Nr. 9120.

Reg

Redacnon 566, 567;(840 Berliner Dienit) Werrerdienihtelle 566.

Postscheck-Kento Nr. 18672.

Druck und Verlag von Hermann Hleusser in Bonn.

Sonntag, 19. Jeptember 1975.

Verantwortlich für den nachrichtlichen, örtliche­und unterhaltenden Teil: Peter Neusser, für den Anzeigen- u. Reklameteil: Peter Cescrinlen, beide in Bonn.

Gelchäftshaus: Bahnhofftraße 12 in Boam.

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für Bonn und Umgegend.

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Die Kuslen auf der ganzen Front im Rückzug.

Ungeheure Beute in Klowo-Georgiewsk.

C

Kres:

gs-Jahrestags- Kalender. 600000000 19. September 1914.

Beletzung der Lüderitzbucht durch die Engländer.

Die französische slotte beschießt nochmals Cattaro ohne Erfolg, sowie den Leuchtturm von Lilla; ein französischer Panzerkreuzer wird von den öster­reichischen Kültenforts in den Grund geschollen.

Wie Rußlands Heerführer erzogen werden.

Von G. von Lessen.

oken. Zwei Tatsachen springen beim Betrachten der Lage Rußlands in die Augen: Einerseits die riesenhaft große Masse gefechtstüchtiger Truppen des Zaren und dem gegenübergestellt ihre Leistungen. Zwischen der vor­handenen Kraft und den errungenen Erfolgen klaffen un­ermeßliche Abgründe. Millionen und abermals Millio­nen von Soldaten, die, heute unter den furchtbarsten, sie fast vernichtenden Verlusten auf das Haupt geschlagen, ein paar Tage später doch noch erbitterten Widerstand leisten, hat Väterchen in das Feld gestellt und trotzdem nichts erreicht.

Einen sehr großen Einfluß auf den unglücklichen Ver­lauf, den dieser Krieg für das Zarentum genommen hat und auch noch weiter nehmen wird, üben selbstverständlich die inneren Verhältnisse des Riesenreiches, da sie so ge­artet sind, daß fast jeder zur stärksten Unzufriedenheit ge­zwungen wird. Herbeigeführt hat diesen, für sie selber doch gerade verhängnisvollsten Zustand, Väterchens Re­gierung in ihrer Kurzsichtigkeit. Der Zarismus brachte durch seine weisen Verhaltungsmaßregeln das Kunststück fertig, die Bauern, also den Teil der Bevölkerung, der in Rußland weitaus die meisten Soldaten zur Fahne sendet und doch überall sonst der konservativste ist, bereits 1905/06 zum Massenaufstand zu treiben. Als eine ganz an­ständige Leistung muß das besonders noch bei der Berück­sichtigung der Tatsache bezeichnet werden, daß erst 1886 die Leibeigenschaft in Rußland aufgehoben wurde und die Bauern bis zu diesem Zeitpunkt durchaus zufrieden mit ihrer Hörigkeit waren. Doch die Zaren haben durch ihre verschiedenen Regierungen bewickt, daß die Muschiks in knapp vierzig Jahren aus Lebewesen, die sich sogar unter so menschenunwürdigen Verhältnissen, wie es die Leib­untertänigkeit ist, wohl befanden, zu ausgesprochenen Feinden der jetzigen Staatsvecfassung wurden; sie haben überhaupt in der ganzen russischenGesellschaft wildeste Erbitterung gegen den Zarismus gesät.

