Jald, Samstag den 20. Juli 1872.
5ter Jahrgang.
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Zum 19. Juli, dem Tage der Kriegs
Europa schläft in ungestörtem Frieden: Vorbei der Krieg, der durch das Land gefegt;
Und seine Furie ist lang' verschieden,
Die uns so stürmisch, fürchterlich bewegt'! Bei Seite legt' der Krieger seine Lanze Und pflegt der Ruh' nach blut'gem Waffentanze.
Die Staaten, die vor Kurzem sich bekriegten,
Sie hörten auf— und reichten sich die Hand, Und ihre Söhne kehrten heim und schmiegten Mit Jubellaut sich in das Friedensband.
Die Einen hatten Heil im Sieg gefunden,
Die Andern ruh'n und heilen ihre Wunden.
Der Mann jedoch, durch den der Krieg entstanden,— Was ward aus ihm? wo fand er seinen Lohn?
Was machte er aus den beherrschten Landen,
Und was mit seinem frech erlog'nen Thron?
Sein eig'nes Volk hat mächtig ihn gerichtet,
Sein Name ist aus Frankreichs Buch vernichtet!
Geachtet ist auf's Schlachtroß er gestiegen— Verachtet mußt' er als Gefang'ner ziehn,
Geachtet stieg er mit des Adlers Flügen—
Geächtet mußte er nach England fliehn.
Die Nemesis— sie mußte ihm noch werden—
Es giebt ja noch Gerechtigkeit auf Erden!
Es wird ein Fluch für alle Zeiten bleiben Der Name, den er frevelhaft geführt—
Der Kreis der Zeiten wird vorüber treiben Und schreiben einst, was wahrhaft ihm gebührt,
Auf einen Leichenstein; da steht einst eingegraben:
„An diesem Ort, da liegt der..d begraben!“(D..=.)
Uebersicht der Tagesereignisse.
Berlin, 17. Juli. Die heutige„Prov.=Corresp.“ bespricht die Polemik zwischen der„Schlesischen Volks=Zeitung“ und der„Germania“ über die neuliche Rede des Papstes und sagt, anknüpfend an das Zugeständniß der Ersteren, seitens der Regierung sei noch bei weitem nicht bitterer Ernst gemacht worden, Folgendes: Was geschehen kann und muß, wenn es bitterer Ernst wird, darüber wird die Staatsregierung im Großen und Ganzen nicht mehr ungewiß sein. Die Regierung wünscht gewiß, treu den preußischen Ueber
lieferungen, in vollster Aufrichtigkeit, daß es zum bitteren Ernst nicht kommen möge; aber immer geringer wird leider die Hoffnung, daß Stimmen, welche zur Mäßigung mahnen, selbst Stimmen ernster, erprobter deuscher Katholiken, bis nach Rom dringen oder dort Gehör finden.
— Der Kaiser gedenkt, der„Provinzial=Correspondenz" zufolge, in der ersten Woche des August nach Gastein zu gehen und zu Anfang September nach Berlin zurückzukehren, um etwa am./9. den Besuch des österreichischen Kaisers zu empfangen.
— Der Kronprinz und die Kronprinzessin des deutschen Reiches sind am 16. Juli in München eingetroffen und am Bahnhof von der zahlreich versammelten Menschenmenge mit begeisterten Hochrufen empfangen worden. Das krouprinzliche Paar wird zwei Tage dort verweilen.
— Das bayerische Kriegs=Ministerium hat den Befehl erlassen, daß alle Truppenabtheilungen der bayerischen Armee mit vollem Nachdruck dahin zu wirken haben, das Retablissement und die Ergänzung der Vorräthe der Truppen auf die volle Kriegsstärke bis Ende September d. J. zum Abschluß zu bringen.
— Cautionsbesteller, deren in zinstragenden Staatspapieren und anderen geldwerthen Effecten bestellte Cautionen bei den Regierungshauptkassen deponirt, und nicht zur selbstständigen Realisirung verabfolgt worden sind, werden besonders darauf aufmerksam gemacht, daß sie diejenigen Zinscoupons, deren Realisations=Termin bevorsteht, allemal an dem diesem Termine vorhergehenden Monats=DepositalTage in Empfang zu nehmen und es sich selbst beizumessen haben, wenn deren Aushändigung wegen Versäumniß des Depositaltages erst an einem der nächsten erfolgen wird.
— In Reichenbach erfolgte am 16. Juli die amtliche Wiedereinsetzung der Pastoren König und Lauterbach durch den Schweidnitzer Superintendenten Rolffs. Die Stadt ist festlich beflaggt.
