Die innerpolitischen Geschehnisse seit Samstag.

In einem Tetl unserer Auflage veröffentlichten wir am Samstag die Kundgebungen des General=Landschaftsdirek­tors Kapp, der sich zum Reichskanzler erklärte und die Nationalversammlung und die preußische Landesversamm. lung für aufgelöst bezeichnete. Die an diese Kundgebung anknüpfenden innerpolitischen Geschehnisse können wir erst heute zur Kenntnis unserer Leserschaft bringen. Wir wurden gestern durch den Proteststreik der Sozial­demokratie und Gewerkschaften mit bestimmten anderen Tageszettungen gewaltsam am Erscheinen verhindert.

In der Nacht vom Freitag zum Samstag marschierte die Martnebrigade Ehrhardt von Döberitz nach Berlin und stellte der Regierung ein Ultimatum, das Samstag früh 7 Uhr ablief. Es war von der alten Regie­rung verlangt worden, daß sie Fachminister für die einzelnen Ressorts berufe. Die Regierungsmitglieder, die bis Uhr morgens tagten, lehnten das Ultimatum ab und verließen Berlin in Kraftwagen und begaben sich nach Dresden. Minister Schiffer blieb in Berlin zurück, um mit Kapp zu verhandeln, aber als er das versuchte, wurde er angeblich kurz abgewiesen und hierauf in Schutz­haft genommen. Die in Berlin einrückenden Truppen be­setzten im Regierungsviertel alle öffentlichen Gebäude und hißten die alte schwarz=weiß=rote Reichsflagge und die preußische Flagge. Außer den ehemaligen Baltikum­kämpfern trat auch die Reichswehr für das Vor­gehen Kapps ein und beteiligte sich an den Absperrungen der Straßen des Berliner Zentrums. In der Provinz verhielten sich die Reichswehrabteilungen bisher entweder neutral oder im Sinne der Herren von Kapp und des Generals v. Lüttwitz, der als Kommandant der Reichs­wehr wohl die militärische Leitung der gegenrevolutionären Aktion in Händen hat.

Die Regierung Ebert=Bauer richtete einen Aufruf an das deutsche Volk, in welchem sie das Vor­gehen Kapps als einen wahnwitzigen Handstreich bezeich­net. Die Regierungsgebäude in Berlin seien in die Hände von Aufrührern gelangt. Blut sei seit 1914 genug geflossen und das Abenteuer werde in wenigen Tagen an seiner inneren Unmöglichkeit zusammenfallen. Die Re­gierung habe ihren Sitz nach Dresden verlegt. Je. der bleibe an den Gehorsam gagen die verfassungsmäßige Regierung gebunden. Die Auflösung der Nationalver­sammlung sei verfassungswidrig. Das Volk werde ver­hungern, wenn neue Wirren die Wirtschaft und den Ver­kehr unterbinden, das Vertrauen des Auslandes, das sich nur eine verfassungsmäßige Regierung erwerbe, werde untergraben.

Die Gegenregierung erließ gleichfalls einen Aufruf an das deutsche Volk, der mitReichskanz­ler Kapp unterzeichnet ist. Es handelt sich um eine sehr ausführliche Darstellung, in der die bisherige Regie­rung in ihrer Tätigkeit auf das Schärfste kritisiert wird. Es wird betont, daß man keine Reaktion, sondern die freiheitliche Fortbildung des deutschen Staates wolle. Der Aufruf wendet sich gegen die regierende National­versammlung, die verfassungswidrig die Wahlen bis in den Herbst hinausschiebe. In dem Aufruf wird verspro­chen, die Regierung werde die Finanz= und Steuerhoheit der Bundesstaaten auf verfassungsmäßiger, föderativer Grundlage wieder herstellen. Die Regierung werde Kriegs­anleihen als gerechte Gegenleistung für treu erfüllte vater­ländische Pflicht sicherstellen und ihre demnächstige Rück­zahlung einleiten. Es wird ferner in dem Aufruf gesagt, daß man für die Minderbemittelten und Festbesoldeten und für den Schutz der friedlichen Arbeit eintreten wolle, und daß man dem seit den Novembertagen zurückgesetzten Be­amtentum aller Kreise wieder zu seinem Rechte verhelfen wolle. Ebenso wolle man den Kriegsbeschädigten und den Hinterbliebenen gefallener Krieger ihre wohlverdienten Bezüge in vollstem Maße sicherstellen. Die neue Regie­rung werde die Freiheit der Kirche gewährleisten und na­tionale und religiöse Erziehung wieder herstellen. Der Aufruf erklärte sich gegen staatliche Absplitterungsversuche und schließt: Deutschland soll sein eine sittliche Arbeits­gemeinschaft. Die Farben der deutschen Republik sind schwarz=weiß=rot.