Von der Kraft der in allen Kreisen des Zarenreiches vorhandenen Mißstimmung legte der 1905/06 ganz Ruß­land in seinen Grundfesten erschütternde Sturm, auch für die Außenstehenden, beredtes Zeugnis ab. Zur Beseiti­gung dieser Unzufriedenheit ist nichtsgeschehen. Der da­malige Aufstand wurde blutig niedergeschlagen, aber kei­nerlei Verbesserungen in der Staatsverfassung oder=Ver­waltung wurden eingeführt. Die Quellen des Verzweif­lungsausbruchs von 1905/06 sind also noch heute vorhan­den, und seit dem 1. August 1914 ist unstreitig viel neue Unzufriedenheit hinzugekommen. Denn der gegenwärtige Krieg hat so grauenhafte Schäden aufgedeckt, daß der Russe statt des Blutes Wasser in den Adern haben müßte, um kalt zu bleiben. Immerhin hat die herrschende Er­bitterung das Zarentum doch nicht gehindert, bereits über ein Jahr lang Krieg führen zu können. Natürlich hat die allgemeine Stimmung sehr, sehr großen Einfluß geübt. Sklaven gleich, froh jeder Gelegenheit, der verhaßten Arbeit zu entrinnen, ziehen des Zaren Truppen in dus Feld. Aber sie gehen dennoch, wenn der Befehl kommt und der Vorgesetzte in der Nähe ist, vorwärts und schlagen sich tapfer. Ein schlechter Soldat, das kann ihm weiß Gott niemand nachsagen, ist der Russe nicht. Wetterhart, an das Ertragen großer Anstrengungen gewöhnt, sind die Leute: zudem ist ganz ungeheuer viel Kadavergehorsam vorhanden. Auch an Zahl war Väterchens Heer, wenig­stens bis lange in den Winter hinein, uns stark überlegen.

Wenn nun also auch die inneren Verhältnisse des Za­renreichs beim Ausbruch des Weltenbrandes wenig erfreu­lich waren, lagen sie doch noch lange nicht so verzweifelt, daß der unselige Verlauf, den dieser Krieg für Väterchen genommen hat, von vornherein unabwendbar gewesen wäre. Daß alles so schlimm gekommen ist, wie es heute steht, daran trägt des Zaren Heeresleitung die Schuld. Großfürsten und manche andere hohe Herren, die in Pa­ris und an Orten, an denen man sich nicht langweilt, so gut zu Hause sind, daß sie dort wahrhaft glänzende Führer unerfahrener, aber genußlüsterner junger Herren aus millionenschwerem Hause abgebe würden, befehligen Rußlands Heere. Militärisch vorbereitet werden diese Führer für ihren Beruf in der Garde. Nun ist aber die Ausbildung in der Garde kaum dazu geeignet, Heerfüh­rer, wie sie die Jetztzeit braucht, zu erziehen. Zwar wird der Dienst bei dieser aus durchweg schönen, groß gewach­senen Männern gebildeten Truppe viel schärfer als bei der übrigen Armee, die zum Unterschied von der Garde als Linie bezeichnet wird, gehandhabt. Freilich so streng, wie zu Zar Nikolaus' I. Zeiten der einem ganzen Garde regiment, das bei ihm vorbeimarschierte und ihm nicht ge­fiel, einfach befahl:Rechts um kehrt, Sibirien, marsch, marsch! ist der Dienst unter dem jetzigen Herrscher selbstverständlich lange nicht mehr. Aber verlangt wird doch noch immer genug. Denn die Garde soll Figur machen, Besuchern insbesondere fremden Fürstlichkeiten und Staatslenkern ein Furcht einflößendes Bild von Rußlands unermeßlicher Stärke, beispielloser Kriegstüch­tigkeit geben. Doch diese Schaustellung ist durchaus nicht der einzige Grund des Verlangens, daß die Offiziere der Garde die Ausbildung ihrer Soldaten nicht den Unteroffi­zieren überlassen, sondern selbst in die Hand nehmen, um aus ihnen hervorzuholen, was sie nur herauszugeben haben. Die Mannschaften sollen zu tüchtigen, waffenge­wohnten, blind dem Befehl gehorchenden Kriegern erzo­gen werden, um den Zaren zu schützen. Für Väterchens

Sicherbetz allein ist nämlich nach setziger Auffassung die

Die Aufgabe, für den Zaren eine Schutzwache heran­gubilden, die ihn vor allen Fährnissen eines Volksaufstan­

Der deutsche Tagesbericht. Mittellung der Obersten Heeresleitung.

