31. Jahrgang. Königswinter.

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Redaction, Druck und Verlag

Mittwoch den 11. Auzust 1897.

Agentur:

s. Wittwe beber.

Expedition:

Königswinter, Hauptstraße Nr. 69.

von A. Tillewein in Rönigswinter.

M. 64.

Berlin, 9. August.

Der Kaiser und die Kaiserin sind jetzt Gäste des rus­sischen Zarenpaares. Die Begrüßung gleich bei der Ankunft war eine überaus herzliche. Als das Zarenpaar und Groß­fürst Alexis die Falltreppe derHohenzollern betreten, eilte der Kaiser ihnen entgegen, umarmte den Zaren wiederholt und küßte der Zarin beide Hände, während dieselbe Kaiser Wilhelms Stirn küßte. Der deutschen Kaiserin küßte der Zar ebenfalls die Hand, und beide Kaiserinnen küßten sich wiederholt. Der Zar erfreute den Kaiser ganz besonders durch die Ernennung zum Admirol à la suite der russischen Flotte. Ganze Flottilen mit sämmtlichen Großfürsten, der Generalität und der Suite hatten sich zur Begrüßung in Peterhof eingefunden, ferner der deutsche Reichskanzler Fürst zu Hohenlohe, der Botschafter v. Bülow, der Chef der Reichskanzlei Freiherr v. Wilmowski und das Personal der deutschen Botschaft Nach Peterhof waren die beiden kaiser­lichen Paare auf der Zaren=YachtAlexandria gefahren, auf der ganzen Fahrt begrüßt von dem Jubel der umlie­genden Kriegs= und Vergnügungsdampser und den Klängen der beiden Nationalhymnen. Nach erfolgter Landung, Be­grüßung der Großfürstinnen und dem Vorbeimarsch der Ehrenwache bestiegen beide Kaiser eine Equipage unter Vorauf­tritt einer Sotnie Leibkonvoi, sodann folgten beide Kaiserinnen in einem goldstrotzenden à la Daumont bespannten Sechs­spänner und im dritten Wagen Prinz Heinrich mit dem Großfürsten Wladimir, danach wiederum eine Sotnie Leib­konvoi und die übrigen zahlreichen Galawagen mit dem Ge­folg: und fuhren durch die Reihen der spalierbildenden Truppen und Tausender von fröhlich und festlich gestimmten Zuschauer nach dem Großen Palais. Hier ertönten bei der Ankunft der Majestäten wiederum die Nationalhymnen, und die von dem Petersburger Leibgardegrenadier=Regiment des deutschen Kaisers gestellte Ehrenwache präsentirte vor den Monarchen, welche die Front abschritten und einen glänzend ausgeführten Parademarsch abnahmen. Der Zar und die Zarin geleiteten sodann das deutsche Kaiserpaar in seine Ge­mächer, woselbst ein Fomilienfrühstück im engeren Kreise statt­fand, während für das Gefolge Marschallstafel servirt war. Nach dem Frühstück überbrachte der russische Minister des Aeußeren Graf Murawiew dem mit der Führung der Ge­schäfte des deutschen auswärtigen Amtes beauftragten Bot­schofter v. Bülow im Namen des Zaren das Großkreuz des Alexander=Newski=Lordens.

Wie nach derFrkf. Ztg. verlautel, beabsichtigen die Reichstagsabgeordneten der Bezirke Gebweiler und Rappolts­weiler, Superior Guerber und Abbe Simonis, wegen vorge­rückten Alters ein Reichstagsmandat nicht mehr anzunehmen. Die beiden Herren gehören dem Reichstage seit 1874 un­unterbrochen an.

Nachdem der neue amerikanische Zolltarif als Gesetz zur Beschaffung von Einkünften für die Regierung und zur

Auf der Spur.

Erzählung von Lady Majendie. Autorisirte deutsche Uebertragung

(Nachdruck verboten.)

(18. Fortsetzung.)

