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Verabschiedung des Iinanzausgleichs.

Aussprache über den Achtstundentag.

* Berlin, 3. April. Am Samstag ist es dem Reichs­

tag gelungen, den Finanzausgleich zu verabschieden. Die Oppositionsparteien bemühten sich, die Hauszinssteuer abzuändern; sie blieben jedoch in der Minderheit. Beson­ders heftig wurde gekämpft um die Biersteueran­teile, die für Bayern, Württemberg und Baden erhöht wurden. Der preußische Ministerpräsident Braun wie­derholte den Einspruch gegen diese Bevorzugung der süd­deutschen Länder, durch die nach seiner Meinung die ge­fährdeten Grenzgebiete Preußens benachteiligt würden. Der Zentrumsabgeordnete von Guerard trat dieser Auffas­sung entgegen und erinnerte daran, daß Preußen schon nach dem Ruhrkampf, 1925 und im vorigen Jahre durch einen Nachtragsetat große Summen für diese Grenzgebiete erhalten habe. Ebenso wie Ministerpräsident Braun ver­langten auch die Sozialdemokraten und Kommunisten, daß über die Erhöhung der Biersteueranteile mit Zweidrittel­mehrheit entschieden werde. Staatssekretär Popitz jedoch blieb namens der Reichsregierung bei der Auffassung, es handele sich hier nur um eine deklarative Aenderung des Gesetzes. Aus Sinn und Zweck des Biersteuergesetzes er­gebe sich, daß eine solche Aenderung durch einfaches Gesetz möglich sei. Schließlich wurde die Biersteuernovelle auch nur mit einfacher Mehrheit angenommen.

Aus Andeutungen des preußischen Ministerpräsidenten muß man allerdings entnehmen, daß das größte deutsche Land beim Staatsgerichtshof diese Erhöhung der Anteile der süddeutschen Länder an der Reichsbiersteuer anfechten wird.

Der gesamte Finanzausgleich wurde schließlich auch in dritter Lesung verabschiedet, so daß er sogleich in Kraft treten konnte. Die Erledigung der noch übrig gebliebenen Etatsreste brachte wenig Schwierig­keiten. Eine Aussprache entwickelte sich nur um den Grenzfonds, den die Regierung im Etat des Innern auf 15 Millionen bemessen, der Ausschuß aber auf 25 Millionen erhöht hatte. Anträge der Sozialdemokraten, der Demo­kraten und Kommunisten, die darüber hinausgingen, wur­den abgelehnt. Es blieb bei 25 Millionen.

Der Rest der Sitzung galt der ersten Lesung des Ar­beitszeitnotgesetzes. Minister Dr. Brauns brachte den Entwurf persönlich ein. Er betonte, daß es sich nur um eine vorläufige Regelung zur Beseitigung der Mißstände handele, die die Notverordnung von 1923 auf dem Gebiete der Ueberstunden mit sich gebracht habe. Die endgültige Regelung müsse dem Arbeitsschutz­gesetz vorbehalten bleiben. Der sozialdemokratische Ge­werkschaftsführer Graßmann vertrat im Gegensatz da­zu den Achtstundentag. Der christliche Gewerkschaftsführer Stegerwald verwies auf den Charakter des Gesetzes als Notregelung. Auch das Zentrum verlange grund­sätzlich den Achtstundentag, allerdings nicht den schema­tischen. Der deutschnationale Abgeordnete Rademacher schilderte die Bedenken der Arbeitgeber gegen den Gesetz­entwurf, die zurückgestellt wurden im Interesse des Arbeits­friedens.

Am Montag soll die erste Beratung des Arbeitszeitnot­gesetzes zu Ende geführt und die Vorlage dem Ausschuß überwiesen werden.

G e

Washingion und Tokio ablehnend.

Die Südchinesen werden dreister.

WTB London, 2. April.(Reuter.) Ueber ein ge­meinsames Vorgehen der britischen, amerikani­

Sst u a n e he ere eunche eer ueere.

