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Amtliches Kreisblatt für den Stadtkreis Mülheim a. d. Ruhr.

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N 202

Dienstag, 30. August 1910

38. Jahrgang

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Deutsches Reich.

Berliner Nachrichten.

Eine Verschmelzung der antisemitischen Frak­tionen des deutschen Reichstags steht nicht in Aussicht. Abgeordneter Liebermann v. Sonnenberg erklärte, die Wirtschaftliche Vereinigugg, deren Führer er ist, lege keinen Wert darauf, daß ihr in der letzten Session der Legis­latur=Periode ein paar Sitze mehr zugerechnet werden. Die Mitglieder der deutschen Reformpartei könnten sich, wie bisher, der Reichspartei zuzählen. Die Bestimmungen über den Auslieferungs=Verkehr zwischen Deutsch­land und Dänemark sowie zwischen Deutschland und der der Schweiz sind erweitert worden. Der Reichsanzeiger publiziert die Einzelheiten der Vertrags=Erweiterung. Aus der Reihe von Anträgen, die den sozialdemokra­tischen Parteitag in Magdeburg beschäftigen wer­den, ist der hervorzuheben, der die Reichstagsfraktion auf­fordert, einen Gesetzentwurf auszuarbeiten, durch den ver­boten wird, Kindern Schnaps, Wein oder Bier zu geben. Von Interesse ist auch der Antrag, der die Herausgabe einer eigenen Modenzeitung mit Schnittmusterbogen for­dert. Wir bekommen nun vielleicht noch eine besondere sozialdemokratischen Kleidertracht. Auch Licht= und Luft­bäder werden verlangt. Eine Feier zum Andenken an die Schlacht von Großbeeren fand am Sonn­tag in dem fteundlichen Dorf bei Berlin statt. In früheren Jahren wurde die Gedankfeier alljährlich abgehalten und war geradezu ein Volksfest, zu dem die Berliner in großen Scharen strömten. Von 1848 ab unterblieb das Fest lange Jahre und erst der jetzige Ortsgeistliche rief es wieder ins Leben. Die badische Eisenbahnverwal­tung hat ein nachahmenswertes Beispiel des Vogel­schutzes gegeben. Sie hat den Bahnbauinspektionen die Erhaltung der lebenden Hecken, soweit sie nicht Schnee­verwehungen begünstigen, zur Pflicht gemacht. Ebenso soll das Schneiden der Hecken nicht während des Brut­geschäftes der Vögel stattfinden. Die vom Fürsten Eulenburg hinterlegte Kaution von 100000 Mk. be­findet sich noch immer an Gerichtsstelle. Daß das Ver­fahren gegen den Fürsten niemals mehr aufgenommen werden wird, ist leider anscheinend so gut wie sicher. Die

homosernellen Verfehlungen des Fürsten sind durch ein­freie Zeugen bewiesen und daraus folgt, daß der Fürst einen Meineid leistete, als er alles in Abrede stellte.

Das Echo der Königsberger Kaiserrede ist auch heute noch nicht verklungen, wobei man wieder die Bestätigung der alten Wahrheit beobachten kann: Der Prophet gilt nichts in seinem Vaterlande. Das Urteil der englischen Blätter ist z. B. in weit größerem Um­fange zustimmend gehalten als das der heimischen. Wäh­rend die Mehrzahl der bürgerlichen Blätter Deutschlands bis hart an die konservativer Richtung ihr Bedauern nicht unterdrücken kann, daß der Kaiser die seit dem 17. No­vember 1908 im Interesse der Stetigkeit der Politik des Reiches geübte Zurückhaltung mit der Königsberger Rede ausgegeben hat, sprechen sich Londoner und Pariser Zei­tungen zum Teil in Worten höchsterAnerkennung über die Königsberger Rede aus. So liest man in Londoner Zeitungen: Die Empfindlichkeit der öffentlichen Mei­