Tola hielt den folgenden Morgen ihr Versprechen; alle für die Kinderwagen geeigneten Kleinen wurden ausgeschickt, die übrigen hinter Schloß und Riegel gesperrt, und die schöne, nichts ahnende Janet ward auf eine Bank gesetzt, die man von den Biblioihekfenstern aus sehen konnte, mit derBraut von Lammermoor auf dem Knie und einer herrlichen gelben Rose im Gürtel.

Arthur hatte seinen Vater sorgfältig vorbereitet und geleitete den Oberst Curtis mit beruhigtem Gefühle in das Bibliothek­zimmer. Dort ließ er ihn während er hinaufging, um die übrige Zeit der Ungewißheit mit Tola hinzubringen.

Die Zusammenkunft dauerte nicht lange. und bald hörte man das große Bibliothekfenster sich öffnen, und die tadellos gekleidete Gestalt des Oberst Curtis wandelte den Pfad ent­lang auf Janet zu. Tola sah von einer günstigen Stellung aus hinter dem Rouleau Janet vor Erstaunen auffahren, dann einige Worte zwischen ihnen wechseln, ehe sie gemächlich nach dem Buchenwalde hin schleuderten.

sagte Tola, auf den Fußboden hinabsinkend;ich bin zehn Jahre jünger; wirklich, außer den zerrütteten Ver­mögensverhöltnissen der Familie noch stets gebrochene Herzen im Hause zu haben, würde nicht zum Aushalten gewesen sein.

Mein armes kleines Aschenbrödel! sagte Arthur zärtlich. Was willst du aber ohne sie anfangen? Ich weiß genau, wie es damit steht.

Ja. erwiderte Tolo mit Thränen, die plötzlich auf dem Ocheinden Gesichichen herabflossen,die ganze Schönheit und

Ermuthigung der Industrie in den Vereinigten Staaten unter dem 24. Juli die Gesetzeskraft erlangt hat, ist durch den kaiserlichen Geschäftsträger in Washington gegen die Er­hebung des Zuschlagszolls auf Zucker in Höhe der im Her­stellungslande bezahlten Prämien erneut schriftliche Ver­wahrung eingelegt worden.

Rußland.

Die Petersburger Stadtvertretung hat für die deutschen Marinesoldaten 4000 Packete Cigaretten übersandt. Außer­dem wird die Stadt an drei aufeinanderfolgenden Abenden je 500 Mann der deutschen Marine im zoologischen Garten bewirthen Ferner ist auf verschiedenen Eisenbahnlinien den deutschen Officieren und Mannschaften freie Fahrt eingeräumt; zahlreiche Vergnügungsanstalten haben Tausende von Frei­karten zu Concerten und öffentlichen Lustbarkeiten eingesandt, auch von verschiedenen Privatpersonen sind sehr reichliche Widmungen erfolgt. Unter den Festveranstaltungen in Peterhof wird die am Montag auf der Olgainsel stattfindende Theatervorstellung besonders heivorragen. Der Schauplatz des Festballets bildet eine griechische Tempelrnine mit auf­steigender Estrade auf schwimmender Bühne. Der Zuschauer­raum ist reich mit Weinlaub und Ephen umrankt und wird von Hunderten rother, blauer und grüner electrischer Lampen beleuchtet. Die Bühne gewährt eine herrliche Aussicht auf einen mit künstlichen, binsenumwachsenen Feiseninseln ge­schmückten See und den angrenzenden Park. Das Ballet stellt in äußerst effecwvollen Scenen und prächtigen Aufzügen die Sage von Peleus und Thetis dar.

Türkei.

Die sechs Botschafter haben nunmehr das Protokoll des Präminilarfriedens unterzeichnet. Dieses bedarf noch der Genehmigung des Sultans. Man nimmt an, daß die be­sonderen Vertreter der Pforte und Griechenlands Ende des Monats ihre Arbeiten beginnen werden. Die Botschafter haben beschlossen, keine weiteren Sitzungen in Tophane ab­zuhalten, so lange Tewfik Pascha nicht in der Lage sei, die unbedingte Erklärung seitens der Pforte abzugeben, daß die­selbe dem von den Botschaftern abgefaßten Wortlaut des Friedensvertrages zustimme.

Bulgarten.

