Nr. 160. 1. Blatt.
Freitag, den 10. Juli 1908.
33 Jahrgang.
Druck und Verlag
von Wilhelm Müller jr. in Ohligs. Telephon=Auschluß Nr. 40.
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Pg.
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für die
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inzeigen an bestimmt vorgeschriebenen Tagen oder Plätzen können wir keine Verantwortung übernehmen, jedoch werden die Wünsche der Auftraggeber moglichst berücksichtigt.„
Die heutige Nummer umfaßt 6 Seiten.
Iolitische Nachrichten.
Berlin, 9. Juli.
Der Flottenverein in der Auflösung. Unter dieser Ueberschrift bringt die„Tägliche Rundschau“ einen Artikel, der sich in sehr scharfen Ausführungen bewegt; zum Schluß heißt es:„Es sind verheißungsvolle Anzeichen dafür vorhanden, daß der Wille der nationalen Energie, dem der Flottenverein seine Entstehung verdankt, sich durchsetzen wird wider offiziöses Höflingstum und leisetretende Schlappheit. Wir wollen keinen Flottenverein, der das Sehnen der Volksseele nach Welt= und Ueberseepolitik unter das Plazet der Behörden stellt. Wohin die Fahrt geht, läßt schon die Tatsache erkennen, daß nach Kassel der Flottenverein überall frischen Zuwachs erhielt, während allein der bayrische Landesverband über einen Rückgang seiner Mitgliedsziffer zu klagen hatte. Möge man dort und in Berlin=Brandenburg Tirpitz'sche Marinevereine und kinematographische Kränzchen gründen— die weitaus überwiegende Mehrheit aus dem alten Flottenverein fühlt Kraft genug in sich, den neuen Flottenverein so zu gestalten, daß freie Männer sich in ihm wohl fühlen. Sie werden allen Gewalten zum Trutz sich erhalten:„Nimmer sich beugen, kräftig sich zeigen, rufet die Arme der Götter herbei.“— Heute nachmittag fand im Präsidialgebäude des Flottenvereins eine Vorstandssitzung statt, an der sämtliche Mitglieder, mit Ausnahme der Freunde des Generals Keim, teilnahmen. Die Sitzung dauerte mehrere Stunden, doch wird über ihr Ergebnis einstweilen strengstes Stillschweigen beobachtet. Außerdem wird noch gemeldet, daß morgen in Weimar eine Versammlung von Vertretern der unabhängigen Richtung stattfindet, in der wahrscheinlich der Austritt des Thüringischen Landesverbandes erfolgen wird. Auch zahlreiche Vertreter aus anderen Teilen Deutschlands haben sich zu dieser Versammlung angesagt.
In dem Befinden der Herzogin Johann Albrecht, bei welcher seit einiger Zeit Anzeichen von Nierenkrankheit bestanden, ist unerwartet eine Verschlimmerung eingetreten. Wie aus Wiligrad gemeldet wird, bestehen neuerdings Atembeschwerden, welche den Schlaf erheblich beeinträchtigen. Wenn sich im übrigen die Magensymptome seit gestern auch wenig gebessert haben, so besteht infolge der zu geringen Nahrungsaufnahme in den letzten Tagen doch noch zu große Mattigkeit.
Die Eisenbahndirektion Kattowitz beabsichtigt, für den Spätherbst einen elektrischen Fernverkehr einzurichten.
Die„Germania" teilte einen ungewöhnlichen und auffallenden Gerichtsbeschluß mit, der vom Amtsgericht Leobschütz ausgeht. In diesem Beschluß, der mehrere Zeitungsspalten faßt, wurde eine Gesellschaft mit beschr. Haftung,„Leobschützer Zentrumszeitung", abgelehnt. In den Entscheidungsgründen ging der Richter auf die politische, geschichtliche und soziale Entwicklung der Zentrumspartei zurück, streifte dabei Daten aus 1873, 1844, 1864 u.., und fuhr dann in folgender Weise fort:„Alles dies ist für den freien Denker Stoff zum Aussieben des Für und Wider und des Niederschlages daraus, mit dem der kleine Menschenwitz der Allmacht gegenüber beim Stufenbau der Meltgeschichte klug tut.“— Auch im weiteren
Wortlaut ist der Richter so politisch und pathetisch geworden, daß der Justizminister nicht umhin können wird, der Sache etwas näher zu treten. Das Landgericht zu Ratibor hat übrigens den Gerichtsbeschluß aufgehoben und für zweifelnde Gemüter erklärt, nach deutschem Reichsrecht sei die Verfolgung! von Parteizwecken durch die Presse gesetzlich zulässig.
