39. Jahrgang. Nr. 19101.

Freitag, 20. Aprll 1928.

Sründungssahr des Verlags 1723.

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Die Sitzung des Reichskabinekts.

MTB Berlin, 19. April. Das Reichskabinett hielt heute vormittag unter dem Vorsitz des Vizekanzlers Dr. Hergt eine Sitzung ab. Das Kabinett nahm zunächst den Bericht des deutschen Delegationsführers Dr. Hermes über die augenblickliche Lage der Handelsvertragsverhandlun­gen mit Polen entgegen. Ein genauer Termin für die Wiederaufnahme der Warschauer Delegationsbesprechun­gen steht jedoch noch nicht fest, da vor allem die Be­schlußfassung der polnischen Regierung über das Ergebnis der Wiener Besprechungen abgewartet werden muß.

Das Kabinett nahm dann weiter den Bericht des Außen­ministers Dr. Stresemann über die amerikanischen Anti­kriegspaktvorschläge entgegen, ohne jedoch, wie vorauszu­sehen war, zu Beschlüssen zu gelangen.

Heute nachmittag 4 Uhr wurden die deutsch=litauischen Handelsvertragsverhandlungen wieder aufgenommen. Wenn in einem Teil der Presse gemeldet wurde, daß sich die Verhandlungen um Einzelfragen, wie z. B. um Vete­rinärfragen, drehen würden, so trifft das, wie wir von zuständiger Seite hören, nicht zu. Der Zweck der jetzigen Verhandlungen ist vielmehr der Abschluß eines allge­meinen Meistbegünstigungsvertrages, so daß einzelne Ra­tiffragen diesmal nicht besprochen werden sollen, sondern einer späteren Erledigung vorbehalten bleiben müssen.

Für und gegen das Verbot

des Roten Frontkämpfer=Bundes.

Der Sächsische Freistaat wie auch Anhalt und Baden haben sich gleichfalls gegen das beantragte Verbot ausgesprochen. Dagegen sollen Württem­berg und Bayern für den Roten=Frontkämpfer= Erlaß des Reichsninnenministers eingetreten sein. Von Bayern wird dies zuletzt wieder dementiert.

Einspruchskundgebung des Roten Ironikkämpfer= bundes.

WTB Berlin, 19. April. Zum Einspruch gegen das Ersuchen des Reichsministers des Innern v. Keudell an die Länderregierungen, den Roten Frontkämpferbund zu verbieten, hatten der Rote Frontkämpferbund und die Kommunistische Partei für heute abend 7 Uhr ihre Anhänger zu einer Massenkundgebung nach dem Lustgarten aufgerufen. Trotz des reg­nerischen Wetters war die Beteiligung außergewöhnlich stark. An 20 Stellen hielten die kommunistischen Führer an die Massen Ansprachen, in denen sie dazu aufforder­ten, Ruhe und Disziplin zu bewahren und zu kämpfen gegen eine Regierungspraxis, die darauf ausgehe, die Kommunistische Partei zu zerstören. Bei den kommenden Wahlen würden die Gegner der Kom­munisten ihre Quittung erhalten. Die Kundgebung vollzog sich ohne Zwischenfall.

Ein früherer Entscheld des Staatsgerichtshofer zugunsten des Ironkkämpferbundes.