Der Mehrheitsblock ist durch das Vorgehen der Herren Kapp und Lüttwitz nicht gesprengt worden. Sowohl die demokratische Partei als auch das Zen­trum ließen erklären, daß sie die neue Regierung nicht anerkennen würden. Der Präsident der Nationalver­sammlung will letztere für heute oder morgen nach Stutt­gart einberufen, um eine einheitliche Kundgebung herbei­zuführen. Die U. S..=Leute ließen in Köln und im Industriebezirk erklären, daß sie dem Wunsche der Mehr­heitssozialisten, gemeinsam mit ihnen gegen die Putsch­regierung Kapp vorzugehen, nur Folge leisteten, wenn die Mehrheitssozialisten sich auf den Boden ihres Pro­gramms stellten, daß jede Koalition mit bürgerlichen Par­teien ablehnt und die Diktatur des Proletariats erstrebt. Da die Sozialdemokratie eine demokratische Partei ist, mußte sie dieses Verlangen ablehnen. Sowohl im nieder­rheinischen und westfälischen Industriebezirk wie auch in Mittel= und Süddeutschland zeigten sich Ansätze der USP­Leute, gelegentlich dieser Putschbewegung das Rätesystem wieder einführen zu wollen. Ferner zeigen sich kommu­nistische Strömungen, die sich wiederum von der USP­Bewegung lösen. Ein völlig klares Bild über die der­zeitige Lage kann nicht gegeben werden, da das Wolff'sche Telegraphenbureau in Berlin sich in Händen der Kapp­Leute befindet und diese Nachrichten sich nicht mit den süd­deutschen Meldungen decken. Wichtig ist, daß nach dem Proteststreik von Montag der Deutschland bedrohende Generalstreik wohl vermieden bleibt. Vielleicht hat sich die Sozkaldemokratie der Auffassung August Bebels über die Zweischneidigkeit des politischen General­streiks erinnert und sieht von diesem furchtbaren Macht­mittel ab, durch das das deutsche Volk in ein ganz unüber­sehbares Unglück gestürzt werden würde.

Für die Bewohner der Rheinprovinz, die vielleicht besondere politische Einwirkungen infolge des Vorgehens der Herren Kapp und von Lüttwitz zu erwar­ten haben, ist folgende Meldung von Wichtigkeit:

DZB Koblenz, 15. März. Der Herr Reichskom­

missar von Starck hat auf Anfrage folgendes geant­

wortet: Ich verurteile mit Ihnen aufs schärfste den

Berliner Putsch und bin sicher, daß die Behörden und

die Bevölkerung des besetzten Gebietes treu zu der

verfassungsmäßigen Regierung halten werden.

Am Montag Abend erhielten wir durch das von Berlin gespeiste DZ.=Büro eine Meldug, aus der man die Schluß­

Die Gegenrevolution und ihre Foigen.

folgerung ziehen konnte, daß zwischen der Regierung Ebert und den Herren Kapp und Genossen sich eine Ver­ständigung anbahne, dergestalt, daß eine Art Konzentrationsministerium aus Männern der alten und neuen Regierung sich bilden würde, um insbesondere auch dem Wunsche nach der Besetzung der Fachressorts mit Fachministern Rechnung zu tragen. Dieser Meldung stehen die Meldungen unseres Frankfurter IP-Bureaus entgegen, durch welche die an­geblich eingeleiteten Verhandlungen glatt demen­tiert werden. Die bezüglichen Meldungen lauten:

DZB Berlin, 15. März. Die Reichsregierung gibt bekonnt: Mit der früheren Regierung Ebert=Noske ist auf deren Wunsch in Verhandlungen getreten worden. Es wird ein Kabinett auf allgemeiner Grundlage aus Fachministern gebildet unter Hinzuziehung der Fach­minister der alten Regierung. Es finden binnen drei Monaten Neuwahlen zum Reichstage und zur preußi­schen Landesversammlung statt. Im Anschluß hieran findet auch die Neuwahl des Reichspräsidenten durch das Volk statt.

