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N8 109

Donnerstag, 12. Mai 1910

38. Jahrgang

Die heutige Nummer umfaßt s Seiten.

* Die Vertagung des Reichstags.

Am Königsplatz ist es jetzt still geworden: Der Reichs­tag hat seine Pforten=geschlossen, und Handwerker sowie Scheuerfrauen werden nun bald in den Räumen des Waltotbaues ihrer nutzbringenden Tätigkeit obliegen. wo bisher die Redeschlacht tobte und über Wohl und Wehe des deutschen Volkes entschieden wurde. Wir müssen

ien fi gier den Rechstag gerne inr die Spater:! ferien ziehen lassen, nicht etwa, weil er äußerlich keine fleißige Arbeit geleistet hätte, sondern, weil der jetzt zu Ende gegangene Tagungsabschnitt eigentlich im all­gemeinen aller großen politischen Perspektiven entbehrte und namentlich nach Ostern derart verflachte, daß die Leser der Reichstagsberichte wohl nur selten auf ihre Rechnung gekommen sein dürften. Die Schuld daran lag nicht am Reichstag, sondern an der Tatsache, daß die großen und interessanten Vorlagen der Session wie z. B. Reichsversicherungsordnung, Arbeitskammergesetz, Strafprozeßordnung und Gerichtsverfassungsgesetz nach­dem sie vor Östern die erste Lesung passiert, nicht mehr aus den Kommissionen an das Plenum zurückgelangen konnten, ein Schicksal, das sie bekanntlich mit dem ebenso wichtigen Gesetz über die Reichswertzuwachssteuer und dann noch mit dem Hausarbeitsgesetzt sowie mit dem Gesetz über die Abänderung der Telephongebühren und über die Errichtung eines Konsulats= und Kolonialge­richtshofes in Berlin teilen.

Vor Ostern und namentlich vor Weihnachten, wo die durch die Reich#finanzreform zwischen Rechter und Linker heraufbeschworenen Gegensätze aufeinanderplatzten, ging es im Reichstage heiß her, es regnete förmlich In­terpellationen, und die Etatsdebatten sowie die ersten Lesungen der oben genannten großen Gesetzentwürfe waren neben den Differenzen über die Handhabung der Geschäftsordnung ganz dazu geeignet, das Interesse des Lesers an den Reichstagsdebatten zu wecken und bei der durch den Tod des Grafen Stolberg veranlaßten Dop­pelwahl des Präsidiums die scharfen Gegensätze zwischen Konservativen und Zentrum einer- und Nationalliberaten Fortschrittlern und Sozialdemokraten andererseits zu enthürten und vielleicht noch zu erweitern. Nach Weihnach­ten und nach Ostern mußte das Interesse an den Reichs­tagsverhandlungen abflauen, weil einmal das Schwer­gewicht der gesetzgeberischen Tätigkeit immer mehr in die Kommissionen verlegt wurde und dann auch, weil die preußische Wahlreform bei ihrer hervorragenden Be­deutung auch für das Reich das ganze politische Leben beherrschte. Nur zwei Momente standen vielleicht in den Tagen nach Ostern im Vordergrund des Interesses, näm­lich erstens die Verabschiedung des Reichskaligesetzes, das der Reichstag im Schnelltempo zu ja soll man jagen guterletzt erledigte, und zweitens das Duell Erzberger­zrrnburg, wie es sich bei der Nachforderung für den letzten Rest der südwestafrikanischen Aufstandskosten ent­spann. Toch haben am Reichskaligesetz immer nur be­schränkte Kreise ein praktisches Interesse, und die Frage der Erzbergerschen Kriegssteuer hätte bei der Unüber­sichtlichkeit der ganzen afrikanischen Verhältnisse schwer­lich so viel Staub aufgewirbelt, wenn man darin nicht einen Vorstoß zur Beseitigung Dernburgs zu sehen ge­glaubt hätte, der aber weiter keine Folgen hatte.

