45. Jahrgang Nr. 1305!

Mittwoch, 9. Oktober 1934

Gründungssahrides Detlages 1723

Druck und Verlag:

Bonner Nachrichten G. m. d. H. Bonn a. Ro.

Bezugspreis: monatlich.00.#4 Illustrierte: 30 4

Anzeigen:

Groß=Spalte(46mm)mm 184 Textanzeigen(7Smm) mm 100 4 Einspaltige Anzeigen mm 155 Vereins=Anzeigen mm 10 Familien=Anzeigen

von 2 Spalten an mm 104 Stellengesuche mm 56 Gelegenheits=Anzeig. Wort 54 Näheres Tarif.

für Bonn und Amgegend

Bonner Nachrichten

Godesberger Nachrichten= Siegburger Nachrichten= Euskirchener Nachrichten

3

Hauptscheiftleiter und verantwortlich für den politischen Toil:

Dr. Egon=Erich Albrecht

Hauptschriftleiter u. ver­

antwortlich für den Abrigen Iuhalt:

Heinz Dohm. Verantwortlich für Anzeigen: Albert Dubberke. Alle in Bonn a. B9. Durchschn.=Aufl. VIII/34: 20 400 Geschäftostelle: Bahnhosstr. 12. Sprechstunden der Redaktion: 10½ und 1718 Udr. Sammelruf: 385153. Ferngespräche 3853. Postscheckkonto Köln 18672.

Der Führer in Weimar

Der Führer, der Montagabend vom Kyfshäuser kom­mend in Weimar eingetroffen war, verlebte am Dienstag bei wundervollstem Wetter einen Tag in Wei­mar. Herrliche Spaziergänge durch die Parks von Tiefurt und Belvedere, Besichtigung des Schlos­

ses Tiefurt und eine Stunde mittags unter den begei­sterten Weimarern waren das Kennzeichen des Tages. Der Führer stattete ferner der Frau Förster­

Nietzsche, der Bewahrerin des Nietzsche=Archivs, einen Besuch ab. Abends besuchte der Führer die Neuinszenie­rung vonLohengrin im Nationaltheater. Die Neuinszenierung an dieser klassischen Stätte deut­scher Kunst kann als durchaus gelungen bezeichnet werden.

Die Bevölkerung, die sehr schnell von der Anwesenheit des Führers in Weimar erfahren hatte, hatte sich zu Tausenden vor dem Nationaltheater eingefunden und brachte dem Führer begeisterte Huldigungen dar.

Der Geburtstag des toten Reichspräsidenten

Kranzspenden am Grabe des Feldmarschalls

Bereits in den frühen Morgenstunden hat am gestri­gen Geburtstag des verewigten Reichspräsidenten, des Generalfeldmarschalls von Hindenburg, ein unge­heurer Menschenstrom ganz so wie am Tage nach der feierlichen Beisetzung zum Tannenberg=Denk­mal eingesetzt. Generalmajor von Hindenburg legte als Erster am Grabe des toten Feldmarschalls gegen

7 Uhr morgens einen Kranz mit Chrysanthemen und Veilchen nieder. Unzählige Scharen harrten bis 8 Uhr vor dem noch verschlossenen Tannenberg=Denkmal. Um

8 Uhr zog die Ehrenwache auf: zwei Posten vor dem Feldherrnturm, zwei Posten in der Gruft und zwei Posten vor dem Außenportal. Generalleutnant von Brauchitsch, der Wehrkreiskommandeur des Wehr­kreises I, erschien pünktlich um 11 Uhr und legte einen Kranz des Führers, des Reichswehrministers Ge­neraloberst von Blomberg und der deutschen Wehr­macht nieder.

Aus allen Teilen Ostpreußens erschienen im Laufe des Vormittags Abordnungen, die Kränze aus den einzel­nen Städten, von Verbänden usw. überbrachten. Um 12 Uhr traf Landeshauptmann Blunk ein, der im Namen des Oberpräsidenten Koch einen Kranz nie­derlegte, dessen Schleife den Ausdruck trugDem Ret­ter der Heimat namens der dankbaren Provinz Ostpreußen. Oberbürgermeister Dr. Will legte einen Lorbeerkranz nieder, dessen Schleife die Farben der Stadt Königsberg und die Inschrift Unserem unvergeßlichen Ehrenbürger. Die Stadt Kö­nigsberg" trug. Im Auftrage des preußischen Mini­sterpräsidenten wird Dr. Bethke einen Kranz nieder­legen, der die Aufschrift trägt: Das dankbare Land Preußen. Der Ministerpräsident".