Der bisherige Präsident wird gebeten, bis zur erfolg­ten Wahl die Präsidentschaft weiter zu bekleiden. Im Reiche wird durch Ausbau des Reichswirtschaftsrates und der Betriebsräte eine zweite Kammer der Arbeit gebildet. Die neue und die alte Regierung erlassen ge­meinsam eine Erklärung, daß unter den gegenwärtigen Verhältnissen der Generatstreik ein Verbrechen am deutschen Volke ist. Bis zur Entscheidung über diese Vorschläge hat der Reichskanzler von der Bildung eines neuen Ministeriums abgesehen und die dienstältesten Unterstaatssekretäre mit der Führung der Geschäfte be­auftragt.

DZB Berlin, 15. März. Aus der Reichskanzlei geht uns folgende Mittellung zu:

Die alte an die neue Regierung. Die nach Stuttgart geflüchtete alte Regierung hat dem Reichskanzler Kapp durch General Maerker Vorschläge für eine gütliche Einigung unterbreiten lassen. Die neue Regierung hat sich ihre Stellungnahme dazu vorbehal­ten. Die in den Generalstreik tretenden Betriebe wer­den aufgefordert, bis zur Erledigung dieser Einigungs­bestrebungen die Arbeit wieder aufzunehmen. Die alte Regierung soll angeblich von den Wirkungen erschüttert sein, welche ihr sinn= und zweckloser Aufruf zum Gene­ralstreik im Gefolge hat; ganz besonders in den Reihen ihrer eigenen Klassen= und Parteigenossen, denn sie hat bis zu ihrem Sturz den Generalstreik selbst als ein Ver­brechen bezeichnet und will ihn nun selbst im eigenen Interesse zum Schaden des Volkes anwenden, nur um sich im Besitze ihrer Mintstersessel zu erhalten. Dem Vernehmen nach soll die alte Regierung zu dem Ent­schluß gekommen sein, zum sofortigen Abbruch des Generalstreiks aufzufordern. General Maer. ker teilte heute nacht persönlich der Regierung mit, daß die alte Regierung keine Losung zum Gene­ralstreik ausgegeben habe und solsche Lo­sung von sich abweise.

IP Stuttgart, 15. März. Die Reichsregie­rung tritt allen Gerüchten, die, wie es scheint, in ganz Deuschland geflissentlich verbreitet werden, daß sie mit der Regierung Kapp durch Mittelsmänner in Verbindung getreten ist, mit allem Nachdruck entgegen. Es ist kein wahres Wort an dieser Behauptung. Die Reichsregierung ist sich bewußt, daß sie durch solche Verhandlungen das Chaos, in das der Berliner Putsch die deutsche Politik und Wirtschaft ge­stürzt hak, nur in zweckloser Weise verlän­gern würde. Die Regierung hat aus allen Tellen Deutschlands, vornehmlich natürlich aus dem Süden und Westen, sowie auch aus Pitteldeutschland so viele Vertrauenskundgebungen erhalten, daß sie von dem besten Stande der Sache überzeugt ist. DZB Dortmund, 16. März. Die Heimatdienststelle teilt mit: Die durch das WTB verbreitete Nachricht der Kappregierung, daß zwischen ihr und der Re­gierung Ebert-Bauer Verhandlungen zwecks Neubildung des Kabinekts schweben, bestätigt sich nicht. Die verfas­sungsmäßige Regierung lehnt jede Verhandlung mit den Berliner nach wie vor ab. In Berlin wird die Arbeiter­schaft die Kapp=Regierung mittels des Generalstreiks er­folgreich bekämpfen. Der Eisenbahnverkehr ist lahmgelegt, alle Geschäfte sind geschlossen.

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Zur Lage im Reiche.