So konnte es, abgesehen vom Reichskaligesetz, in der Hauptfache nur gesetzgeberischer Kleinkram sein, den der Reichstag nach Östern erledigte und der das Interesse an seinen Verhandlungen merklich abflauen ließ: Handels­vertrag mit Schweden, Abänderung des Handelsabkom­mens mit Aegypten. sowvie Abänderung der Berner Ueber­einkunft über Werke der Literatur und Kunst, und Ab­änderung der Konsulatsgebühren: Kolonialbeamtengesetz, Beamtenhaftung; Reichsbesteuerungsgesetz, Kriegsaus­gaben für Südwestafrika, Nachtragsetat für 1910, Ab­änderung des Reichsschuldbuchs; Posttaxgesetz, Gesetz über Entlastung des Reichsgerichts und Aenderung der Rechts­anwaltsordnung sowie schließlich das Gesetz über die Stellenvermittlung und die Bewilligung von Diäten für die während der Ferien tagenden Kommissionen, die sich mit der Strafprozeßreform und der Reichsversicherungs­ordnung zu beschäftigen haben werden. Nimmt man hinzu, daß der Reichstag vor Ostern neben dem Etat für 1910 und den verschiedenen Nachtragsetats für 1909 nur das Handelsprovisorium mit England, den Han­delsvertrag mit Portugal, mit Bolivien und der Union, sowie den Gotthardvertrag mit der Schweiz verahschiedet hat und im übrigen nur die Verschiebung der Witwen­und Waisenversicherung genehmigte, so wird man zu­geben müssen, daß der deutsche Reichstag während der 82 Sitzungstage seines jetzigen Tagungsabschnittes, zu­mal, wenn man die zahlreichen Interpellationen(Kieler Werft, Arbeitsnachweis im Ruhrrevier, Verfassungsfrage in Mecklenburg, Beamtenmaßregelungen in Kattowitz usw., Versicherung der Privatbeamten, Lage der Tabak­arbeiter, Mannsfelder Streik, Reichstagswahlreiht, Stra­ßendemonstrationen, Mülheimer Eisenbahnunglück) und die beiden Initiativanträge(Toleranzantrag und Kriegs­teilnehmerbeihilfen) hinzunimmt, zwar vielerlei, aber außer der Verabschiedung des Reichshaushaltsetats und des Reichskaligesetzes nichts grundlegendes geleistet hat.

Deutsches Reich.

Berliner Nachrichten.

In Berlin verstarb am Montag der ehemalige Staats­minister von Hofmann. Er war 1827 in Darmstadt ge­boren, wurde 1867 hessischer Gesandter in Berlin und nahm an der Ausarbeitung der Verfassung des Norddeutschen Bundes und an deren Beratung im Norddeutschen Reichstage teil. 1870 führte er zusammen mit Talwigk in Versailles die auf Fessens Anschluß an das Deutsche Reich bezüglichen Verhandlungen. Nach Berlin zurückgekehrt, blieb Hofmann zunächst dort als hes­sischer Gesandter und stimmführender Bevollmächtigter sens im Bundesrat. Ende 1872 aber trat er an die Spitze des hessischen Ministeriums und führte eine vollständige Reform der Verwaltung, außerdem die gesetzliche Regelung des Ver­hältnisses zwischen Staat und Kirche, eine neue Verfassung der wvangelischen Landeskirche und ein neues Wahl=, Pensions­und Schulgesetz durch. 1876 wurde Hofmann zum Präsidenten des Reichskanzleramts und zugleich zum preußischen Staats­minister ohne Porteseuille ernannt. PreiHahre später über­nahm er das preußische Handelsministerium. 1880 erfolgte seine Ernenmng zum Staatssekretär in der Regierung von Elsaß­Lothringen, wo er besonders im Landesausschuß den Stanopunkt der Regierung gegenüber klerikalen und franzöfischen Tenden­

zen mit großem Eiser verteidigte. Als im Jahre 1885 der Statt­halter von Manteuffel starb, führte der inzwischen in den Adels­stand Versetzte inierimistisch die Geschäfte der Statthalterei, bis Fürst Clodwig zu Hohenlohe den Statthalterposten über­nahm. 1887 nahm Hofmann seine Entlassung und wurde in den Ruhestand versetzt. Der Wirtschaftliche Ausschuß, dessen Tteitglieberzahl erhöht werden soll, trit am Freitag in der Pfingstwoche zusammen, um mit dem Staatssekretär des Inneren die drutsch=französischen Handelsbeziehungen zu er­örtern. Nach einer Erklärung des Vorsitzenden des Hansa­bündes in der Generalversammlung des Verbandes der Thü­ringer Industrielten in Weimar wird der Bund vornehmlich bemüht sein, agrarische Kandidaturen zu Fall zu bringen zu Gunsten solcher von Handel, Industrie und Ge­werbe.. Bei der Enthüllung der Moltke=Büste in der Walhalla zu Regensburg hielt der bayerische Kriegs­minister Frhr. von Horn eine bemerkenswerte Rede. Er wies darauf hin, wie bewundernswert nicht nur die seinem unermüd­lichem Schaffen entsprungenen Erfolge, sondern auch die beispiel­lose erhabene Scklichtheit sei, mit der er sie getragen. Die Worte, die Bismank auf seinen Grabstein setzen ließ,Ein treuer deut­scher Tiener seines Herrn waren auch Leitstern in Moltkes Leben. In ähnlichem Sinne sprach auch Generalstabschef von Moltke.