— Der katholische Divisionspfarrer Lünnemann in Köln, dem bereits am 1. Juni der Herr Gouverneur v. Frankenberg die Ausübung seiner geistlichen Funktionen beim Militär untersagt hatte, ist wie die K. Vztg. hört, vor ein paar Tagen auch von den Ministerien des Krieges und des Cultus von seinem Amte suspendirt worden. Zugleich ist er in Disciplinar=Untersuchung gezogen und der DivisionsAuditeur, Herr Justizrath Krieger, dabei als UntersuchungsCommissar hevollmächtigt.
Magdeburg, 15. Juli. Nach Inhalt der„Amt
lichen Mittheilungen“ des königl. Consistoriums der Provinz Sachsen vom 24. Mai d. J. haben sich die diesjährigen
Kreissynoden bezw. die Gemeinde=Kirchenräthe der einzelnen Superintendenturen auch mit der Arbeiterfrage zu beschäftigen, und es ist die Aufgabe, für welche der Superintendent Nebe zu Weißenfels besondere Thesen formulirt hat, näher dahin gefaßt:„In wie weit ist der Vorwurf begründet, daß das unter dem Namen der Arbeiterfrage brennend gewordene Mißverhältniß zwischen Arbeitern und Arbeitgebern von der Kirche verschuldet sei, und was hat letztere zur Abstellung dieses Mißverhältnisses zu thun?"
Hannover, 18. Juli. Das gestern Abend stattgehabte zweite Festbanket verlief ebenfalls in gehobenster Stimmung und von keinem Mißton getrübt. Die Toaste auf den Kaiser, auf die Gäste, aus das deutsche Vaterland, auf die Stadt Hannover und die hannoverschen Frauen wurden mit allgemeinem Beifall aufgenommen; ein Toast Dr. Gerstel's auf die Deutsch=Amerikaner fand jubelnde Zustimmung. Das Fest schloß mit einem Trinkspruche des Stadtsyndikus Albrecht auf ein einmüthiges Zusammenstehen der Deutschen wider Rom.
Brüssel, 17. Juli. Der Strike in Borinage hat nunmehr bedeutende Dimensionen angenommen. Mehr als 10,000 Arbeiter sind bei demselben betheiligt. Von hier sind Gensd'armen und von Mons Truppen dorthin abgesandt, weil Ruhestörungen befürchtet werden.
16. Juli.„Bien Public“ schreibt:„Man behauptet, Kerdrel und seine Freunde hätten Thiers aufgefordert, seine Erklärungen über die allgemeine Politik bis nach der Anleihe zu vertagen. Wir glauben nicht, daß bis jetzt ein neuer Beschluß gefaßt worden. Die Dinge stehen auf dem nämlichen Punkte wie in der Sitzung vom letzten Freitag.“ Dasselbe Blatt bestreitet, daß Thiers an einer Botschaft arbeite.
Versailles, 17. Juli. Nationalversammlung. Der Berichterstatter der Budget=Commission führt aus, daß 135 Millionen genügend für das Gleichgewicht im Budget sein würden. Ersparnisse seien nothwendig. Thiers hält seine Meinung aufrecht, daß 200 Millionen nothwendig seien; er beweist, der Credit der Franzosen sei zu erhöhen, 66 Millionen seien für das Budget des Kriegsministeriums ausgesetzt. Er würde die Erhöhung selbst dieser Summe vorschlagen, wenn die Finanzlage besser wäre. 87 Millionen votire die Versammlung bereits aus neuen Steuern, die fehlenden 113 Millionen bringe nur die Rohstoffssteuer. Vicomte de Meaux will Ersparnisse, verlangt die Vertagung der neuen Steuerberathung und tadelt Thiers, weil letzterer die Allianzen erschwere. Thiers macht de Meaux aus seinem Verlangen, Ersparnisse zu erzielen, Vorwürfe, da dieselben
In der Fabrik.
Erzählung von Friedrich Friedrich.
(Fortsetzung.)
Berger stand auf und ging fort, nicht in die Fabrik, sondern nach dem nahe gelegenen Dorf, in welchem Rüdiger wohnte, um sich nach dessen Befinden zu erkundigen. Er erblickte hierin eine fühnende Genugthung, die er ihm schuldig war und die ihn selbst beruhigte.
