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für Bonn und Amgegend.

Druck und Verlag: Hermann Reusser­Verantwortlich:

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Nr. 11725.

Bonn, Mittwoch, 26. September 1923.

33. Jahrg ang

Verhandlungsberenschäft Zrantreichs. Ansiinungtenen!

Die wichtigste Frage nach dem deutschen Beschluß auf Abbruch des passiven Widerstandes war: Wie wird das Echo aus Frankreich sein? Eine offiziöse Havas­meldung konstatiert, daß eine neue Lage geschaffen, welche die Eröffnung von Verhandlungen gestatten werde. Unter den gegenwärtigen Umständen konnte man wohl nicht mehr erwarten und kann daher aussprechen, daß diese Er­klärung als ein Fortschritt anzusehen ist. Umso bedauer­licher ist es, daß die größte französische Zeitung, der Temps, an dem neuen Kurs unserer Reichsregierung eine Kritik übt, die geeignet ist, neues Mißtrauen gegen Deutschland zu säen. Ebenso befremdet es allerdings, daß in den letzten Stunden aus Berlin Nachrichten und Kritiken von vagem, teilweise gänzlich unverständlichem Inhalt in die Welt ge­sandt werden, die als eine halbe Zurücknahme angesprochen werden können. Auffallend ist, daß die für gestern ange­sagte amtliche deutsche Proklamation bis gestern abend in Berlin nicht zustande gekommen war. Unstimmigkeiten liegen also jedenfalls vor. Andererseits spricht für Ueber­einstimmung unserer maßgebenden Stellen, daß die Mini­sterpräsidenten der deutschen Länder nach den Vertretern von Rhein und Ruhr einstimmig ihre Zustimmung zu dem Verzicht auf den passiven Widerstand gegeben haben, d. h. also, daß auch die bayerische Regierung sich in eine gemeinsame Front mit den übrigen Landesregierungen gestellt hat. Dadurch werden Gerüchte gegenstandslos, die von einer bayerischen Sonderaktion in den verschiedensten Fassungen wissen wollten.

Was wir brauchen, ist eine klare, unzweideutige Politik. Wir hoffen, daß Herr Stresemann sich durch nichts hiervon abbringen lassen wird.

AlsAnkündigung der Niederlage, bedingungslose Unterwerfung".

kritiiert die deutschnationale Deutsche Zeitung die An­kündigung der Aufgabe des passiven Widerstandes.

*

Eröffnung von Verhandlungen?

Besprechungen unter den Verbündeten.

WTB Paris, 25. Sept. Havas sagt in einer offi­ziösen Mitteilung: Das Ministerium für auswärtige An­gelegenheiten hat nur durch die Presse Kenntnis von dem Entschluß der Regierung Stresemann, den passiven Wider­stand zu beenden. Dem französischen Botschafter in Ber­lin ist keine=offizielle Mitteilung zugegangen. Es ist. nun, nachdem die Zurückziehung der Verordnungen einmal erfolgt ist, eine neue Lage geschaffen, die die Eröff­nung von Verhandlungen zwischen Deutschland und den Verbündeten gestattet. Zwischen den alliierten Regierungen wird unverzüglich ein Meinungs­austausch eingeleitet werden, und es ist wahrscheirlich, daß Poincars in erster Linie mit den beigischen Ministern verhandeln wird. Der Ministerpräsident heute abend nach Paris zurückgekehrt.

ist

Iranzösisches Mißtrauen gegen Stresemann.

* Paris, 25. Sept. Der Temps wirft heute in seinem Leitartikel die Frage auf, ob Stresemann, wenn er durch Aufgabe des passiven Widerstandes an der Ruhr die Methoden seiner Vorgänger ändert, gleichzeitig auch deren außenpolktisches Programm aufgeben wird. Das Blatt kommt zu dem Schluß, daß diese Frage ver­neint werden muß. Die Einstellung des passiven Wider­standes sei nur ein äußeresZeichen, daß allerdings die Vor­bedingungen für Verhandlungen zwischen den Alliierten und Deutschland möglich seien. Aber damit diese Verhand­lungen erfolgreich werden können, dürfe der passive Wider­stand nicht in der Form eines Protestes eingestellt werden. Zum Schluß fragt das Blatt, was nach Einstellung des passiven Widerstandes im Ruhrgebiet geschehen würde, da­mit Frankreich sicher sein könne, daß der Widerstand tat­sächlich zu Ende sei. Es müsse alsbald eine genaue Bilanz der Okkupationskosten und der durch die gesteigerte Produk­tion und die neuen Steuern eingegangenen Gelder aufge­stellt werden. Frankreich müsse untersuchen, ob der Ertrag des Ruhrgebietes nach Einstellung des passiven Widerstan­des dem normalen Ertrag des Ruhrgebietes vor der Be­setzung gleichkäme. Nur für den Fall, daß diese beiden Ertragsziffern miteinander übereinstimmen, könne Frankreich den passiven Widerstand als eingestellt betrachten. Von den Resultaten dieser Gegenüberstellung endlich hänge es ab, ob Frankreich den vom Reiche gemachten Vorschlägen nähertreten könne oder

