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1907 Ur. 990

Montag, 23. September

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Energie und Gewandtheit verteidigte Vorschrift wurde Einver­ständnis erzielt. Außerdem aber wurde, obwohl nunmehr jeden praktischen Sinnes, wenigstens für diese Vorlage, entbehrend, auch noch die Definition der Neutralität als ein bedeutsamer Rahmen für einen Inhalt, den die Zukunft etwa bringen kann, beibehalten. Danach sind Neutrale die Angehörigen der nicht am Krieg be­teiligten Mächte. Die Neutralität geht verloren a) durch feindliche Handlungen gegen einen der Kriegführenden; b) durch Hülfe­leistung für einen der Kriegführenden, insbesondere freiwilligen Militärdienst; in solchem Falle darf aber der Neutrale nicht schlechter behandelt werden als die Angehörigen des Kriegführenden. Nicht als Hülfeleistung im angegebenen Sinne sind zu betrachten: a) Lieferungen(fournitures) oder Anleihen(emprunts) für einen der Kriegführenden, vorausgesetzt daß der Liefernde nicht im Ge­biet der andern Kriegspartei oder in dem von ihr besetzten Gebiete wohnt und daß die Lieferungen nicht aus solchem Gebiete her­rühren; b) Polizei= oder Zivilverwaltungsdienste. Daß in diesen Sätzen eine immerhin wertvolle Begriffsbestimmung der Neutralität von Personen gefunden werden muß, ist nicht zu bestreiten. Die Theorie des Völkerrechtes wird diese Gedanken weiter zu verfolgen sicher nicht unterlassen. Außerdem einigte man sich auf luxem­burgischen Antrag noch auf den von der Konferenz ausgesprochenen Wunsch:die Aufrechthaltung der friedlichen, insbesondere der Handels= und industriellen Beziehungen zwischen den Einwohnern der Kriegführenden und der neutralen Staaten verdient von seiten der Zivil= und Militärbehörden einen besondern Schutz". Die Voll=Konferenz wird zweifellos diesen Kommissionsbeschlüssen zu­stimmen.

Staates hergestellt sind zu ausschließlich militärischen Zwecken und ohne dem öffentlichen Verkehre geöffnet zu sein(Art.). Daran schließen sich sodann in den Artikeln 4 bis 9 die Vor­schriften über die Pflichten der Neutralen. Diese sind: 1. Auf neutralem Gebiete dürfen keine Truppenkorps gebildet und keine Rekrutierungsbureaus eingerichtet werden zugunsten einer der krieg­führenden Mächte(Art.); dagegen wurde der japanische Antrag, auch Proviantbureaus zu verbieten, als der Freiheit des neutralen Handels widersprechend abgelehnt. Der Uebertritt einzelner Personen über die Grenze(le fait que les individus passent isolément la frontière), um in den Dienst eines der Kriegführen­den einzutreten, begründet keine Verantwortung für den neutralen Staat.(Art..) Deutscherseits war beantragt worden, überhaupt den Dienst von Neutralen in den Heeren kriegführender Mächte zu untersagen, auch wenn er freiwillig erfolgt und die neutralen Staaten zu verpflichten, solchen Dienst zu verbieten. Angesichts des hiergegen erhobenen Widerspruches zog Deutschland seinen An­trag zurück. 2. Der neutrale Staat darf die in den Artikeln 2 bis 4 bezeichneten Akte nicht dulden, er ist aber zur Unterdrückung von neutralitätswidrigen Akten nur verpflichtet, wenn sie auf seinem eigenen Territorium begangen werden(Art.). Handelt es sich hierbei um Staatsakte, so begründet dies eine Verantwortung des neutralen Staates gegenüber den Kriegführenden; handelt es sich um Akte von Privatpersonen, so ist der neutrale Staat verpflichtet, dagegen einzuschreiten, auch dann, wenn diese Personen nicht seine eigenen Staatsangehörigen sind. Was im übrigen alsneutrali­tätswidrige Handlung zu betrachten ist, kann der neutrale Staat im einzelnen noch näher bestimmen. 3. Dagegen sind die neutralen Staaten nicht verpflichtet zu verhindern: die Ausfuhr oder Durch­fuhr von Waffen, Munition und überhaupt aller für Heer oder Flotte geeigneten Gegenstände auf Rechnung des einen oder des andern kriegführenden Teiles(Art.). Dieser Artikel garantiert ausdrücklich die volle Handelsfreiheit für die Angehörigen der neutralen Staaten und setzt damit auch einer lange und heftig geführten Streitfrage ein Ende. 4. Ein neutraler Staat ist ferner nicht verpflichtet, zu verbieten oder zu beschränken: den Gebrauch von telegraphischen oder telephonischen Kabels durch die Kriegführenden, ebenso wie von Einrichtungen drahtloser Tele­graphie, sei es, daß diese Staatseigentum sind oder im Eigen­tum von Gesellschaften oder Privaten stehen(Artikel), vor­behalten nur die oben Artikel 3 erwähnten, ausschließlich mili­tärischen Zwecken dienenden Einrichtungen. Auf englische An­

regung wurde übrigens noch ausdrücklich festgestellt, daß auch die in Art. 8 gegebene Freiheit doch nicht einen Gebrauch gestatte, der eine offenbare Hülfeleistung für einen der Krieg­führenden bedeute. 5. Die Vorschriften der Art. 7 und 8 schließen aber anderseits auch nicht aus, daß der neutrale Staat ein­schränkende Vorschriften oder vollständige Verbote bezüglich der dort behandelten Materien gibt. Alle Verbote oder Einschränkungen aber, die sich auf die in Art. 7 und 8 behandelten Gegenstände beziehen, müssen gleichmäßig auf beide Kriegführende zur Anwendung gebracht werden. Der neutrale Staat muß darüber wachen, daß diese Verpflichtung auch von Privatpersonen und Ge­sellschaften eingehalten wird, die Eigentümer von telegraphischen oder telephonischen Kabeln oder von Einrichtungen für drahtlose Telegraphie sind(Art.). Die Vorschrift des Art. 9 in ihren beiden Teilen war besonders energisch durch den ersten deutschen Delegierten Frhrn. v. Marschall vertreten worden, dessen Aus­führungen allgemeine Zustimmung fanden.

