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scheidung zwischen Mord und Todschlag haben. Gerade der Ausdrucks paragraphen unterbunden. Es soll eine Verschärfung der bestehenden „mit Vorbedacht" bedeutet nichts anderes, als daß dem Ausspruch Verhältnisse durch die Vorlage herbeigeführt werden. Jetzt soll aus
der Beleidigung eine bestimmte Zeit der Ueberlegung vorausgehen drücklich festgestellt werden, daß die Majestätsbeleidigung böswillig und muß, daß der Betreffende sich erst klar über die Aeußerung mit Vorbedacht getan worden ist. Durch diese Feststellung wird sich
werden muß, und dann zur Aeußerung schreitet. Es ist besser, der Richter veranlaßt sehen, die Strafen erheblich zu erhöhen. So aus den alten gesetzlichen Bestimmungen, wie sie in der wird das Gesetz zu einem Ausnahmegesetz gegen die Sozialdemokratie. Praxis bereits festgelegt worden sind, den Ausdruck„mit] Der Krebsschaden liegt in der maßlosen Ausdehnung des Begriffs
Ueberlegung“ in den neuen Entwurf auch hinüber zu nehmen. der Beleidigung, auch im bürgerlichen Leben. Ironie ist immer eine „Oeffentlich“ im Sinne des Gesetzes ist nicht leicht zu entscheiden. Es Beleid'gung, ebenso Spott und Witz, jede Karikatur. Alle Welt klagt mag leicht sein bei Beleidigungen in der Presse und in öffentlichen darüber, daß unnützer= und widerlicherweise Personen in bezug auf Versammlungen, aber alle übrigen Beleidigungen geben zu den ver= ihr Privatleben verdächtigt werden. Wir haben in dieser Beziehung schiedensten Zweifeln Anlaß. Wenn z. B. in einem Wirtshaus an in letzter Zeit manches erlebt.(Heiterkeit links.) Wenn der heutige einem Stammtisch die Oeffentlichkeit angenommen wird, dann muß Zustand etwas beweist, so beweist er, daß das Strafgesetz einem solchen man doch sagen, daß die Unterscheidung für den Staatsanwalt, der Unfug nicht steuern kann.(Beifall links, Lachen rechts.) Wer hat denn die Anklage erhebt, außerordentlich schwer sein wird. Weiter kommt die Schuld an diesen Dingen? Wer hat denn in dem Fall Molitorin Betracht, daß die verschiedenen Instanzen verschiedener Ansicht dabei Hau in der widerwärtigsten Weise privaten Schmutz auf zuwühlen sein können. In den Motiven ist niedergelegt, daß diejenige Landes= gesucht? Das war die staaterhaltende Presse, nicht die sozialdemojustizverwaltung die Genehmigung zur Verfolgung zu erteilen hat, kratische.(Beifall der Sozialdemokraten, Lachen rechts.) Uns gegenüber welcher die Strafverfolgung obliegt. Auch hier können sich Anomalien arbeitet man ja am meisten mit Verleumdungen. Ich erinnere nur an und Schwierigkeiten ergeben, die man am besten vielleicht dadurch die Behauptung, Bebel und Singer hätten irgendwo in einem Weinüberwindet, daß man bei öffentlichen wie bei nichtöffentlichen Be=restaurant zusammen gesessen. Und immer und immer wieder ist dieser leidigungen einfach die Genehmigung der Landesjustizverwaltung Schwindel behauptet worden. Wir schreien aber nicht nach einer Ververlangt. Wie muß nun der Strafantrag gestellt werden, wenn schärfung der Gesetze. Wenn Beleidigungen von Herrschern verfolgt der§ 14 hier in Betracht kommt? Entweder schriftlich dadurch, daß werden müssen, dann sollte man nur solche verfolgen, die den sittdie beleidigte fürstliche Persönlichkeit selbst den Strafantrag stellt, oder klichen Charakter in ein schlechtes Licht stellen. Wenn wir verlangen, dadurch, daß sie es zu Protokoll des Staatsbeamten gibt. Das sind daß ein Fürst selbst entscheidet, ob er die Last eines Beleidigungsdoch Dinge, von denen man gar nicht glauben kann, daß sie von den prozesses auf sich nehmen will, so handeln wir im Interesse der verbündeten Regierungen ins Auge gefaßt worden sind. Dann würde Monarchie.(Große Heilerkeit rechts.) Es gibt nichts Nationaleres, als der beleidigten Majestät zugesprochen, das Urteil zu veröffentlichen, und daß man die politischen Prozesse überhaupt beseitigt.(Beifall links
ferner wird der Majestät das Urteil zugestellt, entweder durch einen Lachen rechts.)
Gerichtsvollzieher oder auf andere Weise? Das ist doch alles undenkbar.
In dem Bestreben, so viel wie möglich die Majestätsbeleidigung
nicht mehr strafrechtlich zu verfolgen, scheint man mir in
oder andern Punkte zu weit gegangen zu
sein. Nehmen Sie eine Beleidigung, die durch die Presse
geschehen ist. Jedermann wird sagen, eine solche Beleidigung ist mit Vorbedacht geschehen. Wenn nun der betreffende Redakteur den Verfasser nicht nennen will, dann wird es sich wieder um das Redaktionsgeheimnis drehen. Der Redakteur erklärt, im Drange der Geschäfte den Artikel nur oberflächlich gelesen zu haben, und die Folge davon ist, daß der Betreffende wegen Majestätsbeleidigung nicht bestraft werden kann, sondern daß da die einfache Beleidigung im Sinne des§ 14 in Kraft tritt. Ob das gewollt ist, wage ich doch zu bezweifeln. In solchem Falle wird der Redakteur immer erklären, daß er in Wahrung berechtigter Interessen gehandelt habe. Wohin würde es nun aber kommen, wenn sich der Redakteur oder der Beleidiger hierbei auf den Standpunkt stellen wollte, er habe in Wahrung berechtigter Interessen gehandelt und müsse deshalb freigesprochen werden. Selbstverständlich will ich durchaus nicht befürworten, daß die Majestätsbeleidigungen noch schärfer bestraft werden sollen. Keineswegs, wir sind durchaus der Auffassung, daß hier eine Einschränkung einzutreten hat. Eines darf aber wohl ausgesprochen werden, ich meine, wir müssen der Kritik, auch der Kritik der fürstlichen Persönlichkeiten vollständig freien Lauf lassen. Ich meine aber auch, dabei sei es eigentlich selbstverständlich, daß man sich nicht immer in beleidigenden Ausdrücken ergeht. Ist man auderer Ansicht, als die fürstliche Persönlichkeit, kann man das in angemessener Weise ausdrücken. Man soll aber auch nicht alle derartige Kritik auf die Goldwage legen, wo es sich vielleicht nur um einen taktlosen oder albernen Ausdruck handelt.(Beifall.)