gung in Deutschland ist keineswegs berechtigt, die Ethik der Rede ist bewundernswert. Der Kaiser hat die Rechte einos konstitutionellen Monarchen nicht überschritten. Die Meinung, daß der Kaiser beabsichtige, die Verständigung vom November 1908 umzuwerfen, ist eine Beleidigung seiner persönlichen Ehrlichkeit und seines historischen Be­wußtseins. Mit der Verehrung des Hohenzollern=Ideals

ist das treue Festhalten an der Konstitution durchaus ver­entbar. DieTimes sagen: Die beiden populärsten Männer der Welt, Kaiser Wilhelm und Expräsident Roose­velt, reden eine in ihrer Stärke und Deutlichkeit so ähn­liche Sprache über die einfach menschlichen Pflichten, denen sich Männer und Frauen zu entziehen suchen. Der deutsche Kaiser und Noosevelt predigen nicht in denselben Worten, die Moral ist aber dieselbe. Daily Expreß" schreibt: Es ist wahrscheinlich, daß Kaiser Wilhelm der einzige Mensch auf Erden ist, der noch ernstlich und fest daran glaubt, daß er oder jeder andere Herrscher das vom Himmel auserwählte Werkzeug sei, über seine Untertanen zu re­gieren Seine Untertanen mögen jedoch immer an den Ruhm denken, der durch den Besitz eines solchen Herrschers einzig in seiner Art und einzig in seinem Glauben auf sie zurückfällt. Der radikaleMorning Leader sagt frei­lich:Es bedarf unserseits einer großen Anstrengung, uns die Atmosphäre eines europäischen Hofes vorzustellen, in der solcher Aberglaube wie das Gottesgnadentum wuchern kann, besonders in Anbetracht der Persönlichkeit des Kaisers. der sonst in jeder Beziehung ein Mann der Tatsachen ist. Die französische Presse heftet sich begreiflicherweise an das Wort über die Notwendig­keit einer lückenlosen deutschen Rüstung und faßt die Kaiserrede als einen nicht mißzuverstehenden Mahnruf auf, daß nur die für den Ernstfall vorbereitete Nation ein Recht habe, in der allgemeinen Politik von heute entscheidend mitzusprechen. In Brüssel wurde am Sonn­tag der Interparlamentarische Friedens­Kongreß eröffnet, der sich mit der Kaiserrede beschäf­tigen wird. Auch in demokratischen und fortschrittlichen Volksversammlungen der nächsten Tage steht die Rede zur Erörterung. Die Blätter des verbündeten Oester­reich üben im Allgemeinen eine wohlwollende Kritik an der Kaiserrede und halten sich an die Taten des Kaisers.

DieNordd. Allg. Itg. bespricht die Königs­berger Rede an zweiter Stelle nach einem Ueberblick über die Posener Festlichkeiten. Sie enthält sich jedes eigenen Urteils in irgendwelcher Richtung über die Rede und konstatiert nur, welch bedeutenden Eindruck sie überall gemacht habe, indem sie schreibt:Lebhaft beschäftigt sich die Presse aller Richtungen mit der von uns gestern mitgeteilten Rede Sr. Majestät in Königsberg. Daran anschließend gibt sie in ihrer Samstag=Nummer eine recht bedeutende Uebersicht über die Stimmen der Presse, die sie in ihrer Sonntag=Nummer noch weiterhin fortsetzt. Es wurde als auffällig bemerkt, daß die Kaiserrede Don­nerstag gehalten, aber erst Freitag mittag vom halb­amtlichen Wolffbüro übermittelt wurde. Es wurde daran die Befürchtung geknüpft, die Rede habe in Wahrheit noch schärfer gelautet, als wie sie der amtliche Text ver­breitet. Demgegenüber kann festgestellt werden, daß die Königsberger Blätter, die die Rede schon Freitag morgen veröffentlicht haben, den gleichen Wortlaut, wie der amt­liche ist, bringen. Dazu bemerkt derVorwärts: Offenbar hat man an der zuständigen Stelle in Berlin geschwankt, ob man die Aeußerungen Wilhelms II. in dieser Form veröffentlichen könne, schließlich aber doch in den sauren Apfel gebissen. Ueber den Eindruck, den die Rede in hohen Kreisen Berlins macht, wird derBraunschweigischen Landeszeitung eine Aeuße­rung voneiner sehr angesehenen Persönlichkeit des po­litischen Lebens übermittelt:

Es darf nicht geleugnet werden, daß selbst in jenen Kreisen der Reichshauptstadt, die der Regierung sehr nahe stehen, ein gemisses unbehagliches Gefühl Platz gegriffen hat. Die Kaiserrede mit ihrem zweifellos eigenartigen zur Stunde nicht recht passenden Inhalt sieht man als eine Gelegenheit an, die von allen jenen Elementen begierig aufgegriffen werden wird, denen die Diskreditierung der Krone und ihres Trägers Lebensaufgabe ist. Selbst im konfervativen Lager hat duiese Aeußerung Befremden hervorgerufen. Es hat fast den Anschein, als ob der Kaiser die Schatten der Ver­gangenheit habe beschwören wollen, und das war gerade jetzt wenig wünschenswert. Neben der eigentlichen Auslegung des Sinnes der Kaiserworte aber steht im Mittelpunkt des Inter­esses die Frage, wie weit der Kanzler Kenntnis vom In­halt der Rede gehabt hat. Man glaubt hier in sehr gut unterrichteten Kreisen, daß Herr von Bethmann Hollweg den Inhalt der Ansprache in dieser Form gar nicht gekannt hat. Das würde fast wie eine Umkehr zu jener Zeit aus­sehen, wo der Kaiser selbständig, obne seineVerantwortlichen in Kenntnis von seinen Entschlüssen zu setzen, handelte und dadurch zuweilen recht komplizierte Situationen schuf. Auf jeden Fall ziehen sich über dem Haupte des Kanzlers Wolken zusammen, die seine augenblicklich nicht beneidenswerte Stel­lung noch erschweren und die bei Gelegenheit der Parla­mentstagung sich, von der äußersten Linken her beginnend, ent­laden werden.

Was die Person des Kaisers selbst aber anbetrifft, so kann, heißt es zum Schluß, die öffentliche Meinung darüber beruhigt sein, daß sich dieses Mal in der nächsten Umgebung bestimmt aufrechte Männer finden wer­den, die den Monarchen über die Wirkung seiner Rede aufklären.

Gegen eine weitere Einschränkung der Sonntags­Arbeit,

wie sie namentlich in Berlin geplant war, protestierte der erband deutscher Detailgeschäfte der Tex­til=Industrie. Die Lage der mittleren und kleinen Geschäfte sei ohnehin schon schwierig genug; es dürfe ihnen daher die gerade schon genug verkürzte Verdienst=Mög­lichkeit an den Sonntagen nicht noch mehr beschnitten werden. Damit begründete die Versammlung einhellig ihren Protest, und niemand widersprach.

Beamten=Konsumvereine.

Gegen die geplante Errichtung eines Beamten=Kon­sum=Vereins in Dortmund hatten dortige Geschäfts­leute eine Eingabe an die Oberpost=Dierektion gerichtet. Diese erwiderte, sie könne auf das ihr unter­stellte Postpersonal nicht daraufhin einwirken, die Bil­dung eines Konsum=Vereins zu unterlassen und ihren Be­darf aus den Geschäften der Stadt zu entnehmen. Einen ähnlichen Bescheid erteilte auch die Eisenbahn=Di­rektion Elsen.

Ausland.

Rußland.

Der russische Ministerpräsident wird eine Reise nach dem fernen Osten antreten, um sich über die Lage der russischen Ansiedler zu informieren und die Klagen über die Mißstände bei der Amur=Bahn zu prüfen.

Frankreich.