Eine interessante Sondervorschrift des Art. 10 bezieht sich so­dann noch auf Kriegsgefangene. Fallen Kriegsgefangene, die, sei es aus Feindesland, sei es aus besetztem Gebiet, entwichen sind, in die Gewalt eines neutralen Staates, so sind sie grundsätzlich freizulassen, aber es kann ihnen, falls ihnen der Aufenthalt im neutralen Staate gestattet wird, was diesem letztern natürlich völlig freisteht, ein Wohnsitz angewiesen werden; Kriegsgefangene, die mit einem flüchtenden Heere übertreten, sind ebenso zu be­handeln. Diese letztere Bestimmung wurde zuerst von russischer Seite bekämpft und die Internierung solcher Kriegsgefangenen verlangt; mit Recht wurde dagegen eingewendet, daß mit dem Uebertritt eines Heeres über die Grenze die rechtliche Voraus­setzung der Kriegsgefangenschaft, ein kriegführendes Heer, dahin­falle; in Anerkennung der Berechtigung dieses Einwandes wurde die russische Forderung zurückgezogen. Ausdrücklich wurde dabei festgestellt, daß der Fall der Evakuation von Kranken oder Ver­wundeten auf neutrales Gebiet davon grundsätzlich verschieden sei, also ein Widerspruch mit der für diesen Fall durch die Genfer Konvention vorgeschriebenen Bewachungspflicht nicht vorliege. Ueber das Material, das ein über die Grenze tretendes Heer mit sich führt, wurde eine Bestimmung absichtlich nicht getroffen. Endlich gibt Artikel 11 noch die allgemeine Vorschrift: Handlungen eines neutralen Staates, durch welche er Angriffe auf seine Neutralität zurückweist, selbst mit Gewalt, können nicht als feindliche Handlungen betrachtet werden. Es bestand hierüber volles Einverständnis. Ein dänischer Antrag, daß auch die Mobilisation von Streitkräften zum Zweck des Schutzes der Neutralität nicht als unfreundlicher Akt betrachtet werden dürfe, wurde zurückgezogen, indem man allgemein der Ansicht war, es sei das zweifellose Recht jedes souveränen

Staates, in dieser Beziehung alle Vorkehrungen zu treffen, die er für nötig halte; eine besondere Bestimmung hierüber werde eher schädlich wirken. Außerdem hatte Japan noch beantragt, Be­stimmungen folgenden Inhaltes zu treffen: Offiziere oder andere Angehörige einer bewaffneten Macht, die von einem neutralen Staat interniert sind, dürfen von diesem nur mit Zustimmung des andern kriegführenden Teiles und unter den von diesem festgesetzten Bedingungen freigelassen oder zur Rückkehr in ihr Vaterland ermächtigt werden. Das einem neutralen Staat gegebene Ehrenwort ist im Falle des Bruches ebenso zu behandeln, wie das dem andern kriegführenden Teile gegebene. Die hierfür japanischerseits geltend gemachten Gründe wurden zwar als be­rechtigt anerkannt; man einigte sich aber schließlich dahin, es bei einer Erwähnung der Sache im offiziellen Bericht bewenden zu lassen.Manche werden so schließt der Borelsche Bericht den Entwurf vielleicht unfertig und wenig vollständig finden. Aber er hat in seiner jetzigen Gestalt doch jedenfalls den Vorzug, eine Reihe von fundamentalen Prinzipien festzustellen, die nunmehr durch die fast einmütige Zustimmung der Nationen gesichert sind und die den neutralen Staaten die Wohltat einer klar bestimmten Stellung gewähren, nicht allein in Bezug auf ihre Pflichten, sondern ebenso auch in Bezug auf ihre Rechte gegenüber den Kriegführenden.

3. Endlich beschäftigte sich die Konferenz in ihrer Sitzung vom 7. September noch mit einem zweiten, die Neutralen betreffenden Entwurfe, der von deutscher Seite vorgelegt worden war. In den Handelsverträgen mit den mittel= und südamerikanischen Staaten allerdings mit Ausnahmen, so Brasilien und Argentinien hat das Deutsche Reich durchgesetzt, daß bei Kriegen jener Staaten die Deutschen sowohl vom persönlichen Militärdienst als von sachlichen Militärlasten frei bleiben. Diese überaus wertvollen Gedanken zum allgemeinen Völkerrecht für alle neu­tralen Staatsangehörigen im Gebiet kriegführender Mächte zu er­heben, war der Zweck einer deutschen wohl ausgedachten und aus­gearbeiteten Vorlage an die Konferenz, die einen neuen Abschnitt der Kriegsrechtskonvention von 1899, Artikel 6168, bilden sollte. Die Vorschriften selbst bezogen sich einmal auf den Begriff der persönlichen Neutralität und die Gründe, aus denen sie verloren geht; sodann auf die Dienste, die die Neutralen den Kriegführenden leisten bezw. nicht leisten dürfen; endlich auf die Heranziehung des Eigentumes der Neutralen zu Kriegsleistungen. Alle Einzelvor­schriften waren beherrscht von dem Grundgedanken: daß die Neu­tralen im Gebiete kriegführender Staaten von Kriegs­leistungen grundsätzlich frei bleiben müssen. Der Entwurf hatte ein merkwürdiges Schicksal und ist in seiner jetzigen Gestalt praktisch ziemlich wertlos. Von verschiedenen Seiten erhob sich scharfer Widerspruch. Besonders von englischer, französischer, russischer und holländischer Seite wurde geltend gemacht, daß der Grundgedanke des Entwurfs unhaltbar sei: die Neutralen hätten die Pflicht, die materiellen Lasten eines Krieges in dem Lande, das sie gastlich aufgenommen habe, ebenso zu tragen wie die eigenen Staatsangehörigen. Im Verfolge dieses Gedankens wurden bereits in der Kommission die Vorschriften gestrichen, die dem Eigentum von Neutralen eine bevorzugte Stellung im Falle eines Krieges geben sollten(Artikel 6669 des deutschen Entwurfes).

