Nr. 10803
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Rteflamen:" 300,„ 1000„
die Nonvarelllezelle oder deren Raum.
oschtl. Steuer und Pouarunatusthlag.
Dr. Simons über die politische Lage.
* Berlin, 1. Sept. Der Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten ist heute nachmittag gegen 5½ Uhr im Reichstag zusammengetreten. Zu der Sitzung war auch der Reichskanzler Fehrenbach erschienen.
Der Minister des Auswärtigen, Dr. Simons, leitete die Beratungen mit einer Rede über die Lage ein.
Beginnend mit einer kurzen Zurückweisung der vlelfachen Entstellungen, die in den in schweizerischen und italienischen Blättern veröffentlichten beiden Unterredungen enthalten seien, wandte er sich zu einem Uerblick über die deutsche Neutralitätspolitik. Es seien Stimmen an ihn herangetreten, die ihn aufgefordert hätten, mit dem Bolschewismus gegen die Westmächte vorzugehen und auf diese Weise die Schranken des Versailler Friedens zu brechen. Diese Stimmen habe er mit voller Ueberzeugung abgewiesen. Wenn wir damals solchen Aufforderungen gefolgt wären, so wäre Deutschland unmittelbar zum Kriegsschauplatz geworden. Daß wir im Zustande der Entwaffnung die Blüte der Jugend hätten opfern sollen, wäre unter keinen Umständen zu verantworten gewesen. Von anderer Seite sei der Vorschlag gemacht worden, gemeinsam mit den Westmächten gegen den Bolschewismus sich zu wenden. Auch dies sei eine Unmöglichkeit. Unzweifelhaft hätte uns der Versuch, Seite an Seite mit Frankreich und Polen gegen Rußland vorzugehen, in den innern Krieg gestürzt. Wir hätten den Bürgerkrieg gehabt, und zweifelhaft wäre geblieben, ob wir erreicht hätten, was von einem Zusammengehen mit dem Westen erwartet worden sei.
Für unsere Politik sei der Grundgedanke der, daß die Räteregierung gegenwärtig die Macht in den Händen habe, also de facto die Regierungsgewalt in Rußland darstelle. Die Behauptungen, daß wir mit der Räteregierung einen Geheimvertrag abgeschlossen hätten, seien durchaus falsch. Während uns von der angelsächsischen Presse und von dem früheren französischen Präsidenten Poincaré Geheimverträge mit den Russen vorgeworfen würden, werde in Moskau gegen uns der Vorwurs eines Geheimvertrags mit Polen gemacht. Daran sei ebensowenig wahr. Mit Polen führten wir lediglich offene Verhandlungen, die bisher noch zu keinem Ergebnis geführt hätten.
Der Minister führte sodann aus, daß sich in den deutschpolnischen Beziehungen eine große Menge Explosivstoff aufgehäuft habe. Wenn die von ihm angebotenen Verhandlungen nicht bald zu einem Ergebnis kämen, könne es wohl geschehen, daß der Kessel der deutschen öffentlichen Meinung überkoche. In Breslau habe sich dies bereits ereignet. Der Minister ging darauf in längeren vertraulichen Darlegungen auf die Breslauer Ereignisse und auf die französische Note ein. Was die Wünsche des oberschlesischen Volkes auf dem Gebiete der Verwaltung angeht, so betonte Dr. Simons, man müsse der Bevölkerung entgegenkommen und ihr in gewissen Fragen eine selbständige Vertretung zubilligen, aber alles dies selbstverständlich nicht außerhalb des Reiches und nicht außerhalb Preußens.
für Bonn
und
Donnersiag, 2. Sept. 1920.
Druck und Verlag: Herm. Neussen. Verantw. Redaktion: Deter Neusser. Anzeigen: Dsise Lederiglet.