Marokko.
Nach einem Telegramm der„Köln. Ztg.“ aus Tanger hat ihr dortiger Korrespondent Nachrichten aus Rabat erhalten, wonach Abdul Asis auf Vorstellungen von Eingeborenen von Rabat und Sale hin, den Zug nach Marakesch als aussichtslos aufgegeben habe.
Meineisprezeß Enlenburg.
Berlin, 9. Juli.
Erklärung des Vorsitzenden.
Der Vorsitzende teilte mit, daß mit Rücksicht auf den Gesundheitszustand des Angeklagten am Samstag die Sitzung ausfallen werde. Bei dem Zeugenaufruf ließ der Vorsitzende den Gerichtsberichterstatter mit in den Saal kommen, um die von ihm abzugebende Erklärung mit anzuhören und weiterzugeben. Er erklärte, er weise die Angriffe der Presse zurück, daß er den Angeklagten, weil er ein Fürst sei, anders behandle als andere Angeklagte. Vor dem Gericht seien alle Menschen gleich. Es werde lediglich auf den schlechten Gesundheitszustand des Angeklagten Rücksicht genommen.
Entlassungsgesuch des Zeugen Ernst.
Der Zeuge Ernst erklärte, es nicht mehr länger in Berlin aushalten zu können. Seine Krankheit setze ihm arg zu; er vergehe vor Sehnsucht nach seinen Kindern und nach seiner Heimat und bitte dringend, ihn sofort zu entlassen.
Oberstaatsanwalt Dr. Isenbiel erwiderte hierauf: Ich habe das tiefste Mitleid mit den seelischen Qualen des Zeugen Ernst und bedaure es lebhaft, daß Ernst in einer ganz unbegründeten Furcht lebt, wir wollten ihm hier etwas tun. Ich halte die Anwesenheit des Ernst für unbedingt erforderlich und erkläre hier, daß ich mich nur dann mit der Entlassung des Zeugen einverstanden erklären kann, wenn der Angeklagte jetzt zugeben sollte, daß alles wahr ist, was Ernst hier gesagt hat; denn wenn Ernst nach Starnberg fährt und uns von dort vielleicht ein Attest einschickt, daß er nicht mehr vor Gericht erscheinen kann, so haben wir hier umsonst gearbeitet, und die Sache muß vertagt werden.
Der Angeklagte erwidert hierauf nichts.
Der Zeuge Ernst wiederholt noch einmal seine inständige Bitte abreisen zu dürfen und unterbreitet dann ein schriftliches Entlassungsgesuch. Dann woird ein Schwager des Ernst, ein Schuhmachermeister aus Tutzing, herbeigerufen. Der Vorsitzende legt ihm dringend ans Herz, er möchte stets um den Zeugen Ernst herum sein und ihn nicht aus den Augen lassen. Auch möge er einen Arzt holen, wenn sich das Leiden des Ernst verschlimmern sollte.
Nachdem diese Zeugen die Sitzung verlassen hatten, trat Hofrat Kistler aus München vor und bat, ihm eine Erklärung zu gestatten, da er in der Presse angegriffen worden sei. Der Vorsitzende erwiderte jedoch, daß augenblicklich keine Zeit sei,
Geadt Gstoscen.
Fortsetzung der Zeugenvernehmung.
Sicherheitskommissar Seufert=München ist dabei geblieben, daß er den Zeugen Riedel für unglaubwürdig hält.
Nach ihm wurde eine Reihe neuerdings aus München geladener Zeugen vernommen, Arbeitskollegen des Riedel, die darüber, was und wie Riedel mit ihnen über den Eid des Fürsten gesprochen hat, vernommen werden. Die Vernehmungen dauerten nicht lange. Nach ihnen wurde eine Frau Gerwe und eine Frau Schönfeld vernommen. Beide sind bei dem Angeklagten als Wirtschafterin tätig gewesen. Sie bekunden, daß sie nichts Belastendes gegen den Fürsten aussagen können und auch niemals Wahrnehmungen gemacht haben, daß der Angeklagte in seiner Wohnung auffallende Besuche von Soldaten oder anderen jungen Leuten empfing.