Preußen fühlt sich gegenüber Bayern beim vorläufigen Finanzausgreich denachteingr. nugtuung für die Ausschreitungen in Nanking ist noch

Picupen uge im gr lnichts entschieden. Es ist verfrüht, in

Dr. Stresemann über ein Konkordat.

* Berlin, 3. April. In der heutigen Sitzung der 5. Allgemeinen Kulturtagung der Deutschen Volkspartei nahm Reichsminister des Aeußern Dr. Stresemann das Wort. Er führte u. a. aus: Ich sehe eine Anfrage vor mir, die dahin geht, der Außenminister hielte ein Konkordat aus außenpolitischen Gründen für erwünscht. Ich habe einen derartigen Satz niemals ausgesprochen. Ich glaube, daß die große Bedeutung dieser Frage auf dem innern Gebiet des deutschen Geisteslebens liegt. Die Frage steckt in ihren Anfängen noch völlig in den Ressorts. Nach dem Vorgang in Bayern heißt sie nicht mehr: Reichskon­kordat oder nicht?, sondern: Reichskonkordat oder Landes­konkordat? Jetzt geht der ganze Sturm gegen ein etwaiges Reichskonkordat. Es ist seltsam, wenn die Demokratische Partei im Reich sich an diesem Sturm beteiligt, während ihre Aufgabe doch in Preußen liegt, um hier durch den ihrer Partei angehörigen Kultusminister reaktionäre Ent­schließungen zu verhindern. Wenn Bayern und Preußen ein Konkordat haben, dann ist für die großen Länder so viel geschehen, daß nur noch wenig zurückgenommen wer­den kann. Wenn unsre Partei in der Lage gewesen wäre, im Verlauf der letzten Jahre auf die Entwicklung praktisch stärkern Einfluß zu nehmen, so wäre die Lage in bezug auf das preußische Konkordat eine andre als jetzt. Es fragt sich noch das eine, was von unsrer Seite aus geschehen kann, um diese Entwicklung zu hemmen, die vielleicht für einen ganzen geschichtlichen Abschnitt unsers Geistesleben bestim­mend ist. Ich möchte das eine sagen, daß diese Fragen aufgetaucht sind, bedaure ich dann nicht, wenn sie auch ausgefochten werden. Es ist auch für die deutsche politische Erziehung ein Plus, wenn einmal der deutsche Bürger erfährt, daß es noch andere Dinge als Handelsverträge, Hauszinssteuer usw. gibt. Ich glaube, hier bietet sich für uns ein sehr großes Feld der Betätigung. Ich weiß nicht, ob wir parlamentarisch stark genug sind, diese Dinge zu hindern. Aber ich entsinne mich aus der Geschichte der Nationalliberalen Partei, daß einmal ein Schulgesetz ge­fallen ist, trotzdem die Mehrheit dafür war. Das war, als Bennigsen dazu aufrief, die liberalen Parteien zu einigen und alles zurückzustellen gegenüber dieser Frage. So sollten wir auch jetzt andere Fragen geringer schätzen und die Parteiarbeit einmal ganz bewußt auf diese Frage hin­lenken. Ich bin der Ueberzeugung, daß unser Einfluß in diesen Fragen weit hinausgeht über die Grenzen der Par­tei. Wir werden durch unsre Stellung bestimmen können, was andre große Parteien in diesen Fragen tun. Diese Fragen sind so bedeutsam, daß auch ein Parteitag der Deutschen Volkspartei sich mit ihnen befassen muß.

*

Herriok über Oesterreichs Sympathien für Frankreich.

WTB Paris, 4. April. Unterrichtsminister Herriot ist gestern abend von Wien kommend, wo er zur Beet­hovenfeier als offizieller Teilnehmer der französischen Re­gierung geweilt hatte, in Lyon eingetroffen. Nach dem Matin erklärte er bei seiner Ankunft, das österreichische Volk habe während des Krieges viel gelitten. Gegenüber denen, die es an den Rand des Abgrundes geführt hätten, hege es aber keinen Groll mehr. Die Grenzen Oesterreichs seien sehr eng gezogen worden. Das Land zähle nicht mehr als 6 Millionen Einwohner. Es liege im Herzen Europas wie eine kleine Schweiz, die über ihre Zukunft beunruhigt sei. Trotz gewisser prodeutscher Tendenzen der extremistischen Parteien bekunde Oesterreich in seiner Gesamtheit lebhafte Sympathien, für

(Oestereiche Sympathien waren immer in der Geschichte en strittiges Gebiet. Vielleicht war dies auch mit der

Zum Finanzausgleich.

