N 116.
Samstag den 10. Becember 1870.
Iter Zahrgang.
Expedition in Solingen bei E. Larsch.
Verantwortlicher Redakteur: F. W. Vossen in Wald.
Drucker und Verleger: F. W. Vossen in Wald.
Expedition in Haan bei Carl vom Eigen.
Erscheint Dienstag, Donnerstag und Sonnabend.
Pränumerationspreis vierteljährlich in der Expedition 12½ Sgr., durch alle Königl. Post
Aemter und Boten bezogen 15 Sgr.
Insertions=Gebühren für die Petitzeile oder deren Raum 1 Sgr.
Agenturen zur Annahme von Anzeigen:##
J. H. Born in Elberfeld; Sachse& Cie. in Cöln und Leipzig; Haasenstein& Vogler in Frankfurt a..; Rud. Mosse in Berlin; Jlgen& Fort in Leipzig; J. Schöneberg
Frankfurt v.—. z, Hamburg; Carl Schüssler
in Humburg, Carl Schüssler in Hannover.
Erstes Blatt.
Politische Rundschau.
In einer fast ununterbrochenen Reihe von größeren und kleineren Gefechten wird seit länger als acht Tagen zwischen unseren Heeren und dem Feinde um die wahrscheinlich letzte große Entscheidung des blutigen Krieges gekämpft und leider ist es unvermeidlich, daß dabei auch von uns noch manches Opfer an Menschenleben gebracht werden muß, welches hätte gespart werden können, wenn die Herren Gambetta, Favre und Trochu weniger verblendet wären und endlich ihr Land von den Kriegsdrangsalen durch verständiges Nachgeben befreien wollten. Davon sind sie aber bis jetzt so entfernt gewesen, wie nur jemals; die letzte Proklamation Gambetta's übersteigt wo möglich in ihrem Redeschwulste und in ihrem aumaßenden Tone alles, was dieser Phrasenheld bis dahin geleistet hat. Daher wird das alte Lügensystem fortgesetzt; fast alle Niederlagen, welche die Franzosen erlitten haben, sei es um Paris oder um Orleans, oder bei Amiens, verwandeln sich für sie in ebenso viele Siege, obgleich schon eine ganz oberflächliche Reflexion hinreichen könnte, ihnen zu sagen, daß doch nachgerade die Folgen aller dieser siegreichen Gefechte hätten sichtbar werden und die Loire=Armee den Parisern hätte zu Hülfe kommen müssen. Die letzten Nachrichten, nach denen Orleans wieder in den Händen unserer Truppen ist, müssen den von Herrn Gambetta verbreiteten Lügendunst endlich zerstreuen und vor Allem es den Parisern zum sonnenklaren Bewußtsein bringen, daß auf einen Entsatz durch die Loire=Armee in keiner Weise mehr zu rechneu ist.“ Uebrigens beginnt das diktatorische Benehmen Gambetta's bereits unter den einsichtigeren Männern Frankreichs große Besorgnisse zu erregen; man fragt sich, was aus Frankreich werden würde, wenn es Gambetta's Eifer gelänge, den Feind wirklich zu vertreiben, und muß sich die Antwort geben, daß man dann von den Gefahren entweder einer Willkürherrschaft sonder Gleichen oder eines Bürgerkrieges zwischen den jetzigen ehrgeizigen Gewalthabern bedroht sein würde. Wenn erst die Stunde für Paris geschlagen und der Trotz der Belagerten sich unter das Schwert des Siegers gebeugt haben wird, so werden
auch derartige Befürchtungen sich um so drängender geltend machen, und die Sehnsucht nach dem Frieden wird dann ohne Erbarmen über diejenigen Männer
Ein Lied aus Schwaben.
1866.
Was ist es, das wir heiß begehren? Was sehnt das Herz mit Macht herbei? Ein ganzes Deutschland, reich an Ehren, Von Gottes Gnaden einig, frei;
Ein festes Band für alle Stämme,
Die sich zu einem Leih erbaun,
Nach Außen starke Wäll' und Dämme, Im Innern Eintracht und Vertraun.