* Großes Hauptquartier, 18. Sept.(Amtlich.) Westlicher Kriegsschauplatz.

Jeindliche Schiffe, die sich vor Dünkirchen zeigten, wurden von unseren Fliegern angegriffen. Ein Zerstörer wurde gefroffen. An der Front ist die Lage unverändert. Die Franzosen versuchten ver­geblich, das ihnen bei Perthes entrissene Grabenstück zurückzugewinnen.

Oestlicher Kriegsschauplatz.

Heeresgruppe des Generalfeldmarschalls von Hindenburg.

Jeindliche Vorstöße bei Schlok sind abgeschlagen. Der Angriff auf den Brückenkopf von Düna­burg wird fortgesetzt. Teile der feindlichen Vorstellung sind genommen. Bei Wilna sind unsere Truppen im weiteren Vorgehen. Zwischen Wilisa und Niemen wurde die russische Froni an verschiedenen Stellen durchbrochen. Seit heute früh ist der Feind im Rückzuge. Es wurden 26 Offiziere und 5380 Mann zu Gefangenen gemacht und 16 Maschinengewehre erbeutet. Der rechte Flügel und die

Zeichnet die III. Kriegsanleibe:

letzter Zeichnungstag:

Mittwoch den 22. September.

Vermehrung des holländischen Nationalvermögens.

* Köln, 17. Sept. Wie der Korrespondent derKöl nischen Volkszeitung" in Middelburg von zuverlässige Seite erfährt, hat das holländische steuerpflichtig Nationalvermögen sich seit Anfang des Krieges un rund eine Milliarde vergrößert.

WTB Die Schlacht bei Anaforta.

Heeresgruppe des Generalfeldmarschalls Prinzen Leopold von Bayern haben starke Kräfte über die Schara gebracht. Der Feind beginnt zu weichen.

Heeresgruppe des Generalfeldmarschalls von Mackensen.

In der Gegend von Teleschkny, Logischin und südöstlich von Pinsk ist der Jeind weiter zurück­gedrängt. Die Beute bei der Verfolgung auf Pinsk hat sich auf 21 Offiziere, 2500 Mann, 9 Maschinen­gewehre erhöhl.

Südöstlicher Kriegsschauplatz.

Vor den deutschen Truppen haben die Russen den Rückzug angetreten.

Die Beute von Nowo=Georgiewsk beträgt nach jetzt abgeschlossener Zählung:

1640 Geschütze.

23 219 Gewehre,

103 Maschinengewehre,

160 000 Schuß Artilleriemunition.

7 098 000 Gewehrpatronen.

Die Zahl der bei Kowno erbeuteten Geschütze ist auf 1301 gestiegen.

