39. Jahrgang.— Nr. 13055.
Freitag, 24. Februar 1928.
Gründungssahr des Verlags 1225.
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Berlin im Zeichen Afghanistans.
Schwarz=Silber ist Trumpf.
Aus Berlin, 22. Febr., wird uns geschrieben:
Grau dämmerte der Morgen des Tages herauf, an dem König Aman Ullah von Afghanistan seinen Einzug in Berlin hielt. Es fehlte diesem ersten Königsbesuch die Sonne, die dem farbenprächtigen Bild der Straßen erst den richtigen Glanz verliehen hätte. Aber das war auch das einzige, was man vermißte. Herzlicher, eindrucksvoller konnte kaum der Einzug des deutschen Gastes erfolgen. Schon vom frühen Morgen ab setzten sich aus allen Stadtteilen Tausende in Bewegung, um an irgend einem Platze auf dem Wege des Königseinzuges Aufstellung zu nehmen. Schon anderthalb Stunden vor Eintrefsen des Zuges säumte zur Rechten und zur Linken der Feststraße eine vierfache Reihe von Menschen die Straßen. Sämtliche Cafés, Restaurants und Gasthäuser, an denen der Zug vorbeikam, waren vollbesetzt. Viele Fensterplätze wurden im letzten Augenblick noch verkauft, und 20 Minuten vor dem Durchzug mußten fast alle Lokale ihre Pforten schließen, weil in ihren Räumen ein fast lebensgefährliches Gedränge herrschte. Aber noch immer hörte der Zuzug Schaulustiger nicht auf. Es ist nicht zu hoch gegriffen, wenn man die Zahl derer, die gekommen waren, um den Einzug des Königs Aman Ullahs mit anzusehen, auf mehrere Hunderttausend einschätzte.
Vorbildlich war der Verkehr von der Polizei geregelt worden.
Die Zuschauer beim Königsempfang dürften nur teilweise auf ihre Kosten gekommen sein. Wer sich allerdings in einem der in den Feststraßen liegenden Häuser einen Fensterplatz gesichert hatte, konnte das Schauspiel des Königsempfanges gut beobachten. So manches wurde dabei mit Erstaunen wahrgenommen. Den größten Eindruck hat wohl die schöne Königin Turaja gemacht, der überall lebhafte Ovationen gebracht wurden; aber nicht minder herzlich war der Empfang des Königs, der im ersten Auto, das langsam die Straße entlangfuhr, neben dem Reichspräsidenten saß. Die Chauffeure und Mitfahrer trugen zum ersten Male eine neue Uniform. Sie hatten blaue Anzüge und blaue Mäntel an, um den Arm eine Binde mit dem kleinen Reichsadler. Diese Uniform wirkte dadurch besonders festlich, daß die Chauffeure zum ersten Male dicke goldene Fangschnüre trugen. Es waren Chauffeure und Mitfahrer dadurch unterschieden, daß die Fahrer die Fangschnüre am rechten, die Mitfahrer am Unken Arm befestigt tragen.
Der gesamte Festschmuck war noch reichhaltiger ausgefallen, als vorgesehen war. Schon der Lehrter Bahnhof ist ganz in Fahnentuch eingehüllt. Die Treppen, über die der König hinabging, sind mit Teppichen belegt. Vor dem Bahnhof ist eine Art Ehrentor errichtet worden. Hier hängt ein besonders schönes afghanisches Wappen, das von Künstlern gemalt worden ist und von beiden Seiten gut zu erkennen ist. Dann reiht sich Flaggenmast an Flaggenmast, aber nicht allein in den Straßen, durch die der Zug kommt, sondern auch noch an vielen anderen Stellen der Stadt, vor dem Zeughaus, vor dem Rathaus usw. Sämtliche Staatsgebäude haben geflaggt in den Reichsfarben Schwarz=Rot=Gold, die Handelsflagge, die preußischen Farben und das afghanische Banner. Sehr schön wirken in diesem Flaggenwald die Fahnen der auswärtigen Staaten. Alle Gesandtschaften haben die Nationalflagge gehißt, um auch ihrerseits den König zu begrüßen.