Vertrag mit der Kolonialgesellschaft ir zeutschsüdwestafrika.

Der Vertrag zwischen dem Staatssekretär Dernburg und der deutschen Kolonialgesellschaft in Südwestafrika wurde jetzt unterzeichnet. Der Fiskus erhält darnach 31½ Proz. Beteilt­gung an den von der Tiamanten=Gesellschaft erzielten Gewinnen und zwar nach einer Vorzugs=Tividende von 6 Proz. für die Anteilseigner. Die Sperre wird über den 1. April 1911 hinaus verlängert. Für die nach diesem Termine gefundenen Dia­mantenfelder und andere Mineral=Gebiete ist die Diamanten­Gesellschaft mit 50 Proz, zu beteiligen, während der Fiskus und noch etwa entstehende Gesellschaften mit der andern Hälfte zu beteiligen sind. Es ist dafür gesorgt, daß die Majorität für die Anteile der Diamanten=Gesellschaft, sowie etwa noch entstehender Gesellschaften in deutschen Händen bleibt.

Straßenreinigung.

Mit dem Gesetzentwurfüber die Straßenrei­nigung, den die preußische Regierung dem Landtag unterbrei­ict hat, hat sich der preußische Landesverband der Haus= und Grundbesitzervereine im allgemeinen einverstanden erklärt. Die wesentlichste Aenderung, die er wünscht, besteht darin, daß die Abwälzung der Straßenreinigungspflicht auf die Anlieger abgesehen ven der Reinigung der Bürgersteige von Schnee und Eis nur in den Gemeinden mit weniger als 10.000 Einwoh­nern zulässig ist. Ebenso soll nicht bloß der Eigentümer, sondern auch der Erbpächter, Nießbraucher und der Nieter eines Hershnsenie oder Grundstücks zur Reinigung verpflichter wer­

Die Schiffahrtsabgaben.

Der Arbeitsausschuß der Rheinschiffahrts=

cscsce elce ie esce echice de Sschce der geplanten Regelung, soweit sie jetzt bereits erkennbar sind, stellt dazu ausführlich begründete Forderungen auf Abänderung und resumiert sich dahin, daßdie bisher über die Einführung der Schiffahrtsabgaben auf dem Rhein bekanntgegebenen Ge­setzentwürfe und Organisationspläne an sich vollkommen un­genügend sind, um einen klaren Ueberblick zu gewinnen. Sie sind auch allem Anschein nach längst verlassen und durch andere uns bekannte Vorlagen ersetzt. Wir glauben ein Recht darauf zu haben, daß uns vor jeder Entscheidung die Pläne über die Strombauarbeiten, die Erhebung der Schiffahrtsabgaben und die Organisation des Zweckverbandes in einer geschlossenen, vollständigen und endgültigen Vorlage zu einer Zeit unterbreitet werden, wo wir Einwendungen noch mit der Möglichkeit der Verücksichtigung machen Kunen.

Einfuhr amerikanischen Schweinefleisches in Deutschland.

Die Untersuchung des amerikanischen Schweinefleisches bei der Einfuhr in Deutschland bleibt unverändert bestehen. Die neuliche Meldung, daß sie künftig unterlassen und die amerikanische Bescheinigung der Untersuchung als hinreichend angesehen werden solle, ist lautNordd. Allg. Ztg: falsch und beruht auf einer mißverständlichen Auffassung der Anweisung, daß bei der Einfuhr des Schweinefleisches beson­dere Trichinenschau=Atteste nicht zu verlangen sind. Der Grund zu dieser Anordnung liegt darin, daß eine Trichinenschau in den Vereinigten Staaten nicht mehr stattfindet und daher Atteste nicht mehr beigebracht werden können. Irgendwelche Einschränk­ung der durch die deutsche Gesetzgebung vorgeschriebenen Fleisch­Untersuchungen ist nicht erfolgt und nicht beabsichtigt. Bielmehr wird amerikanisches Schweinefleisch, das mit den erwähnten Untersuchungs=Zeugnissen versehen ist, ebenso wie alles andere aus dem Auslande eingehende Schweinefleisch nach den Bestim­mungen des deutschen Fieischbeschau=Gesetzes untersucht.