Die Aviatik im Heer. Die Verwendung von Aeroplanen bei den französischen Manövern soll nach An­gaben des Kriegsministers Generals Brun lediglich zu Auf­klärungszwecken erfolgen. Angriffsübungen von Flugmaschi­nen, durch Herabwerfen von Explosivstoffen, Granaten etc., sollen vorläufig unterbleiben. Auch eine gegenseitige Bekämp­fung der Aeroplane untereinander will der Minister noch aus­geschlossen wissen, und zwar zur Vermeidung von Unfällen. Jedoch soll jede Flugmaschine neben dem Führer einen Be­obachtungsoffizier und auch ein Maschinengewehr mitführen.

China.

Aus Indien wird gemeldet, daß die schinesische Regierung den Dalai Lama gebeten habe, nach Lhassa zurückzukehren. Dieser habe sich hierzu bereit erklärt, falls seine Autorität in vollem Umfang wiederhergestellt und die Zahl der chinesischen Truppen vermindert würde.

Von Nah und Fern.

Ein bedauernswerter Mangel an Nationalgefühl

zeichnet manche deutsche Kaufleute im Auslande aus. So wird der vom Deutsch=nationalen Handlungsgehilfen=Verbande in Hamburg herausgegebenen MonatsschriftDer deutsche Kauf­mann im Auslande aus Tokio(Japan) folgender, gerade­zu unglaublich klingender Vorfall mitgeteilt:Eine große deutsche Firma hat auch in Japan ein Zweiggeschäft, dessen Letter ein Deutscher ist. Dieses Geschäft erhielt nun vor einiger Zeit vom japanischen Kriegsministerium in deutscher Sprache eine Anfrage über einen Kostenanschlag. Wer nun

glaubt, daß diese deutsche Firma auf eine deutsche Anfrage geantwortet habe, der irrt sich sehr, denn das Mini­sterium erhielt den gewünschten Kostenanschlag in englischer Sprache, so daß das Ministerium sich genötigt sah, diesen Anschlag ins Deutsche übersetzen zu lassen und dafür etwa 20 Jen zu zahlen! Das Ministerium machte danach die Firma darauf aufmerksam, daß, wie ihr wohl bekannt sei, im Kriegs­ministeriumDeutsch die Vermittlungssprache sei und daß deshalb gebeten werde, deutsche Anfragen auch in deutscher Sprache zu erledigen. Eine solche Belehrung muß einem Deutschen erteilt werden! Damit aber noch nicht genug, der Filialleiter antwortete, anstatt diesem Verlangen nachzukom­men, dem Ministerium, daß in Japan die Handelssprache die englische sei und daß sein Bureaupersonal nur diese Sprache be­herrsche!! Das schreibt ein Deutscher an ein japanisches Ministerium! Die einfachste Lösung selbst zu schreiben, wenn kein deutsch sprechendes Personal vorhanden ist scheint der Herr nicht gefunden zu haben!

Die Raubmord=Manie in Berlin.

Die Unsicherheit in der Reichshauptstadt bleibt bestehen, was ein mit ungewöhnlicher Kühnheit vollführter Ueberfall beweist. Auf einem Stadtbahnhof stieg während der frühen; Morgenstunden ein unbekannter Täter durchs Fenster in den Fahrkarten=Verkaufsraum, würgte die Verkäuferin, bis er sie für tot hielt und raubte dann aus der Kasse 800 Mark. Der Ueberfall war möglich, da der Betrieb auf dem betreffenden Bahnhof von morgens 2 bis 5 Uhr ruht. Die Schalterbe­amtin, die gerade Nachtdienst hat pflegt die drei Stunden auf einem im Dienstraum aufgestellten Sofa zu verschlafen. Der Verbrecher hatte sich diese Zeit ausgesucht und war bereits eingestiegen, als die Beamtin infolge der Geräusche erwachte. Der Mann schlug erst mit den Fäusten wuchtig auf sie ein, dann warf er sie zu Boden und würgte sie mit

