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38. Jahrgang. Nr. 12724

für Bonn und Amgegend.

Druck u. Verlag: Hermann Reusser

Verantwortlich:

Hauptschriftleiter: Deter Neusser Anzeigen: Deter Leserinier Alle in Bonn.

Keine Verpflichtung zur Rückgabe anverlangter Manustripte.

Bonn, Mittwoch, 19. Januar 1927.

Gründungsjahr des Verlags 1725.

An di Seen der teichswehl.

Minister Grzesinskl über seine Rheinland=Eindrücke.

MTB Berlin, 18. Jan. Der preußische Innenminister Grzesinski, der am Montag von seiner Rheinlandreise zu­rückkehrte, gab Pressevertretern gegenüber Erklärungen über seine Reiseeindrücke ab.

Er könne zunächst als stärksten Eindruck feststellen, daß es im Rheinland bei der Bevölkerung einen Streiti Meinungsverschiedenheiten über die repu­blikanische Staatsform nicht gebe. Aus allen Schichten der Bevölkerung sei ihm immer versichert worden, daß die rheinische Bevölkerung fest und unerschütterlich zur deutschen Republik stände und jeder Versuch einer Ablösung oder gewaltsamen Verfassungsänderung die einhellige Ab­lehnung der gesamten rheinischen Bevölkerung finden würde. Diese bewußte Einstellung zum Staate lege aber auch dem Staat selbst die Verpflichtung auf, gerade die Landesteile, die durch die Besetzung in den vergangenen Jahren und zum Teil auch heute noch schwere wirtschaft liche Schädigungen erlitten, nach Möglichkeit zu unter­stützen.

Von den Vertretern der arbeitnehmenden Bevölkerung des Rheinlandes seien ihm erschütternde Klagen vorgebracht worden über die Arbeitslosigkeit, die zum großen Teil im Zusammenhang stehe mit der veränderten Grenz­führung durch den Versailler Vertrag. Wirtschaft und Staat müßten hier gemeinsam für Abhilfe sorgen.

Zum Schluß kam der Minister auf Verwaltungs­fragen zu sprechen und bekonte, es sei Voraussetzung für ihn, daß die Beamtenschaft unbeschadet ihrer in der Verfassung garantierten Ueberzeugungsfreiheit eintreten und tätig sein müsse im Sinne des heutigen Staates. Was er im Rheinland gesehen habe, bestärke ihn in der Ueber­zeugung, daß die Zusammenarbeit zwischen der Verwal­tung und der Bevölkerung sehr leicht möglich und im weiten Umfange auch schon verwirklicht ist.

*

Noch 3341 Besatzungrangehörige in Dären.

* Düren, 17. Jan. Die Stadt Düren ist mit der Be­freiung der Kölner Zone nicht geräumt worden, sie liegt nunmehr an der Grenze des besetzten Gebietes und wird durch französische Besatzungstruppen besetzt gehalten. Nach den letzten Feststellungen befinden sich noch 2391 Militär­personen und 950 Familienangehörige der Besatzung, ins­gesamt also 3341 Besatzungsangehörige in der Stadt. Von den Militärpersonen sind 2082 in Massenquartieren, haupt­sächlich in den zu Beginn des Krieges fertiggestellten Garni­sonbauten untergebracht. Für die übrigen 1259 Besatzungs­angehörigen sind zurzeit noch 338 Wohnungen mit 1629 Wohnräumen beschlagnahmt, darunter eine Villa mit 33 Räumen. Von den 338 beschlagnahmten Wohnungen sind 106 reichseigen, 33 befinden sich in öffentlichen Gebäuden, so daß noch 209 Bürgerquartiere mit 905 Wohnräumen durch die Besatzung festgehalten werden. An Diensträumen sind im Postamt für die französische Feldpost noch vier Räume, im Bahnhof für die Feldeisenbahnkommission zwölf. im Landratsamt für den Wohnungsbewertungsaus­schuß fünf Räume beschlagnahmt. In drei Kindergärten sind insgesamt 13 Säle und 13 Wohnräume beschlagnahmt, im Gymnasium vier Kellerräume und die Turnhalle für Verpflegungsmagazine. In elf gewerblichen Betrieben sind insgesamt noch 97 Räume für Lagerzwecke, Soldaten­und Offiziersheime beschlagnahmt.