In Hinsicht des persönlichen Kriegsdienstes ging der ursprüng­liche deutsche Entwurf so weit, daß er von Neutralen weder ge­fordert noch auch freiwillig geleistet werden dürfe. Dem allgemeinen Widerspruch gegenüber, den letzterer Punkt fand, wollte Deutschland sich auf den erstern Punkt beschränken und den frei­willigen Kriegsdienst von Neutralen zulassen. Hierzu wurde jedoch in der Kommission von einigen Staaten geltend gemacht, daß nach ihrer Gesetzgebung fremde Staatsangehörige, die sich im Lande niedergelassen haben, zum Kiegsdienst herangezogen werden können, so in den skandinavischen Staaten und in englischen Kolonien, und daß für diese Gesetzgebung auch ein Vorbehalt gemacht werden müsse. Demgemäß wurde durch Kommissionsbeschluß neben dem freiwilligen Kriegsdienst auch der durch die innerstaatliche Gesetz­gebung geforderte Kriegsdienst von Neutralen ausdrücklich vorbe­

halten, obwohl hierin zweifellos ein direkter Widerspruch gegen die andere Vorschrift des Entwurfes lag, daß die Kriegführenden keinen persönlichen Kriegsdienst von Neutralen fordern dürfen.

Der so durch die Kommission fast in sein Gegenteil verkehrte Entwurf Deutschlands wurde sodann durch das kluge Eingreifen des Freiherrn v. Marschall, der insbesondere mit großer Schärfe jenen Widerspruch hervorhob, von der Plenarkonferenz wieder an die Kommission zurückverwiesen und dort wurde dann auf deutschen Antrag auch der auf den persönlichen Kriegsdienst von Neutralen bezügliche Abschnitt, der in seiner schließlichen Fassung nur die für die Deutschen durch Spezialverträge errungenen Privilegien ge­fährdet hätte, gestrichen. Es erwies sich einfach als unmöglich, zwei einander diametral entgegengesetzte Systeme zu vereinigen. Von den sämtlichen sachlichen Vorschriften blieb nur die eine übrig, nach der neutrales Eisenbahnmaterial nur im Falle und in dem Maße äußerster Notwendigkeit von Kriegführenden requiriert und benutzt werden darf, so bald als möglich zurückgeschickt und für den Ge­brauch volle Entschädigung gewährt werden muß; der neutrale Staat darf in entsprechender Weise das Eisenbahnmaterial der Krieg­führenden zurückhalten. Ueber diese, von dem Luxemburger Eyschen mit

Die endgültigen Ergebnisse der zweiten haager rriedenskonferenz.

(Fortsetzung aus Nr. 869.)

In der Vollsitzung der Konferenz vom 7. September sind folgende weitere Ergebnisse für die Fortbildung des Völkerrechtes endgültig festgestellt worden.

1. Die alte völkerrechtliche Streitfrage, ob für den Kriegsbeginn eine formelle Kriegserklärung erforderlich sei, ist grundsätzlich bejahend entschieden worden. Die Frage war der zweiten Kommission zur Beratung überwiesen worden, die sich ohne erhebliche Schwierig­keiten auf zwei Artikel einigte, deren Annahme auf Grund eines von Renault erstatteten Berichtes dann einstimmig durch die Konferenz ausgesprochen wurde. Danach gelten für den Kriegs­beginn folgende Regeln: a. Es bedarf einer vorgängigen, nicht mißzuverstehenden(non équivoque) Benachrichtigung, die entweder die Form einer mit Gründen versehenen Kriegserklärung('une déclaration de guerre motivée) oder die eines Ultimatums mit bedingungsweiser Kriegserklärung hat. b. Der Kriegsbeginn muß auch sofort den neutralen Mächten mitgeteilt werden und hat für sie nur Wirkung nach erfolgter Mitteilung, die auch telegraphisch erfolgen kann; im übrigen besteht Einverständnis dahin, daß die neutralen Mächte sich nicht auf den Mangel dieser Mitteilung berufen können, wenn zweifellos feststeht, daß sie in der Tat von dem Kriegszustand unterrichtet waren. Mit dem ersten Satze ist eine bisher bestandene Ungewißheit beseitigt; der zweite Satz wurde auf holländ'schen Antrag beschlossen, die in diesem Antrag geforderte Fristbestimmung von mindestens 24 Stunden zwischen Kriegserklärung und Kriegsbeginn, für die auch Rußland sich erklärt hatte, jedoch abgelehnt. Die Vorschrift, daß die Kriegs­erklärung mit Gründen versehen sein muß, rechtfertigt der Bericht­erstatter, ohne zu verkennen, daß man häufig die wirklichen Gründe eines Krieges nicht werde aussprechen können, in folgender Weise: Eine Regierung darf eine so schwerwiegende Entscheidung wie den Krieg nicht führen, ohne sie zu begründen. Es ist notwendig, daß die ganze Welt, sowohl in den Ländern der Kriegführenden wie in denen der Neutralen, wisse, warum man zu den Waffen greift, damit man sich ein Urteil über das Verhalten der beiden Gegner bilden könne. Der belgische Antrag einer Fristbestimmung von 48 Stunden für die Wirkung der Mitteilung einer Kriegs­erklärung an die Neutralen wurde abgelehnt; die Neutralen haben sofort diejenigen Maßregeln zu treffen, zu denen der Kriegs­ausbruch ihnen Anlaß bietet. Ob diese Vorschriften über den Kriegsbeginn der Kriegsrechtskonvention einverleibt oder den Gegen­stand einer besondern Konvention bilden sollen, bleibt dem Redaktions­komitee vorbehalten. Deutscherseits bestand kein wesentliches Bedenken gegen diese Beschlüsse.