Im treuen Gedenken an den Geburtstag seines ver­ewigten Schirmherrn legte der Kyffhäuserbund an der Gruft des Reichspräsidenten Generalfeldmarschall von Hindenburg einen=Kranz mit Widmungs­schleife nieder.

Vizeadmiral a. 9. Oldekon 90 Jahre

Am 3. Oktober d. J. feiert in Hannover der Vize­admiral a. D. Oldekop, wohl der älteste lebende Zuuge des Werdens der deutschen Marine, seinen 90. Geburtstag. Admiral Oldekop ist am 1. Mai 1865 als Offiziersanwärter in die königslich preußische Marine eingetreten. Im Jahre 1899 wurde er auf seinen Wunsch zur Disposition gestellt, nachdem er in den letzten vier Jahren seiner Dienstzeit die Stellung des Inspekteurs des Bildungswesens der Marine innehatte.

Ungarus Verhältnis zu den europäischen Staaten

Eine Rundfunkrede des Ministerpräsidenten Sömbös Aus Anlaß des zweiten Jahrestages der Regierungs­übernahme durch Gömbös sprach der Ministerpräsident im Rundfunk. Als Leitmotiv der ungarischen Politik stellte Gömbös folgende Sätze auf: Aufrechterhaltung alter Freundschaften, Schaffung neuer Freundschaften, Kampf mit friedlichen Mitteln um die Vertragsrevision und Sicherung des Bestandes der unter Fremdherrschaft gelangten ungarischen Minderheiten. Diese Ziele seien gleich wichtig. Gömbös ging weiter auf das Verhältnis Ungarns zu den europäischen Staaten ein. Die auf­richtige Freundschaft und das Zusammenwirken mit Italien sei unverändert fest und bilde einen starken Pfeiler der ungarischen Außenpolitik. Mit Oesterreich befinde sich Ungarn ebenfalls in freund­schaftlichem Verhältnis, das im Laufe der Jahrhunderte niemals so tief und aufrichtig gewesen sei wie gerade jetzt. Gegenüber Deutschland hege Ungarn unverändert starke Sympathie und hosse, daß das

jeder Beziehung den ihm mit Recht gebührenden Platz in der Gemeinschaft der Nationen einnehme und zu einer gewaltigen Quelle der friedlichen schöpferischen Arbeit des modernen Nachkriegseuropas würde. Er zweifle nicht daran, so erklärte Gömbös weiter, daß Ungarn auf die Sympathie Großbritanniens auch in Zukunft rechnen könne und hoffe, daß seine bevorstehende War­schauer Reise außer dem europäischen Frieden auch das geistige und kulturelle Zusammenwirken zwischen Ungarn und Polen fördern würde. Nach Beto­nung der Freundschaft zu Bulgarien und der Tür­kei erklärte Gömbös, daß er die Freundschaft Frank­reichs und die Besserung der Verhältnisse zur Kleinen Entente aufrichtig wünsche. Eine franzosenfreundliche Politik sei aber nur im Falle des Vorhandenseins der realen objektiven Vorbedingungen möglich.

Im Reichsministerium für Propaganda und Volks­aufklärung fand Dienstag eine Tagung der Landes­stellenleiter statt, auf der Dr. Goebbels in mehr als einstündigen Ausführungen die Richtlinien für die Arbeit der Landesstellenleiter bekanntgab.

Der preußische Ministerpräsident Göring hat aus Anlaß des 15jährigen Bestehens der Tech­nischen Nothilfe an die Reichsfühlung der Tech­nischen Nothilfe ein Glückwunschschreiben gerichtet.

