Bonn, Mittwoch, 14. Oktober 1925.

Gründungsjahr des Verlags 1725.

Swischenenischeidung im Berimer Kadmen.

Nachtsitzung des Berliner Rumpfkabinetts.

P Berlin, 14. Okt. Staatssekretär Kempner hat von Frankfurt a. M. ein Flugzeug benutzt. Er ist um 3 Uhr abgeflogen, dann aber wegen der früheren Dunkelheit nicht direkt nach Berlin geflogen, sondern in Dresden ge­landet und von dort mit dem fahrplanmäßigen Zuge spä­ter um 9 Uhr in Berlin eingetroffen. Er begab sich so­fort zur Ministerbesprechung in die Reichskanz­lei, bei der Dr. Brauns den Vorsitz führte; außerdem nahmen die Reichsminister Schiele, Neuhaus, von Schlieben, Krone und Stingl an der Besprechung teil. Die Sitzung begann mit ausführlichen Darlegungen des Staatssekretärs Kempner, an die sich dann eine Aus­sprache der Minister knüpfte. Die Sitzung währte bis in die ersten Morgenstunden hinein. Ueber den Inhalt der Besprechungen bewahrt man an amtlicher Stelle die größte Zurückhaltung. Es kann aber soviel ge­sagt werden, daß der Zweck der Reise nicht eine bloße Berichterstattung ist; darauf läßt schon die lange Dauer der Sitzung schließen. Wenn jetzt eine Füh­lungnahme mit Berlin erfolgt, so liegt die Vermutung nahe, daß sich eine andere Lage ergeben hat.

Nach dem Berl. Tbl. handelt es sich um die sogenannten Nebenfragen, ein Ausdruck, der genau das Gegenteil von der Sache selbst besagt. Und man erkennt nun die Bedeutung, die dieser Fragenkomplex plötzlich gewonnen hat. Man gibt auch in Locarno offen zu, daß die Gegen­seite dem größeren Teil dieser für Deutschland sehr wich­tigen Wünsche ein schroffes Nein entgegengesetzt hat. Die Annahme, daß dieseNebenfragen in der Berichterstat­tung Kempners und in der Besprechung der Minister die Hauptrolle gespielt haben, liegt mehr als nahe.

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Ein amtlicher Bericht über Kempners Verhandlung mit dem Rumpfkabinekt.

Um 1 Uhr nachts wurde folgender amtliche Be­richt ausgegeben:Unter Vorsitz des Reichsarbeits­ministers Dr. Brauns traten die in Berlin anwesenden Reichsminister zu einer Sitzung zusammen, in wel­cher der Staatssekretär des Reichskanzlei Dr. Kemp­ner über den bisherigen Verlauf der Konferenz von Lo­carno Bericht erstattete. Staatssekretär Dr. Kempner, der im Laufe des morgigen Tages wieder die Rückreise nach Locarno antritt, wird vormittags nach Erledigung seines Vortrages beim Herrn Reichspräsidenten seine Berichterstattung vor dem Reichskabinett, die heute nacht nicht zum Abschluß gelangte, zu Ende führen.

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Was ist wahr?

Nach demMatin wird die Rheinlandzone ein Aspl des Friedens, wenn.....

WTB Paris, 14. Okt. Der Sonderberichterstatter des Matin in Locarno will auf Grund von Mitteilungen aus autorisierten Kreisen berichten können, daß der Rhein­landpakt so gut wie beendet sei. Die Frage des Eintritts Deutschlands in den Völkerbund seigeregelt, und auch die Frage der französischen Ga­rantie für die östlichen Staaten. Es bleibe heute nur noch die letzte Teilung des Sicherheitspaktes vorzunehmen. Alles, was die Juristen noch zu tun hätten, sei von geringerer Bedeutung und könne keine Schwierigkeiten mehr machen. Dadurch würden die tendenziösen Nachrich­ten dementiert, die seit 24 Stunden in Umlauf gesetzt wor­den seien. Doch dürfe man die Schwierigkeiten der Ma­növer der letzten Stunden, die einen fast erreichten Erfolg in Frage stellen könnten, nicht außer Acht lassen. Deutsch­land sei die Erklärung zugestanden worden, daß die Sig­natarmächte des Paktes und die Mitglieder des Rates des Völkerbundes versprechen, auf seine Sonderstel­lung Rücksicht zu nehmen. Das wolle allerdings nicht besagen, daß Deutschland neutral bleiben dürfe, wenn die Mitglieder des Bundes gegen einen An­greifer aufrufen würden zu marschieren.