Obwohl das Problem des Finanzausgleichs Reich und Länder in ihren Etatsinteressen aufs engste berührt, war das öffentliche Interesse für den darum entbrannten par­lamentarischen Kampf nur gering. Als am Samstag nach­mittag ein Aushang an unserem Schaufenster kurz ver­meldete, daß der Reichstag in dritter Lesung den Finanz­ausgleich verabschiedet habe, dürften sich darob nicht allzu­viel Gemüter aufgeregt haben. Es handelt sich hierbei zu­nächst um einen provisorischen Finanzausgleich und um die Novelle über die Verteilung der Bier­steuer. Es handelt sich um ein Kompromiß, bei dem Preußen nicht sehr glücklich ist, so wenig glücklich, daß es dagegen protestiert. Die Zugeständnisse an das bierfreudige und bierindustrielle Bayern sind ihm zu arg. Marx, der Kanzler, versucht deshalb, Preußen resp. seinen Ministerpräsidenten zu beruhigen.

Der Inhalt des neuen Finanzausgleichs ist aus den bisherigen Veröffentlichungen im wesentlichen be­kannt. Die Gesamtgarantie für die Länder und Ge­meinden wird von.4 auf.8 Milliarden Mark erhöht, und hiervon werden 450 Millionen nach dem Umsatzsteuer­schlüssel verteilt. Die besondere Umsatzsteuergarantie fällt weg. Die Länder sollen den Mehrbetrag der Ueber­weisungen in Höhe von 200 Millionen Mark zur Senk­ungder Realsteuern verwenden, d. h. nach dem neuen § 4 sind sie sogar dazu verpflichtet; was praktisch daraus wird, wird man aber abwarten müssen. Bis zum 1. Ok­tober d.., in Wirklichkeit also wohl schon in der Sommer­tagung, will die Regierung ein Reichsrahmengesetz für die Realsteuern und die Hauszinssteuer vorlegen. Der § 35 des Finanzausgleichgesetzes wird mit einer praktisch unbedeutenden Aenderung aufrechterhalten, so daß die finanziell schwachen Länder das Recht auf Reichsdotationen behalten, außerdem wird das Reich den Ländern und Ge­meinden vom 1. April ab die Lasten der unterstützenden Erwerbslosenfürsorge abnehmen, bis zum Inkrafttreten des Arbeitslosenversicherungsgesetzes. Die kommunalen Getränkesteuern sind zwar auf gehoben worden, aber sie können in der Form der Viersteuer bis zum 1. Juli forterhoben werden. Generell erhalten alle Ge­meinden das Recht, eine Biersteuer bis zu 7 Prozent des Herstellerpreises einzuführen.

Die ganze Neuregelung gilt im Gegensatz zu dem einjährigen Vorschlag der Regierung für zwei Jahre, also bis zum 31. März 1929. Da spätestens im Herbst nächsten Jahres Neuwahlen zum Reichstag stattfinden müssen, ist mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß der gegenwärtige Reichstag und wohl auch die gegenwär­tige Reichsregierung den endgültigen Finanzausgleich nicht mehr zu erledigen haben werden, d. h. die Koalition, die das Provisorium gemacht hat, überläßt die Verantwortung für das Definitivum ihrem heute noch nicht bestimm­ten Erben. Mit der Neuverteilung der Biersteuer, die den süddeutschen Ländern 48 Millionen Mark mehr zu­

weist als bisher, und zwar für die Dauer, ist der allge­meine Finanzausgleich noch durch einen Sonderausgleich zugunsten einzelner Länder erweitert worden. Die Oppo­sition der übrigen Länder, vor allem Preußen, das sich be­sonders benachteiligt fühlt, hat hierin ihren wesentlichen Grund.

