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Der Rampf im Ruhrbergbau.
Keine General-Aussperrung?
* Essen, 7. Mai. Eine gestern vom Wolffbureau verbreitete Meldung, wonach die Bergwerksbesitzer gestern abend um 6 Uhr sämtliche Belegschaften ausgesperrt hätten und seit dieser Zeit die Arbeit auf sämtlichen Zechen des rheinisch=westfälischen Bergwerksbezirks ruhe, entspricht nicht den Tatsachen. Es sind nur die Belegschaften nicht zur Arbeit zugelassen worden, die sich in ihrer überwiegenden Mehrheit weigern, die Achtstundenschicht zu verfahren. Wo sich für die verlängerte Arbeitszeit so viele Leute bereit erklärten, daß der Betrieb aufrecht erhalten werden kann, wird die Arbeit fortgesetzt.(Siehe hierzu den untenstehenden Telegrammwechsel zwischen dem Zechenverband und dem Reichsarbeitsminister.)
Was soll die Bewegung im Ruhrbergbau?
Die Bewegung ist nach Aeußerungen von führenden Gewerkschaftlern in erster Linie ein Kampf um die grundsätzliche Anerkennung der Siebenstundenschicht und auf Abschluß des Rahmentarifs.
Die achte Stunde galt nach dem Ueberarbeitszeitabkommen als Ueberarbeit. Dagegen wird in dem Schiedsspruch die Schichtzeit auf acht Stunden festgelegt. Bezüglich des Rahmentarifs machen die Arbeiter dem Zechenverband den Vorwurf der Verschleppung, um die Arbeitsbedingungen nach und nach ungünstiger zu gestalten.
Zur Arbeitszeitfrage im Ruhrbergbau hat zwischen dem Reichsarbeitsminister und dem Zechenverband folgender Hergt'sche Erklärung
Die Deutschnationalen am Scheidewege.
Eine große Verantwertung.
Die Konfliktstellung zwischen den Parteien der Rechten und der Mitte in der Frage der Behandlung der Gutachtenpläne kommt jetzt nach der Neubildung des Reichstages zum Austrag. Mit außerordentlicher Nervosität verfolgt die französische Presse namentlich die Haltung der mit großer Verstärkung in den neuen Reichstag einziehenden Deutschnationalen Volkspartei. Es liegt eine programmatische Erklärung deren Führers Hergt vor, in der eine Geneigtheit erkannt werden kann, sich dem Standpunkte der noch amtierenden Koalitionsregierung Marx=Stresemann zu nähern. Aus dem Bezirk der Parteien der Mitte wird dem deutschnationalen Führer auch anheimgegeben, die Bildung des neuen Kabinetts vorzunehmen, um an erster Stelle gegenüber deren großen Wählerschaft auch die Verantwortung für die politische Haltung der Regierung außenpolitisch und innenpolitisch zu übernehmen. Hergt hat in seiner programmatischen Erklärung von gewissen Vorbehalten gesprochen, die seine Partei gegenüber der Annahme der Gutachtenpläne machen müsse. Aber er hat diese Vorbehalte nicht näher charakterisiert. Wenn man aber nach dem Echo urteilen soll, das diese in seiner eigenen Parteipresse, na
mentlich in der Deutschen Tageszeitung, findet, so muß man folgern, daß er tatsächlich willens ist, der Staatsraison ein Parteiopfer bringen zu wollen, eine Geneigtheit, mit den Mittelparteien zur Durchführung der Gutachtenpläne zusammenzuwirken.
In seinen eigenen Reihen begegnet diese Willenskund
Telegrammwechsel stattgefunden:
An den Zechenverband. Habe Bergarbeiterverbände gebeten, Mitglieder möglichst schnell über die Rechtslage der Verbindlichkeitserklärung des Arbeitszeitschiedsspruches zu unterrichten und bitte dringend, darauf einzuwirken, daß Ganzmaßnahmen unterbleiden, falls einzelne Belegschaften in falscher Beurteilung der Lage noch Widerstand gegen Arbeitszeitschiedsspruch leisten sollten. Bergarbeiter legen Wert auf vertrauliche Behandlung gebung und die Bereitschaft zur Bildung des ihrer Zustimmung zum Verbandlungsergebnis vom 5. Mai neuen Kabinetts aber stärkster Opposition. vor Stellungnahme der Revierkonferenzen.bnetes avet„ Cr.