7U Berlin, 16. März. Zur Lage im Reiche wird der TU von zuverlässiger(offenbar kappfreundlicher) Stelle mitgeteilt, daß in Weimar der verschärfte Aus­nahmezustand proklamiert worden ist. Koburg, wie über­haupt der Süden, ist ruhig und die Stimmung vielfach für die neue Regierung. Die Landbevölkerung ist freudig erregt. Nach Meldungen aus Osnabrück ist die Arbei­terschaft erregt, der Zugverkehr wird aber aufrechterhal­ten. Die Truppen sorgen für Ruhe. Die Bürger halten treu zur neuen Regierung. In München, wo der General­streik proklamiert worden war, ist die Arbeit teilweise wie­der aufgenommen worden. Teilweise kam es zu Zu­sammenstößen, doch sind die Truppen fest in der Hand ihrer Führer. Die Bauern Niederbayerns sind für eine vorübergehende Militärdiktatur. Dr. Heim, der in das neue Ministerium eintreten will, hat die ganze Landwirtschaft hinter sich. Das Militärist Herr der Lage. Eine weitere ruhige Entwicklung ist gewährleistet. Ostpreußen steht fest hinter der neuen Regierung. Eine Streikgefahr besteht nicht. In Halle herrscht Ruhe. Die Stimmung für die neue Re­gierung ist groß. Die Truppen sind fest.

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Die Frankfurter Zeitung meldet aus München: Die Lage hat sich insofern zugespitzt, als infolge der Haltung. der Offiziere der Ministerrat genötigt war, dem General Moel das Mandat eines Staatskommissars für Oberbayern zu überlassen, während die Vollzugs­gewalt, wenn auch nicht formell, so doch tatsächlich an den Reichswehrkommandeur übergegangen ist. Damit ist gleich­zeitung eine Regierungskrise ausgebrochen.

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Die PPN veröffentlichen folgende Ebertfreundliche Nach­richten:

Sämtliche süddeutschen Regierungen und die militärischen Kontingente. allo Bavern. Baden, Württem­

berg und Hessen, ferner Thütingen und Sachsen sowie Mecklenburg, Hamburg, Bremen und Oldenburg haben sich geschlossen auf die Seite der Nationalversammlung und der Regierung Ebert=Bauer gestellt.

Reichspräsident Ebert hat eine neue Verfügung er­lassen, wonach allen Beamten verboten ist, der neuen Regierung Dienste zu leisten. Wer diesem Befehl zuwiderhandele, werde dafür zur strengen Verantwortung gezogen werden. Ebenso sei es verboten, an die neue Re­gierung irgendwelche Gelder zu zahlen. Der Beamte, der gegen diesen Befehl verstößt, könne dafür persönlich haft­bar gemacht werden.

Der Unterstaatssekretär im Reichofinanzministerium Dr. Schröder, der gegenwärtig die Geschäfte führt, hat sich da­her auf den Standpunkt gestellt, an die neue Regierung irgendwelche Zahlungen nicht leisten zu können.

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Jür die Diktatur des Prolekarlats im Westen.

DZB Essen, 15. März. Heute nachmittag 4 Uhr fand die erste Sitzung des im Laufe des Tages gebildeten revglutionären Arbeiterrates statt. Im Verlauf der Verhandlungen wurde ein 33 Mitglieder star­ker Aktionsausschuß gewählt, dem die Leitung der ge­samten Aktionen der revolutionären Arbeiter übertragen wurde. Wie von unterrichteter Seite gemeldet wird, sind Bestrebtingen im Gange zu einem gemeinsamen Vor­gehen aller sozialistischen Parteien des Bezirks Nie­derrhein und Westfalen auf der Grundlage der Diktatur des Proletariats.

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Unruhen in Berlin und im Reich.

[P Berlin, 16. März. In Berlin ist es im Laufe des gestrigen Nachmittags zu Zusammenstößen gekommen zwischen den Truppen und der Bevölkerung. Am Nachmittag um 4 Uhr schoß die Wache am Halleschen Tor. Es gab einen Toten und zwei Verwundete. Etwa um die gleiche Zeit wurde im Norden an der Ecke der Invalidenstraße die 30 Mann starke Militärkapelle, die von einer bewassneten Truppe in gleicher Stärke begleitet war, von mehreren hundert Zivili­sten angegrissen. Die Truppen gaben einige Schüsse ab, wobei mehrere Personen verletzt wurden. Hierauf siel die Menge über die Truppen her, drängte sie an die Häuser, entriß ihnen die Wassen. Erst als Verstärkung erschien, stob die Menge auseinander. Am späteren Nachmittag schossen Baltikumtrup­wen im Vorort Friedenau auf demonstrierende Menschen, um sie auseinander zu treiben. Es gab10 Tote und mehrere Verwundete.