die Verschiebungen, die der neue Finanzausgleich im Reichsetat bewirkt, haben sich diesmal für den Finanz­minister in höchst unliebsamer Weise bemerkbar gemacht. Erst nach tagelangen Bemühungen ist es gelungen, den Etat abzugleichen, aber nur dadurch, daß man alle Reser­ven aktivierte und daß man gleichzeitig bei den sozialen und kulturellen Ausgaben Kürzungen vornahm. Dies ging ohne organischen Plan vor sich. Wenn man Dr. Reinhold vorwarf, daß er um die Steuern zu senken, Re­serven aus den Vorjahren aufgebraucht habe, so ist er jetzt doppelt gerechtfertigt; denn sein Nachfolger mußte über die noch verbliebenen Reserven ebenso verfügen wie er, nur um die Balance im Etat herzustellen, die durch den Finanzausgleich und neue Anforderungen bedroht war; für eine Steuersenkung blieb nichts mehr übrig. Da­bei kann ruhig zugegeben werden, daß nicht alles, was jetzt den Etat neu belastet, auf Konto des neuen Kurses geht. Die Uebernahme der Erwerbslosenlasten von den Ländern und Gemeinden auf das Reich war schon von Dr. Reinhold versprochen worden und auch einige andere Mehrausgaben waren schon vor dem Amts­antritt Dr. Köhlers als sicher zu erwarten; was man ihm ankreidet, ist lediglich, daß die Erhöhung der Garantie und der süddeutschen Biersteueranteile die bereits vorhandenen Lasten entweder noch vermehrte und die zusätzliche Last gesetzlich so festlegte, daß daraus für das Reich später ernste Schwierigkeiten entstehen können. So wird der Finanz­ausgleich in der Form, die er jetzt erhalten hat, dem Minister, der einmal über den endgültigen Finanz­ausgleich zu verhandeln hat, kein großes Vergnügen berei­ten; denn die Länder und Gemeinden, die sich jetzt auf einem gesetzlich garantierten erhöhten Niveau einrichten, werden später nicht ohne weiteres bereit sein, davon wieder herunterzugehen. Insofern sind die Interessen des Reichs gegenüber partikularistischen Wünschen diesmal entschieden zu kurz gekommen.

Daß der provisorische Finanzausgleich im Reichsrat auf ernsthafte Schwierigkeiten stoßen werde, ist wohl nicht an­zunehmen. Denn auch Preußen scheint sich mit ihm abfinden zu wollen, zumal da er ja im ganzen die finanzielle Stellung der Länder gegenüber dem Reiche nur verbessert. Eine andere Frage ist, welches Schicksal das Gesetz über die neue Biersteuerverteilung finden wird. Die Finanzverwaltung hat erneut bestritten, daß es der qualifizierten Mehrheit bedürfe, aber der Wortlaut des Gesetzes steht dieser These entgegen. Eine Zweidrittel­mehrheit hat im Reichstage gefehlt und sie ist im Reichsrat mindestens fraglich. So wird wahrscheinlich der Staats­gerichtshof das letzte Wort zu sprechen haben.

haupten, daß au chnur ein vorläufiges Abkommen in den Verhandlungen zwischen London, Washington und Tokio zustande gekommen sei.

Inzwischen mehren sich die Anzeichen, daß die Süd­chinesen jetzt unterschiedslos gegen alle Auslän­der vorgehen, während bisher die Engländer das Haupt­ziel ihrer Angriffe waren. In Tsinunfu wird in den üblichen ergebnislosen Anschlägen dazu aufgefordert, sich an die Tötung der Ausländer zu wagen.

Grund, daß Bismarck die beweglichen Oesterreicher dem Reich nicht einverleiben mochte. Red.)

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Der Zustand des Königs Ferdinand verschlimmert.

MTB Berlin, 4. April. Nach hier vorliegenden Bukarester Meldungen ist im Befinden des rumänischen Königs Ferdinand eine weitere Verschlimmerung einge­treten. Angeblich soll Prinz Carol um die Einreiseerlaub­nis bei der rumänischen Regierung gebeten haben. Die Regierung soll beabsichtigen, dem Prinzen Carol nur eine beschränkte Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.