Sehr ernste Krisenzeichen im Sowjetstaat

Roskan kann die schon jetzt nötigen Getreidekäuse im Ausland nicht mehr bezahlen Vor einer ungeheuerlichen Hungersnot in Sowjetrußland

Die Londoner Daily Mail und die Morningpost haben gestern die Meldung gebracht, daß die Russen am 1. Oktober ihre fälligen Verpflichtungen in Eng­land nicht gezahlt haben und daß sie eine Ver­längerung der Zahlungspflicht bis 15. Oktober nach­gesucht haben. Die Morningpost schreibt, daß sei das erste Mal, seit Russenaufträge bei der englischen Indu­strie liefen, daß die Russen nicht zahlen könnten. Mit. der Nichtzahlung ihrer fälligen Verbindlichkeiten am 1. Oktober ist

in London ein starker Sturz der im Freiverkehr gehandelten russischen Währung

eingetreten. Die Londoner Abendblätter vom Montag schreiben von einer 20 bis 30 Prozent Minderbewer­tung.

Am gleichen Tage gibt das Deutsche Nachrichtenbüro eine Pariser Meldung aus, wonach in Sowjetruß­land alle Schmuckstücke, Edelsteine usw. beschlagnahmt würden. Die Meldung des Deut­schen Nachrichtenbüros gründet sich auf Berichte von Rußlandreisenden und läßt deutlich durchblicken, daß die Sowjets in Finanznöten sind.

Im Zusammenhang mit diesen Rußlandmeldungen steht auch eine holländische Courantmeldung, wonach die Russen zwar in grohen Mengen aus dem Rotterdamschen Hofen Getreide kaufen.

(Wenige Wochen nach der russischen Ernte!!), daß sie aber diesesmal Ratenzahlungen beanspruchen, worauf man in Holland nicht eingehen wolle. Deshalb sei erst ein Getreidedampfer aus Rotterdam nach Ruß­land abgefahren, während drei weitere im Hafen liegen und auf die notwendigen Geldüberweisungen aus dem Sowjetstaat warten.

Die vorstehenden Meldungen stellen Ueberraschungen dar, wenn auch diese Entwicklung der russischen Finanz­lage von Kennern der Verhältnisse wiederholt voraus­gesagt wurde. Noch weiß man nicht, ob nur vorüber­gehende Stockungen im russischen Zahlungsverkehr sind, oder ob sich wirkliche

Zerfallverscheinungen der gunzen russischen Plau­wirtschaft

bemerkbar machen. Man hat jetzt auch eine Erklärung für die vielen Lohnstreiks in der staatlichen Industrie des Sowjetreiches und für die kürzsich gemel­dete Anweisung des Nates der Volkskommissare, das

neue Fünfjahresprogramm, soweit es Neu­bauten und finanzielle Verpflichtungen betrifft, zu unterbrechen.

Es können Sturmzeichen sein, die aus dem Osten kommen, sie brauchen es aber nicht zu sein.

In jedem Falle sind es ernste Verwicklungen, die im Sowjetreich sich jetzt geltend machen und die sich in der nächsten Zeit noch weiter auswirken werden.

Schon jetzt kommen von der deutschen Justiz verfolgte Schwerverbrecher lieber aus Sowjetrußland, wo sie nie­mand verfolgt, nach Deutschland zurück mit der Erklä­rung:

Lieber im deutschen Zuchthaus, als im Hungerland Rußland.

Es gibt keinen besseren Beweis für die abgrundtiefe Not, für die wirkliche Verfahrenheit der inneren Ver­hältnisse Rußlands, als diese Worte der zur Strafver­büßung nach Deutschland zurückkehrenden Kommunisten. Moabit hat innerhalb zwei Monaten vier solcher Fälle erlebt.

Es ist zu fürchten, wenn die Verknappung der Finanz­lage sich weiter fortsetzt, daß dann

im Winter ein Massensterben von Millionen Menschen im Sowjetreich einsetzt, das aller Vorstellung spottet.

In Paris freut sich Herr Barthon dieses Bundes­genossen. In Rußland selbst aber fehlt Geld, um die Auslandsverpflichtungen zu decken, um das Auslands­getreide zu bezahlen, und um die eigenen Bürger des Landes am Leben zu erhalten.

