40. Jahrgang. Nr. 13312.

Freitag, 30. August 1929.

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Besteluug des Rheinlaudes von dei Besahung.

Die Räumung ist spätestens am 30. Juni 1930 beendet. Frankreich verzichtet auf die Rheinlandkontrolle.

Das Rheinland wieder frei!

5 Nach den Wochen des Kampfes im gastlichen Haag, das schon so manchen europäischen Völkerkongreß erlebte, der keine reifen politischen Früchte zeitigte, kommt im An­schluß an die hochdramitischen Tages= und Nachtsitzungen der allerjüngsten Zeit eine freudige Botschaft zum Rhein: Das Rheinland, die Perle im Kranze der deutschen Provinzen, soll innerhalb bestimmt begrenzter Frist von fremder Trup­penbesetzung und fremdländischem Machteinfluß befreit werden. Ein Ereignis von weitreichender Bedeutung schließt diese Tatsache in sich, die sich nach obigen WTB­Berichten bis spätestens Ende Juni nächsten Jahrs so restlos vollzogen haben wird, daß auch der letzte fremdländische Soldat in den noch besetzten Zonen nichts mehr zu suchen hat.

Wer sich erinnert, wie in den Novembertagen 1918 die ersten englischen Besatzungstruppen unter Führung eines Generals zu Pferde in Bonn einrückten und unser da­maliger Oberbürgermeister Spiritus gekrampften Herzens von der Freitreppe des alten Rathauses aus diese fremd­ländische Soldateska begrüßen mußte, wer an all das Leid und die politischen Demütigungen zurückdenkt, die wir in den dann folgenden Jahren in der Köln=Bonner Zone zu erdulden hatten, wer ein Gedächtnis dafür hat, was dann weiterhin die französische und belgische Besatzung und zum Teil auch amerkkanische Truppen im Koblenzer bzw. Mainzer und Pfälzer Gebiet sich gegenüber der deutschen Bevölkerung an Uebergriffen leisteten, und wer sich namentlich der manchmal geradezu verbrecherischen Mili­tärjustiz in all den Jahren der Besatzung im Rheinland wie auch des diktatorischen Auftretens der Hohen Inter­alliierten Kommission erinnert, der wird vom Standpunkte der nationalen Ehre aus es mit großer Freude begrüßen, daß die Zeit nur noch nach Monaten zählt, innerhalb wel­cher u. a. noch die Trikolore von der Feste Ehrenbreitstein wehen darf.

Wir haben es im Haag nur durch eine große Opfer­willigkeit erreicht, daß England, Belgien und Frankreich dem trotz unserer Zugehörigkeit zum Völ­kerbund immer noch fortbestandenen schmachvollen Zu­stand der Besetzung ein Ende bereiten wollen. Freilich ist mit den jetzigen Beschlüssen die Entscheidung über die Rückgabe des Saarlandes an das Reich noch nicht gefallen, und in irgend einer Form, die milder ist als die ursprünglich von den französischen Militärs ausge­heckte Kontroll= und Feststellungskommis­sion, wird das Rheinland der militärischen Beobachtung der mißtrauischen Franzosen verhaftet bleiben. Die bei­den Vegleichskommissionen des Locarno­vertrages werden in ihrer jetzigen Form und mit ihren jetzigen Kompetenzen beibehalten. Das Reich sichert sich das Recht, zu jedem Augenblick ein Verfahren von diesen beiden Vergleichskommissionen auf den Völker­bundsrat übertragen zu können.

Jedoch ist heute das letzte Wort über die Beschlüsse der Henderson=Kommission und der politischen Kommission im Haag noch nicht zu sprechen.