Französische Zollschikanen.

Ueber französische Zollschikanen wrid fortdauernd geklagt. Aus dem Material, das dem Hansa=Bund aus Kreisen der Interessenten zugegangen ist, seien hier einige Musterbeispiele besonderer Kleinigkeit und Schikane hervorgehoben: Eine Firma, welche in einer Kiste drei Glasspiegel im Werte von 20 Pfg., ein­führte, ohur, daß die Kiste die InschriftImporte'Allemagne trug, ist deshalb in eine Zollstrafe von 25 Franken genommen worden. In Frankreich hergestellte Waren, die in Deutsch­land weiterverarbeitet worden sind, sind bei der Wiedereinfuhr angehalten worden, da einImporte=Allemagne nicht ange­bracht war. Um die Einfuhr von Petroleum=Heizösen zu erschiweren, die zum großen Teil aus Schwarzblech bestehen und an welchen sich in geringem Umfange vernickelte Teile be­finden, wird jetzt verlangt, daß Fabrikate, deren Nickelteile mehr als 5 Proz. des Gesamtgewichts des in Betracht kommenden Objektes ausmachen, überhaupt als Nickelwaren zu verzollen sind. Auf diese Weise kostet ein Schwargblechofen, der früher 1,90 Franken Zoll forderte, jetzt 4,40 Franken Zoll. In zahl­reichen Fällen hat das Vorgehen der französischen Zollbehörde dahin geführt, daß der Handelsverkehr nach Frankreich auf­gegeben weiden mußte.

Guded

Zum Thronwechsel.

Bitte des Königs Georg an sein Volk, dieses möchte sich durch die Trauer um den König Eduard, im Sinne des Ver­torhenen, in seiner Pfingst=Erholung und seinem Pfingst­Vergnügen nicht stören lassen, hat die Popularität des Königs noch erhöht, zu der die erste offizielle Kundgebung des Monarchen vor dem Geheimen Rat bereits den Grund gelegt hatte. Auch die Theater sollen geöffnet bleiben und die großen Rennen in gewohnter Weise stattfinden; freilich unter Abwesenheit des Hofes. Die wirtschaftlichen Schädigungen infolge der Iostrauer sind ohnehin grog genug, Die großen Modewaren­Häuser und Hotels des vornehmen Westends erleiden einen Terli,, von vielen Millionen, da der Verkauf von Trauerkostümen allein den Gewinn aus tausend Modeartikeln nicht wettmachen kann. Die Londoner Blätter frohlocken, daß in der Ge­mahlin Georgs V. endlich einmal eine Königin#

englischem Blute auf dem Throne sitzt. Sie vergessen dabei allerdings, daß Georg., der Stammvater der Königin Mary, dem hannoverschen Hause angehörte. Den Brüdern der Königin, dem württembergischen Herzog von Teck, sowie den Prinzen Franz und Alexander von Teck, die seit 1887 das Prädikat Durch­laucht führen, wird der TitelKönigliche Hoheit verliehen. Unser Kaiserpaar begrüßte die nach London fahrende Zarin=Witwe, die Schwester der Königin=Mutter Alexandra, auf dem Schlesischen Bahnhofe in Berlin und geleitete sie in ihrem Salonwagen bis zum Bahnhof Charlottenburg. Eine offi­zielle Darstellung über die Todesursache König Eduards steht noch aus. Nach den Angaben der beteiligten Aerzte konstatieren die medizinischen Jvurnale, daß König Eduard eine Raucher=Kehle hatte. Die daher rührenden Anschvellungen und Kongestionen machten es ihm in Verbindung mit vermin­derter Elastizität der Lungen immer schwerer, den die Brust beengenden Schleim auszuwerfen. Der Blutumlauf durch die Lunge wurde gestört, der hierdurch bewirkte Truck auf das Hers. sührte, zur Herzschwäche, die den Tod herbeiführte. Die alltägliche Ursache des Todes älterer Personen. Gelegentlich der Proklamation des neuen Königs, die im ganzen britischen Weltreich und in allen nur erdenklichen Sprachen erfolgte, kam es wiederholt zu bedauerlichen Ausschreitungen. So herrschte z. B. in Sdinburg, obwohl alle Vergnügungs=Stablisse­ments geschlossen waren, allgemeine Betrunkenheit. Auf den Straßen spielten sich so wüste Szeuen ab, daß 86 Personen ver­haftet werden mußten. In Erfüllung eines Wunsches des ver­storbenen Königs soll dessen Brüder, der Prinz von Connaught angeblich zum Gouverneur von Kanada ernannt werden.