DerVorwärts erinnert daran, daß der gleiche Senat des Reichsgerichts, der jetzt von mehreren Län­dern um eine Entscheidung angerufen worden ist, sich schon einmal mit dem Roten Frontkämpfer­bund hat befassen müssen. Damals handelte es sich um eine Beschwerde des Bundes gegen ein Verbot um die Auflösung seiner Ortsgruppe in Dortmund durch den Oberpräsidenten von Westfalen. Diese Maß­nahme war auf§ 7 Ziffer 5 und§ 14 Abs. 2 des Repu­blikschußgesetzes gestützt. Die gleichen Paragraphen wolle auch von Keudell zur Durchführung seines Planes ange­wandt wissen. Aufgrund des§ 7 Ziffer 5 wird unter Strafe gestellt, wer sich einer geheimen oder staats­feindlichen Verbindung anschließt, die selbst oder deren Mitglieder Waffen besitzen. Ein Teil der Mit­glieder des Roten Frontkämpferbundes hat sich ohne Waffenschein Waffen beschafft, weil Mitglie­der der Nationalsozialistischen Arbeiter­partei Dortmund ebenfalls ohne Waffenschein in den Besitz von Waffen gelangt sein sollten. Der vierte Senat des Reichsgerichts hat trotzdem das Verbot der Dortmunder Ortsgruppe des Roten Frontkämpferbundes aufgehboen, weil nicht erwiesen werden konnte, daß die Mitglieder die Waffen im Interesse oder im Auftrage der Vereinigung beschafft hätten und der Waffenbesitz im Zusammenhang mit der Mitgliedschaft der Ortsgruppe Dortmund des Roten Frontkämpferbundes bestände. Folge­dessen sei der Tatbestand des§ 7 Ziffer 5 des Republik­schutzgesetzes nicht erfüllt. Es sei ferner nicht erwiesen, daß die Ortsgruppe Dortmund des Roten Frontkämpfer­bundes andere strafbare Handlungen, die in den§§8 des Republikschutzgesetzes gekennzeichnet seien, verfolgt oder erörtert hätte. Infolgedessen sei das Verbot der Orts­gruppe Dortmund des Roten Frontkämpferbundes durch den Oberpräsidenten von Westfalen ungültig und auf­zuheben.

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Auf dem üblichen Dienstweg.

. Berlin, 20. April. Nachdem sich neun Staaten gegen das Keudellsche Verlangen auf Auflösung des Roten Frontkämpferbundes und der ihm parallel geschaffenen Organisationen ausgesprochen haben, wird sich antragsgemäß der vierte Senat des Reichsgerichts wahrscheinlich sehr bald mit der Frage der Auflösung des Roten Frontkämpferbundes usw. beschäf­tigen, um so mehr, als vom Reichsinnenminister beantragt werden dürfte, mit Rücksicht auf die Wahlen in ein beschleunigtes Verfahren einzutreten. Es steht allerdings noch nicht fest, wann der vierte Senat des Reichsgerichts sich mit der Angelegenheit beschäftigen wird. Voraussichtlich wird die Beschwerde den üb­lichen Dienstweg gehen, sodaß mit einer Entschei­dung erst kurz vor den Wahlen zu rechnen ist.

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Die Deutschnationalen zur Verfassungsfrage.

Berlin, 20. April. Im Zusammenhang mit ihren Wahlaufrufen veröffentlicht die Deutschnationale Volks­partei eine längere Stellungnahme zur Verfassungsfrage, in der gefordert wird: Der Reichspräsident soll zugleich preußischer Staatspräsident sein. Er soll die preußischen Staatsminister nach den gleichen Grundsätzen wie die Reichsminister berufen und das Recht haben, die Aemter des Reichskanzlers und des preußischen Ministerpräsidenten in eine Hand zu legen. Ferner wird eine Stärkung der verfassungsmäßigen Stellung des Reichspräsidenten verlangt. Er soll das Recht erhalten, eine Regierung zu berufen, deren Fortbestand nicht täglich durch ein Mißtrauensvotum des Parlaments in Frage ge­stellt werden kann.

Ein Unterstand mit 50 deutschen Soldatenleichen entdeckt.

WTB Paris, 20. April. Das Journal veröffentlicht eine Meldung aus Chevregny, der zufolge man beim

Ein Borstoß gegen Raßland.