beiden Händen am Halse so lange, bis das Blut aus Nase und Ohren orang und das Opfer kein Lebenszeichen mehr von sich gab. Dann raffte er 800 M. in Rollen an sich und entfernte sich. Nach einer Stunde erwachte die Beamtin aus ihrer tiefen Bewußtlosigkeit und alarmierte die Polizei­die sofort die Recherchen aufnahm. Den Berliner Künst­lern statten die Berliner Verbrecher neuerdings mit Vorliebe Besuche ab. In die Villa des bekannten Komponisten Victor Holländer brachen sie ein und entwendeten eine größere Menge von Lebensmitteln, sowie mehrere Silbergegenstände, dar­unter einen silbernen Lorbeerkranz, Kürzlich wurde die Villa des bekannten Humoristen Rudolf Presber geplündert. Und aus der Fritz Reuter=Ausstellung wurden 10 M. gestohlen; die3 Daler un 10 Silwergroschen hatte ein Verehrer Reuters in sehr niedlicher Verpackung als Beitrag zu einem Reuter=Museum geschickt und man hatte die Gabe ausgestellt. *

Lüttich: 29. August. Auf dem Wege von der National­bank zur Banque Generale wurde gestern dem langjährigen Kassenbeamten einer Kohlenzeche von einem unbekann­ten Mann seine lederne Geldtasche unter dem Arm weg­gerissen, die für 12000 Frcs. Schecks sowie verschiedeng Wechsel enthielt. Der Vorfall spielte sich bei hellem Tage auf dem Boulevard de la Sauveniere ab. Der Dieb, der den Boten angerannt hatte, verschwand so schnell in einer nahen Seitenstraße, daß die ihm nacheilenden Straßen­gänger ihn alsbald aus den Augen verloren.

Die Cholera in Berlin.

Berlin; 29. August. Die bakteriologische Untersuchung hat ergeben, daß das Sarnowsche Ehepaar in Span­dau tatsächlich an Cholera gestorben bezw. erkrankt ist. Die Tochter, die die Mutter bis zum Tode gepflegt hatte, wurde in eine Isolierbaracke gebracht und unter Aufsicht ge­gesteltt. Alle Vorsichtsmoßregeln sind getroffen. Berlin, 29. August. Wie ein Mittagsblatt meldet­ist in Spandau ein Lazarettgehülfe unter cholera­verdächtigen Symptomen erkrankt.

Vom Blitze erschlagen.

Erst Freitag nachmittag sind in Gerrsheim(nach einer Meldung in Gernsheim) drei junge Mädchen im Alter von 8 bis 17 Jahren vom Blitze getötet worden, und schon wieder liegt eine ähnliche Hiobsbotschaft vor:

Mecheln: 29. August. Bei den schweren Gewittern, die vorgestern hier niedergegangen sind, wurden in der nahen Gemeinde Thisselt der 45jährige Ackerer Terlinden, seine 15jährige Tochter und sein 13jähriger Sohn sowie eine 40jährige Magd, die in einem Heuschober Schutz gegen den wolkenbruchartigen Regen gesucht hatten; vom Blitz ge­troffen und erschlagen.

Die Borkumer Spionagegeschichte.

Die auf Borkum verhafteten engl. Spione tragen ein herausforndes Benehmen zur Schau. Dem ihnen gestellten deutschen Anwalt gegenüber verhalten sie sich durchaus ab­lehnend. Ihrem Verlangen nach einem englischen Anwalt hat man entsprechen müssen. Die Akten über die Affäre sind jetzt dem Reichsgericht eingereicht worden, welches alsbald über die Erhebung der Anklage entscheiden wird. Die beiden Spione

Seischengrud vie ver und bleiben dabei, Aufrahnen Hut hriften gemacht zu haben. Die Aufnahmen sind aber daß jede Zeitschrift, die etwas auf künstlerische Aus­führung Uhrer Illustrationen hält, sie zurückgeschickt hätte, Auch versteht man nicht, was das nächtliche Herumstreichen und Beobachten an den Festungswerken mit dem harmlosen Be­schreiben der deutschen Nordseeinseln zu tun haben soll.

