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Donnerstag, den 12. März 1908.
33 Jahrgang
Druck und Verlag
von Wilhelm Müller jr. in Ohligs. Telephon=Anschluß Nr. 40.
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Die heutige Nummer umfaßt 6 Seiten.
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Deutscher Reichstag.
Sitzung vom 11. März 1908.
Am Mittwoch wurde der Etat des Reichsamts des Innern
weiterberaten.
Abg. Naumann(frs. Vergg.) hielt es nicht für ausreichend, den Arbeitskammern nur den Charakter einer begutachtenden Körperschaft zu geben. Auch das vorgeschlagene Wahlrecht genügte ihm nicht.
Abg. Gräfe(Reformp.) wünschte eine verständige Sozialpolitik, aber nicht auf Kosten des Mittelstandes, und bekämpfte die weitere Ausdehnung der Sonntagsruhe.
Abg. Sir(Zentr.) forderte völlige Beseitigung des Hausierhandels und schärfere Maßnahmen gegen Warenhäuser.
Abg. v. Brockhausen(kons.) stimmte mit den beiden Vorrednern darin überein, daß der Mittelstand und namentlich das Handwerk trauriger dastünden, als die Arbeiter. Gegen den sozialdemokratischen Terrorismus forderte er strengste Maßnahmen.
Abg. Junck(natl.) ging auf die Frage der Einheitsstenographie ein.
Nach kurzer weiterer Erörterung wurden die Beschlußanträge der bürgerlichen Parteien angenommen und die sozialdemokratischen bis auf die über die Sonntagsruhe in Glashütten abgelehnt.
Die Einzelberatung des Etats wurde gegen 7 Uhr abends auf Donnerstag vertagt.
Sesheuser eusiog.
Am Mittwoch standen die Anfragen wegen der Beamtenbesoldungsvorlagen auf der Tagesordnung.
Die Abgg. v. Hennigs(kons.), Hobrecht(natl.), v. Zedlitz (frkons.) und Kirsch(Zentr.) führten in der Begründung aus, einen wie schlechten Eindruck das Nichthalten eines noch dazu in der Thronrede gegebenen Versprechens machen und welche Erbitterung das schaffen müsse.
Der Vizepräsident des Staatsministeriums v. Bethmann und Finanzminister v. Rheinbaben betonten die Notwendigkeit eines Zusammengehens mit dem Reiche. Selbstverständlich solle das Versprechen gehalten werden, wenn es auch zur Zeit nicht möglich sei. Sowohl die Vorlagen für die Beamten wie die für Lehrer und Geistliche sollten den neuen Landtag bereits im Oktober beschäftigen und rückwirkende Kraft bis zum 1. April 1908 erhalten. In der Zwischenzeit seien Teuerungszulagen von 100 Mk. für die Unterbeamten und von 150 Mk. für die mittleren Beamten(bis 4200 Mk. Gehalt) und Lehrer vorgesehen. Komme im Herbst die Reichsfinanzreform nicht zustande, werde Preußen allein vorgehen.
Nur letztere Erklärung fand Beifall. Im übrigen äußerten die Redner ihren Unmut. Mit parteipolitischen Auseinandersetzungen schloß die Besprechung. Der Etat der direkten Steuern wurde erledigt.
Donnerstag: Etat des Finanzministeriums.
Berlin, 11. März.
Vom Kaiserhofe. Der Kaiser, der von seiner Nordseefahrt wohlbehalten nach Berlin zurückgekehrt ist, machte am Mittwoch mit der Kaiserin einen Spaziergang, sprach bei dem Staatssekretär des Auswärtigen Amts und bei dem Reichskanzler vor und nahm im Schlosse die Meldung des neuen Führers des 11. Armeekorps entgegen.
Der Seniorenkonvent des Reichstages einigte sich über einen genau formulierten Arbeitsplan, nach dem die zweite Etatslesung bis zum 28. ds. Mts. erledigt sein muß. Für die dritte Etatsberatung würden dann allerdings nur zwei Tage zur Verfügung stehen, da der 29. März ein Sonntag ist. Sollte sich das tägliche Pensum in den ordentlichen Sitzungen nicht erledigen lassen, dann sollen Abendsitzungen eingelegt werden. Da werden sich die Herren wohl lieber beeilen.