uns bemüht, ganz loyal und unzweidentig einen Ausdruck zu finden, der jeder falschen Auslegung der Bestimmungen vorbeugt. Es ist uns aber nicht besser gelungen. Sollte das Haus eine bessere Fassung des Entwurfs in diesem Punkte finden, so habe ich keinen Zweifel daran, daß die verbündeten Regierungen den Vorschlägen des Hauses folgen werden. Im übrigen will ich auf die Einzelheiten des Entwurfs im Augenblick nicht eingehen. Ich konstatiere das eine, daß er eine sehr erhebliche Einschränkung der Majestätsbeleidigungsprozesse in Zukunft zur Folge haben wird. Aus unserer Kriminalstatistik wird die Spalte der Majestätsbeleidigungen im wesentlichen fortfallen und ich glaube, daß, wenn dieser Entwurf Gesetz wird, er nach zwei Richtungen hin eine sehr wohltuende Wirkung ausüben wird. Er wird einmal, indem er die Gerichte von Prozessen entlastet, deren Bedeutung im Volk vielfach nicht mehr verstanden wird, das Ansehen der Gerichte und das Vertrauen zu den Gerichten stärken, und er wird anderseits die Mißstimmungen beseitigen, von denen ich vorhin sprach, und damit zur Festigung des innern Friedens beitragen. Beides liegt im Interesse des Reichs. Ich bitte das hohe Haus, den Entwurf wohlwollend zu prüfen und rasch zu erledigen.(Beifall.)
Dr. Giese(kons.): Meine politischen Freunde begrüßen mit Dankbarkeit das Erscheinen dieser Vorlage. Der bisherige Rechtszustand war veraltet. Es mußte bisher wegen jeder beleidigenden Kundgebung gegenüber der Majestät die Verfolgung eingeleitet werden. Eine derartige unterschiedslose Ahndung von Majestätsbeleidigungen lag weder im Interesse des Staates noch im Interesse der fürstlichen Person selbst. Es ist als ein arger Mißstand empfunden worden, daß bisweilen Leute bestraft wurden, die sich der vollen Tragweite ihrer Beleidigungen nicht bewußt gewesen waren, ferner, daß bisweilen Aeußerungen, die im engen Freundeskreise getan wurden, auf Denunziation hin zur Bestrafung gelangen mußten. Wir stimmen in dieser Beziehung den Motiven des Gesetzentwurfs vollständig zu und halten es mit dem alten Juristen, der bereits sagte, daß nicht jedes flüchtige, dem Munde entflohene Wort gleich bestraft werden sollte. Wenn ein verbummelter, verkommener Mensch eine Beleidigung gegen die Majestät ausstößt oder wenn im engen Kreise zwei Freunde beleidigende Aeußerungen über die Majestät tun, so kann derartig elendes Gewäsch gar nicht an die Majestät heranreichen. Auf jeden Fall hat sich die Majestät vor einem freien Wort nicht zu scheuen. Das Schlimmste an der ganzen Sache war bisher, daß durch die Notwendigkeit jeder Verfolgung der Majestätsbeleidigung ein niedriges und widriges Denunziantentum großgezogen worden ist.(Beifall.) Und das allerschlimmste war, daß diese Denunziationen erst zur Kenntnis der Behörde gelangten, wenn sie eigentlich längst vergessen waren. Das sind häßliche Blüten, und daß solchen Unmoralitäten entgegengetreten werden soll, begrüßen wir mit großer Freude, ebenso, daß die Verjährung der Verfolgung von 5 Jahren auf 6 Monate herabgesetzt ist. Allerdings hegen wir einige Bedenken dagegen, daß, wenn die Strafbarkeit ausgeschlossen ist, die Vorschriften des 14. Abschnittes des Strafgesetzbuches Anwendung finden sollen, wonach die allgemeinen Vorschriften des Strafgesetzbuches über die Beleidigung Platz greifen sollen. Neuerdings überschreiten ja die Majestätsbeleidigungen nicht nur qualitativ, sondern auch quantitativ alle Schranken, und da verlangt man die Zulassung des Wahrheitsbeweises! Meine politischen Freunde weisen es von der Hand, daß eine derartige Bestimmung Platz greifen könnte.(Lebhafte Zustimmung rechts.) Die Teilung der Majestät in eine solche als Träger der Staatsgewalt und als Privatperson ist nicht möglich; die alte Jurisprudenz hat sie ja gekannt. Die Beleidigungen, die mit Vorbedacht und böswillig gegen die Majestät begangen werden, müssen von hohen Strafen getroffen werden, wie bisher bei allen übrigen. Wenn sie auch den Charakter der Majestätsbeleidigung tragen, soll aber die Verfolgung von der Genehmigung der Verwaltungsbehörde abhängig gemacht und— das ist für uns die Hauptsache— das Strafminimum beseitigt, die hohe Strafe, die§ 95 androht, herabgemindert werden und mildernde Umstände augenommen werden können. Der Redner beantragt eine Kommission von 21 Mitgliedern. Möge es ihr gelingen, alle Härten zu mildern und dabei die gebührende Rücksicht auf die Wahrung der Würde der Majestät zu nehmen. Möge jeder Deutsche sich immer dessen bewußt bleiben: Fürstenehre ist Volksehre!(Lebhafter
Gleichzeitig mit dieler Ausgabe wurde die
Zweite Beilage zur Sonntags-Ausgabe verlandt.
Verhandlungen des deutschen Reichstags.
Berlin, 23. November.
(Telegramm.)
Am Tische des Bundesrats: Dr. Nieberding, v. Loebell, v. Schön,
Caspar.
Das Haus ist gut besetzt.