Reichsarbeitsminister. Es zeigen sich zwei Strömungen innerhalb der Deutsch
Auf vorstehendes Telegramm vom 5. Mai hat der nationalen Volkspartei. Die Richtung, die Hergt entgegenZechenverband am 6. Mai, wie folgt, geantwortet: steht, zieht eine nationale Opposition in GeFast alle Belegschaften sind nach eingehender Unterrichtung über neue Rechtslage durch Zechenverwaltun
gutmachungspolitik bereite England und Belgien müssen baldigst den Willen der maßgebenden Parteien des Reichstages in bündigster zweifelsfreiester Form erfahren.
gen Montag vorzeitig ausgefahren und damit heute fristlos entlassen. Arbeiterverbände haben bezüglich Unterrichtung der Arbeitnehmer nicht nur völlig versagt, sondern nach unserer Feststellung sogar die vorläufige Verbindlichkeitserklärung des Schiedsspruches nicht anerkannt und Durchführung der verkürzten Schicht einstweilen durchgesetzt. Rechtslage unserer Auffassung nach durch Verbindlichkeitserklärung völlig klargestellt, unabhängig von etwaiger Stellungnahme der Partei. Demnach Verschärfung der Lage lediglich Schuld der bewußten Verschleppung durch Arbeiterverbände.
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Die Angestellten des Ruhrbergbaues verrichten NotstandsArbeiten.
WTB Essen, 7. Mai. Die Verbände der Ange stellten des Ruhrbergbaus(Afa, Bund der A: Hergt einzutreten wünsche.
gestellten, Gesamtverband deutscher Angestelltengewerk= 6i einz—nsche.
schaften und Reichsverband deutscher Bergbau=Angesteilter, geben folgende Erklärung bekannt:
Das arbeitsrechtliche Verhältnis der technischen Angestellten wird durch die gegenwärtig getroffenen Maß. nahmen im Ruhrbergbau nicht berührt. Hieraus ergibt sich für die Mitglieder dieser Verbände daß sie etwaigen Aufforderungen zur Verrichtung von Notstandsarbeiten nachkommen.
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Eine Vermittlung im Kuhrbergbau.
* Berlin, 8. Mai. Wie der Lolakanzeiger mitteilt, befindet sich Reichsarbeitsminister Dr. Brauns auf dem Wege zum Ruhrgebiet, um durch eine Vermittlungsaktion den Kampf im Ruhrgebiet beizulegen. Die Vertreter der vier Bergarbeiterverbände haben gestern in Essen int einer Sitzung die Lage besprochen. Heute nachmittag soll in Gelsenkirchen eine große Bergarbeiter=Versammlung aus Vertretern sämtlicher Gewerkschaften einen Ausschuß ernennen, der sich nach Düsseldorf begeben soll, um dort die Stellungnahme der Micum zu dem Arbeitszeitkampf im Bergbau kennen zu lernen.
Vorläufig verhalten sich die Besetzungsbehörden vollkommen passiv.
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„Beginn der sozialen Schlacht“.
Die Kämpfe im Bergbau an der Ruhr, in Sachsen und Oberschlesien werden von der Rhein. Ztg. als eine soziale Gegenbewegung bewertet. Das Blatt bemerkt.