Es bedarf kaum der Betonung, daß die Befreiung des Rheinlandes von der militärischen Besetzung sich nur für das Prestige des Reiches, für die Wiedererlangung der deutschen Staatshoheit im Rheinland, eine unschätzbare politische und vaterländische Wertung besitzt, ebenso wie auch diese Befreiung für die Entfaltung des Wirtschaftslebens im Rhein­land namentlich dann sehr fühlbar wird, wenn wir der französischen Handelsspionage, die bisher in Koblenz und Mainz organisiert wurde, nach der Wieder­erlangung unserer völligen Bewegungsfreiheit in unserer rheinischen Heimat einen festen Riegel vorschieben können.

Aber sehen wir klar: die Räumung ist an die Er­füllung einer schweren Bedingung geknüpft. Ins­besondere war es Briand, der, wie auch aus obigen Meldungen hervorgeht, mit seiner These recht behielt: Erst Unterschreibung des Youngplanes, dann Räumung. Aber der alte diplomatische Tausendsassa hat doch gegenüber dem hartnäckigen Standhalten Strese­manns und gegenüber dem starken Temperament des terrible homme desschrecklichen Menschen", wie er den wiederholt suchsteufelswild gewordenen Dr. Wirth bezeichnete, etwas nachgeben müssen: er hat sein Wort dafür verpfändet, daß nach der Ratifizie­rung des Youngplanes in Berlin und Paris auch die letzte Zone spätestens am 30. Juni 1930 geräumt sei.

Es muß sich nun im deutschen Reichstag und in der französischen Kammer die für die Ratifizierung notwen­dige Stimmenmehrheit finden, um das Wort Briands wahr zu machen. Es ist also immerhin zur Erfüllung der Räumungsbeschlüsse im Haag ein gewisser parlamen­tarischer Gefahrenpunkt zu überwinden. Aber vielleicht kommt nun endlich der historische Augenblick, wo man an der Spree wie an der Seine von jener Entdeckung eines gewissen französischen Majors Watrin zugunsten der deutsch=französischen Verständigung profitiert. Dieser Major Watrin von der französischen Okkupationsarmee hat eine Abhandlung geschrieben:

Eine deutsche Rose, die eine französische ist. Er hat nämlich in Landauer Gärten eine Rose entdeckt, die unter deutschem Namen gezogen wird, aber französischen Ursprungs ist. Vielleicht geht Briand auf seine alten Tage bei Major Watrin noch in die Lehre. Ist es doch sicher nicht nur die Rosenkultur, bei der sich enge wechselseitige Beziehungen der Völker diesseits und jenseits der Vogesen entdecken lassen.

Dr. Stresemann über die Rheinlandbeschlüsse.

Dem amtlichen Communiqué über die Schluß­sitzung des Politischen Ausschusses entnehmen wir fol­gende Stelle:

Dr. Stresemann beglückwünschie den Vorsitzen­den henderson des Politischen Ausschusses anläß­lich des vollbrachten Werkes und gab seiner Befriedigung

darüber Ausdruck, daß der Vorsitzende von Anfang an die Meinung vertreien habe, daß die Frage der Räu­mung unabhängig von den im Finanzausschuß behan­delten Fragen geregelt werden müsse. Er dankte Briand für die Zusicherung, daß die Räumung des Rheinlandes aufs schnellste durchgeführt werde und sprach die Hoffnung aus, daß die Ralifi­zierung nicht nur durch Frankreich und Deutschland, sondern auch durch die andern Länder in kurzer Frist erfolgen werde. Nachdem er mit Befriedigung festgestellt halle, daß

keinerlei besondere Kontrolle für das Rheinland vorgesehen

sei, gab er seiner Genuginung darüber Ausdruck, daß dieses Ergebnis im Geiste der Versöhnlichkeit und der guten Einvernehmens erreicht worden sei.

WTB Haag, 29. Ang. Nach der heutigen Vormittagssitzung des Politischen Komitees wurde von den Teilnehmern an der Sitzung mitgeteilt, daß der Termin für die Räumung der dritten Zone nunmehr auf den 30. Juni 1930 festgesetzt worden sei.

WTB Aus dem Haag, 29. Aug. In der heutigen Sitzung des politischen Ausschusses wurde die Frage der Rheinlandräumung bis zu einem schriftlich niedergelegten Ergebnis durchgeführt und die Arbeit dieser Kommission beendet.