des beschirmt, und die Tatsache, daß die Gardesoldaten besonders ausgesuchtes Menschenmaterial sind und fünf Jahre lang im Dienst bleiben, bewirkt natürlich, daß die Petersburger Regimenter auch an unseren Verhält­nissen gemessen im Kasernenhofdienst Gutes leisten, die Griffe und den Drill kennen, beim Reiten, Fechten, Schießen und allen anderen Uebungen ihren Mann stellen. Aber andererseits schädigt gerade der Gedanke von der Zarenschutzwache die Gardeoffiziere in ihrer Ausbildung aufs schwerste. Der Zar sitzt fast immer in oder unmittel­bar bei Petersburg und mit ihm da man ja nie wissen kann, wann Bedarf nach ihnen eintritt seine Regi­menter. Die Garde kommt also fast nie ins Manöver. Das Führen im Gelände ist somit ihren Offizieren etwas Fremdes, und gerade aus ihrer Reihe werden die führen­den Posten in der ganzen russischen Armee besetzt. Be­stimmend für die Maßregel, die Leitung des Heeres in so wenig dazu geeignete Hände zu legen, ist abermals der Gedanke des Zarenschutzes. Blinde Ergebenheit der Gar­deofflziere dem Throne gegenüber muß gesichert werden. Um das zu erreichen, wählt die Regierung den Weg, die­sen Leuten das Leben möglichst angenehm zu gestalten. Man verlangt von ihnen nur, daß sie die paar Stun­den Kasernenhofdienst tun. Mit taktischen Aufgaben und der edlen Kriegswissenschaft überhaupt brauchen sie sich nicht zu eingehend zu beschäftigen. Denn Gelehrsam­keit zu erwerben, ist zeitraubend, also wenig erfreulich und zudem für den Zarenschutz unnötig.Bildet nur Eure Leute tüchtig aus und im übrigen genießt", das ist der von oben gegebene Wahlspruch. Die Gardeoffiziere leeren den schäumenden Becher des Lebens bis auf den Grund. Was schadet es, wenn sie nach ein paar Jahren vor dem wirtschaftlichen Zusammenbruch stehen! Väterchen sorgt auch für die Zeit der Ebbe durch Versetzung auf die wohl­besoldeten Führerposten der Linie.

Also lediglich aus Gründen des Zarenschutzes erhal­ten die Gardeoffiziere bei ihrer Versetzung zur Linie nicht nur einen Rang höher als den sie innehatten, sondern haben auch noch die feste Aussicht, bei jeder Beförderung oder Besetzung irgend eines leitenden Postens den Vor­zug vor ihren Kameraden, die immer nur in der Pro­vinz dienten, zu genießen. Daß nun durch diese Hand­habung der Beförderungsfrage sehr viele vielleicht be­fähigte Menschen, die aber nicht genügend Mittel besitzen, um bei der Garde Dienst zu tun, überhaupt vom Eintritt in das Heer abgeschreckt werden, liegt auf der Hand. Aber nicht nur der Offiziersmangel der doch so weit geht, daß Rußland jetzt an die Hunderttausend einfacher Landpolizisten zu Trägern der goldenen Achselstücke be­fördern mußte, um überhaupt nur noch etwas Armeeähn­liches gegen uns ins Feld stellen zu können ist durch den Gedanken vom Zarenschutz glücklich erreicht worden, son­dern überhaupt eine schwere Schädigung des ganzen Hee­res hat diese unglückliche Idee zur Folge. So bringen die Herren vom Newastrande neben der gänzlichen Unkennt­nis im Führen von größeren Truppenverbänden auch noch eine gewisse Abneigung gegen das Manöver mit. Das Manöver ist deshalb natürlich nicht abgeschafft und es wird weiter Kriegswissenschaft getrieben, aber beides gilt als etwas, das irgendwie, mit möglichst wenig Anstren­gung, als eine der zahlreichen unbequemen Regierungs­vorschriften erledigt werden muß.

Auf das Prinzip des Zarenschutzes, das das einzige leitende bei der Besetzung der Führerposten ist, kann man das russische Sprichwort anwenden:Der Uebervorsich­tige salzt und salzt, bis zur Ungenießbarkeit". Ob diese alte Volksweisheit sich nicht auch an Väterchen erfüllen wird?

Heroischer Selbstmord zweier sapanischer Offiziere.

DasTagblatt für Nord=China" veröffentlicht am 1. Juli folgendes Telegramm aus Tokio: Nach dem Bericht der japanischen Gesandtschaft in Petersburg haben sich die beiden Militärattachees Major Nagano und Hauptmann Hashimoto am 18. Juni unweit Lemberg freiwil­lig getötet, um der Gefangennahme durch die Deutschen zu entgehen.

Gärung in Russland.

Verhaftung der Duma-Oppolitionellen.