Fernruf: 66, 366, 367. Postschasfonto Aitin Nr. 19477.
schen Volk in einem demütigenden Besuch des höchsten Staatsbeamten zugedachten moralischen Züchtigung. Der gestrige Besuch des Reichsministers des Auswärtigen Dr. Simons bei dem Berliner französischen Botschafter Laurent scheint so gut wie gar keinen Erfolg gehabt zu haben. Dr. Simons soll bei seiner Anregung zur Milderung der Sühnebedingungen auf eine ziemlich schroffe Ablehnung gestoßen sein. Diese Bedingungen findet das Pariser Petit Journal sehr gemäßigt. Das Blatt glaubt, daß die Berliner Regierung nicht zögern werde, die Forderungen anzunehmen, meint allerdings, daß bei der Ausführung noch Schwierigkeiten zu erwarten seien.
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Deutschland entschuldigt sich in Warschau.
TU Warschau, 1. Sept. In Vertretung des deutschen Geschäftsträgers sprach Legationsrat v. Dirksen der polnischen Regierung gestern das Bedauern der deutschen Regierung über die Breslauer Vorfälle aus. Die polnische Regierung hat die polnische Gesandtschaft in Berlin beauftragt, sich mit der deutschen Regierung wegen der Entschuldigung für die Zerstörung des Konsulats ins Benehmen zu setzen.
WTB Paris, 1. Sept. Havas erfährt von unterrichteter Seite, daß Lloyd George weder den Wunsch geäußert habe, in Aix=les=Bains mit Giolitt: und Millerand zusammenzutreffen, noch daß Millerand, den englischen Ministerpräsidenten ersucht habe, bei dieser Zusammenkunft zugegen zu sein.
Von Nah und Fern.
1( Köln, 1. Sept. Eine größere Jagdgesellschaft aus Köln begab sich zur Hühnerjagd bei Euskirchen. Abends traf die ganze Gesellschaft in einer bekannten Wirtschaft zu einem erfrischenden Trunk ein, dann wurden die Gewehre in der Wirtsstube zusammengestellt, und die Jäger begaben sich auf ihre Schlafzimmer. Während der Nacht wurden sämtliche Jagdgewehre gestohlen. Von den Dieben hat man keine Spur. Mit langen Gesichtern zogen die Jäger entwassnet wieder nach Köln zurück. Außer den Dieben werden sich die Hüdner gefreut haben.
1 Köln, 1. Sept. Gegen die Zigarettenschieder geht das hiesige Wuchergericht mit aller Strenge vor. Der Büchsenmacher Jos. Fechir aus Uerdingen wurde zu zwei Wochen Geund 3000 Mk. Geldstrase, der Dreber Ferd. Hof
Die Ausschreitungen der Polen in Oberschlesien.
DZB Beuthen, 1. Sept. Das Staatskommissariat für Oberschlesien protestiert in einem an den Vorsitzenden der Interalliierten Kommission, General Lerond, gerichteten Telegramm gegen die Fortsetzung des Mordens in Oberschlesien und fordert, daß Korfanty von der Interalliierten Kommission dazu gezwungen wird, öffentlich und uneingeschränkt in schärfster Form gegen die Fortsetzung der Gewalttaten sich mit seiner ganzen Person einzusetzen.
DZB Beuthen, 1. Sept. Heute wurden drei Opfer des Josefstaler Verbrechens beigesetzt. Die Beisetzung der übrigen erfolgt morgen. Die Namen aller Opfer sind jetzt festgestellt. Der Sektionsbefund der Leichen ergab außer Schußwunden noch weitere schwere Verletzungen, sodaß schwere Mißhandlungen der Opfer anzunehmen sind
* Berlin, 1. Sept. Wie die Abendblätter melden, ist der Danziger Student Becker auf der Flucht vor den Bolschewisten auf der Strecke Graudenz=Danzig von den Polen am Freitag aus dem Eisenbahnzuge geholt worden, die ihn des Landesverrats bezichtigten, und standrechtlich erschossen worden. Sein Bruder wurde von den Polen verschleppt. Sein Aufenthaltsort ist unbekannt.