Was die französische Garantie für die Ostverträge be­treffe, so werde sie ausgeführt gemäß Artikel 15 und 16 des Paktes, d.., daß Frankreich ohne Rücksicht auf das Statut der Rheinlandzone zugunsten seiner Alliierten ein­greifen könne. Dieser Eingriff würde, ohne daß Deutsch= land auch nur das geringste Recht habe sich zu beklagen, daß es angegriffen sei, eintreten. Wenn der Rheinland­pakt abgeschlossen sei, seien vier Schiedsge­richtsverträge nötig, zwei zwischen Deutschland und seinen westlichen Nachbarn Frankreich und Belgien, bei denen es sich um einen integralen Schiedsgerichtsvertrag handele; für diesen Vertrag garantierten England und Italien. Im übrigen sei unter den Vorbehalten eines Eingreifens im Osten jeder Konflikt ausgeschlossen, und der Krieg werde außerhalb der Gesetze gestellt.

Es bleibe nur eine Schwierigkeit. Artikel 15 des Völker­bundsstatutes gelte nicht für die Mitglieder der Westpakt­mächte, da er ja sage, daß die Mitglieder des Bundes ihre Handlungsfreiheit wieder erlangen, wenn der Rat des Bundes nicht zu einer einmütigen Entscheidung gelange. Frankreich, Deutschland und Belgien könnten aber, wenn eine Einstimmigkeit.,t erzielt werde, einen anderen Schiedsrichter wählen; sie könnten ihren Streit vor den Internationalen Schiedsgerichtshof im Haag bringen oder eine andere Kommission ernennen, die den Streit schlichte. Sie könnten alles tun, nur dürften sie nicht zu den Waffen greifen.

Die Rheinlandzone werde nach dem entstehenden Vertrage ein Asyl des Friedens werden wie die Schweiz ein Tempel der Neutralität sei.

Wie der Berichterstatter schreibt, werden in den nächsten drei Tagen die Tschechoslowakei und die Polen den Versuch machen, die deutsche Zustimmung zu Ver­trägen zu erlangen, die genau denselben Inhalt hätten, wie der deutsch=französische Vertrag. Würde das möglich sein, dann würden die Allianzverträge, die man geschlossen habe, hinfällig, und Europa könne an seine Abrüstung denken. Komme man nicht dazu, dann werde im Osten Europas die Möglich­keit bestehen, einen regulären Krieg zu führen, nämlich den Krieg, den der Völkerbund im Paragraph 15 des Statutes zugelassen habe, nachdem alle schiedsgericht­lichen Möglichkeiten erschöpft seien. Aber die franzö­sische Garantie werde bleiben, und Deutschland wisse, daß, wenn es in einen bewaffneten Konflikt mit Polen eintrete, es einen sofortigen Angriff Frankreichs am Rhein zu erwarten habe.

Versprechungen.