IP Frankfurt a.., 14. März. Die Straßenkämpfe in der vergangenen Nacht haben, soweit bis jetzt festgestellt, 14 Tote und mehrere bundert Verlette gesordert. Die Ver­letzungen sind teilweise sehr schwer und durch Granatsplitter und Handaranaten bervorgerufen worden.

(Das Merkwürdige bei den Unruben ist, daß beide Par­telen, die sich bekämpften, auf seiten der alten Regierung stehen.)

IP Dortmund, 16. März. Gestern mittag versuchte eine große Menge radikaler Elemente das Stadthaus zu stürmen. Die Poltzei wurde angegrifsen und ein Schutz­mann durch einen Kovtschuß gctötet. Darauf schoß die Polizei auf die demonstrierende Menge. 13 Personen wurden actötet.

IP Dresden, 16. März. Vor dem Telegraphenamt kam es zu heftigen Schießereien zwischen Reichswehr und Spartakisten. Das Amt arbeitet nicht und wird bewacht.

IP Erfurt, 16. März. Bei Zusammenstößen mit der Reichswehr gab es an der Post und am Bahnhof verschie­dene Tote und Verwundete.

IP Essen(Ruhr), 16. März. Gestern sind die Vergarbei­ter auf sämtlichen Zechenanlagen in den Aus and getreten. Auch in sämtlichen industriellen Betrieben rudt die Arbeit. Um 12 Uhr demonstrierten auf öffentlichen Plätzen etwa 100 000 Arbeiter. Die Stadt war ruhig.

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Berliner Truppen im Anmarsch auf Leipzig?

DZB Leipzig, 16. März. Einer Privatmeldung des Leipziger Tageblatts zufolge, sollen Berliner Truppen im Auto im Anmarsch auf Leipzig sein.

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TU Berlin, 16. März. Arbeitnehmer, die zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Sicherheit und Ordnung sich in den Dienst der Einwoh­nerwehren und der technischen Nothilfe gestellt haben, darf aus diesem Anlaß nicht gekündigt werden. Die Arbeitnehmer gelten für die Zeit ihres Dienstes in der Einwohnerwehr oder in der Nothilfe als von ihrem Dienst beurlaubt. Der Wiedereintritt in die bioherige Be­rufsstellung bleibt ihnen gesichert.

Erklärungen der Kapp-Regierung.

TU Berlin, 16. März. Die Regierung wird die Neu­wahlen auf der Grundlage des allgemeinen Wahlrechts sicherstellen. Die Regierung ist der Treuhänder des deutschen Volkswillens. Von der Herausgabe diktatorischer Verfügungen, soweit sie nicht zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung und zur Sicherheit des Verkehrs erforderlich sind, ist keine Rede. Die Gerüchte von der Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht sind böswillige Entstellungen. Die Re­gierung hat das Heft fest in der Hand. Sie wird mit schonungsloser Gewalt gegen Schieber und Wucherer vor­gehen, wie die bereits veröffentlichten Verordnungen be­weisen, nach denen Schieber mit Gefängnis nicht unter, 3 Monaten, und solche die Nahrungs= und Futtermittel nach dem Ausland verkaufen, nicht unter 1 Jahr Zucht­haus bestraft werden. Außerdem ist eine Verfügung in Vorbereitung, die die Schließung der Tanz= und Schlem­merlokale mit Rücksicht auf den Ernst der Zeit vorsieht.

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Gegen Kapp.

IP Berlin, 16. März. Unter den höheren Be­amten der Reichsministerien ist(nach einer ebertfreundlichen Meldung) eine Bewegung im Gange, Hexrn Kapp ein Ultimatum zu übermitteln, seinen Posten so schnell als möglich zu verlassen. Auch die höhe­ren Beamten und Offiziere des Reichswehrministeriums haben erklärt, daß sie auf dem Boden der Verfassung ständen und ihren Eid wahren wollten. Wie verlautet, haben auch die Vorstände der Eisenbahndirektionen die Regierung Kapp zum Rücktritt aufgefordert.