Ein bei Krupp in Essen beschäftigter ostpreußischer Arbeiter wurde auf der Rückfahrt aus Ostpreußen in Dirschau aus dem Zuge geholt und gezwungen, Munition zu verladen. Er mußte zusammen mit einem Haufen polnischer Sträflinge arbeiten, von denen er gestoßen, getreten und angespien wurde. Ferner wurde er seiner Barschaft beraubt. Nach zehntägigen Qualen wurde er entlassen.
*
Ein teures Schilderhaus.
Berlin, 1. Sept. Die Deutsche Allgemeine Zeitung entnimmt Kattowitzer polnischen Blättern die Meldung, daß der französische Kontrolleur für den Kreis Kattowitz, Oberst Blanchard, der Stadt Kattowitz eine Strafe von 10000 Mark für die Zerstörung eines Schilderhauses vor der französischen Kommandantur auserlegt hat.
Die Suche nach der richtigen Internationale.
#g Dje= der Mag'auer über die Zulassung der Deut
Der russisch=polnische Prieg.
# Bonn, 2. September.
Ein altes Wort rät: Wenn du den Frieden willst, rüste zum Krieg. Russen und Polen befolgen offenbar augenblicklich diesen Ratschlag nach Kräften. Nach Moskauer Meldungen ist im Osten von Dünaburg jetzt eine russische Reserve=Armee zusammengezogen, die sich größtenteils aus stibirischen Truppen zusammensetzt, welche in den letzten Wochen aus dem Osten herangeholt worden sind. Diese Armee soll aus mehr als 100000 Mann, zumeist Infanterie und einigen Regimentern schwerer Artillerie, bestehen.
Die neue Armee soll nach Bialystok ausgerückt sein und verschiedene wichtige strategische Punkte an der Nordfront besetzt haben. Wie es scheint, wird die Aufgabe dieser Armee sein, im Zentrum der Front eine neue Offensive zu beginnen, während der sich die beiden Flügelarmeen neu sammeln können, um später in den Kampf einzugreifen.
Diese Maßnahmen erfordern von Polen Leistungen, die sehr erheblicher Natur sein müssen. Es ist nirgends wahr= sängnis und 3000
zunehmen, daß die Russen darauf sinnen, ihre Truppen Guipe.61 uug
gegen Wrangel zu schwächen oder dort defensive Pläne Gesostrafe verurteilt.
tragen. Sie haben die Gelegenheit ausgenutzt und die„7#in, 1. Sept. Ein Flugzeug, das gestern morgen
Wrangel=Front mit andern Truppen aus dem Innern über dem Rheinstrom kreiste, verlor infolge der herrschenden
:.* a:„: Oden das Gleichgewicht und stürzte samt Insassen in die Flu
ten. Die Maschine wurde erheblich beschädigt, während die Menschen heil davonkamen.
ITAdachen, 1. Sept. Das Räuverbandenunwesen an der holländischen Grenze nimmt einen beängstigenden Charakter an. Vor einigen Tagen hatte eine Räuberbande
Rußlands aufgefüllt, welche im letzten Jahr überhaupt noch nicht an Gefechten teilgenommen haben. Polnischerseits betrachtet man diese Wendung der Dinge kritisch, weil sich daraus nicht die Absicht der Russen ergibt, bald Frieden zu schließen.
