Wird jeden Samstag gegen eine Zahlung von 25 Pfg(praenumerando) p. ¼ Jahr in den Bürgermeistereien
Solingen, Dorp, Merscheid, Wald, Gräfcath und
vertbeilt.
Verantio.Herausgeber
Th. Grah., Hilden.
M 52.
r den Kreis So
Erpedition: Fr. Psters' Buchdruckerei, Hilden. Hauptagentur: Otto Albert, Solingen, Goldstr. Agenturen: Wilhelm Eicker, Obligs.— Bincenz Schmitz in Linden(Höhscheid).— Theodor Süilzer in Grätrath.
Solingen, Samstag, 27. Dezember 1390.
Anzeigen für die 1spaltige Petitzeile oder deren Raum
10 Pfg.
außerhalb des Kreises Solingen 15 Pfg.
Größere Aufträge mit entsprechendem Rabatt.
Reclamen=Zeile 30 Pf.
Druck u. Verlag von Fr. Peters.
7. Jahrgang.
13)
Der Erbe des Hauses.
Roman von Hermine Frankenstein.
(Nachdruck verboten.)
30. Kapitel.
Palestro auf Lowder's Spur.
Nachdem Lipari die ihm anvertrauten Passagiere der Verabredung gemäß in die Hände des Räubers eingeliefert hatte, schlug er den Rückweg ein, und kam spät Abends mit vollständig erschöpften Pferden vor dem Gasthof„Vesup“ wieder an, woselbst er Palestro und dessen würdige Ehehälfte noch in größter Thätigkeit unter den zechenden, spielenden und lärmenden Gästen vorfand. Der Kutscher machte eine scheinbar zufällige Handbewegung und die Verbündeten wußten, daß die kleine Reisegesellschaft wohl geborgen und aufgehoben in den Händen der gefürchteten Banditen sei.
Mit dem Schlag elf Uhr schloß Palestro den Gasthof und das verbrecherische Ehepaar zog sich in die Küche zurück, sich gegenseitig beglückwünschend über die gelungene Ausführung der Schaudthat. 1 65
„Die kleine Schönheit ziert nun Guiseppe's Höhle," begann Giuditta mit einem häßlichen Lachen,„die stolze, ehrgeizige wissen, der Räuber — und geld.
der Blödsinnige geh hörig rupfen.“
Ein schwaches Klopfen unterbrach die redelustige Frau und nun erschien in dem Rahmen der Thür Lipari, der verrätherische Kutscher, um genauen Bericht abzustatten über die Gefangennahme der Reisenden, den Heldenmuth und die Unerschrockenheit der jungen Dame. Nachdem er von Giuditta einen Theil seiner Belohnung erhalten, machte er sie noch auf die Guiseppe drohende Gefahr aufmerksam, da in Neapel Militär aufgeboten worden, um Streifzüge in die Gebirge zu unternehmen, und den rothen Carvelli aus seiner Höhle zu
zu begeben. Von hier begab er sich mit dem Eisenbahnzuge] Man wird bemerkt haben, daß er die arme, einfältige über Rom und Genuz nach England. Wir wollen bei den liebevolle Hester gar nicht mehr als Hinderniß auf seinem Einzelheiten von Palestro's Reise nicht verweilen und nur be= Wege des Verbrechens, noch in Bezug auf eine zweite Heirath richten, daß er fünf Tage später glücklich in Glocester anlangte, unter seinem gegenwärtig angenommenen Namen betrachtete. Es war der Morgen eines für England und die winterliche Er wußte nur zu gut, daß seine sanfte, junge Frau lieber ihr schönen Tges Leben opfern, als ihm geflissentlich, ein Leid zufügen würde.
Und er rechnete darauf, sie in Unwissenheit über seine falsche Stellung erhalten zu können.
Eine Woche war bereits vergangen, seit Jasper Lowder seine Frau in düstere Wildniß der Cheviot=Hügel in Northumberland gebracht hatte, nachdem er Hester in Gloam=Fell
Jahreszeit ungemein schonen Tages.