Aus Paris wird dagegen gemeldet, daß der Antrag des Exkronprinzen Carol von Rämunien auf Erlaubnis zum Besuche seines sterbenden Vaters abgelehnt wurde, da man Unruhen und Thronstreitigkeiten befürchte.

Doumergue über Sicherheit und Verständigung.

WTB Paris, 3. April. Präsident Doumergue hielt auf einem vom Munizipalrat und vom Generalrat von Lille in dem neu errichteten Rathaus, das damit ein­geweiht wurde, veranstalteten Bankett eine Rede, in der er von dem Wiederaufbau sprach und erklärte, daß der äußere Friede abhängig sei vom innern Frieden. Er richte deshalb an die Parteien die Mahnung zur Einigkeit. Frank­reich habe wiederholt Beweise seiner Friedensliebe gegeben. Da es aber die Kriegserfahrungen nicht soweit vergessen könne, wünsche es eine dauerhafte und wohl garantierte Sicherheit zu haben. Frankreich wolle nicht mehr in der beständigen Furcht vor einer Katastrophe leben und ar­beiten. Um diesen Eindruck zu vermeiden, fuhr Doumergue fort, rechnet Frankreich gewiß auf die Verständigung der freien Völker und auf die Bildung einer höheren Auf­fassung von der Menschlichkeit, die gegen jede Gewalt und gegen den Krieg ist. Frankreich ist entschlossen, ener­gisch und nachdrücklich an der Erzielung dieser Verstän­digung und an der Schaffung dieser höheren Auffassung zu arbeiten. Aber dies läßt sich nicht innerhalb eines Tages erreichen. Bis zu diesem Ergebnis darf Frankreich nicht vergessen, daß die Schwächung der Verteidigungsmittel eines reichen Landes im allgemeinen bei denen, die auf es eifersüchtig sind, die heftige Versuchung erweckt, es anzu­greifen. Lediglich durch die Bereithaltung einer allen Ge­fahren entsprechenden Defensivkraft garantiert ein Volk vollkommen die Sicherheit seiner Grenzen und kann in Frieden arbeiten.

Zwischenfall bei dem Besuch des Präsidenten Doumerques in Lille.

WIB Paris, 3. April. Wie Havas aus Lille berich­tet, ereignete sich dort heute nachmittag, als der Präsident der Republik, Doumergue, sich nach Besichtigung der Messe in das neue Rathaus begab, an der Ecke der Rue de Paris und des Platzes Simon Vollant ein Zwischenfall, der übrigens von dem Festzug nicht bemerkt wurde. Ein an­scheinend betrunkener Mann trat aus der Reihe der Menge

und schritt auf den Wagen des Präsidenten zu und rief zweimal aus: Nieder mit dem Krieg. Der betref­sende Mann wurde unverzüglich von zwei Gendarmen festgenommen. Er erklärte, Gabriel Even zu heißen und arbeitslos zu sein. Man durchsuchte ihn, fand jedoch keine Waffen bei ihm. Der Teil des Publikums, der den Zwischenfall bemerkt hatte, verdoppelte daraufhin seine Hochrufe auf Doumergue.

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Frankreichs Kohlenpolitik.

Die Lohnkrise im Bergbau.

WTB Paris, 2. April. In der gestrigen Sitzung der Kammer hielt der Minister für öffentliche Arbeiten, Tar­dieu, gelegentlich der Interpellationsdebatte über die Lohnkrise im Bergbau eine programmatische Rede über die Kohlenpolitik der französischen Regierung. Tardieu stellte sich dabei ziemlich auf den Arbeitgeberstandpunkt und erklärte, daß die Steuerlasten sich um das 10,85fache, die Löhne um das 6,12fache, die Unternehmergewinne da­gegen nur um das 3,13fache vergrößert hätten.