zgister ing dann auf die Genfer Kon] Dav Vutar der Mostauet uvet vir gunztung ver Deur
der Reichomiuinter otag uun.—) v..... Wir sschen zur 3. Juternationale hat zu erregten Ausefnander
sereng und die Vorberetungen für diese näher en.—„(setzungen innerhalo der Partei geführt. Die einzelnen
lokalen Organisationen werden in den kommenden Wachen
wüßten, daß von einer Seite ein scharfer Kampf gegen die Genfer Konferenz geführt werde, während England und Italien großes Gewicht auf das Zustandekommen der Konferenz zu legen schienen. Eins könne man mit Sicherheit annehmen, daß nämlich auf Drängen Frankreichs die Brüsseler Konferenz unabhängig von der Genfer tagen würde. Es sei zu hoffen und anzunehmen, daß die deutsche Delegation in Genf anders untergebracht und behandelt werden würde als in Spa, wobei unter Unterbringung nicht der Komfort, sondern die notwendige örtliche Nähe in bezug auf den Mittelpunkt der Verhandlungen zu verstehen sei. Wie auch die Entscheidung in Genf falle, es sei schon jetzt anzunehmen, daß einen wesentlichen Einfluß die von uns in Spa überreichten Denkschriften haben würden. Der Reichsminister erklärte, es sei notwendig, daß die Oeffentlichkeit in den fremden Ländern, vor allem in Frankreich, über die Grenzen unserer finanziellen Leistungsfähigkeit und die Bedrängnis unserer Lage aufgeklärt werde. Dem Gedanken müsse entgegengetreten werden, daß wir alles bezahlen würden und könnten. Es sei zu hoffen, daß es gelingen werde, den Boden für die Verhandlungen vorzubereiten und zu einer Verständigung in Genf zu kommen. In der Aussprache wurde in vertraulicher Form eingehend über die Breslauer Vorgänge verhandelt. Dr. Simons sagte genaueste Untersuchung auch nach der Richtung zu, ob, wie behauptet wurde, nationalistische Mache oder Radaulust des großstädtischen Janhagels die Ursache der Ausschreitungen gewesen sei.
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5 Die Aufnahme der französischen Breslau=Note ist in den verschiedenen politischen Lagern verschieden. Die Linke findet die Forderung hart, aber verständlich und schiebt alle Schuld den nationalistischen Hetzern in Deutschland zu; die Rechte aber bezeichnet die Sühne übermäßig streng und nebenbei unerträglich demütigend. Die unabhängige„Freiheit" erklärt, Frankreich dürfe sich keiner Täuschung darüber hingeben, daß der gemeinsame Wille zum Frieden und zur Arbeit nur verwirklicht werden könne, wenn es auch Rücksicht auf die Rechte der deutschen Bevölkerung nähme und Streitfälle wie diesen in weniger aggressiver Form verfolge. Sonst blieben die Beteuerung von Frieden und Arbeit nur schöne Worte. Es dürfe nicht vergessen, daß das deutsche Volk in seiner erdrückenden Mehrheit, und ganz besonders die Arbeiterschaft, diese Ausschreitungen entschieden verurteile. Danach sollte die französische Regierung handeln und nicht das ganze Volk verantwortlich machen für die Taten einer Handvoll verhetzter Menschen.
Die„Germania“ hebt hervor, daß das Verhalten der Franzosen gegenüber der deutschen Bevölkerung in Oberschlesien, ihre Passivität gegenüber den polnischen Aufständen nicht ohne Rückwirkung blii#en konnte. So trage Frankreich selbst einen Teil der Schuld an den bedauerlichen Vorgängen.
Allgemein ist die Auffassung, daß diese Vorgänge zweifellos ein schweres Vergehen darstellen, das auch nach der allgemeinen Auffassung in Deutschland eine Sühne und Genugtuung erfordert. Die materiellen Forderungen, die von der französischen Regierung gestellt wurden, werden kaum von deutscher Seite auf Widerspruch kotten; ganz anders aber verhält es sich mit der dem deut
über ihre Stellung entscheiden, und dann wird ein Parteitag die Haltung der ganzen Partei festlegen. Es hat schon heute den Anschein, als ob es dem linken Flügel nicht gelingen werde. die Partei auf seine Richtung festzulegen. Dann wäre die eine Möglichkeit, daß sich die U. S. P. D. spaltet und der Däumig=Flügel zu den Kommunisten übergeht, die ja die Moskauer Weihen bereits empfangen haben. Dann wird natürlich die Frage akut, ob der rechte Flügel der U. S. P. D. eine gemeinsame Basis mit den Mehrheitssozialisten findet, wozu ja andauernd offene und heimliche Versuche gemacht werden. Es ist aber nicht außer acht zu lassen, daß auch im rechten Flügel nach wie dor starke Widerstände dagegen bestehen, daß auch der rechte Flügel wert darauf legt,„revolutionär“, sogar„weltrevolutionär“ zu sein und zu bleiben. Und deshalb muß man sich daran erinnern, daß schon auf dem Leipziger Parteitag der U. S. P. D. von Ledebour der Gedanke propagiert wurde, die U. S. P. D. solle alle revolutionären Arbeiterparteien der Welt zur Bildung einer vierten Internationale einladen. Man wird nun in den kommenden Wochen beobachten und registrieren müssen, wohin die Suche nach der richtigen Internationale die radikale Arbeiterschaft Deutschlands führt.