Präsident Graf Stolberg eröffnet die Sitzung um 1¼ Uhr.
Der deutsch=niederländische Vertrag über die Unfallversicherung.
Die grundlegende Bestimmung des Vertrages ist, daß für Betriebe, die ihren Sitz in dem Gebiete des einen Vertragschließenden haben, ihre Tätigkeit aber auch in dem Gebieie des andern Teiles ausüben,
stets die Unfallversicherungsgesetze desjenigen Landes gelten sollen, in welchem die einzelnen Tätigkeiten zur Ausführung kommen. Ausgenommen sind Beförderungsbetriebe, die aus dem einen Lande in das andere übergreifen. Hier sind stets die Unfallversicherungsgesetze des Landes maßgebend, in welchem der Betrieb seinen Sitz hat.
Dr. Junck(nl.): Im Namen meiner Parteifreunde bitte ich, die Vorlage anzunehmen. Es ist zu begrüßen, daß einfache Verhältnisse auf diesem verwickelten Gebiete geschaffen werden sollen, nämlich in dem Sinne, daß nunmehr das, was drüben geschieht, nach niederländischem und was bei uns geschieht, nach deutschem Recht beurtellt wird. Eine wichtige Durchbrechung erfährt dieses Prinzip dadurch, daß für die fahrenden Teile eines Betriebs entscheidend ist der Sitz des Betriebs. Das ist wichtig für unsere Schiffahrtsunternehmungen, die nun nicht mehr von beiden Teilen zu den Beiträgen herangezogen werden können. Wenn also ein Matrose im Gebiet der Niederlande
Staatssekretär Dr. Nieberding: Wer die Vorlage gelesen hat. kann es nur tief bedauern, daß in diesem Augenblick, wo dieses Zeichen des Vertrauens der Verbündeten Regierungen gegenüber dem Volke — nichts anderes kann es sein— im Reichstag erscheint, solche Aeußerungen hier als Erwiderung kommen(Hört, hört, lebhafter Beifall, Unruhe bei den Sozialdemokraten)— wenn der Erlaß des Kaisers— den ich ungern hier erwähne, weil er in den Rahmen dieser Beratung nicht hineingehört, aber Herr Heine hat es getan— die Grundlage und Anregung gewesen ist für diese Remedur der Gesetzgebung, die, glaube ich, abgesehen von den Herren von der äußersten Linken, allgemein als Verbesserung angesehen wird. Wenn das geschehen ist, so erfüllt es einen mit Widerwillen, derartige Ausführungen zu hören. Es ist ganz verfehlt, aus einzelnen Daten, einzelnen Prozessen, die hier nicht hergehören,(Lachen bei den Sozialdemokraten) den Schluß zu ziehen, als ob wir politische Tendenzprozesse hätten und als ob dieser Entwurf politischen Tendenzprozessen Vorschub leisten sollte. Nicht die Wahlnacht, nein, die öffentliche Meinung ist es gewesen, die die Regierung veranlaßt hat, zu dieser Gesetzgebung vorzugehen. Der Abg. Heine spricht von einer Tendenzpolitik bei der Aufstellung dieses Gesetzentwurfs. Das ist meines Wissens— und ich muß das doch wissen— nicht der Fall. Diese tendenziösen politischen Motibe liegen nicht vor und der Abg. Heine hätte nicht nötig gehabt, gegenüber dieser Vertrauenskundgebung der verbündeten Regierungen zu derartigen nicht zu begründenden Anschuldigungen überzugehen. Ich habe wohl nicht nötig, die deutschen Richter gegen die Angriffe des Abg. Heine zu verteidigen. Ich verwahre mich aber dagegen, daß irgendeine Tatsache angeführt werden könnte, aus der der Schluß berechtigt wäre, daß die deutschen Richter gegen ihr Gewissen und gegen ihre Ehre auch in Majestätsbeleidigungssachen Recht gesprochen hätten. Mehr können Sie von den deutschen Richtern nicht verlangen. Ich muß die Unterstellung, als ob es die Absicht der verbündeten Regierungen gewesen sei, hier ein Gesetz zu schaffen, und es mit Hilfe eines harmlosen Hauses durchzubringen, um nachher Parteipolitik zu treiben, mit Entrüstung zurückweisen. Daran ist auch keine Spur von Wahrheit.(Beifall rechts). Wenn der Abg. Heine sagt, es sei im Interesse der Monarchie am besten, Majestätsbeleidigungen mit den gewöhnlichen Beleidigungen gleichzustellen, so werden die Vertreter der Monarchie in Deutschland ihn nicht zu ihrem Sachwalter machen. (Sehr richtig! und Heiterkeit rechts.) Die deutschen Fürsten haben den Entwurf im Vertrauen auf das Volk gemacht, sie haben ihre Zustimmung nicht ohne manche Bedenken gegeben,(hört, hört! bei den Sozialdemokraten), gewiß: wie Sie hier das Recht haben, Bedenken auszusprechen, haben auch die deutschen Fürsten das Recht. Die deutschen Fürsten können auch nun verlangen, ihnen gegenüber eine Vertrauenskundgebung folgt. Ich verwahre die deutschen Fürsten und die deutschen Regierungen dagegen, daß sie irgendeines der Motive gehabt haben, die der Abg. Heine angedeutet hat. Es ist ein ehrlicher Versuch, aus diesem Gebiete einen freiern Zustand in Deutschland zu schaffen. Dem verehrten Abg. Traeger erwidere ich: Es ist keine Tautologie, wenn man „böswillig" und„mit Vorbedacht" ins Gesetz eingeführt hat. Wenn Sie eines dieser Worte streichen, würden Sie die Grenzen des Gesetzes erweitern, aber nicht einschränken. Ich verstehe nicht, wie man in der Anwendung des§ 14 Schwierigkeiten erblicken kann. Der Paragraph besteht doch jetzt schon für die Mitglieder der deutschen Fürstenhäuser zum Teil. Sie sind in Deutschland innerhalb des Landes— abgesehen von den regierenden Fürsten— nicht anders geschützt als jeder andere Mann. Davon macht die deutsche Kaiserin keine Ausnahme. Wenn die kleinen Fürstenhäuser diesen Schutz nicht haben, würden sich unerträgliche Zustände für sie ergeben. In dem Augenblick, mo die deuischen Fürsten auf den kleinen Schutz verzichten, den sie jetzt haben, da streichen Sie ihnen auch den mindern Schutz. Wir sind in dem Gesetzentwurf soweit gegangen, wie wir konnten. Wesentlich weiter konnten wir nicht gehen, auch schon dem Auslande gegenüber. Vertrauen verlangt Gegenvertrauen. Die deutschen Fürsten bringen Ihnen das Vertrauen entgegen.(Lachen bei den Sozialdemokraten.) Wenn Sie nicht damit zufrieden sind, lehnen Sie den Entwurf ganz ab,
Graef(deutsch.=soz.) weist die Behauptung zurück, daß unser Richterstand irgendwie durch politische Rücksichten seine Rechtsprechung beeinflussen lasse. Es wird ein Weg gefunden werden müssen, die Bedenken zu zerstreuen, welche die subsidiäre Anwendung der allgemeinen Beleidigun gsparagraphen mit sich bringt.