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Hindenburg gegen die Regierung Kapp.

* Berlin, 15. März. Generalfeldmarschall von Hin­denburg hat an die Regierung Kapp, z. H. des Freiherrn von Lüttwitz ein Telegramm gerichtet, in dem er die Berliner Stellen eindringlich ersucht, die Truppen aus Berlin zurückzuziehen und den verfassungs. mäßigen Zustand wieder herzustellen. Gleichzeitig hat der Generalfeldmarschall an den Reichspräsidenten Ebert sich gewandt, ihm Mitteilung gemacht von seinem Telegramm nach Berlin und ihn gebeten, in der Frage der Neuwahlen zur Nationalversammlung nachzugeben.

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Köln gegen die Regierung Kapp.

DZZ Köln, 13. März. An der Riesendemonstration der Kölner Arbeiter=, Angestellten= und Beamtenschaft gegen die Berliner Vorgänge nahmen über hunderttausend Teilnehmer von den freien, von den chvistlichen und von den Hirsch=Dunkerschen Gewerkschaften, von der Mehrheits­sozialdemokratie, von der Deutschen demokratischen Partei und von den Unabhängigen teil. Auf dem Exerzierplatz am Gremberger Weg waren zehn Rednertribünen für die einzelnen Parteien hergerichtet, von denen u. a. die Abg. Sollmann, Dr. Meerseld und Haß von den Mehrheits­sozialisten, Beigeordneter Bergmann von den christlichen Gewerkschaften, Syre vom Gewerkschaftsbund der deut­

schen Angestelltenverbände, Abg. Falk von den Demokrale. u. a. sprachen. Im Anschluß an die Reden wurden Ent schließungen angenommen, die sich in schärfster Weif gegen die Vorgänge in Berlin richteten und von allen Be hörden das treue Festhalten an der bisherigen Koalition= regierung forderten. Gegen 2 Uhr waren die Kund gebungen beendet und die Massen zogen in aller Ruh heimwärts. Auch tagsllder bis zur späten Abendstund kam es nirgendwo in Köln zu den geringsten Ausschrei tungen. Seit 1 Uhr mittags waren sämtliche Läden. Ver gnügungsstätten, Wirtschaften usw. geschlossen. Auf der Straßen herrschte überaus reges Leben. Der Eisenbahn verkehr wurde mittags um 1 Uhr eingestellt und zwar all Protest gegen die unklare Haltung, die der Eisenbahndired nonspräsident von Köln am Sonntag bei der Besprechun, mit den Vertretern der Gewerkschaften eingenommen hatte DZB Köln, 15. März. Die Kölner Handelskamme nahm in ihrer heutigen Sitzung ebenfalls Stellung gege­die Vorfälle in Berlin, die sie aufs schärfste verurteilt, wer sie das wirtschaftliche Leben Deutschlands auf das äußerst gefährden, daß jetzt gerade die ersten Anzeichen einer Ge sundung durch Wiedererstarken der Arbeitslust und Ar beitsleistung gezeigt hatte.

DZB Köln, 15. März. Die Kölner Stadtverordneten versammlung nahm heute ebenfalls in einer außerordent lichen Sitzung aufs schärfste Stellung gegen die Vorgäng­in Berlin und erklärte sich für die Unterstützung der bis herigen Koalitioneregierung.

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Die alte Reichsregierung von Dresden nach Stuttgart übergesiedelt.

DZB Stuttgart, 16. März. Amtlich. Die Reiche regierung hat ihre Geschäfte in Stuttgart über nommen.

DZB Stuttgart, 16. März. Heute nachmittag.00 Uhr traf die Reichsregierung, an ihrer Spitzt Reichspräsident Ebert und Reichskanzler Bauer, im Sonderzug von Dresden kommend hier ein. Zu ihren Empfang war der württembergische Staatspräsident, der Minister des Innern, Reichsverkehrminister Dr. Bell und eine Anzahl Parlamentarier erschienen. Die Reichoregie rung hat im Hotel Marquardt Wohnung genommen.

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Einberufung der Nationalversammlung auf Mittwoch.