„Es ist der Beginn der gewaltigen sozialen Schlacht, die sich an den sozialen Niederbruch im vergangenen Jahr zwangsläufig anknüpft. Die Gewerkschaften sind gerüstet. Langsam aber sicher haben sie sich aus der Inflationskatastrophe herausgefunden. Sie sind innerlich und äußerlich neu gefestigt. und allmählich wieder in der Lage, mit der Rückendeckung internationaler Solidarität ernsthaft ihre Aufgaben zu erfüllen. Der Kampf ist für sie, entsprechend ihrer großen wirtschaftlichen Verantwortung, das letzte Mittel. Wenn sich nun, aufgezwungen durch die Verständnislosigkeit und den Herrendünkel der Zechengem iltigen, dieses Mittel als das unumgänglich notwendige erweist, dann tragen für die unmittelbaren und mittelbaren Folgen nicht die Arbeiter, sondern die Unternehmer und mit ihnen die Regierung dafür allein die Verantwortung.“
Die Bergarbeiter im Zwickauer und Oelsnitzer SteinkohlenRevier ausgesperrt.
* Leipzig, 7. Mai. Die Aussperrung der Belegschaften im Zwickauer und Oelsnitzer Steinkohlenrevier ist, wie wir von zustöndiger Stelle erfahren, eine vollständige geworden. Die Werksleitungen sehen zu Verhandlungeni“ den ausgesperrten Arbeitern keinen Anlaß, da diese den bom Reichsarbeitsministerium für verbindlich erklärten Schiedsspruch nicht anerkennen.
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Der Streik im oberschlesischen Bergwerksrevier.
TU Berlin, 8. Mai. Nach den an zuständiger Stelle vorliegenden Nachrichten ist die Streikbewegung im oberschlesischen Bergwerksrevier vollständig. Nur die Belegschaft einer Grube hat den Streik bisher abgelehnt.
Wie die Telegraphen=Union erfährt, Heabsichtigen auch die Eisenbahner, sich dem Streik anzuschließen. Es dürfte morgen in Gleiwitz oder Hindenburg eine Konferenz der Eisenbahner stattfinden, in der zu dem Streik Stellung genommen wird.
meinschaft mit den Deutschvölkischen vor. Die Gegenströmung ist im Sinne der Gutachter konsequent Sie erklärt, daß die Pläne ein unteilbares Ganzes seien, für deren Annahme oder Ablehnung man sich mit einem klaren Ja oder Nein entscheiden müsse. Gehe Hergt über die Marx=Stresemann'schen Vorbehalte hinaus, so könne man im Sinne der Unteilbarkeit der Pläne auf eine Gegenliebe bei den Verbandsmächten nicht rechnen.
Im„Temps“ wird der deutschnationale Führer Hergt aufgefordert, die angekündigten Vorbehalte auch auseinanderzusetzen, die er für unabänderlich erkläre. Man erwarte eine offizielle authentische Darstellung dieser Vorbehalte, und zwar noch vor Bildung der Rechtsregierung, in die Alle Nationen, die Gläubiger Deutschlands seien oder auch nur Handel mit ihm trieben, müßten sobald wie möglich wissen, daß das Programm der Sachverständigen Aussicht auf Verwirklichung habe, vor allem, ob die ausländische Anleihe von 800 Millionen Goldmark Aussicht habe, Zeichner zu finden. Das deutsche Volk müsse es eilig haben, klar zu blicken, wäre es auch nur, um den künftigen Wert der Rentenmark beurteilen zu können. Nun ist aber Staatsminister a. D. Hergt von seinem Parteigenossen Dr. Maurenbrecher in der Deutschen Tageszeitung bereits als Aposta:, als Abtrünniger, stigmatisiert worden, der nicht berufen sei, im Namen der überhaupt noch nicht zusammengetretenen deutschnationalen Fraktion des Reichstages programmatische Erklärungen zu erlassen.
Es ist in der Tat eine lebenswichtige Notwendigkei:, daß die Deutschnationale Volkspartei raschestens sich entscheidet, ob sie im Sinne des Kabinetts Marx=Stresemann deren Befreiungspolitik mitmachen will, oder weiterhin in der Opposition zu verharren gedenkt. Die Verantwortung für das deutsche Volk und seine Zukunft ist groß. Ein rascher Entschluß tut not. Das vor den Kammerwahlen stehende Frankreich und das zu einer einheitlichen Wieder
Ein Vorspiel zum neuen Reichstag.