Sensationelle Erklärungen im engsischen

s Schwere Anklagen sind gestern im englischen Unter­hause sowohl gegen Rußland als auch gegen Irland ge­richtet worden. Es wurde aus dem Munde eines Kabi­nettsmitgliedes, durch den Minister des Innern Johnson Hicks, der sich im übrigen in England großer Volkstüm­lichkeit erfreut, gegen irische Revolutionäre die Behaup­tung erhoben, daß sie Waffenlager mit russischem Gelde unterhielten. Mit anderen Worten, daß Moskau sich der gespannten Beziehungen Irlands zu England bediene, um den politischen Umsturz in Großbritannien herbeizuführen.

Man erinnert sich hierbei, daß gelegentlich der letzten Parlamentswahlen aus dem konservativen Lager gleich­falls das russische Gespenst aufgezogen wurde und ins­besondere der angebliche Sinowjew=Brief benutzt wurde, um die Arbeiterpartei der Liebäugelei mit den Bolschewiken zu verdächtigen.

Es läßt sich natürlich nicht ohne weiteres ermessen, ob der Vorstoß Hicks ein Wahlmanöver im Stile des damaligen Sinowjewbriefes ist, oder ob in England und Irland der bolschewistische Weizen bereits aufzublühen beginnt.

Die Direktoren der russischen Banken in London lassen den Erklärungen des englischen Innenministers bereits ein Dementi folgen. Sie wollen ihre Bücher dafür offen legen, daß keine russischen Banknoten in dem von Hicks geschilderten Sinne zugunsten des Waffenschmuggels hergegeben worden seien. Kaufmännische Bücher sind allerdings nicht ohne weiteres ein Beweismittel für oder gegen eine politische Propaganda. Sogar in Steuerange­legenheiten sollen derartige Beweismittel nicht immer ausreichend sein.

Daß die Beziehungen Großbritanniens zu Rußland durch den Zwischenfall wiederum einen Knick erfahren,

scheint die konservative Partei im englischen Parlament nicht anzufechten, wie aus spöttischen Zurufen von ihren Bänken gegenüber Einwürfen aus den Reihen der Arbei­tervertreter hervorging.

Die boschewistische Durchdringung England.

Warnung des Innenministers an die Gewerkschaften Englands.

WTB London, 20. April. Der Staatssekretär des Innern Johnson Hicks führte in einer Rede in Leannington aus, ich besitze das vollständige Beweismaterial dafür, daß eine große An­zahl von Schatzscheinen, die von einer russischen

Unterhaus über Rußland und Irland.

Bank in England ausgegeben worden sind, in den Besitz der Kommunistischen Partei und durch diese in die Hände kommunistischer Agitatoren in allen Teilen Groß­britanniens gelangt sind. Es besteht eine direkte Verb.ncung zwischen der ereähnten ru##schen Bank und den kommunistischen Agitatoren in allen größeren Städten Großbritanniens. Ich habe die Arbeiterpartei immer wieder davor gewarnt, Hilfe von der Kommunistischen Partei anzunehmen. Sie hat es jedoch abgelehnt, meine Warnungen zu beachten, daß hinter den Kommunisten eine Bewe­gung steht, deren Ziel es sei, die Gewerschafts­sorganisationen und die in den Händen der Arbeiter liegende Führerschaft zu beseitigen. Ich glaube nicht, daß es in den nächsten zehn Jahren zu einer Revolution in Großbritannien kom­men wird, denn ich nehme nicht an, daß die arbei­tenden Männer und Frauen in den Gewerkschaften solche Verhältnisse wünschen, wie sie in Rußland herrschen.

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Irische Waffenlager in London.

London, 19. April. Der Innenminister Johnsa Hicks erklärte heute im Unterhaus, kurz vor Ostern seien von der Londoner Polizei bei irischen Revo­lutionären Waffenlager gefunden worden, die bei einem Aufstand in Irland gegen die Polizei in London verwandt werden sollten, um die englische Regie­rung zu verhindern, Truppen nach Irland zu senden. Auf die Anfrage eines konservativen Abgeordneten antwortete der Minister, es sei richtig, daß Gelder, die zu den Krediten der in England befindlichen russischen Handels­organisation gehörten, dazu benutzt würden, um damit in Irland revolutionäre Bewegungen anzuzetteln.