Dr. v. Wilcke bestätigt, daß Freiherr v. Wendelstatt in künstlerischen wie in gesellschaftlichen Kreisen als homosexuell galt. Der Vorsitzende konstatiert hierauf, daß der Baron von Wendelstatt und Fürst Eulenburg intime Duzfreunde waren.
Fürst Eulenburg bestreitet auf das entschiedenste, daß ihm von der homosexuellen Veranlagung des Freiherrn von Wendelstatt irgend etwas jemals bekannt geworden sei. Dann wird Schneidermeister Schwulst darüber vernommen, ob in homoseruellen Kreisen die perverse Veranlagung des Fürsten Eulenburg bekannt gewesen sei, ferner Justizrat Lemme.
Der Brief des Fürsten Dohna an Eulenburg.
Am Schlusse der gestrigen Sitzung wurde der Brief des Fürsten Dohna an Eulenburg zur Sprache gebracht. Der Oberstaatsanwalt erklärte, er wolle auf den Fall Pierson nicht eingehen, sondern nur feststellen, ob ein Mann von dem Range Eulenburgs wirklich einen Brief empfangen habe, der diesen Wortlaut hatte. Das könnte für die Abschätzung seiner Wahrhaftigkeit immerhin ins Gewicht fallen.
Darauf folgte die Vorhaltung des Präsidenten:„Als wir hier sehr ausführlich über Ihren(des Fürsten) Charakter sprachen, habe ich Sie aufgefordert, nach den guten auch die schlechten Eigenschaften Ihres Wesens zu erwähnen. Sie haben darauf erwidert, erstens seien Sie ein zu enthusiastischer Freund gewesen, und zweitens hätten Sie eine viel zu große Gutmütigkeit getätigt, die Ihnen meistens nur Undank eingebracht habe. Das war alles, was Sie von Ihren Fehlern sagten. Ich mache Sie aufmerksam, daß Sie diese Eigenschaften nicht gerade zu den Fehlern rechnen können, die Sie hierher gebracht haben, und daß wir etwas über Ihre Wahrhaftigkeit hören möchten, die schon nach dem bisherigen Gange der Vernehmung zweifelhaft erscheinen kann. Darüber sagen Sie aber nichts. Nun ist hier dieser Brief, der Ihnen in den schärfsten Worten Verlogenheit und Verleumdung vorwirft. Wollen Sie sich darüber äußern?
Eulenburg: Wenn ich über diese Sache rede, müßte ich die allerhöchste Person erwähnen und das wäre doch unerwünscht. Ich müßte außerdem eine große Anzahl neuer Zeugen vorschlagen. Es handelt sich um eine verwickelte Sache.
Zunächst, erwiderte der Vorsitzende, handelt es sich nur um die Frage, ob Sie den Brief des Fürsten Dohna erhalten haben.
Eulenburg: Das ist möglich(!); der Brief ist jedenfalls
nicht mehr vorhanden und Fürst Dohna hat mir später wieder
en Kein Glück ist auf
.
dem Erdenrund Heilkräft'ger, süßer, reiner,
Als Kindermund an deinem Mund, Als Kinderhand an deiner.
Heyse.
Die Jagd nach
Roman von Hans Schulze. 3(Nachdruck verbeten.)
„Wie lange hast Du Alfred eigentlich schon im Geschäfte?"
„Ueber zwei Jahre!"
„Und ist er wirklich so ausnehmend tüchtig, wie Du mir schriebst? Ich habe ihn bei Tisch nur flüchtig beobachten können. Er ist ja zweifellos ein sehr hübscher Mensch, ja, ich mochte sagen, eine auffallend vornehme Erscheinung. Für einen soliden kaufmännischen Betrieb scheint er mir jedoch seinem Aeußeren nach nicht besonders geschaffen zu sein!“
u Georg! Alfred besitzt gerade hervorragende kaufmannische Fähigkeiten. Ich hoffe bestimmt, ihr werdet Euch sehr gut miteinander einarbeiten. Gleich nach Käthes Hochzeit will ich Euch beide als Kompagnons in meine Firma aufnehmen! Alfred war früher Disponent in der Kommerzbank, ehe er zu uns kam. Da hat er sich seinen geschäftlichen Blick erworben; er hat zweifellos große Gesichtspunkte. Das Patent, das ich im vorigen Jahre auf seinen Rat gekauft, hat sich ausgezeichnet bewährt. Trotzdem ergaben sich in letzter Zeit immer neue Schwierigkeiten, hauptsächlich wohl, weil ich mich mit meinen flüssigen Kapitalien zu sehr festgelegt habe!“
Der Sohn sah überrascht auf.