Aufhebung einer französischen Gendarmerieskation.

* Oberlahnstein, 18. Jan. Es schweben z. Zt Verhandlungen zwischen dem Reichskommissar in Koblenz und dem Oberkommando der Rheinarmee zwecks Aufhe­bung der hiesigen Gendarmeriestation.

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Das Zenkrum für eine Regierung der Mitte.

Berlin, 18. Jan. Der Fraktionsvorstand des Zen­trums hat sich heute abend mit den Gerüchten beschäftigt. daß der Vorschlag einer Regierung der Mitte vom Zen­trum gar nicht ernst gemeint und daß die Fraktion selbst innerlich entschlossen sei, eine Rechtsregierung mitzu­machen. Der Vorstand hat am Schlusse seiner Beratung folgendes Kommunigus veröffentlicht:

Das Zentrum setzt mit besonderem Nachdruck die

bisherigen Bemühungen um das Zustandekommen

einer Regierung der Mitte fort. Alle gegenteiligen

Ausstreuungen sind durchsichtige Tendenzmeldungen.

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Noch keinerlei Ergebnls.

P Berlin, 19. Jan. Die Frage der Regierungs­bildung ist gestern dem äußeren Anschein nach nicht vom Fleck gekommen. Reichskanzler Dr. Marx verhandelte nachmittags mit dem Führer der Bayerischen Volks­partei, dem Abg. Leicht. Es waren auch Besprechun­gen mit der Wirtschaftspartei beabsichtigt. Doch konnten diese nicht stattfinden, weil die beiden Fraktions­vorsitzenden gegenwärtig von Berlin abwesend sind. Am späten Abend hatte der Reichskanzler noch eine Unterre­dung mit dem sozialdemokratischen Abg. Hermann Müller. Dieser Besprechung ging eine Sitzung des so­zialdemokratischen Fraktionsvorstandes voraus. Ueber das Ergebnis wurde keine Meldung ausgegeben. Die Be­sprechung drehte sich im Kreise des sozialdemokratischen Fraktionsvorstandes um die Frage, unter welchen Be­dingungen die sozialdemokratische Frak­tion zur Unterstützung des Kabinetts der Mitte bereit sei. Diese Frage ist dem Unterhändler der sozialdemokratischen Fraktion vom Reichskanzler Marx am Montag vorgelegt worden. Es ist nicht klar zu erkennen, ob der sozialdemokratische Fraktionsvorstand einen end­gültigen Beschluß nach dieser Richtung hin gesaßt hat, oder ob er die Entscheidung der sozialdemokratischen Reichstags­fräktion überlassen will. Auf jeden Fall hüllt man sich bei den Sozialdemokraten in Schweigen. Es scheint, als ob der weitere Fortgang der Besprechungen von der heu­tigen Sitzung der Fraktion abhängig sei. Sämtliche Reichs­tagsfraktionen treten schon vor dem Plenum zu einer Sitzung zusammen, einige beginnen um 11 Uhr, die anderen um 12 Uhr. Man wird den Verlauf dieser Sitzungen ab­warten müssen, ehe man sieht, wie die Verhandlungen weitergehen können.

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Graf Westarp verneint.

° Berlin, 18. Jan. Die Besprechung des Reichs­kanzlers Dr. Marx mit dem Führer der Deutschnationa­len Volkspartei, Graf Westarp, dauerie, wie das Nach­richtenbüro des Vereins Deutscher Zeitungsverleger hört, etwa 1 Stunde. Dr. Marx suchte festzustellen, ob die Deutschnationalen ein Kabinett der Mitte tolerieren könnten. Graf Westarp lleß, wie das Nachrichtenbüro weiter hört, keinen Zweiser daran, daß dien nicht der Fall sein werde.