* Hamburg, 7. Mai. Im Mecklenburg=Schwerinschen Landtag ist, wie gemeldet wurde, das deutschnationale Ministerium Brandenstein durch einen Mißtrauensantrag der Deutschvölkischen Freiheitspartei wegen der bedingungsweise zustimmenden Stellungnahme des Ministeriums zum Sachverständigengutachten gestürzt worden. Die Kommunisten und Sozialdemokraten haben für den Antrag gestimmt, worauf das Ministerium zurücktrat. Hierzu bemerken die deutschnationalen Hamburger Nachrichten:
Die Verantwortung, die die Deutschvölkische Freiheitspartei in Mecklenburg mit einer solchen Politik auf sich lädt, ist groß und gibt auch im Hinblick auf die kommenden Ereignisse im Reichstag zu denken... Alle, denen es ernsthaft um Wiederaufbau nach den Verheerungen des Marxismus und um eine stabile nationale Entwicklung zu tun ist, verurteilen solches Treiben aufs schärfste. Es läßt jedes politische Verantwortlichkeitsgefühl vermissen und wird bei etwaigen Neuwahlen auf seine Anstifter zurückfallen.
(Das Ministerium Brandenstein war nach den Wahlen des Februars von dem neun Landtag am 18. März eingesetzt worden. Neben dem Ministerpräsidenten v. Brandenstein saßen in dem dreiköpfigen Ministerium noch ein deutschnationaler Finanz= und Landwirtschaftsminister, Herr v. Oertzen, und ein volksparteilicher Minister für Kultur und Justiz, der frühere Pastor Stammer. v. Brandenstein ist bei der Reichstagswahl wiedergewählt worden.)
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Wallraf Reichstagspräsident?
* Berlin, 7. Mai. Für den Posten des Reichstagspräsidenten soll Herr Wallraf vorgesehen sein.
Die Köln. Volksztg. bemerkt hierzu: Die Deutschnationale Partei scheint es mit den Vorbereitungen der Regierungsübernahme sehr eilig zu haben.
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Macdonald für gewisse Sicherheitsmaßnahmen.
WTB London, 7. Mai. Der Brüsseler Berichterstatter „der Times meldet, daß der belgische Minister des Aeußern, Hymans, gestern vormittag den französischen
hergt über das Gutachten Bereitschaft zu einer Rechtsregierung.
TU Berlin, 7. Mai. Der deutschnationale Führer Hergt äußerte sich in einer Unterredung mit dem Chefredakteur des Berliner Lokalanzeigers über den Wahlausfall und das Regierungsprogramm der Deutschnationalen. Ueber die Stellung der Deutschnationalen Volkspartei zu dem Sachverständigen=Gutachten sagte er u. a. folgendes:
Man scheint in den objektiven Kreisen des Auslandes zu hoffen, und man hat ein Recht dazu, daß unter entscheidendem Einfluß der Deutschnationalen eine deutsche Außenpolitik getrieben werden wird, die den Lebensnotwendigkeiten und dem Lebenswillen des deutschen Volkes unbedingt Rechnung trägt, aber anderseits geeignet ist, eine befriedigende Lösung der deutschen Gesamtfrage auf dem Wege schleuniger Verständigung herbeizuführen. Wir setzen dem Gutachten und der Aufforderung zu Verhandlungen nicht von vornherein ein rundes„Unannehmbar“ entgegen, wohl aber Vorbehalte, die ganz unverzichtbar sind. Wir gehen davon aus, daß es unmöglich ist und daher auch von dem Gutachten garnicht beabsichtigt sein kann, für die Verhandlungen zwischen den, greifen sie doch tausendfach ineinander. Soweit von schaftlichen Fragen zu trennen, sind diese doch einfach untrennbar mit einanderr verbunden, greifen sie doch tausendfast ineinander. Soweit von Deutschland wirtschaftliche Konzessionen— über deren Möglichkeit verhandelt werden müßte— erwartet werden, sind diese doch ganz unmöglich, solange nicht die großen staatspolitischen Grundfragen einwandfrei geklärt sind, jene Grundfragen, von denen die Weiterexistenz Deutschlands als Nation und als Staat abhängt.