Es ist ein einstimmiger Bericht über die letzten Vorbereitungsarbeiten des aus den Hauptdelegierten Deutschlands, Frankreichs, Belgiens und Englands beste­henden Henderson=Komitees dem politischen Ausschuß vorgelegt worden, in dem u. a. festgestellt wird, daß die drei Besatzungsmächte mit der katsächlichen Räumung Mitte September beginnen werden, die belgischen und die englischen Truppen innerhalb dreier Monate vom Beginn der Räumung ab zurückgezogen sein sollen und daß in derselben Zeit die französischen Truppen die zweite Zone räumen und mit der Räumung der drikten Zone sofort nach der Ratifizierung des Zoung­Planes durch das deutsche und das französische Parlament begonnen wird.

Briand habe nicht die Absicht, bis zur förmlichen Erledigung dieser parlamentarischen und juristischen Arbeiten zu warten, sondern auch die Räumung der dritten Zone zu beginnen, sobald die Erledigung dieser Formalitäten sichergestellt zu sein scheint. Die Räumung soll fortgesetzt und ohne Unterbrechung und so schnell erfolgen, als es die physischen Bedingungen ermöglichen. Sie soll spätestens inerhalb von acht Monaten von dem erwähn­ten Termin, jedoch in jedem Falle noch bis Ende Juni 1930 beendet sein.

Die Vereinbarung über die Vergleichskommission.

Zur Regelung von Skreitfällen aus Artikel 42 und

43. An dem bisherigen Zustand wird nichts geändert.

Haag, 29. Aug. In der Frage des sogenannten Ver­gleichsausschusses für das Rheinland ist im Laufe des Donnerstagmittags, ebenso wie in der Räumungsfrage eine endgültige Regelung zustande gekommen. Die hierfür maßgebenden Bestimmungen der Verein­barung lauten:

Im Interesse einer allgemeinen friedlichen Reglung sind die Regierungen übereingekommen, daß Streitfälle, die sich aus der Auslegung der Artikel 42 und 43 des Ver­sailler Vertrags(Entmilitarisierte Rheinlandzone) ergeben, vor die durch den Locarno=Vertrag geschaffenen deutsch=belgischen und deutsch=französischen Vergleichsaus­schüsse gebracht werden und von diesen Ausschüssen gemäß der ihnen nach dem Locarno=Vertrag vorgesehenen Ver­fahren behandelt werden sollen.

Nach Ansicht der maßgebenden deutschen Stellen än­dert diese neue Vereinbarung an dem bis­herigen Zustand nichts. Die beiden Ausgleichs­ausschüsse des Locarno=Vertrags blieben wie bisher neben­einander bestehen, auch trete keine Aenderung der Zuständigkeit der Ausschüsse ein. In der heute getroffenen schriftlichen Vereinbarung werde ferner ausdrücklich festge­stellt, daß die beteiligten Mächte jederzeit das Recht hätten, den Völkerbundrat anzurufen.

Die sinanziellen Beschlüsse.

WTB Haag, 29. Aug. Wenn auch formell noch nicht alle Konferenzergebnisse festgestellt oder sanktioniert sind, so läßt sich das ziffernmäßige Ergebnis, wie das bereits gemeldete politische Ergebnis, nunmehr ziemlich deutlich übersehen. Es betrifft im wesentlichen vier Hauptpunkte:

1. Die Frage des Ueberschusses aus der Ueberschnei­dung von Dawesplan und Boungplan, also der 300 Millio­nen Mark, wegen deren in Paris eine Einigung nicht er­zielt wurde. Der Kampf um den Rechtsstandpunkt in die­ser Frage, der von Deutschland zunächst sehr entschieden geführt worden war, barg die Gefahr eines Scheiterns der Konferenz und einer notwendigen Abänderung oder Auf­gebung des Youngplanes in sich; es ist nunmehr schließlich auf diesen deutschen Standpunkt, der im deutschen Budget natürlich nicht veranschlagt war, verzichtet worden.