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Die Beeliner Sozialdemokraten zur Regierungsbildung.

MTB Berlin, 19. Jan. Reichstagsabgeordneter Dittmann(Soz.) sprach gestern vor den Berliner Par­

Die Wehrfrage.

Briefwechsel Gesler-Koch.

* Berlin, 18. Jan. Die Antwort des Reichswehrmini­sters Geßler auf den Brief des demokratischen Partei­vorsitzenden, Ministers a. D. Koch, im Zusammenhang mit dem bekannten Artikel des Generals Reinhardt über den Heeresersatz lautet u..:

Die Frage des Heeresersatzes beschäftigt seit Munaten die deutsche öffentliche Meinung auf das leb­hafteste Zahlreiche Sachverständige usw. haben sich mit der politischen und technischen Seite des Problems be­schäftigt. Der Chef der Heeresleitung hat zur Klärung Berichte der verantwortlichen Befehlsstellen eingefordert. Auch General Reinhardt hat einen solchen Bericht erstattet. Ich habe die Genehmigung zur Veröffent­lichung gestattet, um nicht an dem Artikel irgendeine Zen­sur zu üben. Ich wollte in einer Frage von der größten Bedeutung für die Entwicklung des Heeres nicht die Armee mundtot machen, sondern auch sie selbst sprechen lassen. Dazu erschien der Bericht der Generals Reinhardt be­sonders geeignet, denn er stammte von einem Offi­zier, dem wie Sie ja wissen jeder Mißbrauch der Reichswehr zu verfassungswidrigen oder reaktionären Zwecken fernliegt. Ihm liegt vielmehr die Herstellung der Volksgemeinschaft in den Fragen der nationalen Verteidi­gung ganz besonders am Herzen. Er wird auch in weiten Kreisen der Linksparteien zu den Führern der Reichswehr gerechnet, die dem neuen Staate gegenüber aktiv und positiv eingestellt sind. Dadurch bekommt sein Bericht als Stimmungsbild aus der Reichswehr eine besondere Bedeu­tung.

Daß der Artikel nicht ohne Widerspruch bleiben würde, war mir klar, denn der Soldat stellt aus seinem Berufs­ethos heraus an die Vertretung des Wehrgedankens An­sprüche, die der Politiker nicht immer erfüllen kann, die er aber im Kampf um die Seele der Reichswehr nicht außer Acht lassen darf. Der Artikel hebt besonders hervor, daß der Verfasser der Auffassung ist, daß die Angehörigen der Linksparteien selbstverständlich wie die Verfas­sung, so auch die Grenzen ihres Vaterlandes mit vollster Hingabe verteidigen würden, aber er ist auch der Auffas­sung, daß in der Frage dieser Ideale in der Haltung ihrer Parteien Widersprüche und Lücken bestehen, die in der Armee das Bild erzeugen, das er geschildert hat. Diese Auffassung ist mir selbst oft entgegengetreten. Soweit ich konnte, habe ich mich bemüht, sie auf das berechtigte Maß zurückzuführet. Dadurch ergibt sich ja die grundsätzliche Stellung der Demokratischen Partei in dem Sinne ein­wandfrei, wie Sie in Ihrem Briefe hervorheben. Da­neben gibt es aber sehr viele Aeußerungen in der Oeffent­lichkeit, und zwar von Leuten, die sich als besonders be­rufene Interpreten republikanischer und demokratischer Weltanschauung ausgeben und die eine absolut entgegen­gesetzte Einstellung ergeben, und Ihre eigenen Ausführun­gen auf dem Parteitag zu Breslau sind ein Beweis dafür, denn sie wurden zur Bekämpfung von Strömungen im Lager der deutschen Demokraten notwendig, die vielleicht keine große Gefolgschaft haben, aber sehr laut austreten und in einflußreichen Organen zu Wort kommen. Daraus erklärt sich, daß Stimmungen und Auffassungen, wie sie in dem Artikel des Generals Reinhardt zum Ausdruck kom­men, immer wieder neue Nahrung finden. Sie haben

