Publikationsorgan für die Bürgermeisterei Oberkassel

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Nr. 15.

Oberkassel(Siegkreis), Mittwoch den 21.

1912.

Dom Reichstag.

Schlag auf Schlag gibt es im deutschen Reichstage bedeutsame Ereignisse, nachdem die wiederholt verun­glückte Präsidentenwahl Mitte voriger Woche endlich vollzogen war. Tags darauf kündigte der Reichskanzler v. Bethmann Hollweg an, daß tatsächlich Besprechungen mit England eingeleitet seien, um freundlichere Bezieh­ungen herbeizuführen. In der folgenden Sitzung ließen der leitende Staatsmann und der frühere Staatssekretär des Innern Graf Posadowsky laute Mahnworte an die hürgerlichen Parteien zur Sammlung gegenüber der Sozialdemokratie erschallen, und am letzten Tage der Vorwoche prasselten die Ordnungsrufe des Präsidenten Kämpf auf den sozialdemokratischen Abg. Ledebour nieder, der den Reichskanzler wegen seiner tags zuvor gehalte­nen Rede und den Staatssekretär v. Kiderlen=Wächter wegen dessen Marokkopolitik heftig angegriffen hatte. Der Staatssekretär konnte mit gutem Recht auf die Leistungen der deutschen Politik hinweisen. Als eine leichte Wolke erschien von neuem der Streit um die Erbschaftssteuer am politischen Horizont des Reichstages, die Abg. Gröber vom Zentrum entschieden bekämpfte, während Reichsschatzsekretär Wermuth erklärte, daß ohne diese Steuer eine volle Gesundung der Reichsfinanzen nicht möglich sei.

Dann kam die Lösung der Frage:Wie wird der Kaiser das Reichstagspräsidium empfangen, da der erste Vizepräsident Scheidemann es mit seinen sozialistischen Anschauungen nicht vereinigen kann, dem Oberhaupte des Reiches die herkömmliche Aufwartung zu machen?" Die durch das Kaiserliche Hofmarschallamt erteilte Ant­wort, der Kaiser danke für die Mitteilung von der Kon­stituierung des Reichstages sei aber verhindert, das Präsidium zu empfangen, kam nicht unerwartet, und hat außerhalb des Reichstages, mehr Aufsehen erregt. wie in diesem selbst. Der Reichskanzler hatte seine Worte vom Freitag in die Praxis umgesetzt, indem er dem Kaiser vorschlug, vom Empfange des Präsidenten und des zweiten Vizepräsidenten abzusehen, da es üb­lich sei, nur das ganze Präsidium im Schlosse in Audi­enz zu empfangen.

Im Reichstage ist die Anschauung die allgemeine, daß dieser Zwischenfall an den tatsächlichen Verhältnissen nichts ändert. Solange ein Mißtrauensvotum aus dem Hause erfolgt, bleiben die drei Präsidenten bis zum 13. März im Amt, wo, wie stets in der ersten Session einer Wahlperiode, die endgültige Wahl des Präsidiums zu erfolgen hat.

* Berlin, 20. Febr. Der Kaiser hat heute vormittag mit dem Reichskanzler in dessen Palais abermals eine Besprechung gehabt.

* Berlin, 19. Febr. Die Norddeutsche Allgemeine Zeitung meldet: Der Reichskanzler v. Bethmann Holl­weg empfing gestern vormittag den Besuch des fran­zösischen Botschafters Cambon.

* DreiParlamente an einem Tag! Das ist etwas reichlich, und doch tagten sie am Montag gleichzeitig in Berlin: Der Reichstag, das Abgeordnetenhaus und die Generalversammlung des Bundes der Landwirte. Wäre auch das Herrenhaus, das erst Anfangs März zusam­mentritt, bereits versammelt, dann wären es ihrer sogar vier gewesen. Am Donnerstag wird das italienische Parlament eröffnet, um sich vor allem mit dem Krieg und der von der Regierung proklamierten Annexion Tripolitaniens und der Kyrenaika zu beschäftigen. Später wird es heftige Auseinandersetzungen über die Wahl­reformvorlage geben. Am nächsten Dienstag nimmt in München das neu gewählte Abgeordnetenhaus seine Ar­beiten auf. Ihm wird sich das neue Ministerium des Freiherrn von Hertling vorzustellen haben.