2. Eines der schwierigsten und umstrittensten Kapitel des Völker­rechtes ist seit alters das Kapttel über die Rechte und Pflichten

Neutralen. In der Behandlung dieser Frage ist die Theorie, festhaltend an dem Grundprinzip, daß das Völkerrecht nur Staaten als Rechtssubjekte kenne, bis jetzt von der Voraussetzung aus­gegangen: daß es sich hierbei nur um Feststellung der Rechte und Pflichten der neutralen Staaten handeln könne. Inwieweit und mit welchem Erfolge die zweite Haager Friedenskonferenz den Ver­such unternommen hat auf deutsche Anregung, auch die Rechte und Pflichten der neutralen Personen zu regeln, wird unten zu besprechen sein. Mit den Rechten und Pflichten der neu­tralen Staaten hatte die Theorie sich seit langer Zeit eingehend beschäftigt. Schon auf der Brüsseler Konferenz von 1874 hatte man darüber verhandelt, jedoch ohne Ergebnis. Auf der ersten Haager Konferenz hatte der luxemburgische Minister Eyschen die Frage neuerdings angeregt und erreicht, daß die Frage durch einen Wunsch einer spätern Konferenz zur Lösung überwiesen wurde. Nunmehr lag ein französischer Antrag vor, der nach eingehender Beratung in der zweiten Kommission zur Formulierung einer Kon­vention von elf Artikeln führte, die auf Grund eines von dem Schweizer Borel erstatteten trefflichen Berichtes von der Kon­

ferenz einstimmig angenommen wurde. Gibt diese Konvention auch keine Lösung aller Schwierigkeiten, die in der hochwichtigen Frage entstehen können, so ist doch jedenfalls eine feste Grundlage ge­schaffen, von der aus eine weitere rechtliche Ausgestaltung der Materie sich ergeben wird.

Die Konvention geht mit Recht davon aus, daß die Rechte und Pflichten der Neutralen erst die Folgen sind, die sich aus dem Ver­halten der Kriegführenden ergeben, daß es demgemäß erforderlich sei, zuvörderst die Pflichten der Kriegführenden gegen die Neu­tralen festzustellen. Demnach bestimmen die drei ersten Artikel der Konvention: 1. die Unverletzbarkeit des Gebietes der neutralen Staaten(Art.); 2. das Verbot an die Kriegführenden, Truppen oder Heeresbedarf(convois), sei es an Munition, sei es Ausrüstungsgegenständen(approvisionnements) durch trale Gebiet zu leiten(Art.); 3. das weitere Verbot an die Kriegführenden a) auf neutralem Gebiet radiotelegraphische Stationen oder ähnliche Einrichtungen zur Vermittlung des Nachrichtenverkehrs mit den Streitkräften zu Wasser und zu Lande herzustellen, b) derartige Anstalten zu benützen, wenn sie vor Beginn des Krieges von ihnen auf dem Gebiete des neutralen

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Jur Frage des Seeweges nach Köln.

Auf die Entgegnung des Prof. Dr. Wirminghaus in Nr. 865

der Köln. Ztg. erhalten wir von Dr. Stein, dem Verfasser des Aufsatzes in Heft 22 der Grenzboten folgende Erwiderung:

Prof. Wirminghaus bezeichnet die Zeitungsnachricht, die ich zum Anlaß meiner Ausführungen gemacht habe, als falsch. Das lasse ich dahingestellt. In jener Zeitungsmeldung lag gar keine wesentliche Voraussetzung für meine Ausführungen. Diese wollten lediglich darauf hinweisen, daß die Seeschiffahrt die Kosten einer Strom­vertiefung allein nicht tragen könne, die Rheinschiffahrt von diesen Kosten aber befreit bleiben müsse, weil sie die Stromvertiefung nicht brauche, daß ferner die technische Möglichkeit einer Stromver­tiefung selbst bis auf 6m, erst recht aber eine solche bis zu 11m in Zweifel gezogen werden müsse. In manchen Punkten meiner Beweisführung stimmt Wirminghaus völlig mit mir überein. Auf irrige Auffassungen meiner Ausführungen gehe ich nicht ein. Meinerseits habe ich zu berichtigen, daß die neuern Erzdampfer, die nach Rotterdam kommen, nur eine Fahrtiefe bis annähernd 8m haben. Sie brauchen ein Fahrwasser von 8 bis 9m Tiefe,

also immer weit mehr als das, was den Verfechtern der Rhein­

vertiefung für die Zwecke der Seeschiffahrt erreichbar erscheint. Wirminghaus hält mir gegenüber die Ausführbarkeit einer Strom­vertiefung bis zu und 6m aufrecht und beruft sich dabei auf die Gutachten von Berring aus dem Jahre 1892 und von Jasmund aus dem Jahre 1898. Ich kann nur wiederholen, daß ich den Vorschlägen dieser beiden Herren sehr skeptisch gegenüberstehe. Es wäre erwünscht, wenn Fachmänner des Wasserbaues zu dieser