Eine furchtbare Katastrophe hat sich in Rustschuck er­eignet. Es explodirten dort mehrere Millionen Patronen, wodurch 46 Personen getödtet und 60 so verwundet worden sind, daß schwerlich einer aufkommen wird. Andere beziffern die Zahl der Todten und Verwundeten noch viel höher. Die Ursache ist unbekannt. Im Volke spricht man von einem politischen Attentat, weil die Explosion fast genau im Mo­ment der Ankunft des Fürsten und Stoilow erfolgte. Die Annahme eines Attentats ist jedoch widersinnig, weil der Ort der Explosion weit entfernt von der Ankunft­station ist.

Poesie unseres Lebens wird mit unserer Janet dahinschwinden; nichts mehr wird uns über das Alltägliche erheben. Was für Unsinn ich aber schwatze. Janet war bereits mehr als halb fort, und diese Art Leben war ihrer durchaus nicht würdig. Nun, nun, sie wird viel zu viel im Kopfe haben. um an ihre Kleider zu denken, darum muß ich die Mutter sogleich darüber zu Rathe ziehen.

Arthur bezweifelte diesen letzten Punkt, sagte es aber nicht, sondern küßte sein Schwesterchen zärtlich. Gar manchmal sehnten sie sich alle danach, daß die Werbung vorüber wäre, es war so aufreibend, stets auf der Hut zu sein, daß nichts dazwischen komme; beim Oberst Curtis aber schien es noth­wendig.

Ich möchte wohl wissen, ob es unser ganzes Leben hindurch so sein wird? sagte Tola in verzweiflungsvollem Tone zu Arthur.

Gewiß nicht, erwiderte ihr Bruder, den sein künftiger Schwager etwas außer Fassung brachte, und der, wäre es nicht Janet's wegen gewesen, ihnen gesagt hätte, es wäre lauter Unsinn; Janet aber sah kummervoll und rührend bei ihren Trostsprüchen aus, wenn ihr Geliebter irgendwie be­lästigt wurde, daß er sich nur ärgern und schweigen konnte. Oberst Curtis gab sich zwar Mühe, leutselig zu sein; es wäre aber besser gewesen, er hätte es sein lassen, denn er verstand es durchaus nicht, mit Kindern umzugehen.

Einmal nahm er die kleine Cilly vor, ein Kind, das seine Aufmerksamkeit durch sein goldenes Haar und seine großen Augen auf sich zog und verhieß, einst so schön zu werden wie Janet. Er ergriff die Kleine, hielt sie bei den Händen und glaubte, es wäre sehr gescheidt von ihm, als er sie fragte: Nun, sag' mal, kleine Cilly bist du ein sehr kluges kleines Mädchen?

Ja.

Kannst du mir eine hübsche Hymne hersagen, die du ganz allein geleint hast?

Vom Ueberschwemmungs=Gebiet.

Berlin, 8. August.

Die Noth in den Ueberschwemmungs=Gebieten ist nicht nur in diesen selbst, sondern auch in den nicht betroffenen Gegenden Gegenstand eingehendster Erörterung. Die Kaiserin Friedrich hat für die Ueberschwemmten dem Berliner Cen­tralcomitee 3000 Mark überwiesen. Die bisherigen Resultate sind als erfreulich zu bezeichnen: in den zwei Tagen beträgt die Einnahme gegen 25000 Mark. DieVoss. Zeitung hat bisher 36 058 Mark in die Nothstandsgebiete senden können. In Berlin werden allerlei Wohlthätigkeitsvorstell­ungen und Feste veranstaltet. Das Comitee, welches sich unter dem Protectorale des Herzogs Ernst Günther von Schleswig=Holstein gebildet hat, wird am Sonnabend den 14. und Montag den 16. d. M. in den neuen Räumen des Belle=Alliance=Theaters Vorstellungen und Gartenfeste ver­anstalten, deren Mittelpunct Aufführungen unter persönlicher Leitung des Componisten Herrn Capellmeisters Erben aus Frankfurt a. M sein werden; daran schließen sich noch Pro­menaden Concert und Vorstellungen auf der Sommerbühne im Garten. Zu Gunsten der Ueberschwemmten im Kö­migreich Sachsen veranstaltet der Sachsen=Verein am Don­nerstag den 12. August auf Tivoli ein großes Militär=Dop­pel-Concert. Ein großes Wohlthätigkeitsfest veranstaltet auch die Charlottenburger Flora zum Besten der Ueber­schwemmten am Sonnabend, den 21. August. Herr Ober­bürgermeister Zelle theilte in einem persönlichen Handschreiben der Direction mit, daß er von diesem Vorhaben sehr erfreut Kenntniß genommen und dem Comitee von dem geplanten Feste Kenntniß geben werde.