London, 10. Mai. König Georg empfing heute morgen den Premierminister Asquith im Marlborough­house. Nachmittags hielt der König eine Sitzung des Geheimen Rates im Marlbouroughhouse ab. Der Pre­mierminister Asquith, die Minister Lloyd George, Win­ston Churchill, Crewe Morley, Sir Edward Grey, Hal­dane und andere waren zugegen. Die Minister über­reichten formell ihre Portefeuilles dem König, der sie ihnen sofort zurückgab.

London, 10. Mai. Bei Beginn der Sitzung im Untemhaus verlas der Vertreter des Sprechers eine große Anzahl von Beileidskundgebungen der verschie­densten Pariamente. Sodann schritten die Mitglieder zur Eidesleistung. Der Premierminister war heute nicht anwesend. Er wird morgen die Botschaft des Königs überbringen, in der dem Hause der Tod des Königs Eduard amtlich bekanntgegeben wird. DDer Premiermi­nister wird alsdann die Antwortadresse vorschlagen.

Amerika.

Gegen das deutsche Kaligesetz protestiert Ame­rita. Der Botschafler Hill in Berlin erhielt von dem Staats­Tepartement in Washington die Anweisung, bei der deutschen Regierung dahin vorstellig zu werden, daß die vom Reichstage geplante Monopolisierung der Kalli=Industrie gegen die deutsch­amerilanischen Handelsbeziehungen gerichtet sel. In den Kreisen der amerilanischen Abnehmer und Kalihändier, besonders aber in denen der zahlreichen Käufer künstlichen Düngers, herrscht große Erregung.

Griechenland.

Ein Tekret gibt 70 Offizieren ihre Pensionie­rung bekannt. Die betroffenen Offiziere erhoben öffentlich Prokest bagezen.

Ausland.

Oesterreich=Ungarn.

Erzherzog Karl Franz Josef, der im 23. Lebens­jahrs stehende künftige österreichische Thronfolzer. Sohn des verstorkinen Erzherzogs Otto und der Prinzessin Maria Josefa von Sachsen, wird sich laut Voss. Ztg. anläßlich des bevor­stehenden Wiener Besuches des Königs Karl von Rumänien mit der Prinzessin Elisabeth von Rumänien, der im 16. Lebensjahre stehenden Tochter des rumänischen Thronfolgers, Prinzen Fer­dinand, und der Prinzessin von Koburg verloben. Die Häuser Habsburg und Hohenzollern treten dadurch zum zweiten Male in der Geschichte in verwandtschaftliche Beziehungen.

Ter Koiser besuchte am Tienstag den König von Schweden. Der Besuch währte etwa eine halbe Stunde. So­dann empfing der Kaiser den Gegenbesuch des Königs. Kie Begegnung hatte einen sehr herzlichen Charakter.

Spanien.

Nach einer amtlichen Meldung aus Melilla haben spanische Truppen bei Jardu eine befestigte Stellung bezo­

gen und drei Kompagnien dort als Besatzung zurückgelassen.

Von Hah und Fern.

Amtliches über den Schiffbruch des Z2 II.

Die Berliner Korresponden z bringt über den Un­glücksfall des B 2 Mitteilungen, worin es heißt: In

dem Programm der Kölner Uebung war eine Fernfahrt mit Zwischenlandung vorgesehen. Der Wetterdienst während der