***

Aachen, 27. August. Hier wurde eine Witwe und deren 17jähriger Sohn wegen Verbrechens gegen das kei­mende Leben verhaftet. Das Opfer, ein 17jähriges Mäd­chen, ist infolge des verbrecherischen Eingriffes, bei dem Salz­säure verwanot wurde, gestorben.

Die Schneefälle im amerikanischen Brandgebiet haben dem Feuer keinen Einhalt tun können das entfesselte Element rast weiter. Von Stunde zu Stunde wächst der Schaden um Hunderttausende. Die Stadt Florg in Oregon wurde durch das Feuer zerstört. Nur mit Mahe vermochten die Einwohner sich und die notwendigste Habe in Sicherheit zu bringen.

" Große städtische Unterschlagungen in Paris. Der Seinepräfekt hat 13 aktive Beamte, die die Stadt durch betrügerisches Vorgehen um ½ Millionen Franks geschädigt haben, abgesetzt. Es heißt, daß die Betrügereien der Beamten, die von mehreren Groß=Verfrachtern bestochen worden seien; seit 5 Jahren betrieben wurden. Gleichzeitig wurde gegen diese Beamten eine strafrechtliche Untersuchung eingeleitet.

Der Wert von Kinderaussagen ist wieder einmal eigentümlich beleuchtet worden durch die Affäre einen Berliner Arztes Dr. Hartung. Dr. Hartung war verhaftet worden weil zwei Schülerinnen ihn bezichtigt hatten, unsitt­liche Handlungen an ihnen vorgenommen zu haben. Diese Beschuldigungen erwiesen sich schließlich als frei erfunden.

Aufder deutschen Abteilung der Weltaus­stelllung sollten zwei Individuen Brandstiftung verursacht haben; indem sie Petroleum gossen und dieses zu entzünden versuchten. An der Meldung; die durch einen großen Teil der deutschen Blätter ging, ist kein wahres Wort. Die Kirmes der Ausstellung ist wieder eröffnet und wird von der Bevölkerung mit Massenbesuch bedacht. Ueberhaupt hat

Pariser Volksrestaurants.

Lebensmittelteuerung, wie bei uns. Die französische Küche von der anderen Seite.

0W. Paris, Ende August.

Das KlageliedAlles wird unerschwinglich teuer will vielen sehr eintönig erscheinen; wer es aber in der Stärke vernimmt, wie es zur Zeit in Paris angestimmt wird, dürfte den hochmütigen und verächtlichen Spott wohl unterlassen. Die Steigerung der Lebensmittelpreise hat in den breiten Massen zuerst Bestürzung und dann eine vorläufig noch verhal­tene Erbitterung hervorgerufen, mit der alle Welt, die Re­gierung voran, sehr ernsthaft rechnen muh. Denn es sind, wie stets, die kleinen und kleinsten Leute, die zuerst und am härtesten betroffen werden. Und zwar wegen alter Bräuche, die sich zimmer mehr zu unerträglichen Mißbräuchen entwickelt haben. Beim Brotverkauf an allererster Stelle! Das Kilo­gramm dieses dem Pariser mehr als jedem anderen Welt­städter unentbehrlichen Nahrungsmittels ist um einen Sou 7künf Centimes) hinaufgesetzt worden; aber der, der nur ein Pfund kauft, muß gleichfalls einen Sou mehr bezahlen. Denn die kleinsten Münzen, Ein= und Zwei=Centimes=Stücke, sind

eit eir der Baihe undenden, Aun Kpnate but den Regeln der einfachsten Logik dafür eine Zulage zu Pfunde Brot gegeben werden, die dem gezahlten Mehr­#nge entspräche. Da kennt man aber die überlieferungstreuen Bäckermeister schlecht! So etwas hat es nie gegeben, und sie wollen sich prinzipiell nicht auf revolutionäre Neuerungen ein­lassen, da kein Reglement sie dazu zwingt. Wenn man es nicht Eglich mitansehen und den dadurch hervorgerufenen heftigen Auftritten beiwohnen müßte, würde man so etwas Widersinni­des und Antidemokratischos in der französischen Republik und der Sonnenstadt glattweg für unmöglich halten.