* Ueber die höfischen Pflichten des sozialdemokratischen ersten Vizepräsidenten sagte der Abgeordnete Bebel zu einem nationalliberalen Parlamentarier lautFrankf. Ztg.: Unser Genosse wird zu Hofe gehen, wenn der erste Präsident verhindert ist, und er wird ein Kaiserhoch ausbringen, wenn der erste Präsident nicht da ist. Die Verpflichtung, neben dem ersten Präsidenten zu Hof zu gehen, hat man seitens der Sozialdemokraten abgelehnt, ebenso hat man es abgelehnt, für die Mitglieder der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion eine Erklärung dahin abzugeben, daß sie künftig bei einem Kaiserhoch den Saal nicht mehr verlassen und sich von ihren Plätzen erheben würden. Man könne die einzelnen doch nicht festhalten.

* Berlin, 19. Febr. Eine von mehr als 3000 Per­sonen besuchte Versammlung der im deutschen Schnei­derverband organisierten Herrenschneider nahm gestern den Bericht über die Tarifverhandlungen mit den Arbeit­gebern entgegen. Am 22. ds. soll in Frankfurt a. M. eventl. ein Tarifvertrag abgeschlossen werden. Wenn auf der Konferenz der Hauptvorstände der beiden ver­tragschließenden Organisationen, die in Frankfurt unter Zuziehung der Ortsvertreter der in Frage kommenden 32 Städte auch nur für einen Ort keine Vereinbarung erzielt wird, so gelten die gesamten Verhandlungen als gescheitert: Dann wird am 1. März der Kampf auf der ganzen Linie ausbrechen.

* Eine neue deutsche Partei fordert eine Zuschrift der Berl. N. N., in der es heißt, daß eine Trennung der nationalliberalen Partei unumgänglich sei. Der linke Flügel der Partei werde sich dem Fortschritt anschließen, der rechte Flügel aber könne und müsse den Grundstock zu einer neuen nationalen Partei bilden, der sich die Freikonservativen und manche Wilde unter der Führung des Grafen Posadowsky angliedern würden. Die natio­nalliberale Reichstagsfraktion hat in der einstimmigen Wiederwahl Bassermanns zum Führer soeben ihre Einig­

keit bekundet, so daß mit dem Zerfall der nationallibe­ralen Partei einstweilen nicht zu rechnen ist.

* Wien, 17. Febr. Graf Aehrenthal ist heute abend um 9 Uhr 45 Min. gestorben. Der österreichisch=unga­rische Minister des Auswärtigen, Graf Alois Lexa von Aehrenthal, als dessen Nachfolger in erster Linie der Reichsfinanzminister Burian ausersehen war, wurde am 27. November 1854 geboren. Die Familie leitet ihre Herkunft von einem jüdischen Getreidegroßhändler Lexa her, der im siebenjährigen Krieg von der Kaiserin Maria Theresia in den Freiheitsherrnstand erhoben worden war und den Namen Lexa Aehrenthal erhielt. Baron Alois trat in den 70er Jahren in den diplomatischen Dienst ein, war als Attachee in Paris und Petersburg tätig und arbeitete darauf im Auswärtigen Amt zu Wien. 1895 wurde er Gesandter in Bukarest und schon ein Jahr darauf Botschafter in Petersburg, wo er zehn Jahre verblieb. Am 24. Oktober 1906 wurde er als Nachfolger des Grafen Agenor Goluchowski Minister des Auswär­tigen. Sein großes Verdienst in diesem Amte war die Annexion Bosniens und der Herzegowina, wofür er den Grafentitel erhielt. Seine zahlreichen Gegner behaupten allerdings, daß diese territoriale Bereicherung Oesterreich= Ungarns weit mehr ein Werk des Thronfolgers als ein solches Aehrenthals war, und daß dieser den Dreibund, namentlich die Beziehungen Oesterreich-Ungarns zu Ita­lien, nicht genügend gepflegt habe. Alles in allem war Graf Aehrenthal jedoch ein hervorragender und besonders ein energischer Staatsmann.