Dr. Heckscher(Frs. Vag.): Im Gegensatz zum Staatssekretär halte ich den Ausdruck„böswillig“ für außerordentlich gefährlich. Mit dem Staatssekretär und dem Vorredner habe ich eine außerordentlich hohe Meinung von unserm Richterstande. Aber mir ist es passiert, daß der vorsitzende Richter, an dessen Unbefangenheit und Ehrlichkeit kein Zweifel ist, das Verhör des Angeklagten mit der Frage begann: Sind Sie Sozialdemokrat?(Hört, hört! bei den Sozialdemokraten.) Er hatte keine unehrliche Absicht, er hielt es für seine Aufnbbe. Wir erleben jetzt den Fall einer Majestätsbeleidigungsklage gegen ein Zentrumsblatt: also, was heute den Sozialdemokraten passiert, ja, sogar den Konservativen(Oho=Rufe rechts)... Wenn es sich um Kanalrebellen handelt, kann im Unmut leicht eine Bemerkung fallen, und der Richtes kann in durchaus guter Absicht festzustellen versuchen: Bist du Mitglied der konservativen Partei? Und wenn er das festgestellt hat. wird er sich sagen: In dieser politisch so bewegten Zeit, wo die Konservativen in Ungnade gefallen sind, kann man annehmen, daß der Angeklagte böswillig eine Majestätsbeleidigung begangen hat. (Hört, hört!) Also da ist eine entschiedene Gefahr. Ich hoffe, daß Kollege Heine nicht die Absicht gehabt hat, die Unparteilichkeit unseres Richterstandes anzugreifen, sondern daß er inhaltlich ähnliches sagen wollte wie ich.(Lachen rechts.) Wäre das nicht der Fall, so verurteilte
dem
einen
verunglücken sollte, so würde die Unfallversicherung zu Lasten der deutschen Berufsgenossenschaft gehen. Freilich ist zurzeit die niederländische Unfallversicherung enger als die deutsche, indem sie sich nicht bezieht auf die Landwirtschaft und auf die Seeunfälle. Es darf wohl angenommen werden, daß die niederländische Gesetzgebung auf das Niveau der deutschen kommt. Eins muß ich allerdings feststellen, die Sprache, deren sich das Gesetz bedient, entbehrt doch derjenigen Grazie, deren auch unsere deutsche Sprache fähig ist.(Sehr richtig!) Das rührt wohl daher, daß man den niederländischen Text ins Deutsche übersetzt hat. Es ist doch bedauerlich, daß gerade wir den Nachteil der Uebersetzung tragen mußten. Auch in andern Verträgen machen sich Mängel an Grazie in der Sprache geltend. So beginnt z. B. ein Vertrag mit den Worten: „Die Untertanen und die Bodenerzeugnisse beider Länder“(Heiterkeit), mau sollte doch in Zukunft auf die Schönheit der Sprache mehr Ge
wicht liegen.
Stadthagen(sd.): Es ist mir bisher nicht klar geworden, welchen solche##d# Arbeiter von diesem Vertrage haben; und daß ihnen loiche gevoten werden, ist schließlich doch die Hauptsache. Die einzelnen Bestimmungen sind so unklar, daß sich der künftige Rechtszustand noch absolut nicht übersehen läßt.
Direktor im Reichsamt des Innern, Caspar: Ich mache doch darauf aufmerksam, daß es, wenn Sie Kommssionsberatung wünschen, nicht möglich sein würde, den Vertrag bis zum 1. Januar in Kraft zu setzen. Das aber würde für die Industrie und die Schiffahrt recht unerwünschte Konsequenzen mit sich bringen. Auf die materiellen Seiten des Unfallversicherungsgesetzes einzugehen, gibt dieser Vertrag natürlich keinen Anlaß. Denn selbstverständlich ist es ganz unmöglich, auf diese Weise Verschiedenheiten der Unfallversicherungsgesetzgebung der beiden Länder irgendwie auszugleichen. Es handelt sich hier um eine Abgrenzung des Geltungsbereiches der beiderseitigen Gesetze. Daß die deutschen Unfallversicherungsleistungen in manchen Veziehungen weitergehen als die holländischen und umgekehrt, trifft ja zu. Aber man muß die Versicherung als Ganzes betrachten, und dann darf man wohl behaupten: im allgemeinen sind die geleisteteu Entschädigungen oleichwertig
Dove(Frs. Vgg.) hält es für unmöglich, in der Pleuarsitzung alle Einzelheiten des Verirages durchzugehen. Es seien noch eine Reihe von Unklarheiten und Schwierigkeiten zu beseitigen. Auch er wünsche
daher Kommissionsberatung.
Schiffer(Zir.) polemisierte gegen Stadthagen.