TU Wien, 18. Sept. Die Deutsche Tagesztg. meldet: Das Achtuhr-Blatt berichtet aus Stockholm: In Peters­burg sind 18 Dumamitglieder durch die Polizei in ihren Quartieren festgenommen worden. Das Duma­gebäude und die Petersburger Bahnhöfe sind militärisch besetzt. Das Neue Wiener Tage­blatt meldet aus Stockholm: Der Milität=Kommandant in Petersburg verbok die für kommenden Sonntag einberufe­nen Volksversammlungen, obwohl die Versamm­lungen auch für die Fortsetzung des Krieges demonstrieren sollten. Die Einberufungen von oppositio­nellen Duma=Abegeordneten zum Heeres­dienst dauern fort. Es mehren sich die Anzeichen einer drohenden Haltung der Petersburger Militärkreise gegen die durch die Duma=Agitation aufgeregte Bevölkerung.

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* Bukarest, 18. Sept. Der Universul berichtet aus Wiborg: Ueber 150 Dumaabgeordnete sind in Wiborg ein­getroffen, um sich als Dumaversammlung in Permanenz zu erklären.

* Zürich, 18. Sept. Die Korrespondenten schweize­rischer Zeitungen melden aus Petersburg: Die Regierung veröffentlicht ein Aufhebungsdekret für die Semstwos von Moskau, Perm, Kursk und Charkow wegen regierungs­seindlicher Kundgebungen und Beschlüsse. Der Stadthaupt­mann von Moskau wurde seiner Stellung enthoben.

* Kopenhagen, 18. Sept. Der Heilige Synod befahl, daß sämtliche russischen Klöster für die Verwundeten, Krankon und Flüchtlinge geöffnet werden sollen. Falls sich in den Klöstern Werkstätten befinden, sollen diese zur Her­stellung von Kriegsmaterial verwendet werden.

* Kopenhagen, 17. Sept. Aus Petersburg wird telegraphiert: Die gestrige Vertagung der Reichs­duma hat im ganzen Lande die größte Erregung hervorgerufen. Verbände, Städte und Semstwes ersuchten sofort telegraphisch um die Erlaubnis zur Abhaltung eines Kongresses, auf dem die politische Lage erörtert werden solle, da diese im höchsten Grade für das russische Volk beunruhigend sei.

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Die Not der russischen Flüchklinge.

* London, 17. Sept. Der Bürgermeister von London hat aus Petersburg ein Ersuchen erhalten, die Not der russischen Flüchtlinge finanziell mildern zu helfen. In dem Bericht der Petersburger Stadtverwaltung heißt es, daß etwa sechs Millionen Flüchtlingen geholfen werden müßte, die unter Hinterlassung von Hab und Gut aus Russisch=Polen nd Südwestrußland geflüchtet seien. In Mittelrußland seien etwa sechs Millionen dieser Flüchtlinge eingeströmt. Der schreckliche russische Winter nähere sich, und ein nie gekanntes Elend würde entstehen, falls nicht finanzielle Hilfe kommt.

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Wilna bedroht.

TU Bukarest, 18. Sept. Wie hiesige Blätter mitteilen, berichtet der Rietsch, daß man in Wilna ununterbrochen Kanonendonner höre. Der russische Teil der Bevölkerung hat die Stadt bereits verlassen, die Polen sind zurück­geblieben.

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Riga vollstöndig geräumt.

* Petersburg, 18. Skpt.Rußkoje Slowo meldet, daß Riga vollständig geräumt ist. Von 74000 Arbeitern haben 50000 die Stadt verlassen, von 184 Fabriken sind 57 ganz geschlossen, andere zum Teil ganz wegverlegt worden.

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* Kopenhagen, 17. Sept.(WTB) Nationaltidende meldet, die Bevölkerung von Minsk sei in großer Erregung und flüchte in Massen. Die Bahnhöfe seien belagert, die Reisenden müßten gewöhnlich drei Tage auf eine Fahrkarte warten. Die Eisenbahnwagen seien über­füllt. sodaß auch die Dächer besetzt seien. Die Lebensmittel in der Stadt seien knapp. Mehl und Zucker nur wenig vorhanden.