Polen selbst betont seine Friedensbereitschaft bei jeder mit Karabinern und Revolvern ausgerüstet, nachdem sie sich in
Gelegenheit, knäpft allerdings seine Bedingungen daran. tergesenschaft von etwa 100 Personen aversallen und durch
Die polnische Antwort' auf die amerikanische Note.„ gfamte Waren 2
wegen der Fortsetzung der polnischen Offensive soll angeblich durchaus den Wünschen der Regierung der Vereinigten Staaten entsprechen. Polen erklärt darin, daß es Amerikas Wunsch respektieren werde, und nicht beabsichtige, russisches Gebiet dauernd zu besetzen. Gegenwärtig sei Polen allerdings gezwungen, seine Gegenoffensive nicht eher aufzugeben, bis es feste Verteidigungsstellen bezogen haben. Erst wenn die Sowjetregierung sichere Garantien gegeben habe, daß sie einen Frieden abzuschließen wünsche, würden die polnischen Truppen sich auf ihr eigenes Gebiet zurückzuziehen. Die polnische Note erinnert daran, daß die ethnographischen Grenzen Polens von den Bolschewisten verletzt wurden, obwohl die englische Regierung sie davon abzuhalten suchte.
Ethnographische Grenzen scheinen dem Heer Pilsudskis überhaupt wenig Kopfzerbrechen zu machen. Polnische Truppen haben die litauische Grenze überschritten und nach Uutigem Kampf mit unterlegenen litauischen Truppen Suwalki eingenommen. Die Litauer haben eine Note an die Entente gedrahtet, daß sie sich alles vorbehalten müßten, für den Fall, daß die Polen weiter vorgehen sollten.
Die Friedensverhandlungen in Minsk haben ihr Ende gefunden. Ob, wo und wann sie wieder ausgenommen werden, steht dahin. Der Einfluß der aus Minsk zurückgekehrten Mitglieder der polnischen Delegation soll überwiegend in die Richtung einer Fortsetzung der Verhandlungen hinzielen. Die Aussichten eines Friedensschlusses werden von ihnen für gut gehalten, wenn Polen das Eisen schmiede, so lange es heiß sei.
Der Koreespondent des Daily Expreß in Warschau behauptet aus bestinformierter Quelle erfahren zu haben, die Polen würden als sechsten Punkt der Gegenvorschläge erklären, daß Rußland die Eisenbahnlinie von Gragino für seine Handelsbeziehungen mit Deutschland benutzen könne, aber ausschließlich unter polnischer Kontrolle und der Bedingung, daß„lein Kriegsmaterial auf diesem Wege befördert werde.
Zurzeit findet zwischen der polnischen und der Sowjetregierung ein Gedankenaustausch statt über die Erweiterung der polnisch=russischen Verhandlungen zu einer Konferenz sämtlicher Randstaaten, deren Unabhängigkeit die Sowjetregierung anerkennen wird.
Dr. heim über die Ernährungslage.