Dr. Junck(nl.) ist mit einer Kommissionsberatung einverstanden; sie werde sich gewiß in einer Sitzung ertedigen lassen. Bezüglich der Sprache höre er eben, daß wir Deutsche nicht die alleinigen Leidtragenden sind, sondern daß auch in diesem Punkte Gegenseitigkeit
Kirsch(Ztr.): Ich glaube nicht, daß wir so schnell, wie der Staatssekretär meint, uns hier im Reichstage mit der Revision des Strafgesetzbuches zu beschäftigen haben. Um so mehr haben wir Anlaß, hier gründliche Arbeit zu leisten. Es sind eine Menge von Wünschen geäußert worden, die eingehender Beratung bedürfen. Bezüglich der Ausdrücke„böswillig und mit Vorbedacht“ hat ja der Staatssekretär erklärt, daß er mit einem Ersatz durch andere Worte einverstanden sein würde, vorausgesetzt wohl, daß der Sinn ungefähr derselbe bliebe. Es wäre mir aber interessant zu hören, ob denn auch materielle Aenderungen, wie sie ja hier auch gewünscht worden sind, bei den Regierungen Aussicht auf Annahme hätten. Die Verquickung der Sache mit den allgemeinen Beleidigungsparagraphen zeitigt ein neues strafrechtliches Moment insofern, als der animus injuriandi ja heute nicht erfordert wird. Es fragt sich auch bezüglich der Berjährung von sechs Monaten, ob nicht nach deren Ablauf noch eine Verfolgung auf Grund der allgemeinen Beleidigungsparagraphen eintreten kann. Das sind die neuen Bedenken, die ich noch vorführen wollte. Im allgemeinen stehen wir aber der Vorlage freundlich gegenüber.
Heine(sd.): Ich erkläre schon jetzt: Wenn das Gesetz nicht auf eine ganz andere Grundlage gestellt wird, lehnen wir es ab. Es trägt die Firma„Reichsjustizamt“, aber es stammt aus Preußen; es verleugnet seine Herkunft nicht. Noch mehr, als bisher würde die Rechtsprechung der Parteipolitik dienstbar gemacht werden. Das Gesetz stammt aus der Wahlbewegung. Auf jene Begeisterungsszenen der Wahlnacht, an denen die Herren antisemitischen Handlungsgehilfen ein unbestrittenes Verdienst in Anspruch nehmen, folgte der Erlaß, der das Gesetz in seinen Grundzügen schon verhieß, und endlich nach manch sanftem Dräugen der liberalen Presse bekamen wir kurz vor dem Auseinandergehen im Juni noch den Entwurf. Es ist eine Pflicht des Anstandes, wenn man persönlich an unnahbarer Stelle steht, auch andern gegenüber Toleranz zu zeigen. Das ist der Geist aus dem Gesetz des Kaisers Theodosius von 393 (Heiterkeit), der bekanntlich gesagt haben soll: Wenn einer den Kaiser beleidigt, dann soll er, falls er es aus Leichtsinn getan hat, ermahnt werden, hat er es aus Krankheit getan, bemitleidet werden, hat er es aber aus Bosheit getan, so fühlt die Majestät sich verpflichtet, ihm zu verzeihen.(Hört, hört! bei den Sozialdemokraten). Wer selber ein offenes Wort liebt, wird dafür allgemeine Billigung finden, wenn er es auch bei den andern duldet.(Sehr gut bei den Sozialdemokraten, Zuruf rechts, Mehring: Aha!) Wie aber sieht das Gesetz in Wahrheit aus? Wer wird den Vorteil von diesem Gesetzentwurf haben? Spießbürger, wenn sie über die hohen Steuern schimpfen, Agrarier... (Bebel ruft: Sehr richtig! Große Heiterkeit), Patrioten, die dann, wenn ihnen die Politik des Kaisers nicht paßt, einen Mordsskandal schlagen. Sie wissen wohl noch die Zeit, wo hier die Majestätsbeleidigungen billig waren, aber nicht zur Anklage führten. Bedenklich ist die Bestimmung über die Genehmigung der Justizbehörden. Da könnte ein Richter die Erteilung der Genehmigung schon als einen
Beifall rechts.)
Traeger(Frs. Vp.): Auch ich bin für Kommissionsberatung, meine aber, daß eine Kommission von 14 Mitgliedern genügen würde. Ich kann dabei meine Freude nicht zurückhalten über die Bemerkung des Staatssekretärs, daß die Revision des Strafgesetzbuches voraussichtlich in naher oder in nächster Zeit vollendet sein wird. Trotzdem dürfen wir uns nicht abhalten lassen, auch diese Vorlage so genau wie möglich zu prüfen, obgleich der Staatssekretär selbst sagt, daß
es vorläufig nur ein Notgesetz wäre. Auf der einen Seite sahen wir die Abneigung der Justizverwaltung gegen die vielen Majestätsbe
daß
er
leidigungsprozesse, und auf der andern Seite den Uebereifer und den Spürsinn der Staatsanwälte und Richter bei Anwendung des direkten, des indirekten und namentlich des dolus eventualis.(Sehr richtig! links.) Wir haben Prozesse gehabt, die wirklich nicht nötig waren. Der Wortlaut der Vorlage ist nichts weniger als schön. Der Staatssekretär hat ihn ja auch selbst preisgegeben und gesagt, die verbündeten Regierungen würden keine Schwierigkeiten machen, wenn wir etwas Besseres finden. Warum heißt es„böswillig und vorbedacht?“ Das ist eine Tautologie. Die Begründung nimmt auch auf Paragraphen des Strafgesetzbuches bezug, die sich auf Vernichtung von Hoheitszeichen usw. beziehen. Aber jeder erinnert sich gewiß an die schöne Jugendzeit, wo der Mut in der Brust seine Spannkraft übt. (Heiterkeit.) Ich will ja nicht sagen, daß die hohen Herren hier im Hause irgendwelche Erinnerungen daran haben, daß sie manchmal Unfug getrieben haben(Große Heiterkeit), aber ich kenne doch verschiedene Herren in sehr hoher Stellutng, die sich da an so mancherlei erinnern werden.(Große Heiterkeit.) Nun zum subjektiven Tatbestande! Er beruht auf innern Vorgängen, die nur in den allerseltensten Fällen klar nachzuweisen sind.(Sehr richtig! links.) Der Richter muß sich hier mit einem innern Indizienbeweis befassen und muß aus andern Vorkommnissen auf diesen speziellen Fall schließen. Und da wird unwillkürlich als eins der ersten Momente hierbei die politische Stellung des Betreffenden in Frage kommen.