Er ging sogleich zur Post und fragte den Beamten, welcher die Briefausgabe besorgte:
„Könnt Ihr mir die Adresse eines Sir Tresolino geben, welcher in Glocester wohnt?“
„Ich keune keinen Herrn dieses Namens,“ unterbrach ihn wie= der Beamte kurz.
Palestro's Herz erbebte vor Schreck.
„Ihr kennt ihn nicht?“ keuchte er mühsam.
„Nein Herr,“ und der Beamte wandte sich von ihm ab. Ein Gedanke durchzuckte den Italiener plötzlich.
„Könnt Ihr mir vielleicht die Adresse eines gewissen Harroville— John Harroville geben?“
„Nein, mein Herr, ich kann es nicht. Wir können nicht die Spur jeder Person behalten, welche nach Briefen hierher kommt“
Palestro entfernte sich mit einem Gefühle, als ob man ihm einen Schlag ertheilt hätte, von dem er sich me erholen könnte. Er ging in die frische Luft hinaus, denn er fühlte sich
saß das
vertreiben.
Lange noch nachdem sich der Kutscher entfernt, würdige Paar beisammen.
„Glaubst Du wirklich, daß der Blödsinnige der Beuder Sir Tresolino's ist," begann Giuditta mit leiser Stimme.
„Gewiß,“ sagte Palestro.„Sir Tresolino behauptete zwar, daß er nur sein Reisebegleiter sei, aber ich denke anders. Höre einmal meine Gründe. Die beiden Mäuner sehen sich ähnlich, als ob sie in der That Brüder wären. Dieser Kranke ist der Schönere, der vornehmer Aussehende. Er ist nobel durch und durch, was man auch trotz seiner Krankheit erkennen kann. Und ich habe eine kleine Thatsache bemerkt. Die Wäsche dieses blödsinnigen Engländers war auffallend fein und elegant, seine Kleider waren vom besten Pariser Schnitt und in seiner ganzen Erscheinung verräth er, daß er an Reichthum gewöhnt ist. Nein, nein, dieser blödsinnige Engländer ist kein gewöhnlicher, bezahlter Reisebegleiter. Ich glaube, daß er der ältere Bruder des Anderen ist.“
„Der ältere Bruder?“
„Ja. Kennst Du denn nicht das englische Gesetz? Es bestimmt, daß der älteste Sohn Titel, Reichthum und Rang des Vaters erbt, der jüngere muß arbeiten, um sich den Lebensunterhalt zu erwerben, außer seine Mutter hinterläßt ihm bei ihrem Tode Privatvermögen. Nun glaube ich, daß dieser blödsinnige Engländer verletzt wurde, sein Bruder nach Hause ging und vorgab, daß er todt sei und das Erbe desselben antrat. Die Sache ist sehr einfach. Ich würde es ebenso gemacht haben!“
Giuditta's Augen funkelten habgierig.
„Ich glaube, Du hast Recht, Jacopo,“ sagte sie.„Und jetzt, wie wollen wir unsere Goldminen ausnutzen? Du mußt nach England gehen!"
Er versank in tiefes Nachdenken.
„Es ist Zeit, daß er wieder einen Brief von mir erwarten
sollte,“ sann er.„Er hat seit zehn Tagen keine Nachricht von mir gehabt und früher schrieb ich ihm so regelmäßig. Er wird schon ängstlich sein. Er wird glauben, daß dem blödsinnigen Engläuder etwas zugestoßen ist! Ich kann fast mit Sicherheit darauf rechnen, daß er heute, morgen oder übermorgen nach einem Brief kommen wird.“
Er preßte seine Lippen fester zusammen und kehrte nach dem Postamte zurück. Den Hut tief ins Gesicht gedrückt, stellte er sich gegenüber dem Ausgabeamte auf.
Eine Stunde verging— zwei Stunden. Der maskirte Wächter hatte die Geduld eines Bluthundes und zeigte keine Spur von Ermüdung.