DZB Stuttgart, 16. März. Das Reichskabi nett ist Montag nachmittag 4 Uhr zu einer Sitzung in Anwesenheit des Reichspräsidenten, des Reichskanzler: Bauer, des Präsidenten und Vizepräsidenten der National­versammlung und der württembergischen Staatsregierung zusammengetreten. Es bestand volle Uebereinstimmun darüber, daß die Nationalversammlung am Mittwoch. 4 Uhr, im Kunstgebäude zusammentritt. Mit den Stoats­streichlern in Berlin werden keine Verhandlungen ge­ylggen.

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IP Bertin, 15. März. General Groener hat sich der Regierung Ebert=Bauer zur Verfügung gestellt.

* Frankfurt a.., 15. März. Wie der Frankfun­ter Zeitung aus Bersin gemeldet wird, dürfte die Reiche. bank, falls sie von der Regierung Kapp darum angegangen wird, die Hergabe von Geld gegen neuausgefertige Schatz­anweisungen ablehnen.

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Ein Ultimotum Frankreichs und der Entente?

* Berlin, 15. März. Der Vorwärts veröffentlicht folgendes als Extrablatt:

Wie uns aus Dresden berichtet wird, hat Marschall Foch im Namen der Entente ein aufs sechs Stunden be­fristetetes Ultimatum auf Entwaffnung der Berlin im Augenblick beherrschenden Truppen gestellt. Hierzu bemerkt der Temps: Für Frankreich sei jetzt der Augenblick zum Handeln gekommen. Ein Deutschland, in dem eine Regierung Kapp herrsche, müsse mit den rücksichtslosesten Mitteln niedergeschlagen werden und wenn es nötig sei, müsse der Krieg sofort von neuem gegen Deutschland eröffnet werden, wenn er auch noch schrecklicher wäre, wie der eben erst beendete.

Auf persönliche Anfrage in der Reichskanzlei hört man. daß von einem Ultimatum von Marschall Foch nichts bekannt ist.

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* London, 15. März. Das Reutersche Büro erfährt. daß der britische Geschäftsträger in Berlin endgültige Ver­sicherungen erhalten habe, daß die neue Regierung die Ab­sicht hat, am Friedensvertrage festzuhalten. In amtlichen Kreisen wird die Erörterung der Möglichkeit einer Aktion von Seiten der Alliierten für verfrühtge­halten. Alles, was gesagt werden kann, ist, daß die Alliierten den Dingen nicht ihren Lauf lassen werden. Es besteht natürlich in gewissen Fällen die Möglichkeit eines Vormarsches der Alliierten, und zweifel­los wird die Aufmerksamkeit der Niederländischen Re­gierung auf die neue Entwicklung gelenkt werden.

* Berlin, 15. März. Wie wir zuverlässig mitteilen können, ist die Haltung Englands gegenüber der neuen Regierung durchaus ablehnend. Auch die bis­her vorliegenden englischen Blätterstimmen lassen erken­nen, daß die Stimmung in England der neuen Regierung durchaus nicht günstig gesinnt ist.

Deutscher Sieg in Flensburg.

Die zweite Zone bleibt deutsch.

DZB Hamburg, 15. März. Der deutsche Ausschuß für das Herzogtum Schleswig teilt mit: Das vorliegende Abstimmungsergebnis in der zweiten nordschleswigschen Zone brachte 6/7 Stimmenmehrheit für Deutschland.

Vormarsch der Bolschewiken.

WTB Kopenhagen, 15. März. Die Stockholmer Zeitung Aftonbladet meldet, daß nach einem Teleg samm aus Reval bolschewikische Streitkräfte in der Stärke von 150000 Mann den Dujestr an mehreren Punkten überschritten hätten. Sie würden bald in Bessarabien einrücken. Die rumänischen Trup­pen seien geschlagen. In Rumänien halte man die Lage für kritisch.

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Uebergang Kuropatkins und Brusstlows zu den Bolschewiken.

* Haag, 15. März. Das englische Kriegsamt teilt mit, daß die Generäle Kuropatkin und Brussilow über dem Aufenthalt lange nichts bekannt war, sich den Bolsche­wisten angeschlossen haben und Mitglieder der Sowjet­regierung in Turkeston sind