Weiter— was ich vielleicht an erster Stelle hätte nennen sollen—: Dem deutschen Volke können wirtschaftliche Lasten in großem Ausmaße nicht zugemutet werden, und wir werden sie ihm niemals zumuten, bevor die häufig genannten Ehrenpunkte befriedigend gelöst worden sind.
Sodann: Auf keinen Fall wird sich jemals eine deutschnational beeinflußte Regierung dazu hergeben, Versprechungen mit ihrer Unterschrift zu decken, von deren Unerfüllbarkeit sie nach pflichtmäßiger Prüfung überzeugt ist. Damit spreche ich ja nur eine Selbstverständlichkeit aus. Das Ausland wird die Gewißheit haben, daß, wenn mit ihm Vereinbarungen unter deutschnationaler Mitarbeit zustande kommen, das Versprochene auch gehalten werden wird, womit sichere Grundlagen für das Leben innerhalb der Staaten gegeben sein werden und nicht immer wieder neue Konfliktsstoffe entstehen können.
Hergt drückte in der Unterredung die Bereitwilligkeit seiner Partei aus, eine Rechtsregierung im Reiche zu bilden.
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Zwei Skrömungen bei den Deutschnationalen.
Die Köln. Ztg. erfährt aus Berlin:„Während Herr Hergt und die ihm nahestehenden besonnenen Realvolitiker unter den Deutschnationalen sich von neuem zu den Grundsätzen der Erfüllungspolitik bekennen, die Herr Hergt in Hamburg entwickelt hat, und die sich auch mit dem Vorbehalt der gleichzeitigen Erledigung der politischen und Ehrenfragen mit den wirtschaftlichen in keinem Punkt von der bisherigen Stresemannschen Erfüllungspolitik unterscheiden, sind die unentwegten Deutschnationalen von der Deutschen Tageszeitung nach rechts der Ansicht, daß die Deutschnationale Volkspartei zusammen mit den völkischen eine nationale Opposition bilden müsse. Es besteht also bei der siegreichen Partei bereits eine sehr starke Neigung, sich vor der Verantwortung zu drücken. Um so mehr muß darauf bestanden werden, daß mit dem Zusammentritt des Reichstags den Deutschnationalen Gelegenheit gegeben wird, dem Volk zu zeigen, wie sich positiv ihre Parteienergie auswirkt, deren negative Wirkung allzu bekannt ist. Es gibt in diesem Reichstag keine dauernde Mehrheit für eine handlungsfähige Regierung, solange nicht die Deutschnationalen insgesamt das Vermächtnis Helfferichs ausgeben, das das Sachverständigengutachten als ein zweites Versailles kennzeichnet und innerpolitisch ihre Wahlversprechungen, die sich gegen die Verordnungstätigkeit der derzeitigen Regierung richteten, zurücknehmen.“
Botschafter in Brüssel, Herbette, empfing und ihm die Grundlinien der Unterredungen zwischen den belgischen Ministern und Macdonald mitteilte, wobei er auf die Tatsache Nachdruck legte, daß der britische Erste Minister nichts ungetan zu lassen wünsche, was ein Uebereinkommen über das Ruhrgebiet zustande bringen könnte. Der britische Erste Minister scheine, wie der Berichterstatter erfährt, geneigt zu sein, Maßnaymen zuzustimmen, die Frankreich und Belgien gewisse Sicherheiten im Falle einer Räumung des Ruhrgebiets geben würden. Der Erfolg der am weitesten rechts= und linksstehenden Parteien bei den Reichstagswahlen soll in belgischen amtlichen Kreisen keinerlei Besorgnis verursacht haben. Es herrsche die Ansicht, daß der Reichstag dem Sachverständigenplan zustimmen werde.
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Maurenbrecher gegen Hergk.