„Das ist mir ja ganz neu, davon hast Du in Deinen Briefen nie etwas erwähnt!"
Es midarstrahte mir sainarzait Dir über diesen Runkt zu.
Hesint dunct wasden dernie idier blsch dur ache.
Wiederverheiratung mitgeteilt hattest.„Es war ja auch im ganzen Sache meines Privatvermögens! Das Tiergartengrundstück hat mit der Einrichtung über neunhunderttausend Mark verschlungen, dann habe ich bei meiner Hochzeit eine volle Million aus dem Geschäft gezogen und für Lizzie bei der Deutschen Bank hinterlegt, um ihre Zukunft für alle Zeiten sicherzustellen. Dies Geld ist ebenso wie die Villa hier ihr unantastbares Eigentum und wird von ihr persönlich verwaltet. Diese großen Ausgaben von Barkapitalien haben sich nun öfters unangenehm fühlbar gemacht, gegenwärtig sind wir aber Gott sei Dank über das Schwerste wieder hinweg. Ich meine, es ist am besten, daß ich Dir meine augenblickliche Lage gleich von vornherein offen klarlege!"
„Gewiß, Papa, ich bin Dir sehr dankbar für Dein Vertrauen. Nach dem allen, was Du mir soeben gesagt hast, erscheint es mir jedoch unumgänglich notwendig, daß ich mich Dir sofort mit meiner ganzen Arbeitskraft zur Verfügung stelle.“—
„Nein, nein, Georg!" wehrte der Kommerzienrat fast ängstlich ab.„Du bist zu Deiner Erholung hier, vor Käthes Hochzeit sollst Du keinesfalls mit geschäftlichen Dingen belästigt werden. Später würde ich Dir allerdings für Deinen eventuellen Beistand sehr verbunden sein.
Doch jetzt komm!“ schloß er, sich erhebend.„Du hast am ersten Tage genug vom Geschäfte gehört. Wir wollen noch ein wenig in den Garten hinuntergehen, wo uns Käthchen jedenfalls noch einen späten Kaffeetisch gedeckt hat.
Der Frieden der Mitternacht lag bereits lange über der Forsterschen Villa, als Georg noch immer von seinem Schlafstubenfenster in den träumenden Tiergarten hinausschaute.
Eine laue, schwere, erregende Luft stieg vom Erdboden auf und umwob die dunklen Linien der Bäume mit weichen, flatternden Nebelschleiern, in denen sich die Laternenreihen der
Hafjägerallag in fouchtschimmernden Varallelen verlaren
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tes vorüber, und von der Gegend des Großen Sterns klang undeutliches Geräusch, untermischt mit fernem Wagenrollen.
Georg hatte sich weit in die Fensterbrüstung gelegt und sog die balsamische Nachtluft mit vollen Zügen ein.
Lizzie!
Mit seinem ganzen Denken umspannte er den Namen.
Seine Stiefmutter!
Wie fremd ihn das Wort anmutete!
Seine Stiefmutter!
Immer von neuem wiederholte er sich im Geiste das ungewohnte Wort und schrak jetzt förmlich zusammen, als er merkte, daß er es plötzlich ganz laut ausgesprochen hatte.
Mit welcher Entschlossenheit war er in dies Haus getreten, sich zu wappnen, fest zu sein gegen die Frau, die sich in die Stelle seiner Mutter gedrängt.
Und wie schnell war er unterlegen!
War es nicht ein Verrat an der Toten, daß er jetzt, nach diesen kurzen Stunden schon, mit fliegenden Fahnen in das Lager der anderen übergegangen war?
Und dann wandte er sich wieder mit all seinem Sinnen dieser anderen zu.
Würde er in ihr überhaupt jemals seine Mutter sehen können?
Sie war die Frau seines Vaters, und doch fühlte er es instinktiv, daß sie ihm etwas anderes bedeutete, daß etwas zwischen ihnen stand, dem er in seinem Herzen noch nicht Raum zu geben wagte und das er doch immer wieder vergebens aus dem Sturm seiner rebellischen Gedanken zu bannen versuchte.
8. Kapit
Als Georg am andern Morgen erwachte, sah er sich im eriten Ronent ganz erkaumt in er in Zer engen Dampse