nicht.:

Der Verlauf der Berliner Beratungen.

DB Berlin, 25. Sept. Heute vormittag stand die gemeinsame Beratung zwischen der Reichsregierung und den Ministerpräsidenten der Länder über die Aufgabe des passiven Widerstandes statt. Es ergab sich, daß man übereinstimmend der Ansicht war, daß der Widerstand aus innerpolitischen und finanziellen Gründen abgebrochen werden müsse. Ebenso war man der Ansicht. daß es Sache der Reichsregierung sei, den Abbau in einer für das deutsche Reich würdigen Weise vorzunehmen, Gegenüber etwaigen Versuchen, die Einheil des deut­schen Reiches anzutasten, erklärten alle Versammelten ihren festen Willen, die Einheit des Reiches als unantast­bares Gut zu wahren und zu verteidigen.

Ueber den Verlauf der folgenschweren Besprechungen er­fahren wir: Zu der Besprechung waren auch die Herren von Knilling und Dr. Zeigner erschienen. Der Reichskanzler berichtete ausführlich über die politische und wirtschaftliche Situation, sowie über die Verhand­lungen, die am Montag mit den Vertretern des be­setzten Gebietes stattgefunden haben. An dieser Ver­handlung hatten etwa 150 Vertreter der Wirt­schaftsgruppen und Berufsverbände teilgenommen. Diese Personen waren dieselben, mit, denen der ehemalige Reichskanzler Dr. Cuno seinerzeit verhandelt hatte, als der Widerstand in Szene gesetzt wurde. Sie sind es, die der Regierung den festen Willen des Volkes zum Ausdruck brachten, gegenüber den Maßnahmen Frankreichs in untä­tiger Abwehr zu verharren und sie sind der Regierung gegenüber die Träger des Widerstandsgedankens gewesen. Richt einer von ihnen hat sich für die Fortsetzung des passiven Widerstandes ausgesprochen. Ein formeller Beschluß ist von der Regierung bisher noch nicht gesaßt worden. Sie ist aber voll bereit, die Verantwortung für die Einstellung des Widerstandes zu tragen. Ueber die Haltung der Deutschnationalen erfahren wir, daß sie in den Verhandlungen der Einstellung

passiven Widerstandes nicht widersprochen haben. Sie haben sich lediglich geweigert, sich offizieli der Proklamation anzuschließen, durch die die Aufhebung der Widerstandsverordnungen angekündigt werden soll.

*

Die amtliche Kundgebung verzögert.

TU Berlin, 25. Sept. Im Laufe des geserigen Abends trat das Reichskabinett zusammen, um sich mit den endgültigen Maßnahmen zur Einstellung des passoven Widerstandes zu beschäftigen. Es ist eine Proklamation vorgesehen, die heute veröffentlicht werden soll, wenn nicht im letzten Augenblick neue Verzögerungen ein­treten. Die Sitzung war in den späten Abendstunden noch nicht beendet. Die Proklamation soll von sämtlichen In­stanzen gezeichnet werden, die an den Verhandlungen der letzten Tage teilgenommen haben. Sie wird erklären, daß die Fortsetzung des passiven Widerstandes aus finanziellen und wirtschaftlichen Gründen unmöglich ist und daß sich daraus die Notwendigkeit ergeben hat, ihn abzuvrechen. In parlamentarischen Kreisen rechnete man gestern damit, daß noch einmal auf die Unrechtmäßigkeit des Ruhrein­bruchs hingewiesen wird.

*

Eine Proklamation der Vertreter des besetzten Gebietes.