Es war schon gegen Mittag und die Leute gngen noch immer aus und ein auf dem Postamte, als eine schlanke Gestalt in einem langen Urberrocke, dessen Kragen aufgeschlagen war und mit tief in die Stirne gedrücktem Hut auf das Postamt zuschritt.
Palestro zuckte zusammen, seine Augen leuchteten.
„Er ist es!“ flüsterte er und sein Gesicht erbleichte vor Freude.
Den Spion nicht ahnend, näherte sich Jasper Lowder denn er war der vermummte Fremde— dem Schalter und fragte mit leiser, für den athemlosen Lauscher jedoch deutlich vernehmbarer Stimme:
„Etwas für John Harroville da?“
Der Beamte suchte.
„Nichts mein Herr,“ antwortete er.
„Seid Ihr dessen ganz sicher?“ fragte Lowder in noch leiserem, jedoch etwas dringenden Tone.
„Ganz sicher,“ erklärte der Beamte bestimmt.„Es ist nichts für Euch hier.“
Lowder wandte sich um und verließ das Postamt.
Palestro schlich ihm nach.
„Jetzt gilt es, zu sehen, wohin er geht,“ murmelte er. „Ich will ihn verfolgen durch die ganze Welt, bis ich ihn in seiner Höhle fange! Er ist schlau, aber ich will noch schlauer sein. Geht nur voraus, Mylord Sir Tresolino. Ich folge Euch!“ Jasper Lowder eilte die Straße hinab, die heimliche Ver
rückgelassen hatte, eilte er wieder nach Glocester und TressilianHof, wo er etwa dreißig Stunden nach seiner Abreise anlangte.
Weder Sir Arthur noch Blanche hatten irgend einen Argwohn geschöpft, daß mit dem vermeintlichen Guy nicht Alles in Ordnung wäre.
Lowder sagte ihnen, daß er die arme Frau Lowder bis zu dem Festlande begleitet habe, und Niemand zweifelte daran, daß er in London gewesen sei. Sowohl Sir Arthur als Blanche hatten seine Fürsorge und Güte gegenüber Frau Hester Lowder sehr gebilligt, und es war leicht zu sehen, daß Lowder dadurch sehr in ihrer Achtung gestiegen war.
Den günstigen Eindruck, den er so hervorgerufen hatte, benützend, drang er mit erneuten Bitten in Blauche, und der Erfolg derselben war, daß die Mündel des Baronets endlich schüchtern einwilligte, den Hochzeitstag zu bestimmen. Sir Arthur Tressilian war mit in die Berathung gezogen worden und trotz seiner schlimmen Ahnungen und seiner bösen Gedanken bezüglich seines vermeintlichen Sohnes hatte er in Blauche's Entscheidung eingewilligt, und der 6. Februar, der nicht einmal mehr zwei Monate fern war, war zum Hochzeitstage auserkoren worden. Der Baronet war kein Freund eines langen Brautstandes.
Er selbst sagte sich, daß die Fehler, die er in dem Charakter Guy's bemerkt hatte, vielleicht das Ergebniß körperlicher Schwäche und der Gedächtnißstörung wäre, welche auf die Erschütterung und Verletzung, die er bei dem schrecklichen Schifferlitten habe, gefolgt waren. Er war ungeduldig, die Heirath vollzogen zu sehen, welche den Leichenstein auf das Grab seiner zertrümmerten Hoffnungen setzen sollte, aber er war mehr als je und über Alles um Blauche's Glück besorgt. Er bemerkte die Tiefe von Lowder's Liebe für sie und glaubte, daß ihre Neigung und ihr Einfluß den Charakter veredeln würde, der wie er zu fürchten begann, sich sehr zum Schlechten verändert zu haben schien.
Der mit Blumen bestreute Pfad des Eindringlings schien geradeaus zu dem ersehnten Ziele zu führen. Alles ging ihm nach Wunsch, kaum ein Hinderniß hatte sich ihm in den Weg gestellt. Und jetzt war der Hochzeitstag bestimmt, welcher in seine verbrecherischen Arme eine Braut führen sollte, während seine Gattin noch lebte.