Die Bolschewiki sind eine Tragödie für ihr Volk hatte bekanntlich Lloyd George nach dem berühmten Rapallovertrag ausgerufen. Sie werden eine Tragödie für die Welt werden. Und je größer ihre eigene Not wird, desto intensiver und gefahrdrohen­der wird ihre Revolutionstätigkeit in den anderen Län­dern der Erde, um ihre Herrschaft im eigenen Lande zu verlängern. Es krifelt sichtbar im Gebält des großen Bolschewiktreiches.

England verweigert eine Anleihe an die Sowfeto

Wie Daily Expreß heute meldet, sind die Versuche Sowjetrußlands, in London eine langfristige Anleihe von 50 Millionen Pfund aufzunehmen, gescheitert. Jedenfalls hat die Bank von En­'­diese Anleihe eingelegt.

Aeberau Hariamentarismus in Roten

Das estländische Parlament ausgelöst

Staatspräsident Paets hat Dienstagnacht dasest­ländische Parlament aufgelöst. Das jetzt aufgelöste Parlament hätte verfassungsmäßig bereits am 1. Mai d. I. seine Tätigkeit einstellen sollen, da aber nach Schaffung der autoritären Regierung Paets­Laidoner und nach Verhängung des Ausnahmezustan­des die Parlamentswahlen verschoben wurden, blieb das bisherige Pärlament im Amte. Seine Rechte wur­den allerdings stark beschnitten. Die Regierung ließ vor Eröffnung der Herbsttagung den Abgeordneten mitteilen,

daß eine zersetzende Keitik der Regierungsverhand­

lungen von der Parlamentstribüne herab nicht zu­gelassen werde.

Als am Dienstag zwei Abgeordnete dennoch in aus­gesprochener Form die Regierungsmaßnahmen kriti­sierten und sie als undemokratisch bezeichneten, er­folgte die Auflösung des Parlaments. Sehr bezeichnend ist, daß einer der Oppositionsredner zum Bauern­bund gehörte, also zu der Partei, aus der auch der Staatspräsident hervorgegangen ist. Der Presse ist er verboten worden, nähere Einzelheiten über die Parla­mentsauflösung zu bringen. Auch die Veröffentlichung der Oppositionsreden wurde verboten.

Es ist nicht anzunehmen, daß in absehbarer Zeit Neuwahlen in Estland erfolgen werden.

Die Regierung Paets dürfte vielmehr ohne Parla­ment weiterregieren. Damit ist der letzte de­mokratische Anstrich, den sich die Regierung Paets durch Beibehaltung des Parlaments gab, verschwunden und Estland ist auch äußerlich in die Reihe der völlig autoritär regierten Staaten getreten.

Lerroux beaustragt

Ein Kabinett gegen die Marxisten

Nachdem der spanische Staatspräsident den ganzen Tag über mit den Parteiführern beraten hat, beauf­tragte er gestern abend den Führer der Radikalen Par­tei. Lerroux, mit der Bildung des Kabinetts. Der Auftrag lautet dahin, eine Mehrheitsregierung auf breitester parlamentarischer Grundlage zu bilden, in der also außer den Radikalen und Agrariern auch die Katholische Volksaktion(Ceda) vertreten sein muß.

Damit ist ein entscheidender Schritt zur Bildung einer Frout gegen die Marxisten getan.

Der Staatspräsident hat, ungeachtet des Druckes von

links, auf eine Auflösung des Parlaments

verzichtet und den Weg zur Wiederherstellung der Staatsautorität freigemacht. Abzuwarten bleibt, wie die Marxisten diesen Entschluß bentworten werden und ob sie ihre Drohung, im Falle der Ernennung von Lerroux den Generalstreik in ganz Spanien aus­zurufen, wahr machen werden.

Lerroux wird heute die Ministerliste zusammen­stellen. Spätestens am Donnerstag dürfte sich das neue Kabinett vorstellen können.

Das neue rumänische Kabinett

Was ist mit Titulesen?

Die rumänische Regierungskrise ist verhältnismäßig sehr schnell beendet worden. Die neue Ministerliste ist

Ministerpräsident, vorläufiger Außenminister und Rüstungsminister: Tatarescu; Unterricht: Dr. Angelescu: Inneres: Inculet; Verkehr: Frasanovici; Heer: General Angelscu: Industrie und Handel: Manolescu Strunga: Justiz: Victor Antonescu; Finanz: Slavescu; Gesundheit: Dr. Costinescu; Ackerbau: Sassy; Arbeit: Nistor; Kultus: Lapedatu; Propaganda: Ja­mandi; Minister ohne Portefeuille: Valer Pop.