Es ist nicht zu viel behauptet, wenn man sagt, daß sich der Empfang König Aman Ullahs in Berlin würdig an die Aufnahme des Herrschers von Afghanistan in Italien, Frankreich und Belgien anreiht und daß die Republik schon zu repräsentieren gelernt hat. Man möchte fast sagen, daß während des Aufenthaltes des Königs in Berlin die Reichshauptstadt ganz im Zeichen Afghanistans steht. Als Originalität sei darauf verwiesen, daß die Modefirmen die Gelegenheit benutzt haben, um auch ihrerseits „gebührend“, den Königsbesuch zu feiern, denn das letzte Votum der Mode lautet: Schwarz und Silber(die Farben von Afghanistan). F. K.
Die Not der Deutschen in Südtirol.
* Wien, 23. Febr. Im österreichischen Nationalrat wurde heute von dem Abg. Dr. Kolb auf die Unterdrückung des Deutschtums in Südtirol hingewiesen. Die eine Million Anderssprachiger gebe es juristisch für Italien nicht. Es stehe heute auf dem Standpunkt, die Deutschen Südtirols hätten kein Recht auf nationale Eigenexistenz, da sie erst in den letzten fünfzig Jahren über den Brenner eingewandert seien. Es sei überflüssig, die ungeheuerliche Behauptung zu widerlegen. Bereits vor 1300 Jahren sei eine geschlossene deutsche Volksmasse in Südtirol vorhanden gewesen. Bundeskanzler Seipel beklagte, daß es für Oesterreich leider kein Forum gebe, vor das es die Südtiroler Frage bringen könnte. Er richte an die italienische Regierung einen Appell, ohne sich in die innere Politik Italiens einmischen zu wollen. Man müsse bedenken, daß das letzte Recht nicht das geschriebene sei, und daß internationale Moral noch über dem internationalen Recht stehe.
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Die Leiden Südtirols.
MTB Innsbruck, 24. Febr. Nach einer Meldung aus Bozen sind die italienischen Lehrer an den bisherigen deutschen Schulen angewiesen worden, alle erreichbaren Schulbücher zu verbrennen. So wurden in Schlanders im Pinzgau in Anwesenheit des Schulrektors sämtliche deutschen Bücher, u. a. auch Gebetbücher, zusammengetragen und verbrannt. Unter den verbrannten Büchern befindet sich der gesamte Bestand der Lehrerbibliothek.
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Clemenceau über den Heßfilm.
WTB Paris, 24. Febr. Nach einem Havasbericht hat Clemenceau dem Pariser Korrespondenten des Evening Standard über das Verbot der Aufführung des Cavell=Films erklärt, ich sehe keinen Grund, weshalb dieser oder ein anderer Film, der aktuelle Kriegsereignisse behandelt, verboten wird. Auf die Frage des Korrespondenten, ob dieser Film für die freundschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich schädlich
sein könne, antwortete Clemenceau, wenn die Lage so heikel ist, daß ein auf Tatsachen beruhender Film Spon
König AmanUllah Khan auf dem Flughafen Tempelhofer Feld.
MTB Berlin, 23. Febr. Das afghanische Königspaar besichtigte in den heutigen Mittagsstunden die Anlagen des Flughafens Tempelhofer Feld. Auf dem Flugplatz waren 40 Flugzeuge zur Besichtigung aufgestellt, unter ihnen die gebräuchlichsten Verkehrsflugzeuge der Firmen Junkers, Rohrbach, Albatros, Udet sowie der viermotorigen Konder. Das Königspaar, in dessen Begleitung sich Reichsverkehrsminister Dr. Koch befand, wurde beim Eintreffen durch die afghanische Nationalhymne und 21 Kanonenschüsse begrüßt. Zum Empfang waren auf dem Flugplatz der preußische Ministerpräsident Braun, Handelsminister Dr. Schreiber, die Staatssekretäre Weißmann und von Seefeld, Oberbürgermeister Boeß, Polizeipräsident Zörgiebel u. a. erschienen. Reichsverkehrsminister Dr. Koch begrüßte das Königspaar und hieß es in dem Zentralflughafen Deutschlands willkommen. Stadtbaurat Dr. Adler gab eine Darstellung von der Bedeutung des Zentralflughafens, insbesondere auch für das europäische Flugwesen.