In der Budgetkommission des Reichstags verteidigte Staatssekretär Dernburg bei fortgesetzter Beratung des Etats für Deutsch=Südwestafrika die Grundsätze seiner Verwaltung in diesem Schutzgebiete und machte Mitteilungen über dessen wirtschaftliche Lage und Aussichten. Deutsch=Südwest sei infolge des Aufstandes keinesfalls zusammengebrochen, sondern verheiße, bei rationeller Bewirtschaftung ein lohnendes Exportland zu werden.— Ueber wirtschaftliche Fragen, so führte der Staatssekretär im einzelnen aus, könnten die Meinungen auseinander gehen. Er habe über die Lage in Südwest streng sachlich berichtet. Ein Zusammenbruch braucht dort keineswegs zu erfolgen, obwohl die Handelsbilanz des Schutzgebietes gegenwärtig ungünstig ist. Die Regierung muß den Interessenten helfen, über die schweren Zeiten hinwegzukommen. Bevor der Viehstand seine alte Höhe wieder erreiche, würden noch mehrere Jahre vergehen. Die Zeit aber würde alle Wunden heilen und unser Südwestafrika zu einem ähnlichen Erportland entwickeln, wie es die Kapkolonie in Bezug auf Wolle und Straußenfedern ist. Gegen die Ovambos, die vor mehreren Jahren eine deutsche Station überfielen, wird kein Rachezug geführt werden.
Im weiteren Verlauf der Debatte nahm der Staatssekretär noch einmal Gelegenheit, die Aussichten für die Zukunft Südwestafrikas als nicht ungünstige zu bezeichnen. Vor dem Ausstande waren etwa 200000 Stück Großvieh im Lande. Wenn davon auch nur Trümmer übrig geblieben seien, so beziffere sich der Wert des gegenwärtigen Viehstandes doch schon auf 12 bis 15 Millionen Mark.— Oberstleutnant Quade stellt fest, daß das Verhältnis zwischen dem neuen Gouverneur und Schuckmann und der Schutztruppe stets ein durchaus gutes gewesen sei. Der frühere Gouverneur und jetzige Unterstaatssekretär Lindequist äußerte sich über die Sammlung der Eingeborenen in den zentrationslagern während des Aufstandes und unmittelbar nach diesem. Die Sterblichkeitsziffer ging bis zu 46 Prozent. Die Ursache lag jedoch hauptsächlich in den Strapazen und Entbehrungen der betreffenden Eingeborenen.
Die Kompromißhoffnungen in Sachen des Reichsvereinsgesetzes haben sich bisher nicht erfüllt. Am vergangenen Mittwoch sollte die Vereinsgesetzkommission des Reichstags wieder zusammentreten, um mit der zweiten Lesung der Vorlage zu beginnen. Da über den die Sprachenfrage betreffenden § 7 noch keine Einigung erzielt werden konnte, so fiel die Sitzung aus. Die nächste Sitzung ist unbestimmt.
Ein ehrengerichtlicher Spruch gegen den Generalleutnant z. T. Grafen Hohenau, der von der Anklage des Vergehens gegen den§ 175 des Str.=.=B. nur deshalb freige
sprochen wurde, weil ein strikter Beweis seiner Schuld nicht erbracht werden konnte, ist laut„Nordd. Allg. Ztg.“ noch nicht ergangen. Unlängst hieß es, gegen den General sei auf Entsernung aus dem Offizierstande und aus Absprechung seiner Orden und Ehrenzeichen erkannt worden. Der Ehrengerichtshof hat hat anscheinend auch einen derartigen Antrag gestellt; dieser bedarf jedoch der Bestätigung des Kaisers.— Die beiden Neffen des Generals, die Grafen Albrecht und Wilhelm von Hohenau, Leutnants im Regiment der Gardes du Corps, sind nicht aus dem Regiment ausgeschieden, sondern haben nur einen 9monatigen Urlaub genommen und treten am 1. Dezember wieder in das Regiment ein.
Eine stürmische Sitzung hielt die sächsische Abgeordnetenkammer am Mittwoch ab. Beraten wurde der Antrag auf Oeffentlichkeit der Kommissionsberatung über die Wahlrechtsvorlage. Abg. Bär(freis.) wurde zur Ordnung gerufen, weil er erklärte, es sei eines Kulturstaates unwürdig, daß man die Verhandlungen über das wichtigste Recht des Volkes hinter verschlossenen Türen führe. Es entstand großer Lärm, auf den Tribünen wurde Beifall geklatscht. Der Präsident ließ sie darauf räumen und unterbrach die Sitzung. Auch die Abgg. Günther(freis.) und Goldstein(Soz.) erhielten Ordnungsruse, weil sie durch den erregten Ausruf:„Großartig!“ Kritik an der Geschäftsordnung geübt hatten.