Nun ist uns von dem Gott der Götter Die Bahn für Deutschland angezeigt. Der Preußenkönig ist der Retter!
Iu Sechoshenslach heäilsene Wige.
ünd Preußen ist sein Herrschersitz.
Der Herzog von
Humoristische Erzählung von Ernst Linden.
(Fortsetzung.)
Nachdem sein Verdacht nun einmal eine bestimmte Richtung gewonnen, fiel es ihm auch nicht allerlei geschickte Querfragen völlig von dessen Begründung zu überzeugen. Er nahm nun auch seinen Kutscher nochmals ins Verhör, und zwar etwas schärfer als an dem ersten Morgen nach jener abenteuerlichen Nacht und es blieb diesem schließlich nichts übrig, als Alles zu beichten, was er wubte,.... Tur epfuannm Eerst u
Zum Schluß ließ der alte Herr anspannen, begab sich selbst zu dem Wirthe hin, in dessen Hause die Comödie jener Nacht gespielt hatte, und ließ sich von diesem, ohne jedoch den edlen Herzog weiter zu compromittiren alles Nähere über den hohen Besuch ebenfalls mittheilen.
Zu Hause hatte der alte Herr über das Ziel seine Fahrt nicht das mindeste verlauten lassen; er kehrte erst kurz vor Beginn der Abendmahlzeit wieder davon zurück und zwar wie es schien, in ziemlich heiterer Stimmung.
zur Tagesordnung übergehen, welche ihre persönliche politische Stellung und den leeren Begriff einer Republik höher stellten, als die wirkliche Lage der Dinge und das Wohl des Vaterlandes. Diese Stunde naht aber mit raschen Schritten und die letzten Ausfälle der Belagerten sind wahrscheinlich nichts als ein Akt der Verzweiflung einer zum Aeußersten gedrängten Beadterung,
Während so Frankreich in schweren! Zuckungen liegt, nehmen die Unterhandlungen wegen der künftigen Gestalt des Deutschen Reiches sowohl drüben in der vormaligen Residenz jenes Königs, der so unsägliches Unheil über unser Vaterland in den Zeiten seiner Uneinigkeit gebracht hat, als auch diesseits in der zukünftigen Hauptstadt des neuen Staatswesens ihren ungehinderten Fortgang. Der hohen Würde an der Spitze des mächtigsten Reiches Europa's entsprechend, wird das Oberhaupt desselben den alten Ehrentitel eines Kaisers erhalten und so auch durch den Namen die Herrlichkeit und das Ansehen des Deutschen Kaiserthums früherer Jahrhunderte wieder hergestellt werden. Bereits hat der König von Bayern, als der mächtigste unter den Deutschen Fürsten, im Namen der übrigen dem Könige Wilhelm die Kaiserkrone angeboten, und es unterliegt wohl keinem Zweifel, daß der greise Heldenkönig, dem gewiß diese Krone so wohl gebührt, wie einem aus der langen Reihe seiner Vorgänger, das ihm von dem Deutschen Volke und seinen Herrschern einmüthig entgegengetragene Kleinod bereitwillig in Empfang nehmen wird.
Ueber den Vorgängen an der Seine und Loire sind selbst im Auslande andere politische Ereignisse mehr oder weniger in den Hintergrund getreten. Selbst die Frage des Schwarzen Meeres hat jeden schärferen Charakter verloren, seitdem es entschieden ist, daß die Differenz mit Rußland auf einem Kongreß zur Erledigung gebracht werden soll, und die Englischen Blätter, die bis dahin nur von der Möglichkeit und Wahrscheinlichkeit eines Orientalischen Krieges sprachen, haben augenblicklich fast nur die Augen auf Paris und Orleans gerichtet, in dem richtigen Gefühle, daß hier über die nächste Zukunft ropa's entschieden wird. In Italien hat die von dem Papste gegen Viktor Emauuel und seine Regierung erlassene Encyklika von Neuem böses Blut gemacht. Die Italienische Regierung ist thöricht genug gewesen, den Abdruck des päpstlichen Rundschreibens in den Italienischen Blättern zu verhindern und hat durch diese ungesetzmäßige Handlung die Unzufriedenheit nicht
nur der gläubigen Katholiken, sondern auch der liberalen Parteien hervorgerufen. Die von den Spanischen Kortes an den zum König erwählten Herzog von Aosta abgesandte Deputation ist von diesem Empfangen worden. In Spanien stößt die Wahl noch auf vielfachen Widerstand, namentlich bereiten die Studenten in den verschiedenen Universitäten Demonstrationen gegen den neuen König vor, der überhaupt noch manchen harten Kampf zu bestehen haben wird, bevor er sich einer ruhigen Regierung wird erfreuen können.