TU Berlin, 26. Sept. Die Proklamation der Reichs­regierung wird heute veröffentlicht werden. Gleichzeitig wird eine zweite Proklaination durch die Vertce er der be­setzten Gebiete erfolgen, in der der Beschluß der Reichsre­gierung im Namen der Bevölkerung des Ruhrgebietes urd des Rheinlandes gutgeheißen und die Wieberauf­nahme der normalen Tätigkeit in den be­setzten Gebieten empfohlen wird.

Die Kommunisten gegen die Aufhebung des passiven Widerstandes.

* Köln, 26. Sept. Die Kommunisten lassen augen­blicklich im ganzen besetzten Gebiet ein in Berlin gedruck­tes Flugblatt verteilen, das die bedingungslose Aufgabe des passiven Widerstandes Hochverrat am deut­schen werktätigen Volke nennt, denn sie bedeute faktisch den Beginn der Loslösung des Rhein= und Ruhr­gebietes vom übrigen Deutschland, sei ein Versuch, das rheinisch=westfälische Proletariat vom deutschen Proleta­riat zu trennen. Die kommunistische Partei ruft die werk­tätige Bevölkerung des besetzten Gebietes auf, die Vorbe­reitungen zum Massenprotest gegen die Untexwerfung unter den Imperialismus zu treffen. Die Regierung der Kapitulation und der Ausbeuter, die Regierung Strefe­mannHilferding müsse hinweggesegt und durch eine Ar­beiter= und Bauernregierung ersetzt werden.

*

Severing verbürgt den Schutz der Ordnung.

TU Berlin, 26. Sept. Das preußische Staatsministe­rium befaßte sich in einer außerordentlichen Sitzung am Dienstag abend in eingehenden Beratungen mit der poli­tischen und wirtschaftlichen Situation. Im Rahmen der politischen Debatte gab der Staatsminister des Innern die Erklärung ab, daß er die Frage, ob die Ruhe und Ord­nung in Preußen gegen Unruhestifter und Unruhestiftun­gen von links und rechts hinreichend geschützt sei, zuver­sichtlich bejahen könne.

Im Falle innerer Unruhen".

WTB Berlin, 25. Sept. Die Reichsregierung hat folgendes Rundtelegramm erlassen: Im Falle innerer Unruhen haben alle Reichsbe­hörden und Reichsbeamten ausschließlich den Anordnungen der Reichsbehörden Folge zu leisten. Etwa er­forderliche Notverordnungen über ihre Dienstpflicht erläßt der Herr Reichspräsident.

Pressestimmen.

Köln, 25. Sept. Die Köln. Volkszeitung faßt ihr Urteil wie folgt zusammen: Im Kampfe an der Ruhr hat das Unrecht gesiegt. Unter Deutschen gibt es da­rüber keine Meinungsverschiedenheit. Der Kampf an der Ruhr war für das deutsche Volk trotz seines erfolglosen Ausganges nahmvoll, weil er der spontane Ausdruck des beleidigten Ehr= und Nationalgefühls des deutschen Volkes an Rhein und Ruhr war. Selbst wenn von Anfang an die Erfolglosigkeit dieses Widerstandes dem deutschen Volke deutlich vor der Seele gestanden hätte, hätte es nicht anders handeln können, als es gehandelt hat, denn die Ehre ist mehr wert als Geld und Gut.

MTB Paris, 25. Sept. Victoire, die sonst zur treuen Gefolgschaft des Ministerpräsidenten Poincare gehört, spricht die Meinung aus, es hätte besser den Traditionen des französischen Edelmutes entsprochen, wenn der Sieger die Stimme gegenüber dem kraftlos gewordenen Feind etwas mehr gesenkt hätte.

WTB London, 25. Sept. Evening Standard schreibt zu der Aufhebung des passiven Widerstandes:

Ein Kapitel in der Geschichte der Ruhrbesetzung sei zu Ende gegangen, Deutschland habe bedingungslos kapituliert. Poin­carés Politik habe zwar in ihrem ersten Ziele Erfolg gehabt; sie habe sowohl den deutschen Widerstandswillen als auch die deutsche Widerstandsmacht gebrochen.. Uns hat immer als Europäern die Ruhrpolitik mißfallen und wir sind nie in der Lage gewesen, als Untertanen Großbritanniens Be­friedigung über die Rolle zu empfinden, die von der Regie­rung dieses Landes gespielt wurde. Dies verhindert jedoch nicht, anzuerkennen, daß Poincarc wenigstens eine der we­sentlichsten Eigenschaften hoher Staatskunst gezeigt hat: Er dat den Mut seiner Ueberzeugung gehabt und er gewinnt jetzt den Lohn seines Mutes und seiner Fähigkeit. Aber schließlich brauchte die zerstörende Seite seiner Politik nur zwei Elemente, um diesen Erfolg zu sichern: beharrliche Ener­gie auf seiten Frankreichs und fortdauernde untätigkeit auf seiten der Mächte, die die französische Pblitik mißbilligen. Die deutsche Uebergabe vermehre klarerweise die Notwendigkeit, die Verkündigung einer endgültigen britischen Politik, die das In­teresse des britischen Steuerzahlers, das solange versäumt wurde, betone und ein Veto gegen jeden Plan erhebe, der die Rechte Englands in der allgemeinen Regelung der Wiederher­stellungsfrage beeinträchtige oder ausschließe.

WTB Rom, 25. Sept. Von Tribung und Corriere 'Italia abgesehen, nimmt die gesamte Presse Stellung zum Abball des passiven Widerstandes. Mondo rühmt die mu­tige Entscheidung des Reichskanzlers und hofft, daß Frank­reich sich nachgiebig zeigen werde. Epoca befürchtet, daß Europa eine einzige Aktiengesellschaft mit Frank­reich als Aufsichtsrat geworden sei. Das Blatt wirft England Schwächsichkeit in seiner Haltung vor und glaubt, es werde zur Bildung eines kontinentalen Blocks gegen England kommen. Nuovo Paese erhofft nichts von der Aufgabe des passiven Widerstandes, weil Frankreich miemals einen Wiederaufbau Deutschlands begünstigen wende.1EI

Die Sonderl=ündler.

Die K. V veröffentlicht eine längere Darstellung über die rheinischen Sonderbündler, die angeblich am 30. September im Anschluß an eine Versammlung in Düsseldors die rheinische Republik ausrusen wollten, ferner be­absichtigten die Sonderbündler in Düsseldorf der deutschen Polizei die Wassen abzunehmen und sie einem Kampf­trupp zuzuführen, der aus 300 Mann in grünen Jägeruni­formen bestehen solle. Führer derRheinwehr werde ein Mann namens Zilinskl. Zu der Versammlung am 30. Sep­tember sollen bereits 200 000 Anmeldungen vorliegen, darun­ter von 40.000 Bergleuten, die nach Aufsassung der K. V. der Versammlung einen stark polnischen Einschlag geben wür­den. Kampftruppen der anwesenden Ortsgruppen seien schon für diese Versammlung eingeteilt. Sie hätten den Besehl, mit aller Schärse gegen die Gegendemonstranten vorzugehen.

*

Ruhr-, Rhein= und Sonderbündler.

* Köln, 25. Sept. Das Kölner Tageblatt wendet sich gegen Unterschätzung, mit der man den rheinischen Separa­tismus bisher behandelt hat. Es schreibt:

In Wirklichkeit bilden die rheinischen Sonderbündler eine lnnicht zu unterschätzende Macht und sie würden zu einer Gefahr für das Rheinland, wenn sie tatsächlich gegen den Willen der großen Masse der Rheinländer ihre Absichten durchsetzen wollten. Die rheinische Frage bedarf der Lösung. Die bisherige Vogelstrauß=Politik kann nur ein böses Ende nehmen. Wenn Deutschland die Regelung der rheinischen Frage verzögert oder verhindert, dann wird sie von anderer Seite in einem Sinne erledigt, der den deutschen Interessen nicht gerecht wird. Mit Putschver­suchen ist aber die rheinische Frage nicht zu lösen und die Sonderbündler vertreten trotz ihrer zahlenmäßigen Stärke nicht das Rheinland. Ueber die Zukunft des Rheinlandes können nicht einige Wirrköpfe entscheiden, auch nicht eine einzelne Gruppe oder Partei, die rheinsche Frage wird ein Hauptpunkt der kommenden Verhandlungen zwi­schenden beteiligten Mächten sein. Die rheinische Bevölke­rung als Ganzes wird den Ausschlag zu geben haben und wir zweifeln nicht daran, daß die deutschen Interessen bei einer solchen Lösung im vollsten Umfange gewahrt blei­ben werden.

*

Die Verantwortlichen.