Frage das Wort ergreifen wollten. Eine Lösung der Schwierig­

keiten durch Kanalisierung des Rheins wird von vornherein abzu­lehnen sein. Die ganze Frage bewegt sich übrigens immer in einem Kreislaufe: Ist die Stromvertiefung für Seeschiffe, auch nur für solche von 5m Tiefgang, technisch einwandfrei möglich, so ist an ihre Ausführung nur zu denken, wenn Schiffahrtsabgaben erhoben werden, und diese kann die Seeschiffahrt auf dem Rheine allein nicht tragen, die Flußschiffe brauchen diese Stromvertiefung aber nicht. Also müßte die Stromvertiefung dann doch unter­bleiben. Aus diesem Dilemma ist nur herauszukommen, wenn die Seeschiffahrt auf dem Rhein sich zunächst mit den Fahrtiefen be­gnügt, die für den Verkehr der Flußschiffe geschaffen worden sind und regelmäßig aufrecht erhalten werden sollen. In letztern liegt das Schwergewicht. Leider ist die vertragsmäßig festgesetzte Fahr­tiefe von Im+ 1,50m am Kölner Pegel sowohl auf der holländischen wie auf der preußischen Rheinstrecke nicht immer vorhanden. Immer­hin ist es Holland gelungen, nicht selten ein bis etwa 35cm tieferes Fahrwasser im holländischen Stromteil zu erhalten, als es zu gleicher Zeit zwischen Emmerich und Köln anzutreffen ist. Die mißliche Lage, in der sich die holländische Wasserbauverwaltung befindet, habe ich in dem Grenzboten geschildert. Der preußische Strombau untersteht lange nicht den gleichen Schwierigkeiten. Trotz­dem haben See= und Flußschiffahrt über Fahrthindernisse auf dem preußischen Rhein aufwärts bis Köln zu klagen. Es genügt der Hinweis auf die bekannte Kies= unnd SandbankDer General bei Uerdingen, die wegen des breiten Stromprofils fast regelmäßig nach jedem Hochwasser entsteht und an der sich schon manches Fluß­und Seeschiff recht kräftige Beulen geholt hat. Auch die zahlreichen großen Steine im Fahrwasser zwischen Homburg und der Duis­burger Rheinbrücke bilden eine stete, bisher noch immer ungehört gebliebene Klage der Rheinschiffahrt. Auf die Seeschiffahrt wirken

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sprünglich wurden die chloroformhaltigen Karamellen gegen Husten genommen, da ihre narkotischen Eigenschaften angeblich den Husten­reiz milderten und den überreizten Schleimhäuten Zeit zur Erholung gaven, allmählich aber kamen sie als reine Schleckerei in Aufnahme. In vielen Londoner Läden niederer Ordnung sind sie auf Plakaten angezeigt. Frauen, die eine leichte Art der Benevelung wünschen, um sich üver Langeweile und Kummer hinwegzuhelfen, die sich aber schämen, das Wirtshaus zu betreten, und der Eau de Cologne keinen Geschmack abgewinnen können, nehmen jetzt Chloroformbonvons; selbst Schul­kinder, die überhaupt gern naschen, haben in den Bonvons ein angenehm beruhigendes Element entdeckt, das sie sich nicht erklären können, das sie aber in steigendem Maße reizt. Einige Damen, die praktische Menschenliebe betreiben, haben Sir James solche Bonvons zugeschickt und ihm die schlimmen Erfahrungen unterbreitet, die sie damn gemacht. Viele Arbeiterinnen, welche die Bonvons ständig in der Tasche trügen und von Zeit zu Zeu eins nähmen, würden schlaf­trunken und stupid, Ladenmädchen verfielen in eine Art Betäubung, würden gleichgültig gegen ihre Pflicht und verlören das Gedächtnis, das sie wieder erlangten, sowie sie dem Verkehr mit dem Chloroform­teufel entsagten. Zwei Schullehrer berichtelen, daß ihnen die Schläfrig­keit und Interesselosigkeit einiger sonst lebhafter Kinder aufgefallen sei, als Wurzel des Uebels hätten sie bei näherer Nachforschung Chloro­formbonvons entdeckt. Die Analyse zeigt, daß die Bonvons Chloro­form freilich nur in sehr geringen Mengen enthalten. Man kann schon eine große Zahl hintereinander zu sich nehmen, ohne eine direkte schädliche Wirkung zu verspüren, aber das ständig, wenn auch in kleinsten Mengen genommene Gift untergräbt doch die Gesundheit und auch die Moral, da es Genuß an Rauschzuständen wachruft und die Willenskraft lähmt. Sowelt Sir James. Einige Fabrikanten haben schon den Fehdehandschuh angenommen und in Zuschriften an Zeitungen erklärt, die Chloroformdosen seien gänzlich harmlos und verliehen nur ein gewisses Parfüm, das Chloroform verdunste und gelange kaum in den Körper. Wie es scheint, schießt Sir James in etwa mit Kanonen nach Spatzen, und die Berichte der menschenfreund­lichen Damen erinnern an die berühmte Streitschrift Jakobs I. gegen das Tabakrauchen, das ein treuliches Abbitd der Hölle sei und zur Hölle führe. Nichtsdestoweniger ist es ein Unfug, daß ein starkes Gift zu Schleckereien benutzt wird, und Sir James hat recht mit seinem Verlangen, daß die Verkäufer solcher Bonvons zum mindesten auf ihren möglicherweise schädlichen Charakter aufmerksam machen müßten. Für diejenigen, die einen Versuch mit den neuen Bonbons machen möchten, sei mitgeteilt, daß sie dem, der nicht daran gewöhnt ist, keineswegs an­geneym schmecke., man glaubt eine Mischung von Zucker und konzen­trierter Apothekenluft auf der Zunge zu haben.