* London, 19. Febr. Auf einem Festbankett, das von der Londoner Universität veranstaltet worden war, hielt gestern Lord Haldane eine Rede, in der er u. a. erklärt: Ich wünsche nichts lebhafter, als über Berlin zu reden, da Gerüchte verbreitet worden sind, daß ich mich studi­enhalber nach der deutschen Reichshauptstadt begeben habe. Während meines Berliner Aufenthaltes bin ich Herren in den höchsten Stellungen begegnet, die vom Universitätsgeist beseelt waren. Ich hatte mit ihnen Unterredungen über verschiedene Fragen. Wir haben nicht nur die Ereignisse vom deutschen oder englischen Standpunkte aus betrachtet, sondern wir haben uns auf einen erhabenen Standpunkt gestellt, nämlich den des Weltalls. Ich hatte Gelegenheit, mir Rechenschaft über die Art, wie die Ereignisse von beiden Teilen aufgefaßt werden, abzulegen. Unsere Besprechungen waren nicht nur sehr offen, sondern ich glaube, daß ich nichts ver­gessen habe. Das ist alles, was ich ihnen über meinen Berliner Aufenthalt sagen kann und es ist tatsächlich sehr viel. Wie aus englischer Quelle verlautet, hat Kaiser Wilhelm Lord Haldane, als er sich von ihm ver­

abschiedete, eingeladen, für einige Tage im Frühjahr sein Gast im Achilleion auf Korfu zu sein.

Novelle von E. Vely.

301(Nachdruck verboten.)

Hast keine Furcht?

O nein!

So ists recht! Giebt auch mehr wie eine Feuerwächter­frau an den Küsten, die ab und an ihren Mann vertritt. Und sieh, solch Eine wirst Du auch. Dann verschwindet sein lächeln­des Gesicht.

Sie faltet die Hände über dem Herzen, das so angstvoll pocht, und stößt einen Wehruf aus. Sie möchte, die wilden Wogen, welche da drüben mit den vielen Menschenleben spielen, erschütterten auch den Thurm, auf dem sie jetzt steht. Aber das wird nicht sein, Fritz West kehrt zurück und legt ihr die goldene Kette um sie weiß es jetzt, was sie ihm versprochen hat, was ihr Hiersein für ihn bedeutet. Sie meint plötzlich, Nebel zerrinnen vor ihren Blicken, und es wird klar in ihrem armen Kopfe.

Sie soll mit Fritz West unter demselben Glockengeläut zur Kirche gehen, das an Jo's und Meerie's Hochzeitstag er­klungen ist!

Jo ist auf dem Meere vielleicht jetzt von den Wellen begraben!

Sie tritt an das Glas, aber vor dasselbe haben sich schon die Schleier der Dämmerung gelegt

Wenn Jo doch wiederkehrt? Beide Arme hebt sie verzweiflungsvoll empor ihr nicht, ihr nicht der Meerie ihr muß er lebendig todt sein sie ist Maniel Hay's Kind. Taucht da nicht Meerie's höhnisch lächelndes Gesicht auf? Wie schnell die gelernt hat, übermüthig sein.

Und dort ist Reick und deutet mit der Hand meerwärts

ja, in's Meer ist Hineck Toben gezwungen von ihres Vaters Hand!

Und rettet Gottes Schutz und die Kraft der braven Männer den Jo auch ihr ist er ja verloren mehr als je

Fort haben sie gewollt miteinander, war's so nicht? Ist das Wahnsinn, was in ihrem Hirn wühlt, so daß sie keinen richtigen Gedanken fassen kann?