Unter dieser Ueberschrift schreibt ein nach dem Rheinland entsandter Mitarbeiter der Voss. Ztg. u..:

Daß Fehler gemacht worden sind, läßt sich nicht leugnen. Man sieht sie heute deutlich ein und die eben abgeschlos­senen Verhandlungen zwischen den Beamtenorganisationen des Koblenzer Telegraphenamtes und den Besatzungsbe­hörden über die Wiederherstellung des zerstörten Fern­sprechamts ist ein Zugeständnis dieses Fehlers. Hierfür ist zuletzt und in der Hauptsache verantwortlich das Kabi­nett Cuno, das geglaubt hat, die strategische Leitung des Freiheitsksgpfes, am Rhein beanspruchen zu dürsen und durch seine Richtlinien, den von Fernbeteiligten ausgear­beiteten Feldzugsplan, den Kampf nicht erleichter:, son­dern taktisch und moralisch verdorben hat. Es ist nie ein Generalstab als so unfähig eingeschätzt worden, wie die Cuno=Regierung während des Rheinlandkampfs vom Rheinland selbst. Dutzende von Abordnungen waren ununterbrochen in Berlin, haben ge­warnt, Vorstellungen erhoben, um eine freie Handhabung des Widerstandes ge­Jeten. Sie sind alle nach dem Rhein mit der Erkenntnis zurückgekehrt, daß man in Berlin angeblich die Dinge besser sieht und unbelehrbar ist. Die Frage der Lohnsiche rung wurde im Rheinland ganz anders eingeschätzt, als bei den Herren Becker und Cuno. Man sah hier in politisch und wirtschaftlich orientierten Kreisen die furchlbaren Fol­gen voraus. Das Heer der Erwerbslosen wurde von Ber­lin aus in Massen mobilisiert. Die Menschen wurden demoralisiert, und die Verantwortungslosen machten sichgesund". Das Rheinland protestierte vergebens. Die Entwicklung wurde geradezu grotesk, als Betrieben, die produktiv arbeiten konnten, aber in finanzielle Schwierig­keiten gerteten, geraten wurde: schickt eure Leute auf die Straße. Das war allerdings ein einfaches Verfahren. Man ließ die Notenpresse lausen, über­schwemmte das Rheinland mit der Cuno=Mark und stürzte das Land in Katastrophen. Im Rheinland sieht man und sah man diese Politik als ein Verbrechen an, das nicht nur an der Wirtschaft des besetzten Gebietes, sondern an der wirtschaftlichen Wehrfähigkeit Gesamtdeutschlands be­gangen wurde. Aber jede Kritik legte man den Vernünf­tigen als Landesverrat aus. Ueber dem Rheinland hing das Schlagwort in geradezu bedrückender Dichte, als erdrückend und lähmend. Wie grenzenlos aber die Verpul­verung deutschen Geldes im Rheinland war, geht aus der Tatsache hervor, daß im Rheinland Kirchen restauriert Vereinshäuser gebaut, Privatbesitzveredelt wurde, alles auf Kosten der Rhein= und Ruhrhilfe, alles mi: Wissen und unter Verantwortung der Regierung Cuno.

nahme gegen den 17. September um 143,83 Prozent, und um einzelnen für Nahrungsmittel auf 3 157 540000 Mork (plus 155,01 Prozent), für Reinigung, Heizung und Be­leuchtung auf 676 800000 Mark(plus 112,03 Prozent), für Wohnung auf 1 516 248 Mark(0,00 Prozent), für Bekkei­dung und Wäsche auf 1518011 820 Mark(plus 107,34 Prozent), für Steuern, Beiträge und Zeitung auf 868 393 000 Mark(plus 232,88 Prozent). Gegen den Durchschnitt des Jahres 191314 ergibt sich eine Meß­ziffer für Nahrungsmittel von 51 710 449, für Reinigung usw. von 70 794979, für Wohnung von 50 542, für Be­kleidung und Wäsche von 73 905 152, für Steuern usw. von 94 802 729 und für die Gesamtausgaben von 47745 251.

Nach der Reichsmethode für eine Familie von zwei Er­wachsenen, einem Knaben von zwölf, einem Mädchen von sieben und einem Kinde von anderthalb Jahren, betrugen nach dem Stande der Preise vom 24. September die gesam­ten Lebenshaltungskosten 4 245 527 376 Mark, das ergibt eine Zunahme gegen den 17. September um 136,58 Proz. Die Meßziffer'gegen 191314 stellt sich auf das 38 849 994fache

*

Rußlands Rückkehr zur kapitalistischen Wirtschaft.