Der König besichtigte die einzelnen Einrichtungen des Flughafens, während ein Dutzend Flugzeuge Start und Landungsflüge zeigten. Der König und sein Gefolge äußerten sich mit Worten der Befriedigung und des Erstaunens über die Riesenanlagen. Bis zur Abfahrt vereinigte ein Frühstück im engsten Kreise die Teilnehmer der Besichtigung.
Wie wir erfahren, will die Reichsregierung dem König Aman Ullah ein Junkersverkehrsflugzeug vom Typ D 24 zum Geschenk machen. Die afghanische Armee besitzt bereits eine kleine Junkersmaschine.
Um 1 Uhr begab sich der König zum Reichstagspräsidenten Loebe, der zu Ehren des hohen Gastes ein Früstück gab. Nachmittags 3 Uhr fand im Zeughause die Kranzniederlegung für die gefallenen Krieger durch König Aman Ullah statt. Reichspräsident von Hindenburg und Ministerpräsident Braun begrüßten den König in der Halle des Zeughauses. Vom Zeughaus begab sich das Königspaar in die Hochschule für Leibesübungen, wo Vorführungen der Studentenschaft stattfanden. Am abend war das Königspaar Gast des Reichskanzlers Dr. Marx bei einem Diner, wobei Vizekanzler Dr. Hergt für den erkrankten Kanzler die Honneurs machte. An dem Essen nahm auch Reichspräsident von Hindenburg teil, während der Reichskanzler durch seine Erkrankung am Teilnehmen verhindert war.
Während des Essens begrüßte Vizekanzler Hergt in Vertretung des Reichskanzlers das afghanische Königspaar. Er sagte, daß die hohen Gäste in Deutschland keinen äußeren Glanz oder prunkvolle Machtentfaltung vor sich sehen würden, sondern das Bild der deutschen Arbeit. Der Redner wies auf die großen Verdienste hin, die der König um sein Land erworben habe und auf die freundschaftlichen Beziehungen der beiden Länder. Deutschland werde nicht vergessen, was es den Freunden zu verdanken habe, die sich auch in schwersten Zeiten nicht von ihm abgewendet hätten. Es erwidere die Sympathien, auf die Afghanistan stets rechnen könne.
Nachdem Hergt auf das Wohl des Königspaares und seines Landes das Glas erhoben hatte, erwiderte der König in afghanischer Sprache, die von einem Dolmetscher übertragen wurde, mit Dankesworten und mit dem Wunsche auf das Weiterbestehen der Freundschaft zwischen den beiden tapferen Völkern. Er trank auf das Wohl der Anwesenden und auf die baldige Besserung der Gesundheit des erkrankten Reichskanzlers.
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MTB Leipzig, 24. Febr. Der König von Afghanistan wird am Montag den 5. März in Leipzig erwartet. Außerdem wird der König Dresden und Meißen, wo er die Porzellanmanufaktur und die Albrechtsburg besichtigen wird, einen Besuch abstatten.
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MTB London, 24. Febr. Am 14. März trifft das afghanische Königspaar in London ein, wo jetzt schon alle Vorbereitungen für den Empfang und den Aufenthalt des Königs getroffen werden.
nungen hervorrufen kann, dann sind eben diese Beziehungen nicht auf Aufrichtigkeit aufgebaut.