München, 1. Sept. Bei Eröffnung der zweiten Sitzung der Landesbauernkammer gab der Vorsitzende, Dr. Heim, einen Ueberblick auf die Ernährungslage, indem er sich sehr pessimistisch über die bevorstehende Aufhebung der Zwangswirtschaft und ihre notwendigen Folgen äußerte. Ein Preisabbau sei unmöglich, solange die Produktionskosten täglich stiegen. Trotz der befriedigenden Ernte sei größte Sparsamkeit mit den Getreidevorräten notwendig. Die Hoffnungen, die an die am 1. Oktober zu erwartende Freigabe des Viehes geknüpft werden, würden sich kaum erfüllen lassen. Schon jetzt würde mit der Viehabgabe zurückgehalten, weil sicher sei, daß die Viehpreise am 1. Oktober gewaltig in die Höhe gingen. Die Freigabe des Viehes sei im Hinblick auf die Nachwirkungen der Maul= und Klauenseuche und die Abgabepflicht an die Entente gleich gefährlich für Produzenten wie Konsumenten. Eine Abwanderung von Vieh nach Norddeutschland werde sich durch den Uebergang der Staatsbahnen an das Reich nicht unterbinden lassen. Das müßte aber für Bayern katastrophal werden. Im nächsten Frühjahr werde Bayern dann kaum noch Arbeitsochsen haben, und Anarchie oder neue Zwangswirtschaft werde die Folge sein.
Amerikanische Flottenpläne.
* Charleston, 1. Sept. Marinesekretär Doniels sagte in einer Rede, die er anläßlich des dritten Jahrestages des Beginns der Einrichtung großer Schiffspanzerplatten= und Geschoßwerkstätten hielt, die Verzögerung der Ratifizierung des Versailler Vertrages verhinderte die Einstellung der Flottenvermehrung. Wir sind nicht nur dabei, diese großen Werkstättenanlagen zu vol. lenden, sondern bauen auch überall riesige Docks und andere Hasenwerke. Wir bauen ferner al“; hn Dreadnoughts, Schlachtkreuzer und ein Dutzend anderer mächtiger Schiffe, die unsere Flotte durch ihre Kampfkraft an die Spitze der Kriegsflotten der Welt rücken.
Blutige Unruhen in Frankfurt. Frankfurt, 1. Sept. Heute morgen kam es zu Arbeitslosenkundgebungen, die diesmal einen blutigen Verlauf nahmen. Während eine fünfgliedrige Kommission mit dem Oberbürgermeister über ganz uferlose Forderungen(500 Mark sofortige Barentschädigung, freie Kleidung, kostenlose Kartoffelbelieferung usw.) verhandelte, zogen die Kundgeber aus eiter Versammlung zum Rathaus, das von Polizisten und Sicherheitswehr bewacht war. Als der Führer der Kommission, der frühere kommunistische Redakteur und jetzige „Arbeitslose“ Hammer verkündete, der Oberbürgermeister habe die Forderungen nicht annehmen können, aber zugestimmt, daß ein Kommissionsmitglied auf städtische Kosten nach Berlin zu Verhandlungen fahre, wurde er niedergeschrien und Schieber, Millionär usw. benannt. Die Menge drückte dann schließlich das Tor eines der Rathausgänge ein. Der vorderste versuchte dabei einem Sicherheitspolizisten den Karabiner zu entreißen. Dabei entlud sich die Waffe und eine Augel drang dem Angreifer ins Auge. Die übrigen Wachmannschaften machten nun auch von der Waffe Gebrauch, so daß eine Anzahl Angreifer schwer und andere leicht verletzt wurden. Insgesamt sind elf, darunter drei lebensgefährlich Verletzte, auf der Rettungswache behandelt worden. Zurzeit findet eine neue Arbeitslosenversammlung im Schumanntheater statt.
DZB Frankfurt a.., 1. Sept. Zu den heutigen Zwischenfällen im Anschluß an eine Erwerbslosendemonstration ist noch zu berichten, daß eine große Menschenmenge am späten Nachmittag das Polizeirevier am Geistpförtchen zu stürmen versuchte. Sie wurde jedoch von der Mannschaft des Reviers abgewiesen. Eine heute abend abgehaltene Versammlung der kommunistischen und unabhängigen Betriebsobleute beschloß zu morgen, die Generalstreiksparole auszugeben. Da das Gewerkschaftskartell diesem Beschluß fernsteht, dürfte der Streik keine allzu große Ausdehnung erfahren.
fortgesetztes Schießen die gesamten Waren abgenommen. Mehrere Personen erlitten schwere Verletzungen, darunter der Kölner Händler Johann Tonner, der einen Schuß durch die rechte Brustseite erbielt. Die Räuberbande erscheint auch in Stablhelmen und macht die ganze deutsch=bolländische Grenze unsicher. Die Grenzbahnböse werden sehr scharsen Kontrollen unterzogen. Die Zahl der verhafteten Personen ist sehr groß.