[Vater und Söhne.] Unter diesem Titel gibt in Westermanns Monatsheften der als feinsinniger Pädagoge bekannte Geheimrat Wil­helm Münch eine geistreiche Darstellung der mannigfachen Entwick­lungen, die das Verhälinis zwischen Vätern und Söhnen infolge von überraschenden Vererdungserscheinungen und aus andern nicht immer klar erkennvaren Ursachen nimmt. Wir beschränken uns auf den Abschnitt, wo Münch von dem häufigen Fall ausgeht, daß der Vater den Wunsch oder das Interesse hat, daß sein Beruf auch von dem Sohne gewählt werde. Er schreibt: Fortführung des eigenen Lebenswerkes ist es, was im wesentlichen von seinem Sohn der Bauer, Großgrundvesitzer, meist auch der Großkaufmann wünscht und er­wartet. Daß in vergangenen, stetigern Kulturverhältnissen das Ge­werbe des Vaters sich ohne weiteres auf den Sohn vererbie, ist be­kannt. Indwiduelle Eigentümlichkeit hatte sich noch nicht seyr verdichtet oder verhärtet; in gegebener Richtung fortgetragen zu werden, wider­strebte erst ganz wenigen unter den vielen. Und noch jetzt gibt es eine Anzahl von Ständen, in denen sich mit der Berufsneigung der Beruf selbst zu vererben pflegt: Forstleute und Offiziere stehen da an der Spitze, bei Seeleuten gilt es für die obere Schicht nicht mehr so sehr wie für die untere, bei Großgrundvesitzern und erfolgreichen Kaufleuten ist es durch die Natur der Sache, das vorhandene Gut oder Geschäft, nahegelegt, aber auch in der Künstlersphäre, bei Musikern und Schau­spielern wohl zumeist, bildet solche Vererbung mehr die Regel als die

der Astronomie gewidmet und war nunmehr als Naturforscher auch

auf dem Gießener Kongreß erschienen. Er wäre der Mann gewesen, der dem Reisschen Telephon damals das gebührende Verständnis hätte entgegenbringen können; hat er ja doch später auf das Bellsche Tele­phon aufmerksam gemacht. Wie kam es nun, daß Camphausen von dem Reisschen Telephon nichts erfuhr, obwohl er doch den Gießener Kongreß besuchte? Seine vor einigen Jahren erschienene Biographie klärt das Rätsel auf. Der ehemalige Minister und damalige Lieb­haber=Astronom wurde von feuchtfröhlichen Forschern, darunter dem Affen=Vogt, der ja ein geborener Gießener war, durch die Kneipen und Winkel der kleinen Universitätsstadt geschleift und drückte sich später ziemlich mißmutig, um nicht zu sagen etwas katzenjämmerlich, über das geringe Maß von neuen Einsichten aus, das er von Gießen mit wegnahm... Reis, dem infolge der Nichtanerkennung mit der Hoff­nung auch die Gesundheit schwand, hätte durch die Unterstützung eines Camphausen mächtig gefördert werden können.

Die Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte, von der der Verfasser des Vorstehenden erzählt, wurde 1822 von Oken und A. v. Humboldt ins Leben gerufen. Sie ist der Stamm, aus dem sich im Laufe der Zeit zahlreiche Sonderkongresse ab­gelöst haben. Bis zum Jahre 1889 hing sie aber trotz des zahl­reichen Besuchs insofern in der Luft, als sie weder Vermögen noch festen Wohnsitz noch irgendeinen direkten Einfluß auf das Zustande­kommen wissenschaftlicher Unternehmungen besaß. Doch darf man ihre Bedeutung für die frühere Zeit deshalb nicht unterschätzen. In den ersten Jahren nach Gründung dieser Wandergesellschaft tagte sie in Berlin. Die Veranstalter glaubten bei dieser Gelegen­heit auch dem alten Goethe eine Ehrung erweisen zu müssen und ließen mit goldenen Lettern im Sitzungssaal den Spruch anbringen:

Denn alles muß ins Nichts zerfallen,

Wenn es im Sein beharren will.