Beim Völkerbund dagegen Vorstellungen zu erheben, sei Sache des Außenministers.

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Die Russen protestieren gegen Hicks Behauptung.

WIB London, 20. April. Die Direktoren der beiden hiesigen russischen Banken haben Briefe an den Staats­sekretär des Innern gesandt, in denen sie seine im Unter­haus abgegebene Erklärung wegen angeblicher Liese­rung von Banknoten an den irischen Waff­senschmuggel bestreiten und sich bereit erklären, ihre Bücher bezüglich aller von ihnen vorgenommenen Aus­zahlungen in Banknoten nachprüfen zu lassen.

Säubern eines Kellers den Eingang zu einem Unter­stand entdeckte, in dem man die Leichen von etwa fünf­zig deutschen Soldaten vorfand, die zum Teil am Tisch sitzend, zum Teil auf den Feldbetten liegend, vermutlich durch eine Bombe mit Giftgas ums Leben gekom­men waren. Ihre Waffen hingen noch an der Mauer.

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Die Herren Poincaré und Briand in Verlegenheit.

MTB New York, 19. April. In der Baltimorer ZeitungSun erklärt der Pariser Sonderkorrespondent des Blattes, daß Frankreich durch den Kelloggschen Vor­schlag in eine arge Verlegenheit geraten sei. Wenn z. B Deutschland und England diesen Vorschlag annehmen würden, wäre Frankreich zur Aufgabe seiner Opposition gezwungen. Amerika bestehe nach wie vor darauf, daß keine Vorbehalte oder Ausnahmebestim­mungen in den Vertrag hineinkommen dürften. Aus­nahmen und Vorbehalte würden ja schließlich doch nur wieder den Völkern Gelegenheit geben, sich auf Kriege vorzubereiten. Amerikas Ziel sei nach wie vor der Friede. *

Der französische Entwurf des Ankikriegspaktes.

WTB Paris, 19. April. Der, den französischen Bot­schaftern in Berlin, Washington, London, Rom und Tokio zur Ueberreichung an die Außenminister der entsprechen­den Mächte zugestellte Entwurf eines Antikriegspaktes be­steht, nach einer Havasmeldung, aus einer Präambel, die mit der des amerikanischen Entwurfs ziemlich identisch sei, und aus fünf oder sechs Artikeln. In diese seien die bereits in der Note vom 29. März formulierten Vorbehalte auf­genommen. Der Vertrag werde dem Recht auf legitime Verteidigung keinen Abbruch tun. Wenn eine Partei ihm zuwider handle, würden die andern ihren Verpflichtungen dieser Partei gegenüber entbunden sein. Das Inkrafttreten des Vertrages soll nicht nur von der Ratifizierung durch die sechs Großmächte abhängen, sondern auch von der für notwendig erachteten Zustimmung einer gewissen Anzahl andrer Mächte, wie Polen, die Tschecho=Slowakei usw. Der Text des Entwurfs werde wahrscheinlich am Sams­tag veröffentlicht.

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Rückgabe des Tafelsilbers der Kreuzer Scharnhorst und Leipzig durch Australien.

WTB London, 19. April. Reuters Büro meldet aus Sidney: Das Tafelsilber der Offiziersmessen der deutschen Kreuzer Scharnhorst und Leipzig, die im Jahre 1914 bei den Falkland=Inseln sanken, wird der deutschen Regierung durch den hiesigen Generalkonsul als ein besonderer Akt des Entgegenkommens von dem australischen Staatenbund zurückgegeben werden. Wie das Tafelsilber nach Sidney gelangte, ist noch ein Geheimnis. Man nimmt an, daß die Deutschen es aus Sicherheitsgründen auf den Karo­linen hinterließen, und daß es dann nach der Besetzung der Inseln durch Japan seinen Weg nach Sidney fand. Dort wurde es einige Jahre später in dem Laden eines Händlers entdeckt und von der Zollbehörde beschlagnahmt. *

von Hünefeld über den Start derBremen.