Die Zeichnungen auf die neue 4prozentige bayerische Staatsanleihe sind befriedigend ausgefallen. Die Ueberzeichnung beläuft sich nahezu auf das Fünffache.
Italien.
Wie die„Agencia Stefani“ meldet, empfing die Regierung heute vormittag aus Zanzibar ein vom Schiffe„Caprera" überbrachtes Telegramm, welches besagt, daß der Stamm Suliman mit Unterstützung von Leuten des Mullah in der Nachbarschaft von Dielib am 29. Februar einen anderen Stamm angegriffen hat, 30 Leute dieses Stammes getötet und Vieh weggetrieben habe. Die italienischen Besatzungen von Mecca und Dielib griffen die Räuber am 3. März an, wobei 400 Angehörige des Sulimanstammes und 60 Leute des Mullah fielen. Auf italienischer Seite wurden 2 Askaris verwundet, 1 getötet.
Rußland.
Die heutige Sitzung der Reichsduma war stark besucht. In der Diplomatenloge befanden sich der Gesandte Japans, der deutsche Botschafter und andere. Die Duma verhandelte über die vom Ministerium des Aeußern eingebrachte und von der Kommission begutachtete Gesetzesvorlage über die Umwandlung der russischen Gesandtschaft in Tokio in eine Botschaft. Gutschkow, der Führer der Oktobristen, behandelte in längerer Rede die Vorlage und wies u.., von stürmischem Beifall des Hauses begleitet, darauf hin, daß noch Stimmen nach Revanche laut würden; doch stünden die Oktobristen auf einem friedlichen Standpunkte in der vollsten Ueberzeugung, daß ein einheitliches Volk imstande sein werde, fernerhin die Grenzen im Osten zu schützen. Hierauf ergriff der Minister des Aeußern, Iswolski, das Wort zu ausführlichen Darlegungen über die Beziehungen Rußlands zu Japan.
Lokales und aus dem Krise.
Ohligs, 12. März.
□ Der Provinziallandtag genehmigte den weiteren Ausbau der rheinischen Provinzial=Erziehungsanstalt für schulentlassene Fürsorgezöglinge männlichen Geschlechts und katho
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Aufrichtigkeit ist die unentbehrlichste Stütze der Freundschaft und der Liebe.
E. v. Wolzogen.
Die
Roman von R. Edmund Hahn.
13)(Nachdruck verboten.)
„Das war genug für den Weisen,“ lachte Belletti.
„Hinreichend," sprach Morus.„Mein guter Lord reiste Nach der Hauptstadt zurück und ich mit ihm. Vorher verabredete ich mit Auguste einen Briefwechsel. Anfang Januar wollte der Baron mit seiner Familie nach der Hauptstadt kommen, um den Karneval da zu verleben. Ich konnte also hoffen, Juguste bald wieder zu sehen, auch machte sie keine Einwendungen, als ich ihr sagte, daß ich dann bei ihrem Oheim offen um ihre Hand bitten würde. Ich verlebte einige glückliche Bochen, ich baute fest auf ihre Liebe, ich schwärmte wie ein sunger, leidenschaftlicher Mann, ich schrieb Gedichte und trug ihre Briefe stets bei mir. Es waren deren leider wenige, alle in französischer Sprache geschrieben, ich hätte lieber Briefe in ihrer Muttersprache von ihr empfangen. Nach Neujahr traf der Baron mit seiner Familie in der Residenz ein. Sobald es der Anstand erlaubte, machte ich meinen Besuch bei dem Baron und Auguste begegnete mir im Korridor. Ihr schönes Gesicht strahlte vor Wiedersehensfreude, ich dachte im Himmel zu sein. Sie flüsterte mir zu, daß Abends die ganze Familie einen Ball Lesuchen würde, sie sei allein und würde mich empfangen.“
„Die Stunden, die ich an jenem Abend bei ihr verlebte, gevoren zu den glücklichsten meines Lebens. Auguste teilte mir unl, daß im Februar eine nahe Verwandte von ihr, welche der