Wie surchtbar die Wolkenbrücht, welche das Hochwasser herbeigeführt haben, gewesen sein müssen, geht daraus her­vor, daß allein auf dem ctwa 107 Quadrol=Kilometer um­fassenden Gebiete der Somnitz und Eglitz, die zwischen Schildan und Eichberg den Bober erreichen, in den 24 Stunden vom 29. morgens bis zum 30. ebendahin rund 20 Millionen Cubikmeter Regenwasser gefallen sind.

Officiös wird geschrieben: Im Regierungsbezirk Liegnitz und namentlich im Kreise Hirschberg sind manche Ortschaften in kaum zu beschreibender Weise heimgesucht worden. Neben der Vernichtung eines großen Theiles der Ernte und arger Zerstörung der Wege und Brücken sind vielfach die Aecker, Gärten und Wiesen selbst schwer verwüstet und sogar zahl­reiche Gebäude ganz oder zum Theil zerstört. Hier wird sicher mit der freiwilligen Hilfsthätigkeit wenig zu erreichen und mit öffentlichen Mitteln zur Verhütung von Nothständen und zur Erhaltung im Besitz-, Haus= und Nahrungsstande einzuspringen sein. Aber, wie schwer im Einzelnen die Hoch­wassercalastrophe war, so hat sie doch bei ihrer nicht allzu großen räumlichen Ausdehnung nicht den Tharacter einer Landescalamität, und man kann auch in den vom Hoch­wasser am meisten heimgesuchten Kreisen von einem allge­meinen Nothstande nicht reden. Auch ist es leider zu

Man denke sich die Angst, mit welcher Tola und Arthur hörten, wie Cilly sofort

Der liebeskranke Jüngling ritt zur Thür hinaus Papa stürzt' auf ihn mit Saus und Braus", herzusagen aufing.

Beide zugleich liefen auf sie zu; Arthur erfaßte Cilly und Tola begann eilig:Nein, nein, Cilly! Der Oberst Curtis will eine Hymne hören,

Ach wie die kleine geschäftige Biene"

Es ist kaum der Mühe werth, das Kind Verstellung zu lehren, Fräulein Denstone, sagte Oberst Curtis.Das Ge­dächmiß der Kinder ist von seltener Treue, und die ordi­närsten Verse, die sie haben deklamiren hören, werden zuweilen so von ihnen wiederholt. Ich würde Ihnen empfehlen, mit ihrer Bonne darüber zu sprechen.

Als ob ich nicht mehr von dem Gedächtniß der Kinder wüßte, als sie!" dachte Tola, wenngleich sie tiet dankbar dafür war, daß die Verse der schwer angestrengten Martha zugeschrieben wurden. Sic trug Cilly daron und machte die Dinge schlimmer dadurch, daß sie versuchte, ihr einzu­prägen, daß die Verse garstig wären und nicht hergesagt werden dürften.

Der Oberst Curtis nahm Cilly später insgeheim vor und bat sie, sie herzusagen; regelmäßig enfant terrible aber wie sie war, weigerte sie sich und sagte, Tola meinte, sie wären garstig, wisse aber nicht warum, denn Tola gefielen Tommy's Verse stets, und als er sie zuerst sang, hätten sie und Arthur recht sehr gelacht.

Der Oberst Curtis war klug genug, zu schweigen, gelobte aber bei sich, daß, sobald die Hochzeit vorüber wäre, er es seiner schönen Braut klar machen wolle, daß er sie gehei­rathet habe, nicht aber ihre zahlreiche Familie.

(Fortsetzung folgt.)