WTB Newyork, 20. April. Das hiesige Büro des Norddeutschen Lloyd erhielt einen Funkspruch von Herrn von Hünefeld, in dem er mitteilt, er beabsichtige, auf alle Fälle mit derBremen nach Newyork zu fliegen. Die Bremen werde dank der Hilfe Cuisinier und der Ge­

sellschaft Transcontinental Airways bald startbereit sein. Er und seine Kameraden hofften, Montag oder Dienstag in Newyork einzutreffen. Er werde noch die Startzeit telegraphisch mitteilen. Möglicherweise würde eine Zwischenlandung vorgenommen werden. Es wird hier vermutet, daß eine Zwischenlandung in Lake St. Agnes oder Murray Bai zwecks Brennstoffergän­zung erfolgen wird.

Fitzmaurice über den Flug der Bremen.

WTB Quebeck, 18. April. Ein kanadischer Sonder­berichterstatter, der sich im Flugzeug nach Clark=City begeben und Fitzmaurice gesprochen hat, gibt über diese Unterredung folgenden Bericht. Fitzmaurice erzählte:

Das Flugzeug Bremen bewährte sich glänzend, und die Besatzung gab sich während des ersten Teils des Fluges der festen Hoffnung hin, New York in der vorgesehenen Zeit zu erreichen. Die Winde waren anfangs günstig, und es wurde eine gute Geschwindigkeit erzielt. Als wir aber etwa 900 Meilen von Neufundland entfernt waren, verschlechterten sich die Verhältnisse. Wir gerieten in einen Schneesturm, der das Flugzeug hin und her peitschte. Die Bremen wurde von einem heftigen Gegenwind geschüttelt, so daß es schwierig war, vorwärts zu kommen. Dann wurde sie wieder von einem Rückenwind in eine drehende Bewegung versetzt, und die Flieger lern­ten einen der Gründe kennen, aus denen von ihren Vor­gängern bei der Ueberquerung des Atlantischen Ozeans von Osten nach Westen niemals wieder etwas gehört wurde. Der Sturm wurde immer schlimmer und nahm schließlich eine Heftigkeit an, auf die man sich niemals ge­faßt gemacht hätte. Vier Stunden hindurch glaubten die Flieger, daß ihre letzte Minute gekom­men sei. In diesem furchtbaren Kampfe blieb jedoch die Bremen Sieger, wenn auch ihre Geschwindigkeit sehr ge­ring war.

Jitzmaurice über die Revolverlegende.

WTB Murray Bai(Quebec), 20. April. Im Ver­laufe einer Presseunterredung sagte Fitzmaurice, die Bremen sei das beste Flugzeug, das er hätte kennen gelernt. Er erklärte, der Motor funktionierte die ganze Zeit vorzüglich. Das Flugzeug schwebte durch jede Sturmböe wie ein großer Vogel. Ich habe niemals eine Maschine gekannt, die der Kontrolle des Flugzeugführers so gut gehorchte, und die alle Arten von atmosphärischen Veränderungen mit so geringen Störungen überstand. Auf die Frage, ob es richtig sei, daß Baron von Hüne­feld bereit gewesen sein soll, im Falle einer Katastrophe seinen Revolver zu gebrauchen, erklärte der Major, ihm sei nichts derartiges bekannt.

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Die Lichtsignale der Fußgängerin.