Heinrich war verstimmt, als er am Abend mit Helene zum Balle fuhr. Er hätte die Zeit weit lieber benutzt, um mit Bertha zusammen zu sein. Er sollte tanzen mit Damen, für die er nicht das geringste Interesse empfand, sollte ihnen Aufmerksamkeiten erweisen, die ihn langweilten. Auch Helene war verstimmt, bot indeß Alles auf, um dies zu verbergen. Sie zwang sich, heiter erscheinen, es gelang ihr dies auch, obschon sie sich in dem Maße der Heiterkeit vergriff. Sie scherzte und war ausgelassen lustig. Niemand sollte ahnen, was in ihr vorging.
Sie war die reichste und schönste von allen Mädchen. Die zungen Herren umschwärmten sie, und sie nahm die Huldigungen mit einem stolzen, selbstbewußten Lächeln auf. Kaum einen Auzenblick lang kam sie während des Tanzes zur Ruhe— es war ihr sehr lieb. Die Aufregung des Körpers sollte die ihres Herzens überwinden. Sie wollte Gedanken verscheuchen, die sich ihr immer wieder aufdrängten. Mitten durch die rauschenden Klänge der Musik hindurch glaubte sie die ernste Stimme ihres Vaters zu vernehmen, sie sah seinen strengen, vorwurfsvollen Blick.
Und wenn Rüdiger in dieser Stunde starb— war es ihre Schuld? Hätte sie es verhindern können, auch wenn sie daheim geblieben wäre?
Von dem schnellen Tanzen noch erschöpft, die glübenden Wanzen mit dem Fächer kühlend und ihr Gesicht bald dahinter verhatte sie sich auf einen Stuhl geworfen. Da trat Tegen # ½ um sie zu neuem Tanze aufzufordern.
„Ich sehe Sie sind sehr erschöpft,“ sprach er sich neben ihr
niederlassend.
„Nein, nein!“ rief Helene fast hastig und erhob sich, um ihre dand in seinen Arm zu legen.„Ich will heute tanzen,— viel Anzen bis ich erschöpft niedersinke.“
erd Gnädiges Fräulein!“ rief Tegen. Er vermochte für sein erstaunen nicht mehr Worte zu finden.
=haben Sie nie die augenblickliche Lust, sich todt zu tanzen, eupfunden?“ fuhr Helene fort.
„Nein, entgegnete Tegen....52164
Daha! Dann wissen Sie nicht, wie leidenschaftlich diese kreienden Bewegungen das Blut erregen können. Kommen Sie, lassen * uns tanzen, es ist ohnehin der letzte Tanz vor dem Souper.
Heinrich, der während der ganzen Zeit an die eines Nebenzimmers gelehnt dastand, bemerkte die Aufregung seiner Schwester, er bekümmerte sich indeß nicht darum, denn er hatte an ihren Stimmungen und Empfindungen nie Theil genommen.
Es war ihm auch gleichgiltig, als er bemerkte, daß Tegen Helene zu Tische führte; er selbst setzte sich ihnen gegenüber, indeß mehr zufällig als absichtlich.
Was Helene durch den Tanz hatte erreichen wollen, suchte er jetzt durch den Wein zu erzielen. Während er die Speisen kaum berührte, trank er hastig und viel. Seine Wangen rötheten sich mehr und mehr, sein Auge leuchtete.
Helenens scharfem Blick war dies nicht entgangen, allein sie ahnte nicht, weshalb er diese erzwungene Aufregung suchte.„Vielleicht irgend eine vereitelte Passion," dachte sie und wandte ihrem Tischnachbar ihre Aufmerksamkeit zu, der ihr die größten Schmeicheleien zuflüsterte.
„Es ist ein schlaues Mittel, wenn die meisten Roue's Damen gegenüber anwenden, bei denen sie noch in Zweifel sind, wie weit sie in der Unterhaltung geben dürfen— sie schlagen einen flüsternden Ton an. Derselbe setzt immer einige Vertraulichkeit voraus, selbst wenn die gleichgiltigsten Sachen darin besprochen werden. Und wird ihnen die Vertraulichkeit gestattet, dann gehen sie weiter und weiter, es läßt sich so unendlich viel zuflüstern, was derselbe Mund, selbst wenn er mit der Dame allein wäre, laut zu sprechen nicht wagen würde. Helene war zu unbefangen, um Tegen's flüsternden Ton zurückzuweisen, ja es war ihr sogar lieb, daß nur ihre Ohren die Schmeicheleien vernahmen.
Heinrich hatte Champagner bringen lassen und schenkte sowohl Tegen wie Helene fleißig ein.