Auch der Quotidien nimmt Stellung zu dem CavellFilm. Das Blatt schreibt, worauf es ankommt, ist, zu wissen, wie das Volk auf diesen Film reagieren wird, welches Echo seine Proteste in Deutschland auslösen und welches die Folgen dieser Wiedererweckung verabscheuungswürdiger Erinnerung sein werden. Alles was die ehemalig feindlichen Nationen näher bringt, muß gelobt, erleichtert und gefördert werden, alles was die noch zu nahe Vergangenheit, in der sich die Völker scharf bekämpften, ins Gedächtnis zurückruft, muß verboten werden.
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Die Szent-Gotthardt-Affäre.
MTB Genf, 23. Febr. Der Generalsekretär des Bölkerbundes, Sir Eric Drummond, hat an den ungarischen Ministerpräsidenten Grafen Bethlen ein dringendes Telegramm gerichtet, in dem er ihm Mitteilung macht, daß er von dem gegenwärtigen Präsidenten des Völkerbundsrates, Tschanglo, gebeten worden ist, der ungarischen Regierung telegraphisch mitzuteilen, daß der Rat im Augenblick mit einem Antrag der tschechischen, rumänischen und serbischen Regierung wegen der SzentGotthardt=Affäre beschäftigt ist, und daß er durch die Presse erfahren habe, daß die ungarische Regierung den Verkauf der in Frage stehenden beschlagnahmten Waffen beabsichtige. Es sei deshalb angezeigt, die Ausführung dieser Maßnahme aufzuschieben, bis der Rat in Kürze die Angelegenheit geprüft haben werde.
(Man betrachtet dieses Telegramm in Budapest als einen Eingriff in die Hoheitsrechte Ungarns. Red.) *
Briand Urheber des Telegramms.
WTB Paris, 24. Febr. Wie der Matin berichtet, hat der chinesische Gesandte in Paris, Tscheng=Lo, der derzeitige geschäftsführende Vorsitzende des Völkerbundrates, im Laufe seines gestrigen Besuches bei Briand das Telegramm aufgesetzt, das er in der Angelegenheit der beschlagnahmten Maschinengewehre an die ungarische Regierung gerichtet hat.
Tscheng=Lo erklärte hierzu einem Vertreter des Blattes: „Glauben Sie nicht, daß wir untätig gewesen sind. Ich
habe sett einigen Tagen mit Sir Erte Drumond mehrere Telegramme gewechselt. Aber bevor man handelte, mußte man die Gefühle der Mehrheit der Mitglieder des Völkerbundrates in dieser Hinsicht kennen. Die Besprechung, die ich mit Briand hatte, hat mich über diesen Punkt vollständig aufgeklärt. Ich habe nach Genf telegraphiert, und Str Eric Drumond hat mir soeben telephonisch mitgeteilt, daß die Depesche sofort nach Budapest übermittelt wurde. Wenn wir spät gehandelt haben, so kann man uns daraus keinen Vorwurf machen. Die ungarische Regierung wird rechtzeitig den Willen des Völkerbundrates kennen, denn es ist für eine Regierung stets leicht, einen Verkauf zu verschieben. Was auch geschieht, der Völkerbundrat im März wird sich einer klaren und unzweideutigen Lage gegenüberfinden.
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Die Vereinbarung über deutschen Warenaustausch mit dem Saargebiet unterzeichnet.
WTB Paris, 23. Febr. Die Vereinbarung zwischen Deutschland und Frankreich über den Warenaustausch zwischen dem Saargebiet und dem deutschen Zollgebiet wurde heute mittag in Paris unterzeichnet.
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Die französische Kammer genehmigt das Handelsabkommen mit Deutschland.
* Paris, 23. Febr. Die Kammer nahm nach Artikel 1 auch Artikel 2 der Zollvorlage an, der lautet:
Der Präsident der Republik wird ermächtigt, das am
17. August 1927 zwischen Deutschland und Frankreich
unterzeichnete Handelsabkommen zu bestätigen.
Gegenüber einem in der Beratung vorgebrachten Bedenken, daß in dem Abkommen wieder die Meistbegünstigungsklausel auftauche, die die französische Industrie in eine schwierige Lage bringe, erwiderte der Handelsminister, daß die Meistbegünstigungsklausel Deutschland nicht bedingungslos zugestanden worden sei. Deutschland habe sie gefordert und reichliche Gegenleistungen gemacht.