Aengstliche Frauen brauchen nicht länger in Verzweif­lung zu schweben, daß sie in dunklen Nächten von Kraft­wagen überfahren werden können. Eine englische Dame, Frau J. S. Brown, hat einen Sicherheitsgürtel erfunden, von dem sie behauptet, daß er jede Gefahr beseitige. Sie hat Berichterstattern ihren Apparat vorgeführt, den sie sich bereits hat patentieren lassen. Sie zog einen schicken Mantel mit zwei tiefen Taschen an, dann legte sie um ihre Taille einen breiten weißen Gurt. Zwei Drähte führen von diesem Gürtel zu zwei kleinen Batterien in

den Taschen, und vorn sowie hinten sind in dem Gürtel zwei große Knopflöcher angebracht, in denen sich kleine elektrische Lampen befinden. Auf einen Knopfdruck strahlt die vordere Lampe ein Licht von starkem Orangegelb, die hintere ein solches von tiefem Rubinrot aus. Wenn sie geht, ist sie so von verschiedenfarbigem Licht umflossen, das nach vorn und nach hinten den Weg erleuchtet. Die Wirkung ihrer Erscheinung mit dieser Illumination auf den Straßen war erstaunlich. Die Kraftwagen wurden von dem Licht beunruhigt und suchten ihm auszuweichen. Die Fußgänger blieben stehen und schauten ihr kopf­schüttelnd nach. Es fehlte nicht an bissigen und höhni­schen Bemerkungen. Aber Frau Brown läßt sich nicht er­schrecken.Es ist mir ganz gleichgültig, was sie reden, erklärte sie.Die Hauptsache ist, daß ich mich vollkommen sicher fühle, wenn ich des Nachts mit meinen Lichtern aus­gehe, und ich bin fest davon überzeugt, daß diese Erfin­dung der Menschheit großen Segen bringen wird.

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Große Schlachten in China.

Sieg der Südtruppen.

WTB Peking, 19. April. Nach hier eingetroffenen Berichten hat General Fengjusiang eine der Armeen Suntschuanfangs vollkommen geschlagen und Marschall Tschangtschuntschang zum Rückzug auf Jentschaufu ge­zwungen. Tschangtschuntschang wird wahrscheinlich ver­suchen, den Vormarsch des Gegners bei Taianfu zum Stehen zu bringen. Bei einem dreißigstündigem Kampf, der zur Einnahme von Hintscheng führte, sollen die Südtruppen 20000 Mann, darunter einen General und drei Obersten, verloren haben.

WTB Paris, 20. April. Der Korrespondent der Petit Parisien in Schanghai berichtet, daß der erste Teil der großen Schlacht in China mit einer vernichtenden Niederlage der verbündeten Tschangtso­lins im Schantunggebiet geendet habe. Sunschuanfang, der der Armee Tschangkaischek den Weg abschneiden wollte, verabsäumte es, seine Flanke zu decken. Sein Verbündeter Sunschuanfang habe sich zu­rückziehen müssen, um die Hauptstadt der Provinz Schan­tung, Tsinan, zu verteidigen. Die Südtruppen hätten 30000 Gefangene gemacht. Das Hauptverdienst ihres Sieges komme dem christlichen General Fengyusiang zu.

Der Physiker als Violinist.

Alberk Einstein auf dem Konzertpodiun.

Der große Physiker Albert Einstein hat sich bei den Hochschulkursen in Davos nicht nur als Gelehrter, sondern auch als Geigenvirtuose gezeigt und in dieser Rolle nicht geringere Triumphe geerntet. Am Schluß seines Vor­trages über die Grundideen der physikalischen Wissenschaft und ihre Entwicklung überraschte er die Zuhörer mit der Ankündigung, daß er am Abend bei einem Wohltätig­keitskonzert im Kurhaus Geige spielen werde. Daß Ein­stein ein vorzüglicher Violinist ist, wissen die eingeweihten Kreise schon längst, und er ist auch bereits in Berlin auf­getreten; für das internationale Publikum aber bedeutete das eine große Sensation, und der weite Saal des Kur­hauses war daher überfüllt. Der Schöpfer der Relativi­tätstheorie spielte mit feinstem Verständnis und bewun­dernswürdiger Technik Stücke von Bach und Mozart und den Violinpart in einem Beethovenschen Trio. Die Davoser Zeitungen feiern Einstein als vortrefflichen Musiker, der eine entzückende Einfachheit und einen bezaubernden Humor offenbarte. Einstein dankte für den lebhaften Beifall, war aber trotz der vielen Hervorrufe nicht zu einerZugabe" zu bewegen.