„Trinken Sie, Tegen!“ rief er.„Es giebt wahrhaftig nichts Schöneres auf der Erde, als diesen schäumenden Wein!“ und als das Souper beendet war, erfaßte er Tegens Arm und zog ihn mit sich in ein Nebenzimmer.
„Nun, werden wir endlich ein Spiel machen?“ sprach er. „Ich habe mich den ganzen Abend gelangweilt, eine Genugthuung muß ich auch haben!“
Tegen suchte ihm vergebens zu entfliehen, um zu Helene zurückzukehren.
„Gut!“ sprach er endlich.„Eine Stunde stelle ich mich Ihnen zur Disposition, dann höre ich mit dem Spiel auf— sind Sie damit einverstanden?“
Statt der Antwort drängte ihn Heinrich an den Tisch, auf welchem die Karten schon bereit lagen.
Tegen legte die Bank. Es war dies gleichsam ein stillschweigendes Privilegium, welches er unter seinen Bekannten genoß, und keiner besaß in dem Spiele auch solche Erfahrung und Gewandheit wie er. Kein Zug seines Gesichtes änderte sich, wäh
rend er mit leichter Hand die Karten mischte und abzog, nur sein Auge blickte mit starem Ausdrucke auf die Einsätze.
Heinrich war selten leidenschaftlich beim Spiele, weil Gewinn oder Verlust ihn weniger interessirte, er liebte das Spiel fast nur als Unterhaltung.
In gleichgiltiger Weise warf er die Einsätze auf den Tisch, Tegen war sehr im Glücke; er selbst verlor, es berührte ihn wenig. Als aber das Glück sich ihm dauernd feindlich erwies, verdoppelte er seine Einsätze. Aufgeregt wie er war, ärgerte ihn die Ruhe, mit der Tegen stets seine Goldstücke einstrich. Er versuchte das Glück zu erzwingen, weniger um zu gewinnen, als um Tegen Verluste beizubringen. Seine Wangen rötheten sich.
Das Glück blieb ihm feindlich. In kurzer Zeit hatte er alles Geld, was er bei sich führte, verloren. Seine Zähne preßten sich auf die Lippe. Sollte er jetzt aufhören? Einen Augenblick lang schien er zu schwanken. Dann zog er rasch ein Täschchen mit Visitenkarten hervor, schrieb hastig auf eine der Karten eine warf dieselbe auf den Tisch und rief:„Nehmen Sie dies an?“
Tegen nickte schweigend mit dem Kopfe.
Eine Karte nach der andern warf Heinrich auf den Tisch, die Zahlen waren schnell geschrieben, und Heinrich war zu aufgeregt, um vernünftiger Ueberlegung zugängig zu sein. Jetzt ärgerte ihn auch der Verlust, er wollte ihn wiedergewinnen und zeichnete hohe Summen auf die Karten.— Tegen hatte ein auffallendes Glück.
Endlich sah er nach der Uhr und legte die Karten nieder, als die Taille beendet war.
„Die Stunde ist vorüber,“ sprach er, sich erhebend und mit leise zitternder Hand den Gewinn einstreichend.
„Sie wollen aufhören?“ rief Heinrich.„Jetzt, wo sie allein gewonnen haben?"
„Sie erinnern sich, daß ich mich nur für eine Stunde verpflichtet habe. Sie waren damit einverstanden. Ich bitte Sie indeß, mein Aufhören nicht falsch zu beurtheilen. Ist es Ihnen recht, so din ich bereit, Ihnen nach Beendigung des Balles oder zu jeder anderen Zeit Revanche zu bieten.“
Ohne Heinrich's Antwort abzuwarten, verließ er das Zimmer und trat in den Saal. Ein Anderer übernahm statt seiner die Bank, allein Heinrich trat von dem Spieltische zurück und warf sich aufgeregt und ärgerlich in ein in der Ecke stehendes Sopha. Die Stirne glühte ihm. Erst jetzt ward er sich der ganzen Größe seines Leichtsinns bewußt. Er kannte die Summe, welche er verspielt hatte, nicht genau, er wußte nicht genau, er wußte nur, daß er nicht im Stande war, sie sofort am andern Tage, wie es bei einer Spielschuld Sitte war, zu bezahlen, denn sein Vater durfte nichts davon erfahren. Es würde ihm weniger unangenehm gewesen sein, hätte er die Summe einem Andern geschuldet. Tegen gegenüber mochte er sich nicht die kleinste Blöße geben und