Die beiden Strömungen in der Deutsch= nationalen Volkspartei kommen in der Pressepolemik der Rechten bereits klar zum Ausdruck. Ganz klar und deutlich drückt sich Dr. Max Maurenbrecher in der Deutschen Zeitung aus. Für ihn ist zweifelsfrei, daß Herr Hergt ein nationaler Apostat sei, weil er dem Sachverständigengutachten gegenüber nicht kurz und bündig zwischen Annehmen und Ablehnen wählt. Er meint, daß es angesichts der internationalen Konstellation wesentliche sachliche Aenderungen an dem Sachverständigengutachten nicht gebe, daß es vielmehr als ein einheitliches Ganzes angenommen oder abgelehnt werden müsse. Er bestreitet Hergt das Recht. im Namen einer Fraktion zu sprechen, die in ihrer heutigen Gestalt noch niemals zusammengetreten sei und die über ihre eigne Willensmeinung sich erst in tagelangen Verhandlungen klar werden müsse. Wenn die deutschnationale Fraktion mit Leidenschaft und impörung das erste Versailles abgelehnt habe, so dürfte sie auch dem zweiten gegenüber sich nicht auf den Standpunkt überklugen Schacherns und einer feingesponnenen Taktik stellen, deren Ende unter Deutschen doch immer nur ein Reinfall sei. Dr. Maurenbrecher vermißt weiterhin in den Ausfüh
New Lorker Schlußkurs:
4 Bill. 255 Milliorden.
rungen Hergts die klare Absage an jede Regierung, in der ein so erledigter Politiker wie Dr. Stresemann säße, und ein Bekenntnis zur nationalen Opposition mit den Völkischen zusammen.6
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Der deutsch-russische Zwischenfall.
Die Auffassung in Moskau: Berlin soll zu Kreuze kriechen.
* Mostan i. Bai Litwrnaw nie Leter der Westabteilung des Volkskommissariats des Aeußern, schreibt in der Iswestija, die Sowjetregierung habe noch keinen ausführlichen Bericht aus Berlin über den Zwischenfall im Gebäude der Handelsvertretung erhalten. Die Einzelheiten seien noch nicht genügend bekannt, um über die endgültigen Maßnahmen zu entscheiden, die die Sowjetregierung ergreifen werde. Die Exterritorialität der Handelsvertretung sei in dem deutsch=russischen Vertrag von 1921 festgesetzt, der auch durch den Rapallovertrag nicht aufgehoben worden sei. Im übrigen seien auch bisher über die Exterritorialität der Handelsvertretung keine Zweisel erhoben worden. Die Erklärung des deutschen Auswärtigen Amts werde daher von der russischen Regierung nicht ernst genommen.
Litwinow bestreitet dann fernerhin, daß die Polizei auf eigene Verantwortung gehandelt habe. Es sei vielmehr kein Zweifel, daß sie im vollen Einverständnis mit den Zentralorgonen der Regierung vorgegangen sei. Jedoch glaubt Litwinow nicht daran, daß durch den Zwischenfall die freundschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Rußland zerstört würden. Auch eine absichtliche Störung dieser Beziehungen durch die deutsche Regierung hält er für nicht gegeben. Freilich sei gewissen wirtschaftlichen Kreisen Deutschlands eine engere Annäherung an Rußland nicht angenehm. Von der deutschen Regierung hänge die Beilegung des Zwischenfalls und die Verhinderung der schweren Folgen ab, die ein Beharren auf der eingenommenen Stellung mit sich bringen könnte.
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Eine Landtagsanfrage der Kommunisten zum deutsch
russischen Zwischenfall.
* Berlin, 7. Mai. Die kommunistische Fraktion des preußischen Landtags hat eine Große Anfrage eingebracht, in der sie unter Hinweis auf die polizeiliche Durchsuchung der Berliner Handelsvertretung der Räteunion u. a. erklärt:„Diese grobe Verletzung von Verträgen und völkerrechtlichen Gepflogenheiten gefährdet aufs schwerste die politischen und wirtschaftlichen Interessen, die die deutschen und russischen Arbeiter und Bauern verbinden.“ Die Fraktion fragt ferner das preußische Staatsministerium, wer Polizeipräsident Richter und Oberregierungsrat Weiß den Auftrag zu dieser Polizeiaktion erteilt habe, ob der Polizeipräsident vor Einleitung der„Polizeiaktion“ den preußischen Minister des Innern informiert habe und ob der Minister des Innern und das Staatsministerium Tatsache und Art der Durchführung der Polizeiaktion billigten. Ferner wird gefragt, ob das Staatsministerium auf die Reichsregierung einwirken werde, damit durch Leistung vollständiger Genugtuung gegenüber Räte=Rußland die Fortdauer und Verschärfung der bereits eingetretenen schweren Schädigungen vermieden würden.