Wie der Ost=Erpreß meldet= hat der Oberste Volkswirt­schaftsrat den Beschluß gefaßt, den staatlichen Hünen= und Industrietrust des Malvow=Bezirkes, der die Hüttenwerke und die Zement=, Maschinen= und Wagenbau=, Glas= und chemi­schen Betriebe der früheren Malvow A. G. umsaßt und mit großen Desiziten arbeitet, zu einer A. G. unter Beteiligung von staatlichen Wirtschaftsorganen und in= und ausländischen Privatkapital umzugestalten, um aus diese Weise die für die rationalle Weiterführung der Produktion ersorderlichen Mittel aufzubringen. Dieser Beschluß ist insofern von besonderer Bedeutung, als in der früberen Malvow A. G. ausländisches, hauptsächlich französisches Kapital, investiert war und die Ar­sien der A. G. noch bis jetzt an der Pariser Börse notiert werden.

Spannung zwischen Rußland und Deutschland.

* Moskau, 23. Sept. Wie die russische Telegraphen­agentur meldet, berichtete der aus Moskau zurückgekehrte Volkskommissar für Finanzen Sokolnikow über die Unter­handlungen in Berlin.

Das Gesetz von 1921, das die Einfuhr russischer Wäh­rung nach Deutschland verbot, weil dies angeblich zur Ur­sache revolutionärer Wirren werden könnte, anderseits Deutschland von minderwertiger Währung Rußlands ver­schont werden sollte, hat jeden Sinn verloren. Habe Deutschland den Vertrag von Rappollo anerkannt, so habe es auch die Sowjetwährung anerkannt. Bedenke man ferner die Versuche, jetzt an deutschen Börsen die an­nullierten festverzinslichen russischen Po­piere einzuführen, so könne eine solche Politik nicht als sowjetfreundlich bezeichnet werden. Sokolnikow wies ferner darauf hin, daß die Anwendung einiger Vergel tungsmaßnahmen seitens Rußlands in den Bereich der Möglichkeit rücke, falls Rußlands Forderungen nicht erfüllt würden. Vielleicht werde die Einfuhr de deutschen Mark sowie deutscher Banknoten und Wert­papiere, auch ihr Umsatz verboten werden müssen. Auf Grund seiner Besprechungen mit dem deutschen Reichs­minister des Aeußern in Berlin hofft Sokolnikow auf bal­dige Erledigung dieser Fragen.

Wirtschaft und Handel.

Die Kölner und Reichsteuerungsmeßzahl.

Die vierwöchentlichen Lebenshaltungskosten für Köln, berechnet nach der Kölner Methode für eine Familie von zwei Erwachsenen, einem Knaven von zehn und einem Mädchen von sechs Jahren, stellen sich nach dem Stande der Preise vom 24. September für die gesamten Lebens

Mank(d. i. eine Zu­

Abrundung auf 1000 Mark im Postscheckverkehr.

Berlin, 24. Sept. Bei der überaus geringen Kauf­kraft, die der Mark infolge der starken Geldentwertung inne­wohnt, sind im Zahlungsverkehr Geldzeichen, die über Be­träge unter 1000 Mark lauten und nur den Wert von Bruch­teilen eines Goldpsennigs haben, sast ganz verschwunden. Es ist unwirtschaftlich, wenn im Posischeckverkehr auf Ueberwei­sungen und Schecken noch nach solchen Beträgen gerechnet wird. Im besondern Maße wird der Betriebsdienst bei den Postschec­ämtern erschwert, die täglich mehr als 1 700.000 Ueberwei­sungen, Schecke und Zahlkarten zu buchen und zu verrechnen haben. Zur Bewältigung des Massenverkehrs dienen im wei­testen Umsang Rechenmaschinen, mit denen die Beträge in die Listen und Zusammenstellungen eingetragen und aufgerechner werden. Da diese Maschinen zum überwiegenden Teil mit neun= und zehnstelligen Tastenreiben ausgerüstet sind, reichen sie zur Aufnahme und zum Zusammenstellen der durch die Aufblähung unserer Währung entstandenen Zahlen von Mil­lionen, Milliarden und Billionen nicht mehr aus. Hierdurch entsteht in der Buch= und Rechnungssährung große Unsicher­beit. Fehler von Milliarden und Billionen sind nicht selten. Gleiche Erschwernisse und Unzuträglichkeiten sind bei der Reichsbank und den Privatbanken ausgetreten. Im Bankver­kehr sollen daber von Mitte September an Markbeträge, die nicht durch 1000 teilbar sind, allgemein auf volle tausend Mark abgerundet werden. Um im Postscheckverkehr dasselbe Ziel zu erreichen, bedarf es einer Aenderung des Paragraphen 4 des Postscheckgesetzes und einer Vorschrift über die Abrun­dung des Guthabens auf volle tausend Mark nach Maßgabe eines Entwurfs, der dem Reichstag zugegangen ist. Für den Fall der Zustimmung zu der Vor­lage wird im Verwaltungswege angeordnet werden, daß Markbeträge, die nicht durch 1000 teilbar sind, auf volle tau­send Mark abgerundet werden, wenn sie nicht zur Abrundung des Guthabens dienen.(§ 2 des Gesetzenwwurss.)

