegen Prag weiter.
Brünn, 26. Juni. In der heutigen Fabrikanten
Versammlung wurde eine Aufforderung an die Handelskammer beschlossen, die Lohnverhältnisse der Vorjahre amtlich zu constatiren und eine genaue Darstellung derselben zu veröffentlichen. Die Ruhe ist vollkommen ungestört; alle bisherigen Mittheilungen über angebliche Gewaltthätigkeiten sind gänzlich unbegründet. Man befürchtet für nächste Woche den Ausbruch von Strikes in den Landfabriken, da jeder von hier Ausgewiesene so zu sagen von selbst zum Agitator wird. Von der von mancher Seite für heute angekündigten Auszahlung eines Wochengeldes an die Strikenden durch das Arbeiter=Comite ist nichts bemerkbar.
Ausland.
Versailles, 28. Juni, Abends. Die National=Versammlung beschloß in ihrer heutigen Sitzung unter ihren Mitgliedern eine Subscription zum Besten der durch die Ueberschwemmung heimgesuchten Ortschaften. Sodann erklärte der Justiz=Minister Dufaure, daß die Angaben über den durch die Ueberschwemmungen angerichteten Schaden noch zu unvollständig seien, um der Regierung zu ermöglichen, die Höhe der zur Unterstützung der Betroffenen nothwendigen Summe festzustellen. Er empfehle deßhalb der Versammlung die Annahme des von dem Deputirten Depeyre gestellten Antrages, nach welchem 2 Millionen Fr. für die Unterstützung der durch die Ueberschwemmung Heimgesuchten bewilligt werden sollen. Die Versammlung nahm darauf den Antrag Depeyre einstimmig an. Am Mittwoch wird für die bei der Ueberschwemmung Umgekommenen in der Capelle des Schlosses von Versailles ein Trauergottesdienst abgehalten werden.
Paris, 28. Juni. Die Rede Gambetta's machte in der Provinz einen sehr guten Eindruck. Liberale und Republicaner feiern mit Begeisterung die Versöhnung der Bourgeoisie mit der Republik.
Rom, 29. Juni. Im Senate begann die Berathung Betreffs der außerordentlichen Sicherheits=Maßregeln. Cantelli weist die Nothwendigkeit solcher Maßregeln nach, die Verwerfung des Gesetzentwurfs würde die Kühnheit der Räuber erhöhen. Der Justiz=Minister weist nach, daß das neue Gesetz die Behörden und die Bevölkerung einander nähern werde. Morgen wird die Debatte fortgesetzt.
London, 29. Juni. Das Handelsamt hat seinen Bericht über die Untersuchung der Ursachen, welche den Untergang des Dampfers„Schiller" veranlaßt haben, veröffentlicht. Folgendes sind die Hauptpunkte des Berichts: der„Schiller" befand sich kurz vor der Katastrophe nordwestlicher als man annahm, nachdem man drei Tage vor derselben keine Berechnungen gemacht hatte. Die Auswerfung des Senkbleis hätte noch um 9 Uhr des Morgens die
Ber Galeerensclave.
Novelle von Karl Wartenburg.
(Fortsetzung.)
5.
Zwei Tage nach dem Vorsall in der Werkstatt des Herrn Goujon eilte in früher Morgenstunde ein Mann in der Tracht der Landleute um Paris an der Barriere de la Rappee vorbei, die Rue de Bercy hinunter, also geraden Wegs auf den unweit von Paris gelegenen Flecken Bercy zu. Dieser Mann war Pierre, der, als er am Abend seiner Entlassung aus dem Etablissement traurig in einem Estaminet saß und sein einfaches Abendbrod verzehrte, in einem öffentlichen Blatte gelesen, daß ein kleines Bauerngütchen um einen niedrigen Preis, von welchem die Hälfte auf dem Gut stehen bleiben könnte, in der Nähe von Bercy zu verkaufen sei. Weiteres sei daselbst vom Maire zu erfahren.
Er hatte kaum einen Blick auf die Anzeige geworfen als ihm ein heller Gedanke durch den Kopf fuhr.„Wie", dachte er bei sich,„wenn Du zu Deiner früheren Beschäftigung, zum Ackerbau zurückkehrtest; Deine Ersparnisse betragen 1000 Fr., die Güte des Herrn Goujon hat diese noch um 300 vermehrt, Du kannst also über 1300 Fr. verfügen; da die größere Hälfte auf dem Gute stehen bleiben kann, so wird man gegen Deine Zahlungsfähigkeit kein Bedenken haben und was die Hauptsache ist,— Du bist auf dem Lande sicher vor ähnlichen Erlebnissen, denn sobald Du Eigenthümer bist*)— bestimmt das Gesetz— hört die polizeiliche Controle auf.
Gedacht, gethan. Pierre konnte kaum den Morgen erwarten; er kaufte sich bei einer Trödlerin einen Bauernanzug, steckte seine 1300 Fr. zu sich und eilte nach Bercy.