Es ist die Tragik der Konferenz von Locarno, daß der Geist von Versailles, der auch im Völkerbundstatut einen gewissen Niederschlag gefunden hat, der gewandelten Mentalität der Staatsmänner Englands und Frankreichs widerstreitet, und daß man in den Kreisen der Entente­männer aus innerpolitischen Gründen nicht den Mut findet, mit bestimmten Artikeln des Versailler Vertrages und der Völkerbundssatzungen einfach tabula rasa zu machen. Der gesunde Menschenverstand des Engländers Chamberlain hat diese Sachlage klar erkannt, und der englische Außen­minister sucht daher als ehrlicher Makler, wie wir ihn trotz der tausendfältigen Enttäuschungen, die die englische Po­litik dem europäischen Kontinent im Laufe der Geschichte schon gebracht haben mag, bezeichnen wollen, die Brücke zwischen dem alten Ufer des Versailler Vertrages und dem neuen Ufer des Westpaktes von Locarno zu schlagen.

Gründlich und gewissenhaft, wie wir es von Kanzler Luther und Stresemann als erforderlich erachten, wollen wir jedoch nicht in wesentlichen Punkten, die die Stellung Deutschlands im Völkerbund und die Lage des Rheinlandes und des Saargebietes angeht, wie auch die Gestaltung unse­res Verhältnisses zu den beiden Oststaaten, Polen und der Tschechoslowakei, den Pakt auf der Grundlage von Inter­pretationen und mündlichen Versprechungen unterzeichnen. Man spricht von einem Gentleman=Abkommen auf Treu und Glauben, man will uns zusagen, daß man die Schwierigkeiten in den sogenannten Nebenfragen, die u. a. das Rheinland und das Durchmarschrecht angehen, in den Parlamenten der beteiligten Ententeländer durch Erklä­rungen beseitigen werde, die in den Ländern des Paktver­trages zu einer konsequenten Beseitigung der dem neuen Pakt widerstrebenden Versailler Vertragsverhältnisse hin­führen sollen.

Wir bezweifeln nicht, daß Chamberlain und Briand für ihre Person derartige Versprechungen halten würden. Ob sie aber in der Zeit, in der diese Probleme akut werden, noch am Ruder sind, weiß man nicht. Außerdem ist es fraglich, ob die beteiligten Parlamente im Sinne dieser Versprechungen votieren werden.

Es ist ganz naturgemäß, daß wir auf die Räumung der Kölner Zone drängen, wenn wir als gleichberechtigter Partner den Pakt unterzeichnen, daß eine Umgestaltung der kriegsmäßigen Rheinlandokkupation auf den Friedens­zustand, daß eine Regelung der Saarfragen, eine Abkür­zung der Besatzungsfristen im Rheinland, eine endgültige Beseitigung der Entwaffnungsscherereien und auch Zuge­ständnisse in der Luftfahrtpolitik und in der Radiofrage eintreten müssen, wenn das Rheinland wirklich dasAsyl des Friedens werden soll, von dem der Matin heute so pathetisch zu sprechen weiß.

Wenn man auch offiziös die Dinge etwas vertuscht, so ist die Situation doch rechternst geworden, wie die Nachtsitzung des Berliner Kabinetts in Gegenwart des ersten Gehülfen des Kanzlers, des Staatssekretärs Kemp­ner, deutlich dartut.

Wie die Würfel fallen, ist noch unentschieden, und wird in bedingtem Grade davon abhängen, wie heute die unter dem Vorsitz des Reichspräsidenten stattfindende erneute Sitzung des Reichskabinetts sich schlüssig werden wird.

Locarno=Krise

wegen der Rhein= und Saarfrage.

MTB Berlin, 13. Okt. Die Entsendung des Staatssekretärs Dr. Kempner zur Berichterstat­tung nach Berlin hat in Verbindung mit verschie­denen Gerüchten in Locarno in Delegationskreisen größte Aufmerksamkeit hervorgerufen. Verschiedent­lich wird behauptet, daß die Entsendung Dr. Kemp­ners dadurch veranlaßt worden sei, weil das Maß der deutschen Zugeständnisse in der Frage des Artikels 16 die Grenze erreicht habe, über die die Vollmachten der Delegation einen weiteren Schritt nicht mehr zuließe. Es soll daher das Reichskabinett nach eingehender Berichterstattung darüber ent­scheiden, ob Deutschland seinen von vornherein ange­nommenen Standpunkt beibehalten oder den alliier­ten Vorschlägen entgegenkommen soll. Diese Ge­rüchte und die Darstellungen sind falsch. Der deutsche Standpunkt an sich hinsichtlich des Artikel 16 hat sich nicht geändert. Die von alliierter Seite verschiedentlich vorgeschlagenen Formulierun­

EinGentleman-Abkommen zwischen Deutschland und den Aillierten?