Darauf wurde Artikel 3, Bestätigung des am 26. Februar 1927 zwischen Frankreich und Italien geschlossenen Zollabkommens über das Zollsystem für Seidenwaren angenommen, desgleichen die Artikel4, 5 und 6, die die Bestätigung des Handelsabkommens mit der Schweiz vorsehen.
Damit sind sämtliche einzelnen Handelsahkommen verabschiedet.
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Eine eigenartige Verfügung.
Der Reichspostminister Dr. Schätzl hat vor kurzem eine Verfügung gegen die kniefreien Röcke der Postbeamtinnen erlassen. Die Verfügung bestimmt, daß das gesamte im Fernsprech=, Telegraphen= und Post
58. Vollversammlung des Deutschen Landwirtschaftsrates.
MTB Berlin, 23. Febr. In Gegenwart des Reichspräsidenten von Hindenburg und zahlreicher Minister des Reiches und Preußens wurde heute die 58. Vollversammlung des Deutschen Landwirtschaftsrates im Bürgersaal des Schöbeberger Rathauses eröffnet. Der Präsident des Landwirtschaftsrates, Dr. Brandes, begrüßte den Reichspräsidenten und wies dabei darauf hin, daß die Bauernnot auch eine Volksnot bedeute. Voraussetzung für einen erfolgreichen Kampf um die wirtschaftlichen Ziele Deutschlands fei die Sicherung unserer privatwirtschaftlichen Existenzgrundlage. Reichsernährungsminister Schiele sprach über die Notlage der Landwirtschaft, die durch die Grundlage charakterisiert werde, daß seit 4 Jahren ein Betriebsdefizit von 1,5 Milliarden Mark zu verzeichnen sei. Die Hauptursache dieser starken Betriebsverluste der letzten Jahre lägen in der Preis= und Marktlage. Bei den dringendsten Abhilfemaßnahmen müsse unterschieden werden zwischen den gegenwärtigen Nothilfen und den grundsätzlichen Hilfen. Die erste und dringendste Aufgabe bestehe darin, daß die deutsche Landwirtschaft, insbesondere die gefährdeten Betriebe, bis zur kommenden Ernte hindurchgebracht würden. Minister Schiele sprach dann dem gegenwärtig amtierenden Reichskabinett den Dank dafür aus, daß es diese öffentliche Gefahr erkannt habe, und bereit sei, zu helfen. Der Minister behandelt dann im einzelnen die im Notprogramm vorgesehenen Hilfsmaßnahmen für die Landwirtschaft und fügte hinzu, die Reichsregierung sei fest entschlossen, diese Maßnahmen so rasch wie möglich in die Tat umzusetzen; sie werde zu diesem Zwecke vom Reichstag die Ermächtigung erbitten. Nach der grundsätzlichen Einstellung der Reichsregierung stelle die Haltung der Landwirtschaft ein wesentliches Ziel für die Maßnahmen der deutschen Handelspolitik dar; das bedeute, daß bei dem neuen Vertragsabschluß der um ihre Existenz ringenden deutschen Landwirtschaft neue Opfer nicht zugemutet werden könnten. Deutschland müsse sich wieder eine eigene agrarische Grundlage, auf der seine Volkswirtschaft sicher ruhen könne, schaffen. Und das werde auf keinem anderen Wege geschehen, als durch eine bessere Pflege des deutschen Bauerntums.