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Die russische Handelsvertretung eine kommunistische
Zentrale?
* Berlin, 7. Mai. Die kommunistische Anfrage über die Haussuchung bei der russischen Handelsvertretung wird zweifellos zu einer lebhaften Aussprache im preußischen Landtag führen. Der Minister des Innern dürfte bei dieser Gelegenheit über das ihm von der Abteilung 1a des Polizeipräsidiums übermittelte Material berichten. Wie feststeht, hat die Polizei, die von den 500 Zimmern der Handelsvertretung kaum den vierten Teil betreten hat, Pakete mit kommunistischen Broschüren beschlagnahmt, in denen Angehörige der Landespolizei und der Reichswehr aufgefordert werden, sich nicht von der kapitalistischen Regierung an der Nase herumführen zu lassen, sondern sich auf die Seite der Kommunisten zu stellen. Der Kommunistischen Partei war es schon im Oktober vorigen Jahres geglückt, einen großen Teil des damals beschlagnahmten Propagandamatsrials beiseite zu bringen und in den Räumen der russischen Handelsvertretung zu verbergen, wo es jetzt entdeckt und beschlagnahmt wurde. Der Minister wird sich wahrscheinlich auch auf die Beobachtungen der Polizei berufen, die festgestellt hat, daß die russische Handelsvertretung allen möglichen kommunisti
schen Elementen, die polizeilich verfolgt wurden, Unterschlupf und Schutz gewährt hat. Weiter ist auch wiederholt gesagt worden, daß bei Waffenkäufen für die Kommunistische Partei immer wieder Persönlichkeiten festgestellt worden sind, die zu der Handelsvertretung oder andern russischen Behörden in Beziehung stehen, die aber immer, wenn die Polizei eingriff, als„entlassene Angestellte" bezeichnet wurden.
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Ein Schiedsgericht im deutsch-russischen Zwischenfall?
TU Berlin, 7. Mai. Auf verschiedenen Seiten ist der Gedanke aufgetaucht, den deutsch=russischen Konflikt durch ein unparteiisches Schiedsgericht aufzuklären und beizulegen. Ob dieser Gedanke von deutscher oder von russischer Seite angenommen wird, ist nicht bekannt.
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Kreslinski abgereist.
TU Berlin, 8. Mai. Der Botschafter Krestinski hat gestern abend sechs Uhr Berlin verlassen.
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Die französisch-rumänischen Verhandlungen
TU London, 8. Mai. Nach einer hier vorliegenden Information sind die Verhandlungen über ein französisch=rumänisches Bündnis erfolglos verlaufen.
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WTB München, 7. Mai. Das Volksgericht beschäftigte sich heute mit der Ende Februar erfolgten Auffindung eines kommunistischen Waffenlagers in Aubingermoos bei München, wo in dem Anwesen des Schneiders Steinminger außer Waffen auch ein halber Zentner Sprengstoffe von den Kommunisten verborgen worden waren. Den Sprengstoff hatten die kommunistischen Kuriere Wittmann und Bäuml aus Stuttgart bei der dortigen Kampfleitung geholt. Er sollte dazu dienen, das damalige Vorgehen gegen Sachsen zu verhindern. Das Volksgericht verurteilte Steinminger, der taubstumm ist, und offenbar zu kommunistischen Zwecken mißbraucht wurde, zu zwei Monaten, Bäuml zu 16 Movaten und Wittmann zu acht Monaten Gefängnis.
Die heutige Nummer umfaßt 12 Seiten.“