Ueberscht der Tagesereignise.
Berlin, 7. Dec. Zweite Lesung der Bundesverträge. Die ersten beiden Artikel der Verträge mit Baden und Hessen werden ohne Debatte genehmigt. Zu Artikel III. beantragte Wigard die Einfügung der Grundrechte der preußischen Verfassung. Delbrück erklärte, die Regierungen erachten den Zeitpunkt für eine Verfassungsrevision ungeeignet; sie verzichten ihrerseits auf die Realisirung der gehegten Wünsche und hoffen eine gleiche Enthaltsamkeit von Seiten des Reichstages und der Einzellandtage. Der Antrag Wigard wird abgelehnt, ebenso wird über den Antrag Wiggers, wonach in jedem Bundesstaat eine gewählte Volksvertretung zur Landes= und Budgetgesetzgebung bestehen muß, zur Tagesordnung übergegangen. Ferner wird der Antrag Dunkers auf Preßfreiheit und Vereinsrecht ohne Polizeierlaubniß nach lebhafter Debatte abgelehnt. Dagegen die Competenzerweiterung des Bundes auf die Presse und das Vereinswesen nach der Vorlage angenommen. Die übrigen Verbesserungsanträge werden ohne erhebliche Debatte abgelehnt und die Verträge mit Hessen und Baden angenommen.
— Die„Provinzial=Correspondenz" bemerkt in Bezug auf beabsichtigte Amendirungen der Verfassungsverträge, es dürfte bald die Ueberzeugung durchdringen, daß solche Amendirungen einer Ablehnung der Verträge gleichkommen, daß aber ein solcher Schluß nicht blos die deutsche Sache, sondern auch den Friedensschluß erheblich gefährden würde.— Der Reichstag wird möglicher Weise am 10.., spätestens in den ersten Tagen der nächsten Wocheseine Berathungen beendigen. Der Zusammentritt des Landtages findet voraussichtlich am 12. d. statt.— Der Zusammentritt der Conferenz in Betreff der Pontusfrage ist allseitig gesichert. Die Einladungen dazu dürften nächstens von Seiten Englands ergehen.
Er scherzte unaufhörlich bei Tisch bald mit dem Einen bald mit dem Andern vorzugsweisefaber mit dem tollen Maler, dem er heute fast den Rang streitig machte.
Als die Tafel beendet war, füllte er die Gläser aufs Neue, ergriff das seinige und forderte seine Gäste auf, ein Gleiches zu thun.
„Es gilt das Wohl des Herzogs Arnold von Braunschweig,“ rief er froh gelaunt,„ich hoffe, Sie werden m darauf Bescheid thun.“
Mit verlegenen Gesichtern sahen Alle vor sich nieder, denn es war nun kein Zweifel mehr, daß der alte Herr auf irgend eine Weise hinter die Geschichte gekommen sein mußte, wobei er dann wahrscheinlich auch noch mehr erfahren haben konnte.