2. Die Frage der Besetzungskosten, die, in der ebenfalls bekannten Form geregelt, ein Kompromiß darstellt, nach dem auch hier in Paris eine Einigung nach der Richtung nicht erzielt werden konnte, daß diese Kosten, wie unter den Dawesplan, auf die Annuitäten des Youngplanes an­gerechnet oder als Globalsumme abgegolten werden soll­ten. Die Forderung nach voller Uebernahme der künfti­gen Besetzungskosten durch Deutschland ist von diesem scharf abgelehnt und die Vereinbarung ergibt die Schaf­fung der Caisse commune, in die Deutschland ein für alle­mal.30 Millionen Mark, die Gegner die gleiche Summe einzahlen und die bei einer Ueberschreitung dieser Beträge durch die Besetzungskosten von den Besetzungskosten selbst auszufüllen ist. Dadurch ist zugleich deren eignes Inter­esse an der Beschleunigung des Besatzungsabbaus finan­ziell festgelegt worden.

3. Die Frage der Besetzungsschäden, der sogenannten claims. Sie hat eine wesentlich politische Bedeutung, denn der Verzicht auf die Verrechnung dieser Beträge wurde von Deutschland als eine Geste für die frühere Räumung gefordert und von Deutschland schließlich in der Form zugestanden, daß ein Gegenverzicht der Besetzungs­mächte auf die vorliegenden Ansprüche der Gegenseite er­folgt, die sich aus Vorauszahlungen auf diese claims er­geben. Die ziffernmäßige Höhe der beiderseitigen Kon­zessionen ist schwer abzuschätzen, da es sich meist um um­strittene und langwierigen Prozessen unterworfere Forde­rungen handelt. Nach deutscher Berechnung ergibt sich daraus ein materieller Nachteil, der sich steigert um die Besetzungsschäden, die nach dem 1. September ent­stehen sollten, welche letztere sich aber vereinbarungsgemäß im Rahmen der bisherigen Ziffern halten müssen.

4. In der Frage des ungeschützten Teils der Annuitäten wird offensichtlich eine gewisse Abänderung des Zoung­Planes zu unserem Nachteil zugestanden. Die betreffende Forderung ist von England, dessen frühere Regierung für diesen Teil der deutschen Leistungen mangels Mobilisie­rungsabsichten kein besonderes Intersse zeigte, von vorn­herein erhoben worden, da Snowden kein Opfer Deutsch­lands darin erblickte. In der Tat wird, auf die Dauer des Youn=Planes berechnet, durch die nun in Betracht kommende Veränderung eine Benachteiligung nicht eintre­ten, sondern sogar eine geringfügige Erleichterung. An Stelle einer festen ungeschützten Annuität von 660 Millio­nen tritt eine solche von 612 Millionen Mark ein, und Deutschland übernimmt dafür den Zinsen= und Tilgungs­dienst der Dawesanleihe, der 88,4 Millionen Mark im ersten Jahre beträgt, um 1,5 Millionen Mark pro Jahr sinkt, um im 20. Jahre 64 Millionen zu betragen und vom 21. Jahre ab gänzlich aufzuhören.

Es ergibt sich daraus ein Durchschnitt von 654 Millionen Mark ungeschützte Annuität, die jedoch anfänglich höher wird, als vorgesehen. Ein Gegenposten stellt die Mög­lichkeit der Konvertierung oder eines Rückkaufs der Dawes­anleihe zugunsten Deutschlands dar.

Außer diesen. großen Problemen bildet die Sachliefe­rungsfrage einen wichtigen Gegenstand der materiellen Vereinbarungen. Der Verzicht auf den Reexport, die Regelung der Sachlieferungen im Falle eines Morato­riums und die Veränderung der Sachlieferungsbeziehungen zu Italien sind hier die wesentlichsten Bestandteile.