Für selbstdenkende Naturforscher war diese Devise offenbarer Unsinn, aber auch der gewöhnliche Mensch kann mit den Versen keinen zutreffenden Sinn verbinden. Man darf das getrost sagen,

unsern Dichterfürsten zu sein, denn Goethe selbst hat diese seine Verse für dumm erklärt und sich über seine unverständigen Freunde in Berlin geärgert. Ob die Kongresse wie ausgesprochen worden ist heutzutage nur noch die oder Jahrmarktsfeste der Wissenschaft sind, möge dahin­gestellt bleiben, jedenfalls aber scheint es wünschenswert, daß einer geitene Vermehrung dieser jährlichen Tagungen etwas Einhalt

Ausnahme, und in der Welt der eigentlichen Gelehrten, der freien

wissenschaftlichen Arbeiter, steht es nicht ganz unähnlich. Und so be­obachtet denn der Vater mit einer gewissen Spaunung die hervor­tretenden Anzeichen der werdenden Zusammenstimmung, der Kunst­anlage, der Berufsneigung, der Nachfolgefahigkeit, hier mit bloß natür­lichem Wohlgefühl, dort auch mit Beruhigung wegen der Zukunft des Errungenen und Bestehenden. Fortführung des väterlichen Werkes und Tauglichkeit zu dieser Fortführung also ist das Nächstliegende, was vom Tohn der Vater erwartet. Aber das Werk selbst verschiebt sich einigermaßen mit der alles wandelnden Zeit, und es verschieben sich die persönlichen Aufgaben; auch wird eine volle Gleichartigkeit der Eigenschaften oder Fähigkeiten die Natur niemals hervorgehen lassen. Manchmal verlangt die bloße gesunde Fortführung des geglückten werkes ein Können besonderer Art; jedenfalls hat nicht das nämliche Geltung für den, der erhalten, etwa erweitern, möglich erhöhen soll, wie für den, der begründete und schuf. Eine unleugbare Steigerung der Leistungsfähigkeit beim Vertreter der zweiten Generation ist eine nicht seltene Erscheinung, und eine Erklärung dafür läßt sich unschwer finden. Liegt schon die Steigerung angelegter Eigenschaften in den sich folgenden Generationen durchaus im Bereich natürlicher Entwicklung, so kommen hinzu die günstigen Bedingungen der Entfaltung jener Eigenschaften, das geebniete Feld der Betätigung, die zeitige Einschulung, und nicht zum mindesten auch das nicht erst zum Ringen und Bangen verurteilte Selbstvewußtsein, als Grundlage eines freien Unternehnungsgeistes. Irgendwie veränderte Ziele aber wird sich der neue Herr fast immer stecken, ja immer, sofern er über­haupt eine Persönlichkeit ist, also auch abgesehen davon, daß die sich siets wandelnden Verhältnisse eine gewisse Wandlung des Bestrevens fordern. Die vornehmen kaufmännischen Firmen, in denen wirklich die Erben nur einfach fortsetzen wollen, was geraume Zeit hindurch Erfolg und Ansehen verbürgt hat, sinken in aller Stille abwärts. Günstig ist es also fast immer, wenn die Verhättnisse zwingen, irgendwie neue Linien neven oder statt der alten zu beschreiten. Dieses Verhältnis vewährt sch denn auch in der Welt der reinen Geistesarbeit. Es ist manchmal vorgekommen, daß Vater und Sohn auf dem gleichen Ge­viet der Wssenschaft sich betätigen und eine ähnliche Bedeutung für dieses Geviet in den Augen der Mit= und Nachwelt gewannen, so daß man sie auch zusammen zu nennen pflegt und ihre Arven als eine einheitliche empfindet; daß die gelehrte Tätigkeit im engern Sinne, mit dem akademischen Forscher= und Lehramt verwoven, als solche gern von den Söhnen der Väter beibehalten wird, kann nicht wundernehmen. Doch als das Verständige bei dieser Forsetzung des väterlichen Tuns bewährt es sich fast immer, wenn in der Wahl der Wissenschaft ein Wechsel stattfinder. Dem Sohn des klassischen Philologen oder des Boranikers, der zwischen seines Vaters Büchern, Sammlungen, In­strumenten auswänst, ist der Weg der gleichen Studien zu sehr geebnet, als daß die persönliche Kraft recht geweckt würde. Aber wenn des Philologen Sohn Botaniker wird oder der des Historikers Aesthetiker, der des Theotogen Phllosoph, der des Archäologen Nationalökonom, dann verspricht das Gues. Es sei hier an Friedrich Alberr Lange. den trefflichen Verfasser der Gestichte des Materia#ismus erinnert, der der Soyn des origmellen Theologen Joy. Peter Lange gewesen ist. Einigermaßen mag es auch hieher gehören, wenn eines Künstlers Soyn von der Kunst sich zur Wissenschaft hiawende., aber zu solcher Wissen­schaft, die mit der välerlichen Kunst in Beziehung steht, also wenn z. B. eines Malers Sohn Kunsthistoriker wird oder der eines berühmten Schauspielers Professor der Psychologie und Aestheiik, was der Wirk­lichkeit entnommene Fälle sind. Natürlich bestimmt kein verständiger Vater, der seinerseits Genialität besitzt, seinen Sohn von vornherein für eine Laufbahn, die wieder Genalität oder doch einen sehr hohen Grad eines bestimmten Tatentes voraussetzt: kein verständiger, denn tatsächlie, ist ja mu genialem Wesen praktische Unverständigkeit seyr wohl vereinbar. Der wirklich Verständige weiß, wie unsicher die Wirkungen des Genes sind, er ist für den Erven seines Hlutes be­scheiden, er liebt ihn nicht erst als präsumtiven Nachfolger seines Ruhmes, sondern als ein Menschenkind wie andere, nur sein eigenes: und solche einfache Liebe ist stärker und schöner als aller Eyrgeiz.

Kunst, Wissenschaft und Leben.

T Wissenschaftliche Tagungen und kein Ende.