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Ein romantisches Wiedersehen zwischen Mutter und Sohn.

Eine sehr roman= bezw. opernhaft klingende wahre Ge­schichte wird aus Syrakus gemeldet. Im Jahre 1904 war dort ein dreijähriger Junge verschwunden. Zigeuner sollten ihn geraubt haben, aber man konnte keine Spur entdecken. Zwanzig Jahre blieb das Kind verschollen, doch seine Mutter hatte die Hoffnung nicht aufgegeben, ihr Kind eines Tages wiederzusehen. Und unter einer Zigeunerbande, die dieser Tage dur chdie Stadt zog und auf dem Marktplatz als Seiltänzer, Feuerschlucker, Wahr­sager usw. ihre Künste zeigte, glaubt sie nun in der Tat den inzwischen zum Mann herangewachsenen Sohn ent­deckt zu haben. Sie will ihn an seiner auffallenden Aehn­lichkeit mit seinem inzwischen gestorbenen Vater und vor allem an einer großen Narbe im Gesichte, die schon das Kind trug, untrüglich wiedererkennen. Der Sohn scheint von dieser wunderbaren Fügung noch nicht ganz überzeugt zu sein; jedenfalls hat er sich geweigert, bei der Mutter zu bleiben. Ihm gefällt das Zigeunerleben offenbar gut, auch ist er seit einem Jahre mit einer hübschen, jungen Zigeunerin verheiratet, die sich wohl auch nicht leicht an ein seßhaftes bürgerliches Leben gewöhnen könnte. So ist das Glück der alten Mutter, ihren Sohn wieder gesehen zu haben, schon getrübt, und sie wird sich auch kaum ent­schließen können, der Einladung des jungen Mannes zu folgen und mit der Zigeunersippe auf Wanderschaft zu ziehen.

Das verdächtigeWohnfaß.

Bevor die amerikanischen Alkoholgegner das berühmte Prohibitionsgesetz über ihre Mitbürger verhängten, gab es in Kalifornien Weinberge über Weinberge. Inzwischen haben sich die Weinberge in harmlose Obstplantagen ver­wandelt. Für die zahlreichen riesigen Fässer, die einst zu tausenden von Hektolitern das jetzt streng verboten köst­liche Naß beherbergten, fanden einige findige Unterneh­mer eine passende Verwendung als Wohnbaracken für anspruchslose Wohnungssuchende. Sie haben mit dieser Idee viel Geld verdient, und in San Diego z. B. sollen einige Straßenzüge nur aus früheren Weinfässern be­stehen. In solch' einem malerischen Häuschen wohnte auch Mister Scott Preston, und sein Domizil erregte durch seine hübsche, farbenfrohe Bemalung stets die besondere Bewunderung und Aufmerksamkeit der Fremden. Leider teilte diese Aufmerksamkeit eines Tages auch die Polizei. Sie drang in die Behausung ein und entdeckte, was sie schon gemutmaßt hatte: Das idyllische Häuschen war nur eine nette Attrappe. Daß Faß diente nach wie vor in der Hauptsache seinem ursprünglichen Zweck und enthielt nicht weniger als 22000 Liter starken Wiskys. Durch eine unterirdische Leitung war die Verbindung mit einem Schmugglerschlupfwinkel an der Küste hergestellt und da­für gesorgt, daß der wertvolle Alkohol nie zur Neige ging. Mister Scott Preston konnte rechtzeitig verduften, aber mit seiner häuslichen Faßidylle ist es endgültig zu End., und die Polizei wird sich vielleicht jetzt auch die anderen Faßhäuser einmal genauer ansehen.

Die heutige Nummer umfaßt 18 Seiten

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