Amtliches Communigus über die haager Nachmittags­Sitzung.

WTB Haag, 29. Aug. Das amtliche Communiqué über die heutige Nachmittagssitzung lautet: Die Delegierten der sechs einladenden Mächte sind heute nachmittag in der ersten Kammer der Generalstaaten zusammengetreten und haben die Erörterung der Fragen fortgesetzt, die be­sonders die deutsche Abordnung angehen. Eine vollkom­mene Einigung ist in allen Punkten erreicht worden, und ein Redaktionsausschuß wurde für die Vorbereitung der notwendigen Abkommen eingesetzt.

Daraufhin wurden die Anordnungen geprüft, die zum Abschluß der gegenwärtigen Sitzung der Konferenz er­forderlich sind. Es wurde beschlossen, daß eine Zu­sammenkunft der Delegierten der sechs einladenden Mächte morgen, Freitag, 30. August, 10.30 Uhr, im großen Saale der Ersten Kammer der Generalstaaten stattfinden soll, um dort die Noten zwi­schen den Delegierten der Besetzungsmächte und den deutschen Delegierten über die Durch­führung des Berichts des Politischen Aus­schusses auszutauschen. Es wurde weiter be­

schlossen, daß der Finanzausschuß um 11 Uhr im gleichen Saale zusammentritt. Man hofft, daß die Ar­beiten des Finanzausschusses rasch genug fortschreiten, um eine Plenarsitzung am Samstag zum Ab­schluß der Arbeiten der ersten Phase der Konferenz zu ermöglichen

Die Saarfrage im Haag verschoben?

m Berlin, 29. Aug. Die Tatsache, daß der in den heutigen ersten Nachmittagsstunden im Haag ausgegebene Bericht über die Einigung in den politischen Fragen die Saar-Frage nicht erwähnt, ließ bereits die Mutmaßung zu, daß diese Frage als rein deutsch=französische Angelegen­heit aus dem Rahmen der Konferenzabmachungen heraus­genommen worden ist. Diese Befürchtung wird bestätigt durch eine Meldung desPetit Parisien", nach der es Briand gelungen sei, die Behandlung der Saar=Frage zu verschieben, und von Henderson das Zugeständnis zu er­halten, daß dieses Problem nur durch direkte Verhandlun­gen zwischen Berlin und Paris gelöst werden könne. Briand habe andererseits Deutschland zugestanden, daß das Problem der Saar von der Withelmstraße zur Dis­kussion gestellt würde und daß dann von der französischen Regierung präzise Vorschläge zur Regelung dieser Frage gemacht werden.

Aus Delegationskreisen verlautet, daß Briand der Be­handlung der Saar=Frage im Rahmen der Haager Be­sprechungen imtner wieder auszuweichen verstand, indem er Abhaltung wegen der laufenden finanziellen Besprech­ungen vorschob. Trotzdem ist es zwischen den beiderseitigen Saar=Referenten im Haag mehrfach zu Aussprachen ge­kommen, ohne daß man in die Materie der Saar=Liqui­dierung selbst eingetreten wäre. Aufgefallen ist jedenfalls, daß Briand das ihm von Dr. Stresemann überreichte Saar=Memorandum nicht be­antwortet hat. Die von dem genannten Pariser Blatt aufgestellte Behauptung, daß bei einem auf diplomatischem Wege von Deutschland gestellten Antrag hin von der fran­zösischen Regierung präzise Vorschläge zur Regelung dieser Frage gemacht werden würden, läßt leider befürchten, daß Briand hier unter dem Einfluß jener französischen Wirtschaftskreise steht, die das Saargebiet auch weiterhin als französische Ausbeutungs­kolonie behalten möchten.

Briefwechsel BriandStresemann über die Saarfrage.