Kehrt er wieder, ist er für immer Meerie zugehörig. Wird sie's ertragen? Sie ist ja Fritz West's Braut soll sie auch den betrügen?

Sie stößt einen schrillen Schrei aus sie will den Jo nicht der Andern gönnen, sie will nicht!

Was hat Reick gesagt, die eigene Mutter? Daß sie den Sohn lieber todt sieht

Wie sich die Laterne dreht, langsam, regelmäßig, den feuer­rothen Strahlenschein weit hinaus sendend das Wahrzeichen

auch für Jo

Dunkel ist's schon auf dem Meere wenn sie die La­terne nicht mehr erblicken, ist's schwer, den Weg zur Insel zu­rückfinden.

Ein wildes Auflachen sie steht neben dem Strahlenfeuer

ein Druck ihrer Hand und es erlöscht.

Sie hat nicht besser sein wollen als ihre Mutter und mit dem Jo fortgewollt soll sie besser sein als Reick, die gesagt hat, daß sie ihn lieber todt vor sich sähe besser, als ihr Vater, der ein Mörder vor seines Kindes Ohren ge­nannt wird?

Nein, nein, nein!

Sie streckt den Arm aus, das Licht erlischt, mit einem wahn­sinnigen Lachen eilt sie die Treppe hinab drunten antwortet plötzlich ein Schrei dem ihren, eine Gestalt rennt an ihr vorbei dem Thurm zu sie hört das Brausen des Meeres, es lockt, es will sie zur Ruhe betten, dem vereinen, den ihr das Leben versagte.

Ueber die Dünen hin, vom Wind gepeitscht jetzt fühlt sie die Tropfen in ihr Gesicht schlagen gerade so weit reichen die Kräfte noch dann ein Sturz

Sie spähen athemlos am Strande nach den Schiffen aus, nun die eigenen Leute mit dabei sind, ist's doch noch anders. Nur kurze Bemerkungen rauner sich die zurückgebliebenen

Männer zu, dann und wann kommt ein hastiges Stoßgebet von den Lippen der Frauen; die Kinder sind bang geworden und bergen die Gesichter in den Falten der mütterlichen Ge­wänder.

Vom Leuchtthurm herab blitzt der Lichtschein, Geerteerd hat ihre Botschaft ausgerichtet, aber wenn's auch für später, denn die Dämmerung wird rasch einfallen, ein Wahrzeichen ist, jetzt nützt's denen da draußen auf den empörten Wogen nicht. Tapfer kämpfen sie sich mit dem Rettungsboot durch, aber immer wieder wird es von den Wellen zurückge­schleudert.

Sie kommen nicht d'ran, murmelt Einer.

Vergebliche Arbeit ist's, ein Anderer

Gott steh' ihnen bei! betet eine Wittwe, deren Mann auch bei einem Rettungsversuch vor Jahren geblieben ist.

Das eigne Leben geben sie dafür her, spricht ein Alter und seine Lippen beben, denn sein Bruder führt das Boot.

Nur Reick hat keinen Ausruf, kein Stoßgebet, keine Thräne sie blickt starr vor sich hin; der Wind zaust ihre Haare, drückt das schwere Gewand fest gegen ihre Glieder, ihre Hände hängen herab.

Reick, sagt eins der unbetheiligten Weiber zu dem andern und stößt das dabei bedeutungsvoll an.

Ja, und Meerie sitzt mit Talke am Feuer und wissen beide nicht d'rum! ist die Antwort.

Hoho ho! schreit der alte Kapitän, sie bringen's nicht fertig!

Eine peinvolle Stille in den Menschengruppen Maniel Hay hebt immer den rechten Arm, als wolle er Zeichen geben, dann ist er's, der nach einer Weile schreit: Sie sind am Segel­boot.

Nun strengen sie Alle die Augen an, durch das Wogen­und Wolkengrau zu sehen, ob die Insassen des Bootes ge­rettet werden und wie viele es sind.

(Fortsetzung folgt.)