„Ei ei, Sie bleiben ja stumm, ich hatte gehofft, Sie würden mit mir einstimmen in das Hoch auf den edlen Herzog, der sich so weit herabläßt, einen verrückten Verwandten als Reisegefährte zu begleiten und schließlich in seiner Gnade auch mein Haus mit seiner hohen Gegenwart zu ehren. Ich möchte wohl annehmen,“ fuhr er fort, ohne die verdutzten Gesichter der Uebrigen zu beachten,„daß er aus übergroßer Bescheidenheit statt eines einfachen Incognito, sogar einen vollständigen Tausch mit seinem hoffentlich inzwischen wieder genesenen Reisegefährten eingegangen ist und nur ein schlichtes Müllergewand statt seines Herzogsmantels angelegt hat. Das bleibt sich jedoch im Grunde gleich, wir erwarteten hier einen Herzog, wenn auch nicht gerade den von Braunschweig, und um das Incognito des hohen Herrn gebührend zu achten, so mag der, dem er seinen Mantel geliehen, auch weiter hier als Herzog gelten und die Rechte, die er sich in dieser Würde erwarb, ferner behalten. Ich hoffe, Sie werden nun nicht länger Bedenken tragen, mit mir auf das Wohl des Herzogs und seines Begleiters anzustoßen.
Seine Gäste blieben ihm jedoch auch diesmal die Antwort schuldig, dafür fühlte er sich von den Armen seiner Tochter umfaßt, welche, ohne eines Wortes mächtig zu sein, sich über seinen Stuhl beugte und ihr Gesicht an seiner
Schulter verbarg. K. Amm Art#. St
„Was willft Du denn, Du dummes Kind,“ versetzte er, um seine Bewegung zu verbergen, mit anscheinend scher
zendem Tone,„Du flennst wohl gar; na das hätte uns gerade noch gefehlt..4, gehmi.., Stuus###
„Liedster Papa,“ fragte Heowig leise,„kannst Du mir verzeihen, daß wir Dich getäuscht haben?“
„Nun ich denke, Du hast eben Deine Strafe schon erhalten, als ich Euch verrieth, daß ich hinter Eure Schliche gekommen sei und Ihr nicht wußtet, was nun kommen würde. Recht war es zwar wohl nicht, daß Ihr mich so hintergangen, aber es scheint mir fast, als ob ich einen Theil der Schuld mit tragen muß, da ich eigentlich die Veranlassung dazu gab, daß Ihr zu einem solchen Mittel gegriffen habt; wir wollen uns aber gegeuseitig vollständige Indemnität ertheilen.
Aber nun müßten wir doch endlich wohl unsere Gläser austrinken, sonst steht der Wein ab und ich denke, meine Gäste werden mir nun auch Bescheid thun, aber diesmal auf das Wohl des jetzigen Herzogs von Braunschweig, der nun bald wieder ein schlichter Müller sein wird, auf das Wohl seiner zukünftigen Frau Müllerin und schließlich auf das Wohl seines lustigen Freundes, der ja wohl, wenn ich mich nicht täusche, das Stück in Scene gesetzt hat.“
„Und“ setzte Herzog jun. hinzu, der sich jetzt wieder sicher fühlte,„vor allem auf das Wohl unseres gütigen Wirthes, der aus meinem Stücke erst das gemacht hat, was es eigentlich sein soll, ein Lustspiel mit der obligaten Verlobung am Ende.
„Nun meinetwegen auch, so mögen sie alle hochleben“, entgegnete der alte Herr vergnügt, indem er seine Tochter an sich zog und dem Maler, der ebenfalls zu ihm hingetreten war, herzlich die Hand schüttelte. Dann die Händen beider zusammenlegend, wandte er sich zum Gehen.„Kommen Sie, mein lustiger junger Freund“, rief er dem jungen Herzog zu,„lassen Sie uns in mein Zimmer gehen, und dort
eine Cigarre rauchen; vorläuffig sind wir hier überflüssig; wer uns dann später dort Gesellschaft leisten will, ist eingeladen und mag nachkommen. Zunächst können wir aber schon allein fertig werden, denn Sie sollen mir von Ihrem Vater, meinem alten Freunde erzählen, über den ich von Ihrem Stellvertreter nicmals etwas erfahren konnte.“ (Forts. folgt.