teifunktionären über Regierungsbildung und Sozialdemo­kratie. Der Redner erläuterte die bekannten sozialdemo­kratischen Forderungen, deren wichtigste die Reform der Reichswehr und die Schaffung eines Arbeitszeit=Notge­setzes seien. Nach den Aeußerungen der Zentrumsarbei­terführer sei damit zu rechnen, so erklärte der Redner, daß das etwaige Zustandekommen einer Bürgerblockre­gierung Sprengpulver für das Zentrum sein würde. Bei dem Entschluß des Zentrums, keinen Besitzbürgerblock zu schaffen, hätten die Arbeiter des Zentrums den Aus­schlag gegeben. Einstimmig beschloß dann die Versamm­lung folgende Resolution:

Die heute versammelten Funktionäre der SPD Großberlins fordern von der Reichstagssraktion, daß sie unter allen Umständen der Bildung einer Regie­rung, der Reichswehrminister Geßler angehöre, den schärfsten Widerstand entgegensetzt. Die Ver­sammlung fordert ferner, daß die Fraktion mit aller Kraft für die Durchführung des Arbeitszeit=Notgesetzes mit dem Achtstundentag im Interesse der Arbeitslosen, für den weiteren Ausbau der sozialen Gesetzgebung und die Republikanisierung der Reichswehr kämpft.

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Hellmut von Gerlach über den Bürgerblock.

* Köln, 18. Jan. Aufgrund eines Beschlusses einer von etwa 1000 Personen besuchten Versammlung der Deutschen Friedensgesellschaft in Köln am 17. Januar, in der Hellmut von Gerlach(Berlin) über die Krisis der Republik sprach, ist an den Reichspräsident folgende Drahtung gesandt worden:Große Kölner Volksversammlung der Friedensgesellschaft warnt drin­gend vor Regierung des Bürgerblocks, weil sie die Klassengegensätze verschärfen und so den inneren Frieden aufs schwerste gefährden würde."

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Henry Ford über Hochfinanz und Mexikokrieg.

P Newyork, 19. Jan. Henry Ford erklärte einem Korrespondenten des Boston Herald, man rede nur deshalb vom mexikanischen Krieg, weil ihn einige große Finanzleute wünschten. Aber der Krieg komme nicht, weil das Volk zu intelligent sei und sich dies nicht gefallen lasse. Man wolle aber den Krieg aus den gleichen Grüunden, wie seinerzeit den kubanischen Kireg: Um der großen Finanz die Kontrolle über Mexiko zu verschaffen. Er glaube aber nicht, daß es der großen Finanz gelingt, den Präsidenten einzuwickeln.

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Choleraähnliche Epidemie in Ostgallzien.

WTB Warschau, 18. Jan. Einer Blättermeldung zufolge ist in Ostgalizien im Kreise Peczylizynek eine Choleraähnliche Epidemie ausgebrochen. Es sterben täg­lich 2050 Personen. Die bisher angewandten sanitären Vorbeugungsmaßnahmen haben sich nicht als genügend erwiesen.

an der temperamentvollen Darstellung dieser Stimmung in den Aufsätzen scharfe Kritik geübt, aber ich weiß bestimmt, daß Sie irren, wenn Sie glauben, eine Verun­glimpfung der demokratischen Parteiführer habe im Sinne des Verfassers gelegen. gez. Dr. Geßler.

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Koch antwortet Geßler.