TU London, 13. Okt. Ohne für die Richtigkeit einzu­stehen, bringt Reuter heute das Gerückt, wonach ein Ab­kommen unter Ehrenmännern vorgeschlagen werden soll, unter dem Deutschland in den Völkerbund eintreten würde, während die Großmächte eine Kollektiverklä­rung abgeben würden mit der Wirkung, daß der Völker­bund allein maßgebend sei, den Völkerbundpakt zu inter­pretieren. Diese Erklärung würde ferner zum Ausdruck bringen, daß die Signatare des Abkommens der Auffas­sung seien, daß die zum Völkerbund gehörenden Staaten nur im Kriegsfalle zu milltärischen oder anderen Sanktio­nen aufgefordert werden sollen, und zwar in einem Aus­maße, das zu ihrer Leistungsfählgkeit in angemessenem Verhältnis stehe.

Eine aussehenerregende Generalsrede.

* Berlin, 13. Okt. In der Berliner Presse beschäftigt man sich mit einer Rede des Generals Sixt von Armin. Die K. V. berichtet darüber u..:

Am Sonntag ist in Berlin auf dem Garnisonfriedhof Tempelhoferfeld das Denkmal für die Gefallenen des frü­

gen haben sich mehr oder weniger dem deutschen [Standpunkt genähert, ohne ihm so weit nahe zu kommen, daß sie von Deutschland bereits angenommen werden konnten. Daher ist die Mel­dung der Havasagentur falsch, die von einer endgültigen Zustimmung der deutschen Delegation zu den alliierten Vorschlägen spricht. In der Völ­kerbundsfrage ist bisher lediglich eine Annäherung der gegenseitigen Auffassungen zutage getreten, es scheint aber, daß eine auch für Deutschland tragbare Lösung in Aussicht steht. Eine Einigung dürfte auch vielleicht auf der Basis einer von den beteiligten alliierten Mächten abzugebenden Erklärung zustande­kommen, daß diese beim Eintritt Deutschlands in den Völkerbund sich dafür einsetzen würden, daß Deutsch­land an etwa notwendig werdenden militä­rischen Aktionen nicht teilzunehmen brauche, so­lange sein jetziger Entwaffnungszustand in dem gleichen Verhältnis zu dem Abrüstungszustand der übrigen Mächte steht. Hinsichtlich der wirtschaft­lichen Beteiligung scheint jedoch eine volle Klarheit noch nicht geschaffen zu sein, während die Frage des Durchmarschrechtes einer besonderen Rege­lung vorbehalten bleiben soll.

Im allgemeinen läßt sich die Lage hinsichtlich der Westfrage dahin charakterisieren, daß die eigent­lichen Hauptfragen bis zur Entscheidung gefördert sind, daß dagegen in der

Irage der Rückwirkungen

die beiderseitigen Standpunkte noch weit auseinander­gehen. Es ist kein Geheimnis, daß Frankreich zu­nächst versuchte, die Rückwirkungen eines abzuschlie­ßenden Westpaktes überhaupt aus dem Rahmen der Besprechungen herauszulassen, da sie nach französischer Auffassung nicht zu den eigentlichen Konferenzfragen gehörten.