(Lebhafte Zustimmung links.) Man wird sagen: Halt, du bist einer von denen, denen man es zutrauen kann, daß sie eine Majestätsbeleidigung ausstoßen. Vel richtiger wäre es, wenn man den objektiven Tatbestand in irgendeiner Weise charakterisierte. Da habe ich den§ 166, den Gotteslästerungs=Paragraphen im Auge, wo es heißt: Wer in beschimpfenden Ausdrücken Gott lästert usw. Da kann ein Zweifel nicht bestehen. Nur durch den objektiven Tatbestand kann man nachher mit einiger Sicherheit auf den subjektiven schließen, weil wohl angenommen werden darf, daß jemand, der sich beschimpfender Ausdrücke bedient, diese Ausdrücke mit Vorbedacht und besonderer Absicht sagt. Nun soll die Verfolgung, sosern die Beleidigung nicht öffentlich ausgesprochen ist, nur mit Genehmigung der betreffenden Landesjustizverwaltung eintreten. Ich will an der Ehrlichkeit und Unbestechlichkeit unserer Richter nicht im geringsten zweifeln, aber es gibt doch bei derartigen Sachen Imponderabilien, die ganz unvermerkt und unwillkürlich dabei mitspielen, und wenn ein von oben abgestempelter Antrag auf Strafverfolgung einläuft, wird ihm wohl immer nachgegeben werden. Recht merkwürdig ist es, daß die Möglichkeit offen bleibt, wenn Anklage wegen Majestätsbeleidigung nicht erhoben wird, das Kapitel 14 des Strafgesetzbuches heranzuziehen. Die Justizverwaltung denkt eben, wenn wir ihn nicht wegen Majestätsbeleidigung kriegen, so kriegen wir ihn auf andere Weise.(Heiterkeit.) Sie stellt Se. Majestät alleruntertänigst anheim, einen Strafantrag zu stellen. Sobald aber der beleidigte Regent mit auf den Plan treten muß mit allen andern Personen, so ist sein Prestige gefährdet. Wenn der Angeklagte freigesprochen würde, in welche Lage käme dann die Majestät? Damit erweist man dem Fürsten doch keinen Dienst, gerade mit Rücksicht auf die Majestät muß von dieser Bestimmung Abstand genommen werden. Schließlich kann der Beklagte auch widerklagen. Es kann auch sehr leicht die Frage aufgeworfen werden, wie es ja auch schon geschehen ist, welchen Anspruch die betroffenen Personen darauf haben, daß ihnen ein besonderer Schutz bewilligt wird, namentlich auch, ob der Kreis der geschützten Personen etwa zu weit gezogen ist. Also davon sollte man die Hand lassen. Wir begrüßen natürlich die Vorlage als einen Schritt vorwärts.
verbürgt ist.(Heiterkeit.) migsen### Speinshaltte
Molkenbuhr(sd.): Da siehr man wieder die Sozialpolitik der Regierung: die Unternehmer müssen doppelte Beiträge zahlen, gleich kommt die Regierung und macht einen Vertrag!
Schiffer(Ztr.): Wenn doch die Sozialdemokraten anfangen möchten. ein bißchen den Balken in ihrem eigenen Auge zu sehen. Gestern haben sie uns vorgeworfen, wir seien schuld an dem schlechten Wahlrecht in der Bergnovelle.(Lärmende Bestätigung der Sozialdemokraten.)
ist nicht die Wahrheit. Das Zentrum hat gerettet, was zu retten war.(Hohngelächter der Sozialdemokraten.) Im übrigen möge man den Vertrag dem Genossen Stadthagen geben; der wird ihn klarer machen, als ich es vermag.(Heiterkeit.) Der Redner wendet sich gegen die Politik der Sozialdemokraten, von diesen fortgesetzt mit Gelächter unterbrochen.
Hue(sd.): Draußen in der Agitation klingt es bei Ihnen immer ganz anders. Früher hieß es bei Ihnen: Sollte sich eine Mehrheit für die Kommissionsfassung der Bergnovelle finden, so dürfte ihr die Zustimmung nicht erteilt werden. Auch die Christlichen verurteilen das Knappschaftsgesetz.
Schiffer(Ztr.) autwortet in langen Ausführungen.
Vizepräsident Dr. Paasche bitter ihn, dieses so gar nicht niederländische Thema doch nicht so ausführlich zu behandeln.
Schiffer(Ztr.): Herr Hue hat es auch getan.(Beifall im Zentrum. Rufe der Sozialdemokraten.) Sie sagen, Sie haben zwar nicht für das Unfallversicherungsgesetz gestimmt, wohl aber für die Novelle. Ich will Ihnen sagen, warum Sie jetzt dafür gestimmt haben. Ihre eigenen Anhänger, Ihre Arbeiter, haben Sie dazu gezwungen, sie verurteilen Ihre negierende Politik.(Lebhafte Zustimmung.) Sie haben es satt. (Beifall.) Die Arbeiterschaft will eine positive Politik.(Beifall.) Der Vertrag geht an eine Kommission von 14 Mitgliedern.
Wunsch der Bestrafung auffassen. Das Schlimmste ist, daß für alle öffentlichen Beleidigungen es beim alten bleiben soll. Die Definition „böswillig und mit Vorbedacht“ wird als eine Verbesserung des Gesetzes ausgegeben. Sie hat aber zur Folge eine Verschärfung der politischen Tendenz bei dem Urteil.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten, Lachen rechts.) Die Anwendung des§ 14 wird sich in der Praxis komisch gestalten. Was soll der Fürst in einem solchen Falle tun? Soll er vielleicht den Justizrat v. Gordon mit einer Privatklage beauftragen?(Heiterkeit.) Wenn ein Mitglied eines Kriegervereins oder einer Junung vor Gericht sagt, er habe Majestät nicht beleidigen wollen, so wird man ihn laufen lassen. Wenn ein Freisinniger sagt: Ich bin ein freisinniger bürgerlicher Mann, da ist die Sache schon zweifelhaft.(Große Heiterkeit.) Jetzt vielleicht nicht so sehr; ich erinnere Sie aber an das Dichterwort: Traue nicht dem falschen Glücke! Zentrum und Polen haben schon heute die Vermutung gegen sich.(Heiterkeit im Zentrum.) Das ist auch nicht immer so gewesen(Heiterkeit), und wird wohl auch bald wieder anders sein. Aber wir Sozialdemokraten sind in dieser Beziehung Konservativ(Heiterkeit), bei uns wird man jedesmal sagen: Ihr habt böswillig und mit Vorbedacht beteidigt!