WIIB Paris, 29. Aug. Wie der Korrespondent der Temps im Haag meldet, werden wahrscheinlich vor Schluß der Konferenz Stresemann und Briand Briefe bezüglich der Saarfrage wechseln, in denen festgelegt wird, daß es sich hier um ein deutsch=französisches Problem handelt und daß sie zur Einleitung von Verhandlungen bereit sind, die sowohl die Interessen Deutschlands und Frankreichs wie die der Saarbevölkerung berücksichtigen.

Briand über die Ergebnisse der Haager Verhandlungen.

WTB Paris, 29. Aug. Der Haager Sonderbericht­erstatter des Temps verzeichnet folgende Aeußerungen Briands in der heute nachmittag abgehaltenen Sitzung des Politischen Ausschusses:

Was die Anwendung der Art. 42 und 43 des Versailler Vertrages anlangt, so hat auf französischer Seite niemals der Gedanke bestanden, eine irritierende Kontrolle auszu­üben. Wir dürfen aber den in Locarno geschaffenen Ausgleichsmechanismus nicht in die Frage einbeziehen, die geeignet wäre, empfindliche Schwierigkeiten hervor­zurufen; denn die Untersuchungsmaschinerie des Völker­bundes ist schwerfällig. Es ist ein glücklicher Umstand, daß sich der Politische Ausschuß im Haag sofort an die Arbeit begeben hat und daß damit, sobald die finanziellen Arbeiten erledigt sind, die politischen Arbeiten verbucht werden können. Wir haben einen großen Schritt auf dem Wege des Friedens getan. Unsere Ge­nugtuung muß von sämtlichen Völkern geteilt werden. Opfer sind von der einen wie von der anderen Seite gebracht worden und zwar um der Sache des Friedens willen. Wir haben sie nicht zu bedauern. Bei diesen Verhandlungen hat es weder Sieger noch Be­siegte gegeben. Heinrich IV. hat gesagt: Paris ist wohl eine Messe wert. Das ist die sich aus dem gesunden Menschenverstand ergebende Wahrheit. Ich bin glücklich, daß sie gesiegt hat.

.. Die Presse zum Haager Ergebnis.

Berlin, 30. Aug. Von den Berliner Blättern nimmt bisher nur ein Teil zu den im Haag getroffenen Abmach­ungen Stellung. Unter einer RiesenüberschriftDer Er­folg vom Haag sagt der Vorwärts: Die Haager Kon­ferenz schließt mit einem dreifachen Ergebnis: 1. Der Youngplan tritt vor dem Eintritt der Ratifizierung durch die Parlamente am 1. September in Kraft. 2. Das besetzte Gebiet wird geräumt. Die Räumung wird Mitte Sept. beginnen und spätestens am 30. Juni 1930 beendet sein. 3. Durch die Initiative der Arbeiterregie­rung hat sich das Verhältnis zwischen England und Frank­reich fundamental geändert. Die Entente hat zu bestehen aufgehört. Gegenüber diesem dreifachen Ergebnis ist die Bedeutung gewisser Nebenfragen, über die großer Lärm gewesen ist, nahezu gleich Null. Was die Haager Konfe­renz, so schließt das Blatt seinen Artikel, an Verworrenhei­ten und Unerfreulichkeiten im einzelnen gebracht hat, wird man bald vergessen. Ihr Ergebnis eröffnet einen neuen Abschnitt der europäischen Geschichte.

Die Germania schreibt: Wir lieben den Doungplan nicht. Aber wir ziehen ihm als das kleinere Uebel vor und als das Mittel, Deutschlands territoriale und finan­zielle Souveränität wiederherzustellen und dadurch auf dem Wege der Konsolidierung Europas und zur Wiederher: stellung der Gleichberechtigung Deutschlands einen großen Schritt vorwärts zu tun. In diesem Sinne und mit die­sem Vorbehalt begrüßen wir das Haager Ergebnis als einen opferreichen, entsagungsvollen, aber positiven Schritt zum Frieden.

Das Verl. Tageblatt verzeichnet die Befreiung des Rheinlandes von den fremden Truppen und von dem

Die heutige Rummer umfaßt 18 Seiten