Er konnte sich die taktische Bosheit nicht verkneifen, zu erklären, daß die Bewegung für die Lohnherabsetzung im Saarbergbau durch die Initiative der Saarindustrie aus­gelöst worden sei. Der Minister erklärte, daß alle Maß­nahmen getroffen würden, um die nationale Produktion zu entwickeln, um Frankreich möglichst von der ausländi­schen Kohleneinfuhr unabhängig zu machen. Nach den Ausführungen des Ministers wurde der Regierung mit 360 gegen 160 Stimmen das Vertrauen ausgesprochen.

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Nordamerikaner und Engländer räumen Nordchina.

WTB Paris, 3. April. Der Sonderberichterstalter der Information in Peking meldet vom 2. April, 3 Uhr nachmittags chinesischer Zeit(gleich 9 Uhr vormittags euro­päischer Zeit): Die Gesandtschaften der Vereinigten Staa­ten und Großbrikanniens haben ihren Staatsangehörigen Weisung gegeben, Nordchina einschließlich Pekings zu räumen.

Tschen über die Vorfälle in Nanking. * Schanghai, 2. April. Der südchinesische Minister des Aeußern, Tschen, gibt folgende Erklärung über die Zwischen­fälle in Ranting beraus:. Barzan, in Mansina be

Der mit der Untersuchung der Vorfälle in Nanking beauf­tragte Ausschuß hat festgestellt, daß die Ausschreitungen das Werk der Reaktionäre und des Stadtgesindels waren, die die Fremden angriffen und die Konsulate plünderten. Nach den bisherigen Ermittlungen sind dabei vier bis sechs Aus­länder ums Leben gekommen und etwa sechs verwundet worden. Anderseits betragen die Verluste der chinesischen Bevölkerung infolge der Beschießung etwa hundert Tote oder Verwundete für jeden getöteten oder verwundeten Aus­länder. Während die Nationalregierung die fremdenfeind­lichen Ausschreitungen verurteilt und die Verluste der Aus­länder bedauert, kann sie doch nicht umhin, gegen die Be­schießung Nankings durch die englischen und amerikanischen Kriegsschiffe aufs schärfste Einspruch zu erheben.

Verstärkung der englischen Streitkräfte in Schanghal.

* London, 2. April. Die Regierung hat beschlossen, die Verteidigungstruppen in Schanghai um eine volle In­fanteriebrigade nebst den nötigen Hilfstruppen zu verstär­ken. Zu den vier auf Kriegsstärke gebrachten Bataillonen, die die Brigade bilden werden, gehört ein weiteres Garde­bataillon.

Gelbe gegen Gelbe.

WIB Schanghai, 4. April.(Reuter.) Infolge eines Streites zwischen einem japanischen Matrosen und einem Rickscha-Kuli drang in Hankan eine Menge von Au­lis in die japanische Konzession und begann, die Läden zu plündern und die japanischen Staatsangehörigen auf der Straße anzuhalten. Eine Abteilung japa­nischer Matrosen wurde daraufhin eiligst von den Kriegsschiffen gelandet, die sich genötigt sahen, mit Ma­schinengewehren auf die Menge zu feuern, wodurch zwei(?) Chinesen verwundet wurden. Die Menge wurde schließlich zerstreut. Japanische Makrosen bewachen jetzt die Niederlassung. Vier weitere japanische Kriegsschiffe sollen das bereits in Hankau liegende Ge­schwader von drei Kriegsschiffen verstärken.

Der Kollidieb in der Wohnkiste.

Er ließ als Expreß sich selber verschicken.

Vor einigen Tagen fand man in Düsseldorf in einer Er­frischungshalle mehrere Kisten, die, als man sie öffnete, allerlei Diebeswerkzeuge enthielten. Die Eisenbahn=Krimi­nalpolizei stellte sofort Ermittlungen an, da bereits viel­fache Anzeigen über Beraubungen von Eisenbahngütern eingegangen waren, und die Ermittlungen haben nunmehr dazu geführt, daß der Schlosser Ludwig Weichert aus Essen verhaftet wurde. Er hat auch bereits ein Geständnis ab­gelegt und gibt zu, im Bezirke der Eisenbahn=Direktion Frankfurt a.., Mainz und Köln zahlreiche Diebstähle ausgeführt zu haben. Interessant ist die Aussage des Wei­chert, wie er die Diebstähle ausgeführt hat. Er hatte sich eine große Kiste anfertigen lassen, die innen äußerst wohn­lich eingerichtet war. Sie war mit Teppichen ausgelegt, enthielt Gefächer zur Aufbewahrung von Eßwaren, Trink­gefäßen usw. Weichert ließ sich in diese Kiste einpacken und als Expreßgut zur Bahn bringen.