Wiedereinführung der Querpfeise im bayerischen Heer.

In der bayerischen Armee wird für die Hornisten laut Bekanntmachung im Militärvecordnungsblatt die Quer­pfeise als Begleitinstrument zur Trommel wieder ein­geführt.

Zu den blutigsten Schiachten des Dardanellenfeldzuges, der in den sechs Monaten seiner bisherigen Dauer schon soviel Blut und Leben gekostet hat, gehören ohne die Kämpfe an der Anafortabucht und bei Ari Burnu am 28. und 29. August, deren Ergebnis unsere aus dem Osmanischen Hauptquartier stammende und als authentisch vom türkischen Generalstab beglaubigte Karte zeigt. Die Schlacht entwickelte sich aus den seit Wochen und Monaten fast zur Gewohnheit gewordenen täglichen Artilleriekämpfen und Scharmützeln der Mannschaften in den stellenweise nur 3050 Meter von einander entfernten Schützengräben ge­wissermaßen automatisch und nahm am Abend des 28. August einen höchst erbitterten: Charakter an Die ganze, Nacht hindurch dauerten die Kämpfe an. Die türkischen Mannschaften gingen. sobald man merkte, daß infolge der Dunkelheit die Schiffsgeschütze an Treffsicherheit verloren, zum Sturmangriff über, wobei sie im Nahkampf von ihrer Lieblingswaffe, dem Bajonett, ausgiebig Gebrauch machen konnten und in ihrer todesverachtenden Tapferkeit sich we­der durch Drahtverhaue und ähnliche Hindernisse noch durch die Menge von Handgranaten aufhalten ließen, die ihnen entgegengeschleudert wurden und die in ihren Reihen furchtbare Verheerungen anrichteten.

Die Arbeitsbataillone folgten den dahinstürmenden Kämpfern auf dem Fuße. Wo Bajonett und Kolben den Weg gebahnt hatten, wurden mit Hacke und Spaten so­fort neue Verschanzungen aufgeworfen, Deckungen ge­schaffen und alle sonstigen Maßnahmen zur Verteidigung der neuerrungenen Positionen getroffen, und als der Morgen graute, mußte der Feind mit Schrecken bemerken, daß er auf der ganzen Linie erheblich zurückgedrängt war, daß er hier hundert, dort drei= bis fünfhundert, an einer Stelle sogar reichlich tausend Meter Terrain verlo­ren hatte und daß sich die türkischen Truppen auf dem eroberten Boden sofort sehr energisch festgesetzt hatten. Wieder traten die schweren Schiffsgeschütze in Aktion, wieder ergoß sich stundenlang ein verheerender Eisenhagel von Schrapnells und Granaten mit weiter Sprengwir­kung über die Reihen der tapferen Verteidiger, aber nichts konnte sie wankend machen, im Gegenteil, jeder Verlust in den eigenen Reihen steigerte nur ihre Erbitterung. Im­mer und immer wieder von neuem gingen sie in glühender Sonnenhitze zum Sturm vor, und als am Abend der zweiten Tages die Dämmerung sich niedersenkte, war die Schlacht endgültig entschieden. Wohl hatten Ströme türki­schen Blutes die Erde der heißumstrittenen Halbinsel rot gefärbt, wohl fuhren endlose Wagenreihen nach Atbaschi zu, von wo die Transportschiffe des Roten Halbmondes nach der Hauptstadt abgehen. Aber der Feind war wieder zurückgetrieben bis unter die sichere Deckung seiner Schiffsgeschütze, und 10000 Engländer waren in die Fluten des Aegäischen Meeres getrieben worden, unzäh­lige verwundete Gefangene gingen mit den türkischen Transporten nach Konstantinopel und ein großer Trans­port von unverwundeten Gefangenen wurde in langsa­men Tagesmärschen der im Flaggenschmuck prangenden Hauptstadt zugeführt.