* Berlin, 18. Jan. Auf den heute in der Berliner Presse veröffentlichten Brief des Reichswehrministers Dr. Geßler an den Vorsitzenden der Demokratischen Reichs­tagsfraktion, Koch, hat dieser unter dem heutigen Datum mit einem Schreiben an den Reichswehrminzter ge­antwortet, das das Nachrichtenbüro des Vereins Deut­scher Zeitungsverleger zu veröffentlichen in der Lage ist und in dem es u. a. heißt:Es gibt keine maßgebenden

Kreise in der Partei, die der Reichswehr feindlich gegen­überständen. Es gibt allerdings Kreise, die Ihrer Tätig­keit in der Reichswehr nicht immer Billigung gezollt haben. Nach einem Hinweis darauf, daß die Ausfüh­rungen Kochs in Breslau zur Frage des Pazifismus in erster Linie deswegen gemacht wurden, um die Angriffe, wie die jetzt von General Reinhardt erhobenen, zurückzu­weisen, und daß seine Haltung auf dem demokratischen Parteitag ausdrücklich einstimmig gebilligt wurde, heißt es in dem Briefe weiter:In dem Artikel des Generals Reinhardt sind die Vorwürfe gegen die demo­kratische Partei und ihre Wortführer unterschiedslos gerichtet worden. Es wird ausdrücklich ein Strich zwischen Ihnen, Herr Geßler, und allen anderen Wortführern der Partei gezogen. Sie wissen aber ebenso gut wie wir, mit welcher Treue wir in schwersten Stunden an Ihnen fest­gehalten und Sie gestützt haben, wie wir uns jederzeit bemüht haben, überlaute Stimmen der Kritik einzudämmen und wie entschieden wir uns in allen amtlichen Verhand­lungen trotz mancher Bedenken gegen Ihre Politik auf Ihre Seite gestellt haben. Ich bedauere, daß Sie trotzdem diese einseitige und falsche Darstellung über uns alle haben passieren lassen. Wenn es Ihre Absicht gewesen ist, uns anzuhalten, einen Kampf um die Seele der Reichswehr zu führen, so ist uns dieser Kampf durch diesen Artikel ganz gewiß nicht erleichtert. Im Gegenteil werden zahlreiche Angehörige der Reichswehr den Artikel des Generals Reinhardt und die kommentierenden Stim­men der Rechtspresse lesen und glauben, sowie zu irrigen Meinungen hingeführt und uns entfremdet werden. Es wird mühsamer und großer Anstrengungen bedürfen, um diesen Eindruck wieder zu verwischen.

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Dr. Stresemann über die Reichswehr.

Im Reichsklub der Deutschen Volkspartei zu Berlin nahm Reichsaußenminister Dr. Stresemann gelegent­lich der Reichsgründungsfeier gestern abend das Wort zu einer Ansprache, in der er auf den Streit um die Reichs­wehr einging und hierbei bemerkte: Das Nationale werde sich durchsetzen, je weniger es mit dem Gedanken des Reak­tionären verbunden ist. Hindenburg sei ein hohes Vorbild der Verbindung vom alten zum neuen Staat. National sein heiße nicht, sich an Phrasen berauschen, sondern nüch­terne Tagesarbeit leisten. An die Parteien richtete Dr. Stresemann die Mahnung:Hände weg von der deut­schen Reichswehr! Die Reichswehr wird um so volkstümlicher sein, je mehr sie alle Teile des deut­schen Volkes umfaßt. Wir wollen keine rechte und keine linke, sondern eine deutsche Reichswehr.(Stürmischer Beifall.)

Preußischer Landtag.

8 Berlin, 18. Jan. Die erste Vollsitzung des preu­ßischen Landtags nach der Weihnachtspause leitete Präsi­dent Bartels würdig ein durch ehrende Worte für den am zweiten Weihnachtsfeiertage verstorbenen dritten Vize­präsidenten des Hauses, den volksparteilichen Abgeordneten Geheimrat Hugo Garnisch, dem zu Ehren sich die Ab­geordneten von ihren Sitzen erhoben. Das Haus ehrte dann durch Beifallskundgebungen den Direktor beim Landtag, Geheimrat Döhl, der erst kürzlich sein vierzig­jähriges Dienstjubiläum begangen hat.