Es war in der Nacht starker Reif gefallen, der die Aeste und Zweige der Bäume versilberte, die Novemberluft wehte ihn rauh und scharf an, aber er fühlte es nicht. Ohne sich aufzuhalten, eilte er durch den schönen Park von Berey mit
*) Thatsächlich. Der Besitz von Grundeigenthum befreite Entlassenen von jener Verpflichtung.
die
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seinen alten Eichen und Umen, wohin an warnen Sommerund Herbsttagen die Pariser Grisetten mit ihren Geliebten aus dem lateinischen Viertel wallfahrten, um auf grünem Rasen ihre Lieblingsspeisen: Omeletten und gedämpfte wilde Kaninchen zu essen. O! was für geheimnißvolle Geschichten könnten diese alten Bäume mit den eingeschnittenen Buchstaben und Herzen erzählen, wenn sie reden könnten.
Am Eingang des Fleckens frug Pierre nach dem Maire. Man wies ihn nach einem freundlichen, weiß und grün angestrichenen Haus.
„Sie sind beauftragt, ein Bauerngütchen zu verkaufen", redete Pierre den Maire an, der die Zipfelmütze vom Kopfe nahm und den„Globbe“, die Zeitung, aus welcher er seine politische Weisheit schöpfte, bei Seite legte.
„Allerdings“, antwortete der Maire— und wars einen Blick auf die etwas abgetragenen Kleider Pierre's„indessen glaube ich nicht, daß—“
„Daß ich zahlungsfähig bin“, fiel Pierre, der die Gedanken des Dorfschulzen errieth, rasch ein.„Darüber beruhigt Euch, hier ist das Anzahlgeld“, und er schüttete aus seiner Geldkatze die 1300 Fr. in lauter blanken Fünffrancsstücken auf den Tisch.
Bei diesem Anblick verzog sich das Gesicht des Maire zu einem freundlichen Schmunzeln und er antwortete.
„Wo denkt Ihr hin,— das wollte ich nicht sagen;— wenn Ihr aber das Gut kaufen wollt, müßt Ihr zuerst ansehen.— Es gehört einem Vetter von mir, der sich in der Normandie ein größeres Anwesen gekauft hat, und der will nun das Gütchen nebst dem Inventar gleich losschlagen.“
Sie waren indessen bei dem Hof angekommen. Pierre nahm Alles in Augenschein,— das kleine Besitzthum gefiel ihm, er wurde mit dem Maire handelseinig und ein Notar setzte die Verkaufsurkunde auf.— Den nächsten Tag zog Pierre ein und er sing an, das kleine Gut zu bewirthschaften.
Er war wieder ruhig und heiter, nur der Gedanke an die arme Annette, die nun schon so lange auf dem kleinen Kirchhof zu Saint Preveux ruhte, trübte mitunter seine Ruhe; er hatte sich überdies vorgenommen, nie wieder zu heirathen
und obgleich manche hübsche, junge Bäuerin es nicht übel vermerkt hätte, wenn er sich ihr mit einem Antrag genähert und ihm gefällige Nachbarn dies auch nicht undeutlich zu verstehen gaben, so schlug er doch alle derartigen Anträge aus.
Er war nun drei Monate im Dorfe ansässig, die Bauern hatten ihn gern und achteten ihn; sie sagten selbst darüber nichts, daß er niemals zu bewegen war, Abends mit ihnen in die Gemeindeschenke zu gehen und bei einem Schoppen Wein und einer Pfeife Tabak über politische Sachen zu schwatzen.
Denn es sah damals im Jahre 1830 gar bedenklich in Frankreich aus;— man sagte, das Ministerium wolle die Charte aufheben und der König Karl lasse sich nur von seinem Beichtvater leiten.
Eines Tages aber konnte Pierre dem Drängen des Maire, mit ihm in die Gemeindeschenke zu gehen und ihm eine Verordnung, die er gestern vom Präfecten erhalten, den Bauern vorlesen und erklären zu helfen, nicht wiederstehen.
Es war ein Sonntag— an einem Sonntag hatte jenes unglückliche Ereigniß, das sein ganzes Lebensglück zerstört, stattgefunden und nur ungern eutschloß sich Pierre dazu.
„Ihr müßt unten in der Wirthsstube bleiben“, sagte der Wirth zu den Bauern und dem Maire,„in der obern Stube habe ich eine Gesellschaft lustiger Pariser Arbeiter, die mit ihren Mädchen vor einer Stunde angekommen sind und ihren Sonntag auf dem Lande zubringen wollen, untergebracht.— Sie machen einen höllischen Lärm und ich glaube, sie haben schon unterwegs zu tief ins Glas gesehen.“
Die Bauern waren unter der Zeit alle angekommen und der Maire wollte mit dem Vorlesen der Verordnung beginnen; Pierre saß oben am Ende der Tafel, neben dem Schulzen und blickte gedankenvoll vor sich nieder.
„Der Herr Präfect“, begann jetzt der Maire und setzte seine Brille zurecht,„der Herr Präfect hat mir gestern durch seinen Adjuncten eine Verordnung zukommen lassen, die ich Euch, der versammelten Gemeinde, vorlesen und erklären soll — wenn Ihr sie nicht versteht. Es handelt sich nämlich—“ Ein donnerndes Poltern auf der Treppe unterbrach ihn. Zugleich wurde die Thür aufgerissen und eine Schaar weinlustiger Pariser Arbeiter mit ihren Grisetten drang in's Zimmer.
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