TTAWeismes, 1. Sept. Bei der Witwe Lemaire, die allein wohnt, wurde abends an die Tür geklopft. Sie weigerte dem Besucher, der einen verdächtigen Eindruck machte, den Eintritt. Dieser schickte in seiner Wut drei Revolverschüsse durch die Tür, durch die die Witwe in die Brust getrossen wurde. Dann suchte der Angreiser, dem die Gendarmerie auf der Spur ist, das Wette. Das Opfer des Anschlages wurde ins Hospital nach Malmedy gebracht.
ITA Herzogenrath, 1. Sept. Eine deutsche Schmugalerbande wurde auf dem Bahnhof mit 1220 Kilo Kassee angehalten, die in Kirchrath ausgekauft worden waren. Einer der Schmuggler wurde dabei angeschossen.
1 Düffseldorf, 1. Sept. Die Rheinische Metall= und Maschinen= Fabrik ist infolge Kohlenmangels gezwungen, den Betrieb einzustellen. Man hofft jedoch, die Arbeit bald wieder aufnehmen zu können.
* Hagen, 31. Aug. In Gotha wurde eine Hochstaplerin festgenommen, die unter dem salschen Namen einer Gräsin von Ravensburg aus Hagen Schwindeleien verübte. Es handelt sich um die von drei Behörden wegen Betruges usw. steckbrieflich verfolgte Friseuse Katbarina Hürten.
1 Bielefeld, 31. Aug. Durch Absturz von der Zugspitze ist ein junger Bergsteiger von dier, Karl Schmidt, zu Tode gekommen. Er ist ein Opfer des jüngsten Unwetters geworden.
Ausgabe von Lebensmitteln in der Umgegend.
) Hennes, 2. Sept. Verkauf von Lebensmitteln. In den Sammelstellen werden am Preitag den 3. September ausgegeben: Oel ein Zehntelliter zu 2,85 Mk. Gesäße für das Oel sind mitzubringen. Am Samstag den 4. September wird in den Metzgereien ausgegeben pro Person 125 Gramm Büchsenfleisch zu 2 Mk., ferner wird in den Metzgereien Engelbert in Warth, Schorn, Schmitz in Hennes und Krohm u. Kraus in Geistingen Frischfleisch das Pfund zu 11 Mk. ausgegeben. In den bekannten Lebensmittelgeschäften werden in der nächsten Woche abgegeben gegen LebensmittelkartenAbschnitt Nr. 40 Haserslocken oder Hasergrütze 125 Gr. zu 63 Pfg. Am Mittwoch den 8. Sept. wird in der Fortbildungsschule in Hennef bezugsscheinfrei ausgegeben: Schube im Preise von 70—140 Mk. das Paar, Kinderstrümpfe das Paar zu.50—4,00 Mk., Wein die Flasche zu 12 Mk., Kindergerstenmehl das Pfund zu 2,20 Mk., Malzextrakt die Dose zu .20 Mk., Suppenwürfel das Stück zu 15 Pfg. und Knochenbrühwürfek das Stück zu 2½ und 5 Pfg. Für Kranke stehen nach Maßgabe der ärztlichen Atteste bereit: Butter, Mebl, Zucker, Haserslocken und Zwieback.
Recht im Rheinland.
°1. Sept. Die Interalliierte
Ab
Depeschen.
Wilhelm Wgndit
* Leipzig, 1. Sept. Der berühmte Philosoph und Psychologe Wirkliche Geheime Rat Prof. Dr. Wilhelm Wundt ist vorgostern nachmittag auf seinem Ruhesitz in Groß=Bothen bei Leipzig im 89. Lebensjahre verstorben. Die Einäscherung Wundts, der zu den Ehrenbürgern der Stadt Leipzig zühlt, wird am 4. September auf dem Leipziger Südfriedhof erfolgen.