Die Ministerliste weist nicht jene große Aenderungen auf, die man ursprünglich erwartet hatte. Offensichtlich hat Titulescu radikale Aende­rungen gegenüber dem alten Kabinett verhin­dert. Tatarescu, der keinen Zweifrontenkrieg, gegen die ältere Gruppe der liberalen Partei und gegen Titu­lescu, führen konnte, hat sich daher mit einer teil­weisen Umbildung seines Kabinetts begnügen müssen. Der König hat die Ministerliste geneh­migt. Ueber die Haltung Titulescus erklärte Tata­rescu,

Titulesen habe im Laufe eines Ferngesprüchs grund­

sätzlich das Außenministerium wieder angenommen.

Titulescus Freunde versichern dagegen, daß sich Titu­lescu nach wie vor weigere, dem Kabinett beizutreten. Bemerkenswert an der neuen Zusammensetzung des Ka­binetts ist die Schaffung des Ministeriums für Propa­ganda. Ferner ist noch besonders zu erwähnen, daß die aktivsten Mitglieder der Jungliberalen mit Unter­staatssekretariaten betraut wurden.

Die neue Regierung Tatarescu hat gestern abend im Schloß Sinaja den Eid vor König Carol abgelegt.

Das Erzebnis des Königsbesuches in Sosia

Der Belgrader Sonderberichterstatter des Petit Pari= sien hatte eine kurze Unterredung mit dem südfla­wischen Außenminister Jeftitsch, den er über die Ergebnisse der Sofioter Reise des südslawischen Kö­nigspaares befragte. Jeftitsch erklärte, daß beide Teile sehr zufrieden seien und daß Südslavien besonderen Grund zu dieser Zufriedenheit habe. Auf beiden Seiten sei man bemüht gewesen, eine Atmosphäre zu schaffen, die zur Festigung der augenblicklichen Lage beitrage. Gerade in dieser Beziehung habe der Besuch des südslawischen Königspaares besonders gün­stige Ergebnisse gezeitigt. Was den Balkan­paktangehe, so beharre Bulgarien zwar auf seiner bisherigen Einstellung und wünsche keinen neuen Schritt zu tun, solange gewisse Fragen mit Griechenland nicht geregelt seien. Das hauptsächlichste Ergebnis der Be­sprechungen liege darin, daß sich die bulgarische Regie­rung bereit erklärt habe, ihre bisherige Außenpolitik in­sosern zu ändern, als sie sich in Zukunft der südsla­

wischen aupassen und sie ergänzen werde.

Die Sturmzeichen in Frankreich

Unser Pariser Mitarbeiter schreibt uns:

Echo de Paris meldet, daß die französische Front­kämpfertagung am 19. September in einem Appell für ein starkes Regime in Frankreich ausklingen soll. Die Frontkämpfer seien des heutigen Parlamentarismus müde und überdrüssig und sie verlangten eine andere Regierung und eine andere Verfassung.

Das Petit Journal beklagt die starken antisemitischen Steömungen, die sich seit kurzem in den französischen Sroßstädten be­merkbar machten.

In Lyon hätten einige tausend Mann derNationalen Jugend Lärmszenen vor den Häusern dortiger Juden ausgeführt und Schmählieder auf das Judentum ge­sungen. Man könne gleichebetrübliche Wahrneh­mungen auch in anderen französischen Städten machen und man könne diese über Nacht entstandene Bewegung nicht mit ein paar Worten abtun. Eine Hauptschuld für den erwachenden Antisemitismus in Frankreich falle auf die Emigranten, deren Verhalten vieles vermissen lasse. Der Figaro schreibt: Am 2. November soll die Kammer wieder zusammentreten. Man muß mit scharfen Auseinandersetzungen rechnen, denn

die französischen Sparer wollen nach dem Bündnis mit Rußland ihre Spargelder wieder, die sie dem Vorkriegsrußland geliehen haben.