Zwecklosigkeit der Bauabgabe.

Wie überall im Reich, zeigt sich auch in Berlin, daß die Bauabgabe nutzlos ist, weil ihre Erhebung mehr kostet als sie erträgt. Die Voss. Ztg. berichtet hierzu:

Die von der Berliner Stadtverordneten=Versammlung be­schlossene Erhöhung der Wohnungsbauabgabe wird voraus­sichtlich nicht zur Erhebung gelangen. Nach den Ergebnissen, die diese Steuer bisher erbracht hat, kostet ihre Erhebung nämlich mehr als sie einbringt. Für das Vierteljahr JanuarApril war zum Beispiel für ein Haus im Osten der Stadt, das 60 Mieter zählt, eine Bauabgabe von 3000 Mark zu entrichten. Bis die Verteilung auf die einzelnen Mieter vorgenommen war, lohnte die Erhebung des Betrages nicht mehr. Die erforderlichen Formulare und Briefumschläge kosteten schon mehr, als der Steuer­betrag ausmachte.

Durch die neuerlich beschlossene Erhöhung der Bauabgabe auf das.12= bezw. 24fache würden diese Verhältnisse sich nicht ändern. Auch diese Sätze sind seit der Stellung des Antrages schon wieder überholt, und selbst bei einer sehr wesentlichen Besserung des Standes der Mark würde darin keine Aenderung eintreten.

Das ist aber ein Beweis dafür, wie falsch unsere gegen­wärtige Wohnungspolitik ist. Mit Hilfe staatlicher Beihilfen und besonders durch die Wohnungsbauabgabe sollen Häuser gebaut werden. Die staatlichen Zuschüsse aber stellen nur einen geringen Bruchteil der Haus=Herstellungskosten dar und können bei der Finanzlage des Reiches nicht genügend erhöht werden. Auf der andern Seite ist das System der Wohnungsbauabgabe viel zu kompliziert und infolgedessen zu teuer, um Erträge zu bringen. Papierkosten und Be­amtengehälter erheischen höhere Summen, als die ganze Ab­gabe einbringt. Während die neuen Sätze der Wohnungs­steuer etwa die Hälfte des Betrages der Friedensmiete aus­machen, müßten sie ein vielfaches dieser Miete betragen, wenn man in Berlin auch nur ein bescheidenes Baupro­gramm durchführen wollte.

Bei der wirtschaftlichen Lage der übergroßen Zahl der Berliner Bürger ist es aber absolut unmöglich, auch noch ein vielfaches der Friedensmiete für Bauzwecke zu erheben. Man wird endlich nach grundsätzlich anderen Wegen suchen müssen, um der Wohnungsnot beizukommen.

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Keine Kohlenpreiserhöhung!

In den am Samstag geführten Verhandlungen im Reichs­kohlenrat mit dem Wirtschaftsministerium wurde eine Eini­gung dahingebend erzielt, daß die Kohlenpreise einstweilen unverändert bleiben.

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Ueberpreise norddeutscher Molkereten.

* Berlin, 23. Sept. Das Marktgericht des Potsdamer Landgerichts verurteilte gestern den Verwalter der Genossen­schaftsmolkereien in Lehnin und Beelitz an Ort und Stelle zu je 25 Milliarden Mark Geldstrase unter Einbeziehung des Ueberpreises, weil die Molkereien in der vorigen Woche für ihre Erzeugnisse höhere Preise nahrnen, als ihnen nach der amtlichen Notierung erlaubt war.

Berlin 121302500

Dollar in Köln.. 130375000

NewJork 121950 000