Unmittelbar nach den Wahlen von 1903 wurde von einem Erlaß gesprochen, nach dem auf die sozialistische Presse acht gegeben werden sollte, ob nicht etwa versteckte Angriffe auf die Majestät darin enthalten wären.(Hört, hört! bei den Sozialdemokraten.) Das erste Beispiel der Kaiserinselprozeß gegen den Vorwärts. Die indirekten Majestätsbeleidigungen haben wir seit etwa achtzehn Jahren. Ein Redakteur wurde mit 9 Monaten Gefängnis bestraft, weil er über
Majestätsbeleidigung.
Es folgt die erste Beratung des Gesetzentwurfs über die Bestrafung der Majestätsbeleidigung. Der Entwurf macht die Majestätsbeleidigung als Spezialdelikt nur dann strafbar, wenn sie„böswillig und mit Vorbedacht" begangen wird. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, dann sollen künftig die allgemein gültigen Beleidigungsparagraphen platzgreifen. Die Verfolgung der nicht öffentlichen Majestätsbeleidigung soll nur mit Genehmigung der Landesjustizverwaltung stattfinden. Die Verfolgung verjährt in sechs Monaten.
Staatssekretär des Reichsjustizamts Dr. Nieberding: Durch die gegenwärtige Vorlage wünschen die verbündeten Regierungen einem wohlwollenden Ausgleich zu dienen zwischen dem Rechtszustand, wie er jetzt herrscht, und zwischen demjenigen, was auf dem viel umstrittenen Gebiete der Majestätsbeleidigung unter dem Einfluß der Anschauungen neuerer Zeit als recht und billig angesehen wird. Der Entwurf, den die verbündeten Regierungen Ihnen vor
ich es mit der gleichen Schärfe wie der Staatssekretär. Der Staats
sekretär ist mit großer Wärme für die Beibehaltung des Absatzes über die allgemeinen Vorschriften des Sirafgesetzbuches eingetreten. Von einem ganz andern Standpunkte aus als die Sozialdemokratie sind wir der Meinung, daß dieser Absatz zu einem wahren Danaergeschenk für Kaiser und Fürsten werden wird. Wir haben doch einen gewissen Anteil an der Persönlichkeit unseres Staatsoberhauptes und uns kann es doch nicht gleichgültig sein, ob plötzlich der Kaiser in der Rolle des Privatklägers erscheint oder nicht. Ich will um Himmels willen nicht auf den letzten Prozeß eingehen, aber wir haben doch wahrhaftig erlebt, wie ein Prozeß, den ein Beleidigter anstrengt. schließlich für den Beleidigten gefährlicher als für den Beleidiger werden kann. Der Richter könnte das persönliche Erscheinen des Klägers verlangen und der Angeklagte Widerklage erheben. Und nun stelle man sich die Situation vor, wenn der Beklagte sich aufe Zeugnis irgendwelcher Leute beruft in einem Prozeß gegen den Kaiser. Bindewald(Ref.=.): Wir freuen uns über die Vorlage. Es wird ja nicht leicht sein, die richtige Fassung zu sinden. Gegen die Ausführungen des Abg. Heine muß ich protestieren. Er darf den Richtern nicht den Vorwurf machen, daß sie parteilich urteilen. Jeder Deutsche muß eine solche Unterstellung als eine Schmach ansehen. (Lärm bei den Sozialdemokraten). Das deutsche Bürgertum hat bei den letzten Wahlen bewiesen, daß es sich von Ihnen nichts vormachen läßt. Wenn man in der Oeffentlichkeit eine Lichtgestalt wie die Königin Luise oder Friedrich den Großen so herabsetzt, wie es geschehen ist, so ist das eine Schmach.(Beifall rechts). Den Herrscher wagt man nicht zu fassen, dafür beleidigt man den Vorfahr. Diejenigen geschichtlichen Personen, die in der Schule als Idealgestalten hingestellt werden, werden in der Zeitung heruntergemacht. Dadurch wird ein Verbrechen begangen an der Seele des Kindes. Das Volk will, daß einem derartigen Treiben ein Ende gemacht wird.(Lärm bei den Sozialdemokraten. Beifall rechts).
Heine(sd.): Der Staatssekretär hat nun schon seit neun Jahren, wenn ich richterliche Fehlsprüche kritisierte, denselben Ton mir gegenüber angeschlagen:„Der Abg. Heine hat gesagt, der gesamte Richterstand beugt böswillig das Recht." Das wirkt auf die Länge ermüdend. Es fällt mir nicht ein, den ganzen Richterstand zu verurteilen. Es gibt glücklicherweise Richter genug, die sich für zu gut halten, parteipolitisch Recht zu sprechen.
Die Vorlage geht an eine 21er Kommission.
Montag 1 Uhr: Müller=Stiftung; Lebensmittel= Interpellation; Kohlenpreise=Interpellation; Versicherungsvertrag; Bauforderungen.— Schluß 6½ Uhr.