Auf der Tagesordnung standen nur kleinere Vorlagen. Die Kommunisten unternahmen zwei erfolgreiche Vorstöße gegen die Tagesordnung, indem sie durchsetzten, daß nachträglich ihre Anträge auf Erlaß einer Amnestie für politische Gefangene und auf Zurückziehung der Ver­ordnung über die Befreiung der gewerblichen Räume von der Zwangswirtschaft auf die Tagesordnung gesetzt und ohne wesentliche Debatte der Ausschußberatung überwiesen wurden. Das Haus verabschiedete endgültig eine Vor­lage, die 300000 Mark für den weiteren Ausbau der An­stalt zur Erforschung von Tierseuchen auf der Insel Riems darlehnsweise zur Verfügung stellt. Annahme in zweiter Beratung fand ein Gesetzentwurf, der weitere zehn Mil­lionen zur verstärkten Förderung des Baues von Land­arbeiterwohnungen bereitstellen will. Auf der Tages­ordnung für Mittwoch stehen abermals kleinere Vorlagen, u. a. die über die Ermäßigung der Gerichtskosten.

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Mietserhöhung? Eine Mindestmiete?

MTB Berlin, 19. Jan. Eine Berliner Korrespon­denz erfährt zu der beabsichtigten Mietserhöhung am 1. April u..:

Eine Entscheidung über den Grad der Mietserhöhung wird erst möglich sein, wenn man das letzte Ergebnis der Hauszinssteuer kennt. Außerdem werde das Vorgehen in dieser Frage erst nach Vereinbarung mit dem Reich er­folgen. Das Ziel bleibe für das preußische Wohlfahrts­ministerium nach wie vor die in dem offenen Brief des Wohlfahrtsministers vom November 1926 für notwendig gehaltene Erhöhung der Mieten auf zirka 130 Prozent der Friedensmiete. Es erscheine nach dem gegenwärtigen Stande der diesbezüglichen Verhandlungen mit den Län­dern und dem Reiche möglich, daß ab 1. April an Stelle der jetzigen Höchstmiete eine Mindestmiele in Kraft gesetzt wird, deren Unterschreitung den Ländern ver­boten wird. Allerdings handle es sich dabei zunächst nur um Vorschläge, die in den Vorbesprechungen gemacht wor­den sind. Die endgültige Entscheidung könne auch hier erst nach der Neubildung der Regierung im Reich erfolgen.

China und England.

P London, 19. Jan. Die Admiralikät gibt offiziell bekannt, daß das erste Kreuzerge­schwader unter dem Besehl des Kontreadmirals William Boyle morgen von Malta nach Schang­hal in See gehen werde. Das Hospitalschiff Maine wird in den nächsten Tagen folgen. Ueber das Ge­rücht, daß Drea dnoughis aus dem Mittelmeer nach Schanghai gesandt werden sollen, istamtlich nichts bekannt". Hierzu kann jedoch der Verireter des Berl. Lokalanzeigers aus zuverlässiger Quelle melden, daß der kommandierende Admiral ein Ge­schwader von Kriegsschiffen aus Dreadnoughis angefordert hat.

Für morgen ist bereits eine neue Kabinetts­sitzung angesagt. Aus Kiuklang wird berichtet, daß die britische Konzession dort voll­ständig ausgeraubt ist. In Schanghai ist es zu neuen Streiks gekommen. Alle Ange­stellten der großen Warenhäuser sowie der Straßenbahnen haben die Arbeit niedergelegt. Der Ausstand ist vollkommen. Die Ge­schäfte sind geschlossen, und die Straßenbah­nen stehen still.

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Zweidentige Erklärungen Japans.

P Newyork, 19. Jan. Das japanische Auswärtige Amt erklärt entgegen der in Europa verbreiteten Mel­dung, Japan verfolge in China eine Politik des Frie­dens und der Richteinmischung. Japan habe natürlich die Pflicht, seine Untertanen in China zu schützen, erblicke jedoch in jedem Druck von außen gegenüber China eine Maßnahme, deren Folgen be­stimmt eher schlechte als gute sein würden.

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Die Haltung der Opposiklon in Japan.