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Ueber die agrarische Kreditfrage
äußerte sich u. a. der Vorsitzende der Rheinischen Landwirtschaftskammer, Frhr. v. Lüninck, in folgenden Ausführungen:
Die geflissentlich verbreitete Behauptung, die starke Verschuldung der landwirtschaftlichen Betriebe beschränkte sich auf den östlichen Großbesitz und berühre die bäuerliche Wirtschaft im Westen und Süden gar nicht oder wenig, ist falsch. Die statistisch erfaßbare Gesamtbelastung je Hektar ist im Westen Deutschlands höher als im Osten, die Belastung in Prozent des Bodenwertes im Osten höher als im Westen Deutschlands. Im Osten ist der Hypothekarkredit, im Westen infolge der dortigen Besitzverhältnisse der Personalkredit vorherrschend. Ebenso unzutreffend ist die Annahme, daß die Verschuldung der kleineren Betriebe im allgemeinen geringer sei. Die Erhebungen beweisen, daß die Verschuldung weniger nach Betriebsgröße als nach den Vermögens= und Familienverhältnissen der Inhaber wechselt. Im großen und ganzen gilt auch für den Westen die Regel: Die intensivsten Betriebe sind am stärksten verschuldet. Die einzelnen Feststellungen der Verschuldung aller Betriebe in bestimmten Bezirken(Referent verweist auf Erhebungen über 1200 Betriebe in typischen Bürgermeistereien der Rheinprovinz) beweisen eindeutig, daß
dienst beschäftigte weibliche Personal während des Dienstes ein Berufskleid anzulegen hat, für das eine Musterzeichnung festgelegt ist. Die Beschreibung dieses Dienstkleides besagt, daß es mindestens 20 Zentimeter unterhalb des Knies reichen muß.
Der Verband der deutschen Reichspost= und Telegraphenbeamtinnen hat gegen diese Verfügung Einspruch erhoben.
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Mussolini über seine Ziele.
WTB Paris, 24. Febr. Mussolini gab einem Sonderberichterstatter des Petit Journal Erklärungen ab, in denen er betonte, daß das faschistische Regime sich halten werde, denn es habe die Jugend hinter sich. Ein großes Land brauche ein starkes, gut organisiertes Heer, um sich in Frieden wirtschaftlich entwickeln zu können. Auf die französisch=italienischen Beziehungen eingehend, führte Mussolini aus, man dürfe nicht glauben, daß bei den Verhandlungen zwischen den beiden Ländern Frankreich alle Kosten der Zugeständnisse zu tragen habe und daß Italien die Möglichkeit ins Auge fasse, seine Zugeständnisse bewilligt zu erhalten, ohne im Austausch dafür seinerseits zu gewähren. Italien wolle keine Forderungen territorialer Art stellen.
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Von der Tagung des Sicherheitskomitees.
MTB Genf, 23. Febr. Bei dem Sicherheitskomitee reichten Lord Cushendun, Sokal, Markowitsch und der rumänische Vertreter Antoniao verschiedene Resolutionsentwürfe ein, die dem Büro des Komitees zur Formulierung unterbreitet werden. In den Entwürfen kommt noch einmal scharf und deutlich der Unterschied in der Auffassung in der Sicherheit zum Ausdruck. Während in den englischen Bemerkungen gesagt war, daß der Völkerbundspakt eine ausreichende Sicherheit schaffe, geht die polnische Note von dem Standpunkt aus, daß die durch den Pakt geschaffene Sicherheit verbesserungsbedürftig und es nötig sei, die Verpflichtungen des Paktes durch zuverlässige regionale Abkommen zu verstärken. Der jugoslavische Vertreter Markowitsch wünschte darüber hinaus noch eine Erweiterung der Ratskompetenzen für Krisenfälle. Lord Cushendun erklärte im Laufe der Debatte mit klaren Worten, daß England einem allgemeinen Schiedsvertrag nicht zustimmen könne; England könne auch auf die historischen Vorbehalte, die in Schiedsverträgen üblich seien, nicht verzichten. Der deutsche Delegierte von Simson sagte, daß beim Abschluß von Regionalverträgen jeder, wie auch immer geartete Druck auf die betreffenden Staaten fernbleiben müsse. Die Spezialdiskussion wurde um 18.30 Uhr beendet und wird morgen um 16 Uhr weitergeführt.
von geringerer Durchschnittsverschuldung der Kleinbetriebe keine Rede sein kann.