Von deutscher Seite ist jedoch mit aller Deutlich­keit erklärt worden, daß ein Weiterverhandeln über den Westpakt nicht in Frage käme, wenn man sich auf alliierter Seite nicht dazu verstehe, anzuerkennen, daß der behandelte Pakt unter allen Umständen Rückwirkungen auf die Verhältnisse in dem besetzten Gebiet und im Saargebiet haben müßten. Erst unter Wirkung dieser sehr deutlichen Sprache fand Frank­reich durch Vermittlung Chamberlains sich dazu be­reit, auch diese sogenannten Nebenfragen in den Kreis der Erörterung zu ziehen.

Bisher haben diese Besprechungen der sogenannten Nedenfragen jedoch zu keinem Deutschland irgendwie befriedigenden Ergebnis geführt. Man kann sogar sagen, daß durch die Haltung der fran­zösischen Delegation in der Frage der Rückwirkungen auf das Rheinland=Regime die Konferenz vor einer Krise steht, die für das Schicksal der Kon­ferenz entscheidend sein dürfte.

Zunächst scheint Frankreich es abgelehnt zu haben, daß die Räum ung Kölns in irgend­eine Beziehung zu dem Westpakt gebracht wird. Auch der Frage der Truppenzahl und der Aen­derung des Besatzungsregimes scheint Frankreich dadurch aus dem Wege gehen zu wollen, daß es erklärt, die Konferenz sei hierfür nicht zuständig. In der Saarfrage laufen die so­genannten französischen Zugeständnisse letzten Endes auf die Zusage der Schaffung vertragsmä­ßiger Zustände hinaus. Deutschland soll hierzu erklärt haben, daß es nicht als ein Entgegen­kommen ansehen kann, was durchzuführen längst zwingendes Recht gewesen wäre. Es scheint auch, daß Deutschland außerdem die Entwaff­nungs= und Luftschiffahrtsfrage ange­schnitten hat und dabei auf starken Widerstand gestoßen ist.

Die bisherigen Besprechungen der deutschen Dele­gation mit dem polnischen Delegationsführer, Skryzinski. und dem polnischen juristischen Sachver­ständigen haben lediglich die eine Tatsache ergeben, daß mit der Aufnahme der Verhandlungen mit den Vertretern der Oststaaten die Schwierigkeiten gewachsen sind. Das wird von allen Delega­tionen zugegeben. Dabei ist es bezeichnend, daß man in die Probleme der Ostverträge überhaupt noch nicht eingetreten ist, da Polen als Voraussetzung für den abzuschließenden Schiedsvertrag den Eintritt Deutsch­lands in den Völkerbund und die Garantie der Ost­verträge durch Frankreich fordert.

Angesichts dieser Sachlage ist in Locarno allge­mein die Auffassung vertreten, daß, falls nicht ein vorzeitiger Abschluß eintritt, das Ende der Konferenz sich zur Zeit noch nicht bestimmen läßt.

heren Garde=Augustaregiments enthüllt worden. Dabei hat der General a. D. Sixt von Armin eine Ansprache gehalten, die von der linksgerichteten Presse als eine Pro­vokation desjenigen Volksteils aufgefaßt wird, der sich zur demokratisch=republikanischen Staatsform bekennt.

In den Ausführungen des genannten Generals wurde zum Ausdruck gebracht, daß Kaiser Wilhelm den Auftrag erteilt habe, das Denkmal einzuweihen. Dabei gedachte Herr Sixt v. Armin des ehemaligen Kaisers in ehrfurchtsvoller Dankbarkeit und unwandelbarer Treue. Wie er bei uns sei, so seien die Teilnehmer an der Feier im Geiste bei ihm. Auch die Reichswehr es war die Traditionskompaonie unter Führung des Generals Ritter v. Haag anwesend wurde vom General Sixt v. Armin direkt angesprochen. Er sei sich bewußt, daß sie von dem­selben Geiste wie das alte Heer beseelt sei. Das oberste Gesetz bestehe in der Pflichterfüllung, getreu dem Kriegsar­tikel und dem Fahneneid, der Sr. Majestät geschworen worden sei. Außerdem enthielt die Rede den Gruß an die alten Kameraden die Lebenden und die Toten des Regi­ments. An der Feier nahm auch Prinz Oskar von Preußen teil, der ausdrücklich als erlauchter Sproß des Kaiserhauses vom Redner begrüßt wurde.