Wenn der Sommer zur Neige geht und die Herbstzeit mit ihren Morgen= und Abendnebeln einsetzt, beginnen die wissenschaftlichen Tagungen und Kongresse. Tagegen ist nichts einzuwenden; aber leider nimmt die Anzahl dieser Tagungen von Jahr zu Jahr bedenklich zu, und sie greifen auch selbst schon auf Gebiete über, die mehr oder weniger außerhalb des Kreises wissenschaftlicher Forschung stehen. Sicherlich gibt es kaum eine Spezialwissenschaft, die heutzutage ihre Angehörigen und Freunde nicht zu einer Jahresversammlung einlude. In den Ankündigungen werden die Vorträge aufgezählt, welche die Teilnehmer zu erwarten haben, und ihre Zahl ist Legion! Nicht minder werden aber auch die geselligen Veranstaltungen hervorgehoben, die die Tagung bringt, und deren Kosten ganz oder teilweise von den Städten bestritten werden, welche die Ehre haben, die Teilnehmer in ihren Mauern zu sehen. Zweifellos haben wissenschaftliche Tagungen ihr Gutes, aber wenn so ziemlich jede Unterabteilung eines beliebigen Forschungsgebiets sich jährlich einen Kongreß leistet, so scheint das doch des Guten etwas zu viel. Dazu kommt, daß auf solchen Tagungen wirklich Neues von Bedeutung nur ausnahmsweise zuerst an das Licht der Oeffentlichkeit kommt, denn die Arbeiten, über welche die Redner dort berichten, haben sie gewöhnlich vorher schon in den Fachblättern veröffentlicht. Auch gibt es Männer der Wissenschaft, denen das Reden auf den Jahrestagungen so zur zweiten Natur geworden ist, daß sie sich daza mit dem Vermerk Thema vorbehalten anmelden. Wer endlich glaubt, es würden auf den Jahresversammlungen streitige Fragen der Wissenschaft zur Entscheidung gebracht, ist im Irrtum. In dieser Beziehung brachte die Deutsche Tageszeitung dieser Tage unter der Ueberschrift Die Kongreßseuche einige Ausführungen, denen wir folgendes entnehmen: fr

Blättert man die Verhandlungen früherer Kongresse durch, dann ergibt sich eine stattliche Sammlung von Beispielen für den Satz: Die Letzten werden die Ersten sein. Nehmen wir zum Beispiel den Natur­forscherkongreß zu Speyer im Jahre 1861. Dort stand die große Semmelweissche Entdeckung von der Entstehung des Kindbeitfiebers zur Diskussion. Virchow vekämpfte wie immer als echter Fortschritts­mann auch hier den wissenschaftlichen Fortschritt und sprach sich gegen eine Entdeckung aus, die später in England dazu führte, daß Lord Lister die antiseptische Wundbehandlung ausbildete und noch später in Deutschland die aseptische Behandlung aufkam. Damals also wurde auf Jahrzehnte hinaus auf einer Naturforscherversammlung gewisser­maßen das Todesurteil über Tausende, ja Hunderttausende gesprochen, die, wenn man einem Semmelweis gefolgt wäre, hätten gerettei werden können! Semmelweis aber ging in ein Irrenhaus.... Drei Jahre später tagten die Naturforscher und Aerzte in Gießen. Dort demon­strierte der Schullehrer Philipp Reis sein Telephon. Man sollte er­warten, daß diese große Sache in den Kongreßberichten den aller­größten Raum einnehme. Aber nur eine einzige ganze Zeile steht dem fingerdicken Quartbande, weiter nichts!(Das ist indessen, wie hervorgehoben werden muß, nicht Schuld der Tagung, denn wie be­kannt werden im Tageblatt der Versammlung nur eingesandte Selbstreferate des Vortragenden zum Addruck gebracht.]Auf dem Gießener Kongresse hat sich einer der merkwürdigsten Zufälle abgespielt. Derselbe Mann, der dreizehn Jahre später den Reichspostmeister Stephan auf das Bellsche Telephon aufmerksam machte und früher als Kölner Bankherr sein Verstandnis für moderne Verkehrsmittel durch Beteiligung an Eisenbahnunternehmungen bekundet hatte, der frühere Miniter Ludolf Camphausen, hatte sich in seinen alten Tagen

wo­

engsicher Ponutsgrm.4 Schleckerei.) Auf der Jahresbersammtung hielt der Präßgve o die dieser Tage in Llandudno stattfand,

Phitippika gegen S: James Erighton=Browue eine donnernde modernen Mensc Scädtichkeiten, die Leben und Wohlbefinden des wie andere Fachm gegen die Verfälschung der Much, die die schändtesen bedeutende Fortschritte gemacht hat,

werden, gegen.e Mischungen, die als Butter aufs Brot gestrichen tauten in gesehrr Ppzizisengast Helmittel, die von berriebsamen Fabri­Kur geschmückten zen, mit Phorographienvor und nach der esteärichen Shea. a usetzen angepriesen werden, gegen die willtürtichen Theorien gewisser Steckenpferdrenter, die sich Hygiene und Ernährungsweise als Tummelplatz auserkoren haben und veispiels­weise Tomaten für den Krebs, Bananen für die Influenza, Haferbrei für die Blinddarmentzündung verantwortlich machen, gegen Modenarrheiten, wie das massenweise Vertilgen von Zitronen zu dem Zweck, schlank und ätherisch zu werden. Unter den Genußmitteln, deren Verbrauch trotz ihrer Schädlichkeit steigt, nannte Sir James die mit alkoholischen Flüssigkeiten gefüllten Bonvons, sowie eine den meisten Lesern hoffent­lich unvekannte Art von Süßigkeiten, die Chloroform enthält. Ur­

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