* Berlin, 2. Sept. In einer Beratung des Vorstandes und einer Unterkommission des Aktienausschusses des Reichsverbandes der deutschen Industrie ist der Entwurf eines Betriebsbilanzgesetzes ausgearbeitet worden.
DZB Augsburg, 1. Sept. Heute kam es hier zu Unruhen, in deren Verlauf die Sicherheitswehr von der Waffe Gebrauch machen mrußte. Es wurden zwei Personen getötet und zwei verletzt. Zur Zeit Pahe.
* Koblenz,
Rheinland=Oberkommission hat unter änderung des Artikels 31 der Verordnung 14 folgendes bestimmt:
Es kann kein Urteil erlassen und keine gerichtliche oder Verwaltungsstrafe ausgesprochen werden gegen Personen, Handelsfirmen oder Gesellschaften wegen der Verträge oder Geschäfte, die sie in dem besetzten Gebiet während des Waffenstillstands mit Genehmigunng der alliierten Behörden abgeschlossen oder ausgeführt haben, ebenso nicht gegen die alliierten Baufirmen oder Gesellschaften, die ihren Geschäftsbetrieb im besetzten Gebiet während des Waffenstillstands begonnen haben, oder gegen ein Mitglied aus dem Grunde, daß eine solche Firma oder Gesellschaft die in den deutschen Gesetzen vorgeschriebene Genehmigung nicht erlangt hat, vorausgesetzt, daß sie binnen zwei Monaten nach dem Inkrafttreten des Friedensvertrags darum nachgesucht hat, selbst, wenn die Genehmigung nicht erteilt wird. Ohne Genehmigung der Oberkommission kann kein Urteil ausgesprochen und keine Strafe ausgeführt werden gegen Personen wegen einer Verwaltungs= oder politischen Handlung, die sie während des Waffenstillstands vorgenommen haben. Wer von diesen Pergünstigungen Gebrauch machen will, muß den Antrag bei dem deutschen Gericht stellen. Dieses soll darüber entscheiden. Bis zu einer Entscheidung ruht auch ein etwa schon schwebendes Verfahren.
*
Preußens Finanzlage.
Berlin, 1. Sept. Im Hauptausschuß der Preußischen Landesversammlung ergriff bei der Aussprache über die Finanzlage Preußens ein Redner des Zentrums zu Ausführungen in folgendem Sinne das Wort:
Die finanzielle Lage Preußens und deren Entwickelung könne, wie dies der Reichsfinanzminister bezüglich der Reichsfinanzen getan habe, nur katastrophal genannt werden. Die Schuldenlast Preußens vor dem Kriege habe 10,6 Milliarden betragen, sei aber reichlich schon durch den Wert der Eisenbahn(12,5 Milliarden) gedeckt gewesen, ganz abgesehen vom Wert der Bergwerke, Domänen und Forsten und der damals noch ungebrochenen Steuerkraft des Landes. Heute sei der Schuldenbestand auf 25 Milliarden angewachsen. Dazu komme, daß der Staatshaushaltsplan für 1920, der im Herbst 1919 aufgestellt und in Einnahme und Ausgabe ohne Zuschußanleihe mit 5,6 Milliarden sich das Gleichgewicht halte, nunmehr in Rücksicht auf die beschlossene Besoldungsreform, auf sonstige gesteigerte sachliche Ausgaben der einzelnen Verwaltungen, Tumultschäden vom März d. J.(600 Millionen) mit einem Zuschuß von mindestens 2 Milliarden abschließen werde. Die Kosten der Besoldungsreform würden noch gesteigert werden durch die vom Besoldungsausschuß bei der Nachprüfung in erster Lesung beschlossene Umgruppierung. Würden diese Beschlüsse zum Gesetz erhoben, so würde der Zuschuß sich auf—4 Milliarden be