Nun kompliziert sich die Angelegenheit dadurch, daß man hört, der Reichspräsident v. Hindenburg habe an der Veranstaltung teilgenommen zwar nicht an dieser Feier, von der eben die Rede war, aber doch an einem Teil der Gesamtfeier. Die Rede, die Herr Sixt v. Armin hielt, fand bei der Feier auf dem Kasernenhof statt. Hier war der Reichspräsident nicht anwesend. Später wurde noch eine Feierlichkeit auf dem Friedhof abgehalten. Dabei legte Herr v. Hindenburg einen Kranz am Denkmal nieder. Man spricht davon, daß der Reichspräsident, um den Pri­oatchoraktei seiner eigenen Teilnahme zu dokumen­tieren, an seinem Auto die Präsidentenflagge nicht ge­tragen hat. Herr v. Hindenburg hat sich also zweifellos mit dem ersten Teil der Feierlichkeit nicht identifizieren wollen.

Die Rede des Generals v. Armin bei der Denkmals­enthüllung des ehemaligen Augustaner=Regiments hat auch die beteiligte Reichswehr in eine unangenehme Situation gebracht. Nicht nur, daß die Oeffentlichkeit an den Reichswehrminister appelliert und die Frage auf­wirft, ob die Beteiligung an derartigen politisch einseitigen Feierlichkeiten für die Reichswehr noch statthaft sei, hat sich auch das Rechswehrministerium gezwungen gesehen, den Hergang der Feierlichkeit und ihre Einzel­heiten aufzuklären. Die beteiligten Gffiziere sind zum sofortigen Bericht aufgefordert worden. Einige wollen wissen, dem Reichswehrministerium gegenüber sei schrift­lich versichert worden, die Feier würde völlig unpolitisch gestaltet werden. Das ist nun tatsächlich nicht der Fall ge­wesen. Reichswehrminister Geßler befindet sich gegen­wärtig zur Erholung auf Urlaub in Oberbayern.

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Gestörte Versammlungen.

* Berlin, 13. Okt. Gestern abend drangen in eine öffentliche Versammlung der nationalsozialistischen Freie heitspartei etwa fünfzig Mitglieder des Roten Jungsturms ein und störten die Redner durch Zwischenrufe. Sie wur­den schließlich durch die Polizei entfernt. Auch in einer Versammlung der deutschsozialistischen Volkspartei in Neu­kölln kam es zu wiederholten Störungen durch Zwischen­rufer. Erst nachdem die Polizei zwei der Hauptschreier festgenommen hatte, konnte die Versammlung in Ruhe zu Ende geführt werden.

Die Beamtenorganisationen beim preußischen Finanz= minister.

MTB Berlin, 13. Okt. Der preußische Finanzminister empfing heute die preußischen Beamtenspitzenorganisa­tionen, vertreten durch den preußischen Beamtenbund, den Reichsbund der höheren Beamten, Abteilung Preußen, und den Gewerkschaftsring deutscher Beamtenverbände. Von den Organisationen wurde in eindringlichen Worten die Notlage der Beamten geschildert und die Notwendigkeit einer sofortigen Abhilfe eingehend begründet. Der Finanz­minister gab die Notlage der Beamtenschaft zu, betonte aber, daß die augenblickliche Finanzlage des Reiches det Länder und der Kommunen zurzeit nicht zulasse, eine all­gemeine Erhöhung der Beamtenbesoldung eintreten zu lassen. Auch für die schlechtest besoldeten Beamten könne eine Besoldungsaufbesserung zurzeit nicht in Frage kom­men. Eine Zusicherung für die Zukunft könne er nicht geben, doch sei er bereit zu prüfen, in welcher Weise den in besonderer Not geratenen Beamten im Einzelfalle meht als bisher geholfen werden könne.