gegeben, während sie hinsichtlich des Fleisches sich damit be­gnügen, diehalben Portionen zu verweigern. Sie tun dabei noch so, als ob sie aus eigener Tasche etwas beisteuern, um es damit für den Augenblick sein Bewenden haben zu lassen. Welch brave Leute, welch Edelmut! Glauben sie denn wirk­lich, ihre Kunden und die Oeffentlichkeit darüber hinweg­täuschen zu können, daß Fleisch und auch Fische von der Preis­steigerung nicht nur nicht betroffen sind, sondern daß sogar viel­mehr eine kleine Verbilligung in ihnen eingetreten ist?. Einer­seits haben nämlich Verkehrsverbesserungen die Zufuhr aus den Viehzucht= und Seegebieten neuerdings gefördert, und anderer­seits vermindern viele Züchter wegen Futtermangels ihre Be­stände bedeutend, sodaß das Angebot den Bedarf fast übersteigt Das aeht aber die Kunden nichts an; sie haben zu zahlen, was der Wirt an Mehrkosten hat, aber von Verbilligungen nicht zu profitieren. Das Herrlichste bei alledem ist immer, daß bei der Rückkehr normaler Preise im Großhandel die wegen der vorhergegangenen Teuerung erfolgten Erhöhungen für den Konsumenten im Kleinhandel bestehen bleiben. Das ist bei der vor mehreren Jahren glücklich im allgemeinen Interesse durchgesetzten Beseitigung der Oktroigebühren für die hygie­nischen Getränke. Wein, Bier und Apfelwein, in geradezu zynischer Weise klar geworden. Bei denmarchands de vin und in den kleinen Restaurants sind nämlich die Getränke des halb nicht uum einen Centime billiger geworden, sodaß der ganze Nutzen dieser philantropischen Reform den Lokalbesitzern in die Tasche geflossen ist.

Für Paris bedeuten die Preissteigerungen der Volks­restaurants, deren Inhaber einen festgeschlossenen Verband bilden, wohl mehr als irgend anderweitig, weil reichlich vier Fünftel der erwachsenen Bevölkerung das Mittagessen, das dejeuner, im Restaurant einzunehmen gezwungen ist, ein Drittel auch das Nachtmahl, dasdiner". Das Nachtragen von Essen, das im eigenen Hause zubereitet wird. durch die Arbeiterfrauen auf die Bauplätze oder in die Werkstätten, wo die Gatten beschäftigt sind, ist in Paris absolut unbekannt, auch gemeinsame Verpflegung von Zusammenarbeitenden in Kan­tinen oder in Kooperativlokalen hat hier nie recht Anklang zu finden vermocht. Dazu ist der Wariser zu indipidualistisch

zu sehr Feind der Einförmigkeit und Regelmäßigkeit. Er ver­langt vor allem selbständige Auswahl der Speisen und Ge­tränke, und eine gemeinsameAbfütterung aus einer Schüssel ist ihm ein Greuel. Auch stellt selbst der mit Geringstem zum Auskommen Gezwungene bedeutende Ansprüche hinsichtlich der Reichhaltigkeit der Tafelgenüsse, mährend ihm die Größe der einzelnen Gerichte ziemlich gleichgültig ist, auch o, ich höre schon die entrüsteten Proteste über diese deutsche lügnerische Frechheit! die Zubereitung. Aber es ist doch so; die fran­zösische Küche ist mit Recht als gesund, wohlschmeckend und kein auch heute noch musterhaft, daran zweifelt niemand. Aber von dieser Küche ist in den Pariser Volksrestaurants gar­nicht die Rede. Für diese ist nämlich etwas ganz Besonderes in der kulinarischen Kunst ans Tageslicht getreten o, Verzeihung, nicht ans Tageslicht, das muß diese Küche zu sehr scheuen, also ausgeheckt worden, um Augen und wenn möglich auch den Gaumen zu täuschen. Das steht zu dem, was in der Welt als französische Küche bekannt ist und ge­rühmt wird. ungefähr in dem Verhältnis eines Affen zum Kulturmenschen, eines jener Affen, die man jetzt in Frack und