Wer die Sparer nicht hat, der kann auch niemals die Mehrheit in der französischen Kammer haben. Neu­wahlen im jetzigen Augenblick wären der Sturz des französischen Parlamen­tarismus.

Der Rotterdamsche Courant meldet aus Paris: Man hört in den politischen Zirkeln ungünstige Vor­aussagungen für den Winter. Die Zahl der Arbeitslosen zeigt ein, wenn auch schwaches Anwachsen. Die vielen kommunistischen Tagungen und Aufmärsche zeigen einen sich neu bildenden Staat im Staate, Paris sieht Tag für Tag die großen Züge zu den kommuni­stischen Versammlungslokalen. Es bereitet sich etwas vor und die augenblickliche Ruhe gilt als Ruhe vor dem Sturm.

Wieder Schüsse bei politischen Versammlungen

Eine Versammlung der Vaterländischen Jugend in Paris wurde am Montagabend durch sechs jüdische Bur­schen gestört, die in den Saal eingedrungen waren. Es kam zu einer Schlägerei. Dabei fielen auch meh­rere Schüsse, die jedoch niemand trafen. 21 Per­sonen wurden auf die nächste Polizeiwache geführt.

Ein politischer Zusammenstoß, der blutiger verlief, ereignete sich in Lyon, wo nach einer Saalversamm­lung einer rechtsstehenden Partei Anhänger und Geg­ner des Redners handgemein wurden und Revolver­schüsse wechselten. Einige Personen sind durch die Schüsse verletzt worden. Auf Grund dieser Vorkomm­nisse wurden andere politische Versammlun­gen, die in den späten Abendstunden in mehreren Stadtteilen abgehalten werden sollten, abgesagt.

Eine Saalschlacht in Toulouse

Bei einer Wahlversammlung in einem Vorort von Toulouse aus Anlaß der bevorstehenden Kantonwahlen fiel aus einer Gruppe von Kommunisten und Marxisten ein Schuß, der das Zeichen zu einer allgemeinen Schlägerei war. Mit Biergläsern, Flaschen, Stuhlbeinen und anderen greifbaren Gegen­ständen gingen die politischen Gegner aufeinander los. Es wurde auch noch öfter geschossen. Ein Arbeiter wurde durch einen Halsschuß schwer verletzt. Als die Veranstalter der Versammlung den Saal verließen, wurden sie auf der Straße von Kommunisten mit

einem Hagel von Steinenempfangen. Auch

ein Polizeibeamter wurde erheblich verletzt. Der Po­lizei, die die Ordnung wiederherstellte, gelang es nicht, Verhaftungen vorzunehmen.

Deumergue will zum Kampf gegen den Marxismus aufrusen

Wie Echo de Paris meldet, soll Ministerpräsiden: Doumergue beabsichtigen, in seiner nächsten Rund­funkrede einen besonders scharfen Vorstoß gegen den Marxismus zu unternehmen. Er will in einem direkten Ausruf an die Arbeiterklasse die trüge­rischen Versprechungen der Sozialisten und Kommuni­sten brandmarken.

Die Gärung in Tunis

Verweigerte Begnadigungen

Die Unruhen und Protestkundgebungen in Tunis haben bekanntlich in der letzten Zeit zur Zwangs­verschickung einer Anzahl führender Persönlich­keiten der einheimischen Bevölkerung in die südlichen Provinzen des Landes geführt. Der Generalresident von Tunis hatte jedoch vor kurzem einen Gnadenakt in Aussicht gestellt, vorausgesetzt, daß sich die politischen Leidenschaften legten und neue Zwischenfälle bis zum 3. Oktober nicht mehr zu verzeichnen seien. Am Diens­tag hat nun der Generalresident eine amtliche Verlaut­barung veröffentlicht, in der dieses Gnadenver­sprechen rückgängig gemacht wird. Dies wird damit begründet, daß es in verschiedenen Pro­vinzen doch wieder zu feindlichen Kundgebungen ge­kommen sei. Geschäfte seien zum Protest gegen die Ver­waltung geschlossen worden, die Bevölkerung sei ver­schiedentlich zu Streiks aufgefordert worden und Boykottversuche seien mehrfach zu verzeichnen gewesen. Außerdem habe die Verbreitung von Pro­pagandaschriften nicht aufgehört.