Die Lebenshaltung weitgehender Schichten des Kleinund Mittelbauernstandes gerade jener Bezirke, wo Verschuldung möglichst verschieden ist, hat die Grenze der Menschenwürdigkeit weit unterschritten und ist erheblich schlechter als die Lebenshaltung großstädtischer Erwerbsloser. Die Ursachen der verhängnisvollen Verschuldung liegen im wesentlichen in der jetzt im letzten Jahr andauernden Vernichtung der landwirtschaftlichen Rentabilitätsmöglichkeit durch verfehlte Maßnahmen der Wirtschaftspolitik unter gleichzeitiger übermäßiger Steuerbelastung. Eine Ueberwindung der Agrarkrise von der Kreditseite her ist darum nicht möglich, eine dauernde Sanierung nur denkbar durch Wiederherstellung der Betriebsrentabilität. Neue Agrarkredite ohne diese Voraussetzung bedeuten nicht Rettung der Landwirtschaft, sondern neue Täuschung. Da auch die bisherige Form der Kreditgewährung im wesentlichen gegen Wechsel oder sonst als kurzfristige Personalkridete sich verhängnisvoll erwiesen hat, muß als sofortige Maßnahme Umwandlungen dieser ursprünglich kurzfristig gewährten, jetzt nicht rückzahlbaren Kredite in langfristige Tilgungskredite erfolgen. Insgesamt kommen dazu 1,5 Milliarden eingefrorene Schulden in Frage.
Da aus angewachsenen Spargeldern innerhalb Jahresfrist etwa 600 Millionen zur Gewährung landwirtschaftlicher Hypotheken zur Verfügung stehen, ein weiterer Betrag von 250 bis 300 Millionen seitens der bisherigen Geldgeber in landwirtschaftlichen Betrieben stehen gelassen werden dürfte, falls durch Sicherung der Rentabilität Gewähr für künftige Rückzahlung geboten wird, bleiben etwa 600 Millionen außerordentlich zu beschaffen und für eine Uebergangszeit die ärgsten und drückendsten hängenden Schulden in langfristige zu verwandeln. Dafür sind drei Maßnahmen notwendig und ausreichend:
1. Die gesetzliche Verpflichtung aller öffentlich=rechtlichen Kapitalsammelstellen, einen erheblich höheren Betrag als bisher an landwirtschaftliche Hypotheken und Schuldscheinkrediten anzulegen als Aequivalent für das diesen Instituten gewährte Privilegium der Mündelsicherheit und Steuerfreiheit.(Ertrag etwa 250 bis 300 Millionen über die bisher aufgebrachte Summe innerhalb Jahresfrist.)
2. Erhebliche Verstärkung der Eigenmittel der Preußenkasse unter maßgebender Beteiligung des Reiches, und zwar namentlich für den Bedarf der langfristigen Personalkredite des Südens und Westens.(Etwa 100 Millionen.)
3. Auflage einer außerordentlichen Anleihe im Betrage von etwa 300 Millionen durch eine Stelle, die durch die Höhe ihres Eigenkapitals einen möglichst günstigen Zinsfuß zu erlangen in der Lage ist. Letztere Anleihe wird zum Teil im Auslande untergebracht werden müssen und können, und zwar unter Sicherung durch angemessene Ausfallbürgschaften öffentlicher Verbände.
Die Gelder sind lediglich zur Umschuldung, nicht zur Neuverschuldung zu verwenden. Die sachgemäße Verwendung dieser Kredite für jene Wirtschaften, die nach Wiederherstellung allgemeiner Rentabilitätsmöglichkeit und Ueberwindung der nächsten Monate an sich lebensfähig erscheinen, ist durch örtliche sachkundige und unpolitische Kreditausschüsse der Selbstverwaltungskörper der Landwirtschaft zusammen mit den geldgebenden Instituten zu gewährleisten.
Die heutige Nummer umfaßt 14 Seiten
Kundgedung des Landwirtschaftsrater.
Der Vorsitzende der rheinischen Landwirtschaftskammer fordert bestimmte Maßnahmen
gegen die landwirtschaftliche Not.