War die Kiste unterwegs in einem verschlossenen Eisen­bahnwagen verladen, konnte Weichert von innen die eine Seite der Kiste herunterlegen und so sein freiwilliges Ge­fängnis verlassen. Um ganz sicher zu gehen, daß er einen Ausweg finden wird, waren drei Seiten der Kiste derartig eingerichtet, während nur die eine Seite fest am Boden befestigt war. In dem Wagen hatte er dann natürlich ge­nügend Zeit, sich die anderen Güter anzusehen und zu be­rauben.

Bis jetzt hat Weichert zugegeben, in vierzehn Fällen derartige Diebereien ausgeführt zu haben

Die französische Konsolidierungsanleihe.

21.5 Milliarden.

* Paris, 2. April. Die von der französischen Regie­rung geplante neue Konsolidierungsanleihe soll nach dem Vorbild der im Februar zur Einlösung der im September verfallenen Schatzbons aufgelegten alle in den Jahren 1928 und 1929 zur Einlösung fälligen kurzfristigen Ver­bindlichkeiten des Schatzamts und des Crédit national absorbieren. Es handelt sich dabei um insgesamt 21,5 Mil­liarden Franken. Wie sich aus dem Ausmaß dieser Konso­lidierungsoperation von selbst versteht, soll die Anleihe nicht auf einmal begeben werden.

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Die Reparationszahlungen der deutschen Industrie. 125 Millionen Mark Industrie=Obligationen-Zinsen gezahlt.

Die Bank für deutsche Industrie=Obligationen hat am 1. April vormittags den Betrag von 125 Millionen Gold­mark gemäß den Bestimmungen des Industriebelastungs­Gesetzes als erste halbe Jahresrate der für das dritte Re­parationsjahr vorgesehenen Jahreszinsleistung von 5 zent auf die=Milliarden=Belastung der deutschen Indu­strie frist= und ordnungsgemäß dem Generalagenten für die Reparationszahlungen für Rechnung des Treuhänders für die deutschen Industrie=Obligationen überwiesen.

Ein Dorf niedergebrannt.

* Prag, 2. April. Die große jüdische Gemeinde Jasina in Karpatorußland wurde von einem verheerenden Brand heimgesucht. 29 Wohnungen und zahlreiche Magazine, Scheunen und Wirtschaftsgebäude sind niedergebrannt. 47 Familien sind obdachlos geworden. Der Schaden geht in die Millionen. Der Brand brach in einem Wirtshaus aus, wo es zu einer Explosion von Granaten kam, die seit dem Weltkriege noch dort verborgen lagen.

Die Tagung der Wirtschaftshilfe der Deutschen Studen­tenschaft und der ihr angeschlossenen 51 Wirtschaftskörper an deutschen Hochschulen findet am 9. und 10. Juni in Kiel statt. Im Mittelpunkt der diesjährigen Beratungen stehen vor allem die Fragen der Studienstiftung des deutschen Volkes, der Studentenhäuser, der Krankenversicherung und Werbung. Die Tagung soll dazu dienen, die Erfah­rungen der einzelnen Wirtschaftskörper auszutauschen und Richtlinien für eine einheitliche Weiterführung der studen­tischen Wirtschaftsarbeit in Deutschland festzulegen. An­schließend tagt am 11. Juni in Kiel der Verwaltungsrat und die Mitgliederversammlung der Wirtschaftshilfe der Deutschen Studentenschaft, sowie der Verwaltungsrat und die Hauptversammlung der Darlehnskasse der Deutschen Studentenschaft.

Die heutige Nummer umfaßt 16 Seiten