WTB London, 18. Jan. Daily Mail meidet aus Tokio: Der Führer der japanischen Oppositior. Barin Kababa, erklärte in einer Rede vor der Seinyut=Partei Japan sei die verantwortliche und führende Macht im Osten. Die von der Regierung betriebene Polntik der Richtintervention sei lediglich auf den Mangel an Tat­kraft zurückzuführen. Die Zeit sei gekommen, wo Japan selbständig vorgehen und in China die Führerschaft, die ihm gebühre, übernehmen sollte.

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Ein neues Kabinelt in Beking.

MTB London, 18. Jan. Wie aus Peking gemeldet wird, ist ein neues Kabinett mit Wellington Koo als Prä­sident gebildet worden. Wellington Koo hat zugleich das Außenministerium übernommen. Es scheint, daß nach der langen kabinettslosen Zeit die bevorstehenden Handelsver­tragsverhandlungen zwischen Belgien und China die Ver­anlassung gegeben haben, ein neues, aktionsfähiges Kabi­nett zu bilden.

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Unerfüllbar.

England soll seine Kriegsschiffe zurückziehen.

* London, 18. Jan. In den Verhandlungen mit den anderen Mächten scheint die Regierung mit ihrem Wunsch, den Schutz Schanghais gegen innere Unruhen der Stadt­verwaltung zu überlassen und die militärischen Streitkräfte nur zur Abwehr eines feindlichen Angriffs auf die Stadt zu benutzen, nicht durchgedrungen zu sein. Sie soll jetzt damit einverstanden sein, das Militär auch bei inneren Unruhen einzusetzen, aber nur, wenn es sich herausstelle, daß die Machtmittel der Stadtverwaltung nicht ausreich­ten und wenn sich sämtliche Mächte an der Einsetzung der Truppen beteiligten.

Die Verhandlungen'Malleys mit der südchinesischen Regierung kommen immer ioch nicht vom Fleck, da der Minister Tschen die Forderungen stellt, daß Großbrikan­nien seine Regierung anerkenne und alle britischen Kriegs­schiffe aus den chinesischen Binnengewässern zurückzlehe. Beide Forderungen werden hier angesichts der ungefestig­ten Zustände in China als unerfüllbar erklärt.

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Die englische Politik gegenüber China.

WTB London, 18. Jan. Reuter verbreitet folgende Meldung: An maßgebender britischer Stelle wird betreffs der Lage in China darauf hingewiesen, daß alle Beweg­ungen von Flotten=, Heeres= oder Luftstreitkräften, die etwa vorgenommen werden könnten, nur zur Durchführung der von der britischen Regierung befolgten Politik des Schutzes britischer Staatsangehöriger zu dienen bestimmt sind und nicht irgendwie als eine Angriffshandlung aus. gelegt werden dürfen. Zu der gestrigen Kabinettssitzung wird erklärt, daß die getroffenen Entscheidungen in voller Uebereinstimmung mit der bekannten Politik der englischen Regierung gegenüber China sich befänden. Es wird für möglich gehalten, daß man einer ganzen Anzahl der von der Kantonregierung gehegten Wünsche wird entsprechen können, aber es ist selbstverständlich, daß ein Sichbeugen vor Drohungen und Gewalttätigkeiten nicht möglich ist.

WTB London, 18. Jan. 1000 Marinesoldaten haben Befehl erhalten, sich zur Abreise nach China in Be­reitschaft zu halten.

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Truppensendungen nach China.

WTB London, 19. Jan. Den Blättern zufolge sind zwei Dampfer von je 10000 Tonnen, die in Sou­thampion liegen, von der Regierung zum Truppen­transport nach China belegt worden und werden am 26. bezw. 29. Januar in See gehen.

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Kaiserin Charlotte erhielt die Sterbesakramente.

WTB Brüssel, 18. Jan. Heute vormittag hat die Kaiserin Charlotte die Sterbesakramente erhalten.

Die heutige Rummer umfast 12 Seiten