Diese Volksrestaurants datieren übrigens in ihrer jet­zigen Form noch nicht sehr lange zurück. Man kann noch ein ganz hübsches Stück Weg vom Greisenalter entfernt sein, um die Erinnerung an andere, bessere Zeiten in dieser Hinsicht wach­zurufen im Skande zu sein. Ehedem, es ist knapp ein Viertel­jahrhundert her. aben Arbeiter, Angestellte, auch Kaufleute und Bessergestellte, beimmarchand de vin". Die Schank­wirte lieferten eine gesunde, einfache Nahrung zu mäßigen Preisen, weil sie hauptsächlich auf den Gewinn aus den Ge­tränken rechneten. Da sie aber gutes Fleisch und unverkälschte Zutaten benutzten, mußten natürlich die meisten Leute sich mit einem Gericht und vielleicht einem Nachtisch begnügen: denn unter 50 oder 60 Centimes konnte nie ein ausreichendes Fleisch­gericht hinlänglicher Güte hier geboten werden. Nun sind aber seit einem Dutzend Jahren hier an allen Ecken und Enden so­genannte ubouillong emvorgeschossen, die mit den anderen

Lokalen der gleichen Bezeichnung, in denen hauptsächlich Bouil­lon und Rindfleisch verabreicht wurden, nur den Namen ge­meinsam haben. Diese haben das Kunststück fertig gebracht; im Massenbetriebe Fleischspeisen von 25 Centimes an zu liet fern, Gemüse von 1020 Centimes usw. Ihre Hauptstärke beruht in der Fülle manigfaltigster Speisen, womit sie alss den Geschmacksrichtungen der Pariser Massen am weitesten entgegenkommen. Die Namen sind die gleichen wie in den vornehmen Restaurants, selbst die auf der ebenfalls äußerst reichhaltigen Weinkarte. Und dann ist in ihnen auch ein ge­wisser zweifelhafter banaler Komfort zu finden, an den die Pariser früher in den alten verräuchertenmarchand de vin Stuben nicht gewöhnt waren. Zum Anlocken der Gäste werden an den Fenstern die prächtigsten Rinder= und Hammelvierte ausgestellt, um für die Güte des in dem Lokale verabreichten Fleisches Zeugnis abzulegen.

Wer aber glaubt, daß diese herrlichen Fleischstücke und die oft neben ihnen prangenden Riesengemüse und Früchte zur Zu­bereitung der mit so verführerisch billigen Preisen ausgezeich­neten Speisen dienen, irrt sich gewaltig. Das sind nur ge­liehene Reklame=Prunkstücke. Was dort tatsächlich für die mit hochtönenden Namen versehenen Gerichte verwandt wird, entzieht sich vorsichtig jeder Betrachtung, weshalb auch Küchen und Speisekammern weit abseits vor jedem indiskreten Ein­blicke geschützt liegen. Wer aber mit einer etwas empfindlichen Nase ausgestattet ein solches modernes Volksrestaurgnt be­tritt, bleibt über die Art und Frische der verwendeten Lebens­mittel nicht lange im Zweifel. Und wenn er seinfilet a lg reine oder seineselle'agneau vor sich hat, werden ihn ein

sen. Srizedu der Bekandtel und Butozten u en setont intdeckungen darüber führen, was nicht alletz in Mischung als Rinderlendenstück, Hammelbrate Butter zu figurieren vermag. Ist er vollende

Honerstien ihm dit vorgesetzten Weine Ain keichet naget.