ese ehe eeee der geeignete Moment, um sie zu werben. Auf meine Frage, was denn der Baron gegen mich habe, entgegnete sie, er hege ein Vorurteil gegen die Polen, auch habe er die Absicht, sie mit einem ältlichen, aber steinreichen Manne zu vermählen, dem er sehr verpflichtet sei. Unmündig und dem Oheim großen Dank schuldig, wage sie nicht, ihm Widerstand entgegen zu setzen, die Tante würde schon vorarbeiten. Ich wunderte mich, das zu hören, bisher hatte der Baron mir stets viel Aufmerksamkeit erzeigt, seine Gemahlin und die Töchter mich wie einen Hausfreund behandelt. Indeß ich zweifelte nicht an Augustens Wahrheitsliebe. Im Monat Februar wurde mein guter Lord ganz plötzlich nach dem Haag versetzt. Natürlich mußte ich ihn begleiten, aber diese Uebersiedelung brachte mir einige pekuniäre Vorteile, die mir, der ich an Gründung des eigenen Herdes dachte, willkommen waren. Ich hielt Augustens Furcht vor dem Oheim für Einbildung und sprach offen mit ihm. Er nahm meine Worte sehr freundlich auf, bat um kurze Bedenkzeit und entließ mich voll von Hoffnungen. Der Gesandte wünschte, daß ich in einer ihm sehr wichtigen Privatangelegenheit als sein Bevollmächtigter nach London reisen möchte, ehe ich nach dem Haag ginge. Unmöglich konnte ich den Wunsch des Lords, der mich wie einen Sohn behandelte, unerfüllt lassen. Ehe ich von Augusten Abschied nahm, wie ich damals glaubte, nur für wenig Wochen, wechselten wir die Verlobungsringe. Der Baron gab mit aufrichtiger Freude seine Einwilligung, eine öffentliche Verlobung fand nicht statt. Auguste
sagte bescheiden:„Ich bin nicht eine Tochter des Hauses und mein Tranungstag ist ja noch nicht fest bestimmt.“
„Ja, ja,“ nickte der Maestro,„die Liebe macht blind: Sie erzählen alles ruhig, wie es sich begeben, ohne eine Silbe einzustreuen, oder eine Bewegung zu machen. Ich, mein bester Morus, war schon geneigt, die junge Dame für sehr schlau und
esth ee Ob sie nicht diesen hat wollen durch ihren Sirenengesang in das Netz locken? Fräulein Aurelie ist ihr aber zuvorgekommen. Die Bitte der schönen Auguste, mit Ihrer Werbung zu zögern und was sie sonst noch über des Oheims Pläne in Bezug auf ihre Hand gesagt, hätte mir zu denken gegeben, wäre ich an Ihrer Stelle gewesen?“
„So ahnen Sie das Ende, ahnen es jetzt schon?" rief Morus.„Sie haben recht, die Liebe macht blind! Nun, das Ende dieses ergötzlichen Romanes ist bald erzählt. Drei Wochen hatte ich bereits in London zugebracht, von früh bis Abends beschäftigt, um so bald als nur möglich heimkehren zu können, nämlich zu der Geliebten, da erhielt ich einen Brief von ihr, der mich im höchsten Grad überraschte. Diese achtzehnjährige, empfindungsvolle Dame, die beim Abschiede von mir herzbrechend schluchzte, schrieb mir, sie sei gezwungen, mir mein Wort zurückzugeben. In meiner Stellung, mit meinen glänzenden Talenten dürfe ich mich nicht an ein ganz armes Mädchen binden, das mir auf meiner, ohne Zweifel ruhmreichen Laufbahn ein Hemmnis sein würde. Und ich,“ hier lachte Morus laut, aber in einer Weise, die Eduard mit geheimem Grausen erfüllte,„nun ich, ich gläubiger Tor, war tief ergriffen von dieser reinen, selbstlosen Liebe. Was ich Auguste antwortete, können Sie sich denken. Sie schrieb abermals, sanft, fast demütig, als ob sie immer noch nicht überzeugt sei, daß ich kein Opfer brächte. Endlich waren meine Geschäfte in London erledigt, und ich setzte den Tag meiner Abreise fest.
Eigentlich sollte ich direkt nach dem Haag gehen, aber ich beschloß zuerst nach Deutschland zu reisen. Ich mußte Augusten sehen, sprechen, wenn auch nur eine Stunde. Eine Nachricht von meines Lords Rechtsanwalt nötigte mich, meine Abreise um mehrere Tage zu verschieben.
Ein alter Freund meines Vaters war gestorben, ich sollte