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Steigen der Erwerbslosenziffer.

" Berlin, 14. Okt. In der Zeit von 15.30. Sept. ist die Zahl der Hauptunterstützungsempfänger der Er­werbslosenfürsorge von 252000 auf 266000 gestiegen, d. h. um 5,5 Prozent. Im einzelnen hat sich die Zahl der männlichen Hauptunterstüntzungsempfänger von 230 000 auf 244000 erhöht, die der weiblichen Hauptunterstützungs­empfänger hat sich nicht wesentlich geändert. Die Zahl der Zuschlagsempfänger ist von 300000 auf 323000 ge­stiegen.

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Veruntreuungen von Reichsbankbeamten.

WTB Berlin, 13. 10. Das Reichsbankdirektorium teilt uns mit: Bei der Reichsbankstelle Charlottenburg wurden vor einigen Tagen Veruntreuungen eines Beamten, des am 1. Oktober in den Ruhestand getretenen Reichsbank­oberinspektors Franz Arnold, aufgedeckt. Arnold eignete sich durch raffinierte Fälschungen von Belegen und falsche Eintragungen in die von ihm geführten Bücher einen Be­trag von etwas über 500000 Mark an. Die Fälschungen und Veruntreuungen liegen zum Teil mehrere Monate zurück. Wie hoch der Schaden der Reichsbank sein wird, steht noch nicht fest. Arnold wurde am Montag verhaftet: Die Ermittlungen über Hilfspersonen, ohne die Arnold das Verbrechen nicht hätte ausführen können, sind noch im Gange. Auch die Feststellungen über einen mißglückten, dank der Aufmerksamkeit eines Breslauer Reichsbankbe­amten, vereitelten Versuch einer betrügerischen Ueberwei­sung von Charlottenburg nach Breslau sind noch nicht abgeschlossen. Weitere Mitteilungen können im Interesse der noch schwebenden Untersuchung nicht gemacht werden: *

Einstellung der Operationen in Marokko?

MTB Fez, 13. Okt. Sämtliche Operationen im Kampf­gebiete sind infolge des eingetretenen Regenwetters ein­gestellt worden. Ein amtlicher Bericht kündigt die baldige Auflösung der amerikanischen freiwilligen Fliegergeschwa­ders an, das mit den französischen Truppen gegen die Rif­stämme kämpfte.

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Die amtliche Bilanz des Pariser Generalstreiks.

TU Paris, 13. Okt. Nach einer amtlichen Mit­teilung der Polizeipräfektur wurden im Laufe des gestrigen Tages 350 Verhaftungen vorgenommen, von denen 30 aufrechterhalten blieben. Insgesamt wurden 38 Polizei­beamte durch Steinwürfe, Revolverschüsse und Messerstiche verletzt. Der kommunistische Abg. Deriot wurde in Haft behalten, weil er einen Polizeikommissar durch Fußtritte schwer verletzte. Auf dem Wege zur Wache ist Deriot durch die Menge mißhandelt worden. Er wurde von den kommunistischen Abg. Cachin und Vaillan=Couturier, die ihn im Gefängnis aufsuchten, in einem jämmerlichen Zu­stand aufgefunden.

MTB Alsheim(Rheinhessen), 13. Okt. In seinem Keller wurde ein Landwirt von hier von seinen Ange­hörigen erstickt aufgefunden. Er war in den Keller ge­gangen, um Wein zu holen, hatte aber anscheinend dabei nicht die nötige Vorsicht walten lassen. In dem Keller war auch neuer Wein gelagert. Durch die im Keller an­gesammelte Kohlensäure ist der Mann erstickt. Wiederbele­bungsversuche blieben erfolglos.

heatige Nummer umfaßt 12 Seiten