Aachener Courier.
Kro. 13.
Acuester Bericht über Aapoleon's letzte Augenblicke.
(Schluß.)
Die letzten Augenblicke eines großen Mannes flößen so viel
Interesse ein, daß es auf gewisse Weise eine Pflicht für Diejenigen wird, die Zeuge davon waren, der Nachwelt die Kunde daron zu überliefern. Ich schreibe hier die Erzählung der letzten Augenblicke Napoleon's auf, wie sie sich in mei
nem Gedächtniß befinden, und wie ich sie in meinen Noten aufgezeichnet habe.
Die Stunden, welche dem Tode des Kaisers vorangingen, wurden mehr zu ernsten Gesprächen und zum Lesen angewendet, als der Sorge für seine Gesundbeit gewidmet. Die letzten Vorlesungen bestanden aus den Feldzügen Hannibal's, von dem Brigade=Genecal Frederic Guillaume beschrieben, durch den Grafen Bertrand, und aus den Feldzügen des Generals Dumouriez, die ich die Ehre hatte, ihm vorzulesen.
Er diktirte zuletzt in der Nacht am 29. zum 30. April dem General, Grafen von Montholon; es war das Projekt einer militairischen Organisation Frankreich's, welches er: Première Rérerie betitelte. Von vier bis fünf Uhr Morgens diktirte er mir, nachdem der General fortgegangen war, und nannte dieß: Seconde Rérerie, und befahl mir, es der ersten beizufügen.
Ich weiß nicht, ob diese Fragmente bis jetzt publicirt worden sind. Es wäre aber bedauernswerth, wenn diese letzten Gedanken, die dem Rande des Grabes entstiegen, verloren gegangen wären. Sie waren der Schwanengesang.
Der Kaiser füblte sich so wohl, daß er, wie er mir sagte, Kraft genug zu haben glaubte, fünfzehn Stunden zu Pferde zu machen; leider sollte dieser Zustand nicht lange dauern.
In den Abendstunden des 2. Mai, zwischen acht und neun Uhr, beschäftigt mit testamentarischen Dispesitionen, und ven einer zarten Sorge für seinen Sohn erfüllt, diktirte mir der Kaiser Folgendes:
„Ich legire meinem Sohne mein Wohnhaus von Ajaccio mit seinen Dependenzen; zwei Häuser in der Umgegend der Saline mit Gärten; alle meine Güter auf dem Territorium
von Ajaccio, die ihm den Werth von 50,000 Fr. Renten abwersen können.
„Ich legire.“ Hier fand er sich so erschöpft, daß er die Fortsetzung auf den andern Tag verschob; aber mit dem Gedächtniß verlosch auch jeden Tag das Leben dieses großen Mannes. Ich kannte die Grundstücke des Kaisers in Korsika, und wußte, daß er nichts dergleichen seinem Sohne zu legiren hatte. Er war während des Tages geistesabwesend, und dieser Zustand wiederholte sich öfter bis zum 5. Mai, wo so viel Genie von der Erde verschwinden sollte.
Die Nacht vom 4. auf den 5. Mai war sehr unruhig: mitten in Phantassen und inarticulirten Worten vernahmen wir: France, Armée, es waren die letzten, die wir zu hören bekamen; der Kaiser sprach nicht mehr.
Um vier Uhr Morgens folgte Ruhe auf diese Agitation; es war die Ruhe des Muthes und der Entsagung; das Auge des Kaisers ist starr, sein Mund herabhängend; einige Tropfen Zuckerwasser, welche ihm der Doktor Antomarchi einflößt, heben den Puls; ein Seufzer entflieht der edlen Brust; wir schöpfen Hoffnung.
Um sechs Uhr Morgens treten alle Franzosen, die sich im Dienste des Kaisers befinden, in sein Zimmer; sie gebieten dem Schmerze, der sie niederbeugt; mit einer durch das Schweigen eines Sterbezimmers erstarrten Seele reiden sie sich um das Bett, das wir schon umgaben. Unsere Augen sind auf das erhabene Haupt des Kaisers geheftet, und wenden sich nur weg, um in den Blicken des Arztes zu lesen, ob noch einige Hoffnung vorhanden sey; allein umsonst, der unerbittliche Tod ist da.
Um sechs ein halb Uhr Abends vernehmen wir die RetraiteKanone, die Sonne versinkt in einem Meer von Licht; und dieß ist der Augenblick, wo der große Mann, welcher die Welt mit seinem Genie beherrschte, sich in seinen unsterblichen Ruhm verhüllt. Die Angst des Doktor Antomarchi verdoppelt sich; jene Hand, welche den Sieg leitete, und deren Pulsschlage er zählt, ist kalt geworden. Der Doktor Arnott beftei die Augen auf seine Uhr und zählt die Intervallen von einem Seufzer zum andern; fünfzehn Sekunden, dann dreißig, dann verstreicht eine Minute, wir warten noch immer, aber umsonst der Kaiser ist nicht mehr!
Seine Lippen sind entfärbt, sein Mund ist leicht verzogen, seine Augen sind starr, sein Gesicht ruhig und heiter.
In diesem Moment brechen unsere Thränen dervor, mit desto größerer Gewalt, als wir sie so lange unterdrückt batten. Die Kinder der Gräfin Bertrand waren um zehn Uhr eingetreten; sie will, daß sie noch einmal diese Hand kussen, welche sechs Jahre hindurch ihnen so viele Liebkosungen gespendet hat. Die trostlose Scene, die sie mit ansehen,