gelegt haben, hat nur interimistische Bedeutung. Er will überleiten zu dem Strafgesetzbuch der Zukunft, zu dem Strafgesetzbuch einer nahen Zukunft, will ich sagen. Denn nach den Vorarbeiten und ihrem Fortgang glaube ich annehmen zu dürfen, daß der Entwurf eines neuen Strafgesetzbuches im Laufe des nächsten Sommers zum Abschluß konimen wird. Wenn dessenungeachtet dieser Gesetzentwurf dem hohen Hause zugeht, so liegt darin von den verbündeten Regierungen jedenfalls kein Mißtrauen in den raschen und glatten Fortgang der Arbeiten für ein Strafgesetzbuch. Die Ausarbeitung dieses Gesetzentwurfs verdanken wir der Initiative, die uns durch die kaiserlichen Erlasse vom Januar dieses Jahres für Preußen und für die Reichslande wegen der Ausübung des Begnadigungsrechts gegenüber Majestätsbeleidigungen geworden ist. Es ist nicht möglich, in der Begnadigungsinstanz Grundsätze aufzustellen, die nicht im großen und ganzen auch im geschriebenen Gesetz Anerkennung finden. Es ist der Wunsch der verbündeten Regierungen, daß die Gedanken, die leitend gewesen sind für die kaiserlichen Erlasse, auch baldigst in das geschriebene Gesetz übergeführt werden, natürlich soweit es möglich ist. Die verbündeten Regierungen hofsen, daß diese Vorlage dazu beitragen wird, die Gefahren zu mindern, wenn nicht zu beseitigen, die damit verbunden sind, daß in vielen Majestätsbeleidigungsprozessen, wenn man von vielen Prozessen dieser Art überhaupt sprechen darf, Urteile ergehen, die mit dem allgemeinen Rechtsempfinden sich nicht ganz versöhnen lassen (sehr richtig! links), obwohl sie ja ergehen auf Grund eines Gesetzes, das die Richter zwingt, so und nicht anders zu erkennen. Jedenfalls werden durch diese Vorlage Mißverständnisse, Mißdeutungen und Mißstimmungen in weiten Kreisen beseitigt. Der Entwurf hat das Bestreben, den Kreis der Majestätsbeleidigungen soweit einzuschränken, wie es im allgemeinen staatlichen Interesse irgend möglich ist. Als Majestätsbeleidigung soll nur eine solche Beleidigung angesehen werden, die sich mit Vorbedacht und böswilliger Absicht gegen die höchste Persönlichkeit richtet. Wir haben
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eine Hofjagd schrieb, von Wildsauen sprach usw., ohne zu erwähnen und ohne zu ahnen, daß der Kaiser dabei war. Aber es wurde bei Gericht gesagt: eine Schmähung der Hofjagd ist eine Schmähung der Person des Kaisers!(Staatssekretär Dr. Nieberding wehrt ab.) Ein anderer Redakteur hatte die China=Medaille geschmäht, ein dritter Redakteur wurde wegen Majestätsbeleidigung bestraft, weil er von der Kaiser=Wilhelm=Gedächtniskirche als der Aegirkirche gesprochen hatte, weil der Kaiser der Kirche die Erträgnisse gestiftet hatte, die der„Sang an Aegir“ eingebracht hat, von dem man heute noch nicht weiß, ob der Kaiser oder der inzwischen verschwundene Eulenburg ihn gedichtet hat.(Heiterkeit.) Meistens wird die Praxis befolgt, wenn ein Sozialdemokrat wegen Majestätsbeleidigung angeklagt ist, daß man ihm ohne weiteres unterschiebt, daß er eine Beleidigung beabsichtigt hat, selbst, wenn er ganz harmtose Worte gebraucht hat. Ja, man zieht noch strafverschärfend in Betracht, wenn er sich vorsichtig ausgedrückt hat.(Heiterkeit.) Ich kenne aber in meiner Praxis nicht einen einzigen Fall, daß ein sozialdemokratischer Redakteur oder ein Versammlungsredner absichtlich die Person des Kaisers beleidigt hat. Es hat immer Gerichte gegeben, die es nicht unter ihrer Würde gehalten haben, sich für den politischen Fanatismus herzugeben. Es hat aber auch Richter gegeben, die erklärt haben, daß sie es ablehnten, die politische Gesinnung des Angeklagten zu prüfen. Der Gesetzeutwurf setzt jetzt ausdrücklich die politische Leidenschaft auf den Richterstuhl.(Beifall bei den Sozialdemokraten, Lachen rechts.) Gerade wir sind am wenigsten geeignet, unsern Unmut über politische Mißstände an Personen auszulassen.(Beifall den Sozialdemokraten.) Für uns sind Personen, auch die bedeutendsten, auch die Helden, nur die Werkzeuge der Mächte, die die Geschichte lenken, der Hammer, mit dem das heiße Eisen der Zeit geschmiedet wird. Wir haben gar keinen Grund, Fürsten persönlich anzugreifen. Wir müssen die Interessen des Volkes wahren. Diese Kritik wird mit Hilfe des Majestätsbeleidigungs
Dr. Brunstermann(Rp.): Auch meine politischen Freunde begrüßen die Vorlage mit Freuden. Prinzipiell stehen wir auf dem Standpunkt, daß Majestätsbeleidigungen besonders zu ahnden sind und daß die Landesherren und ihre Angehörigen eines besondern Schutzes bedürfen. Der objektive Tatbestand wird durch die Vorlage nicht berührt. Nur der subjektive Tatbestand wird eingeschränkt, es soll nicht gleich strafbar sein, wenn einmal in überquellendem Redefluß ein Wort fällt. Die vorgesehene Verkürzung der Verjährungsfrist erscheint auch uns durchaus geeignet, den so oft gerade auf diesem Gebiet zutage getretenen häßlichen Denunziationen vorzübeugen. Die Verkürzung der Verjährungsfrist ist auch deshalb nötig, weil die Richter nach Jahr und Tag die Zeitströmungen und Momente, unter denen die Beleidigung gefallen ist, naturgemäß nicht mehr voll würdigen können. Auch wir sind für Kommissionsberatung.(Beifall.)
Dr. Osann(ni.): Es ist sehr schwierig, noch neue Gesichtspunkte über den Entwurf nach den beiden ersten Rednern vorzubringen. Auch in unsern Reihen bestehen in gewisser Weise Bedenken gegen die gewählten Ausdrücke im Gesetz, wenn wir auch die gesetzgeberische Gestalt des Erlasses des Kaisers vom 27. Januar mit Freuden begrüßen. Vorhin ist darauf hingewiesen worden, wie der Ausdruck„böswillige Absicht“ ausgelegt werden wird und ausgelegt werden kann. Wir billigen keineswegs, daß gerade bei der subjektiven Beurteilung des Falles etwa die politische Stellung des Beleidigers in Rücksicht gezogen wird, sondern wir wollen objektive Kriterien dafür haben, wann eine solche Beleidigung als strafbar anzusehen ist. Ich meine, gerade die politische Stellung müßte ausscheiden. Sie wird es aber nicht, wenn man den Ausdruck so beibehält. Der Ausdruck„böswillige Absicht“ ist ein sehr dehnbarer Begriff. Der Ausdruck„mit Vorbedacht“ könnte ebensogut ersetzt werden durch den Ausdruck„mit Ueberlegung“, wie wir ihn bereits im Strafgesetzbuch bei der Unter
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