Wird dieses ungeheure Vergehen an zwei liebevollen, unschuldigen Frauen gestattet werden? Wird die Gerechtigkeit des Himmels den elenden Schurken nicht ereilen, ehe er zwei Leben zerstört hat?
Jasper Lowder, der sich an seinem Triumphe ergötzte, hatte keine Furcht vor der himmlischen Gerechtigkeit.
Da der Zeitraum vor der Hochzeit nur noch ein kurzer war, wurde sogleich mit den Vorbereitungen zu derselben begonnen, Blauche und ihr Vormund hatten daher Lowder diesmal nach Glocester begleitet— die Erstere, um einige Einkäufe zu besorgen, der Baron, um einige Bücher zu kaufen, die er nothwendig brauchte, und um für seinen Liebling mehrere kostbare Geschenke aus London zu bestellen.
Die Gedanken an seine schöne Zukunft zerstreuten Lowder's Besorgnisse gar bald.
„Wenn mit Tressilian etwas geschehen wäre, würde Palestro geschrieben haben,“ dachte er.„Es war einfach nichts zu schreiben. Ich war thöricht, mich nur einen Augenblick lang beunruhigen zu lassen. Thatsache ist, daß ich von meinen
da am
„Natütlichl Ich, muß morgen mit dem Frühzuge abreisen, swährend er durch die Straßer am Freitag ein Dampfboot nach Marseille abgeht. Ich nach wurden Lowder's Schritte
folgung nicht ahnend, und Jacopo Palestro der Exschreiber Erfolgen berauscht bin.“ von Palermo, wanderte wie sein Schatten hinter ihm drein,! Er lächelte befriedigt, als er weiter ging, während Pawährend er durch die Straßen von Glocester ging. Nach und llestro unermüdlich hinter ihm drein ging, ohne ihn aus den
„Ich war einmal in London!“
Schritte langsamer, er rückte seinen Hut! Augen zu verlieren.
] Lowder näherte sich einem Modemagazin, vor welchem die squipage stand. Als er den Wagen erreicht hatte, von einer anderen Richtung auf denselben dem Wagenschlage trafen die Beiden zu
Du alle Deine Geschäfte erledigt, Guy?“ fragte
Am vergangenen Tage hatte er statt des ersehnten Briefes der Baronet.
versetzte ein langes, liebevolles Schreiben von Hester erhalten, welche!„Ja, Vater. Ich hatte sehr wenig zu thun,“ war die
gezählt, um Palestro's Ausgaben auf der Reise zu bestreiten, kannt? Hat er sich etwa zwischen den Felsen verirrt und ist! Sir Arthur stieg, während er sprach, in den mit Seide und dann vertieften sie sich wieder in ein Gespräch über ihre in's Meer gestürzt. Ach, wenn es nur so wäre. Es wäre ausgeschlagenen Wagen und legte sein Päckchen mit den
glänzenden Aussichten und machten Pläne, was sie mit dem mein größtes Glück, wenn Tressilian stürbe! Denn mit seinem Büchern unter den Sitz. Lowder stand zögernd mit einem
Vermögen unternehmen würden, das der Exschreiber aus Eng= Tode verschwindet der letzte Schatten, das letzte Hinderniß Fuße auf dem Schlage.
land mitbringen sollte. von meinem Wege!"]„Ich werde ein Wenig in den Laden gehen und nach
Als der Morgen graute, packte Giuditta etwas Wäsche] So finster und unheimlich seine Gedanken und Hoffnungen Blanche sehen,“ sagte er. Wir haben keine Eile und ich sehe und Kleider ein, ließ das Pferd satteln und noch vor sechs auch waren, brachten sie doch helle Röthe auf seine Wangen, nichts lieber, als ein junges Mädchen zwischen Seide und
Uhr verließ der Exschreiber den Gasthof, um sich nach Neapel eine freudige Lust in seine Augen. Spitzen kramend und ganz und gar in den Einkauf vertieft.“
0