Uebung war sorgfältig eingerichtet. Das Gutachten der meteoro­logischen Sachverständigen am 22. April vor der Fahrt nach Homburg bezeichnete das Wetter für die Hinfahrt günstig: für die Rückfahrt müsse das in Aussicht stehende Drehen des Win­des über Westen nach Südwesten abgewartet werden. Für die Rückkehr der Schiffe war am Nachmittag des 23. April das sach­verständige urtei, dahin abgegeben worden, daß die vorausge­sagte Trehung des Windes auf West und Südwest bereits erfolgt sei. Die baldige Abfahrt wurde vorgeschlagen. P. 2 suyr deshalb gegen Abend ab und traf um 1 Uhr nachts in Köln ein, nachdem er in der Höhe von Koblenz und Bonn durch heftigen Wind einen Aufenthalt von einer Stunde gehabt hatte. Der Führer des=schiffes trug Bedenken, eine Nachtfahrt zu machen. Die schwere Heimfahrt des=Schiffes ist ein Beweis, daß die Be­denken Lerechtigt waren. Das wezen des Zurückbleibens des 3 2 eingeholte meteorologische Gutachten lautete, daß auch der Vormittag des 24. April nicht ungünstigere Wetterbedingunzen bieten werde, als der Abend des 23. April. Es sei jedoc, ge­raten, bei Togesgrauen abzufahren. Die Arbeiten zur bereitmachung hatten um vier Uhr morgens begonnen. Da aber bei zwei Gassäken die Ventile undicht geworden waren, wurde die Abfahrt bis kurz vor 8 Uhr verzögert. Wäre sie um 6 Uhr morgens angetreten worden, so würde der Verlauf voraussichtlich glatt gewrsen sein. Die Fahrt verlief zunächst ohne Eihrung, Im Rheingau steigerte sich aber der Wind unter allmählicher Trehung nach West derart, daß das Schiff bei Hallgarten nicht mehr vorwärts kam. Der Führer entschloß sich, in nördlicher Richtung abzubiegen. Es gelang jedoch kaum, in nördlicher Rich­tung die Fahrt zu halten. Der Führer entschloß sich zur randung, die zwei Klometer südlich vom Bahnhof Limburg um.05 Uhr nachmittags sich glatt vollzog. Der Landungsort war richtig gewählt. Die Verankerung erfolgte in einer Weise, wie sie auch vom Grafen Zeppelin angewendet wird. Die ge­troffenen Anordnungen wurden von dem am nächsten Tage eingerroffenen Kommandeur des Luftschifferbataillons für sach­gemäß befunden. Eine plötzlich auftretende starke Böe faßte um 1 Uhr, also 23 Stunden nach der Landung, das Schiff von der Seite und schleuderte es herum. Hierbei löste sich die Be­festigung des Bügels am Laufsteg und die innere Ankertrosse scherte die vorderen Stäbe des Laufsteges ab, wahrscheinlich trat das Ankerseil dadurch ruckweise in Spannung: es riß: Ein Hal­ten des Schiffes durch die Mannschaften war ausgeschlossen, und es mußte, um Menschenleben nicht zu gefährden, der Befehl zum roslassen der Leinen gegeben werden. Gegenüber der Behaup­tung, zwischen dem Führer des Schiffes und dem Ingenieur, der die eigentliche Führung des Schiffes gehabt habe, hätten Tifferenzen bestanden, wird auflärend bemerkt, daß es nach der Tienstordnung nur einen Führer gibt, dem der Ingenieur unterstellt ist. Die angestellte Untersuchung hat ergeben, daß die behaupteten Difserenzen nicht bestanden haben. Gegenüber

der Ansicht, daß durch den Unglücksfall ein Nachteil des star­ron Systems bewiesen worden sei, wird bemerkt, daß sämtliche bei der Armee eingeführten Luftschifffysteme ihre Schwächen und Vorzüge hätten. Ein vollkommenes System gibt es nicht und wird es auch in absehbarer Zeit nicht geben, jedoch ist zu hofsen, dag bei der Gewinnung weiterer Erfahrungen eine größere Sicherheit der Luftschiffbetriebe eintreten wird. Ta wir aber stets abhängig bleiben von Wind und Wetter, so werden, wie auf dem Mrere, Unglücksfälle sich nicht immer vermeiden lassen.:

Roosevelt in Berlin.

Interessante Einzelheiten vom Besuche Roosevelts werden noch mitgeteilt. Der Zustrom der amerikanischen Reisenden nach Berlin ist ungeheuer. Die auf dem Lehrter Bahnhof eintreffenden Züge waren von Ameri­kanern überfüllt. Roosevelts Reisegeväck bestand aus

15 riesigen Lederkoffern, das mitT. R. Newyork sig­niert und über und über mit weißen, roten und blauen Bettelchen versehen war, die bei den vielen Zollrevisio­nen in den verschiedenen Ländern während der langen Reise zur Kontrolle aufgeklebt waren. Auf die Be­grüßungsworte des Freiherrn von Schoen antwortete Roosevelt, es tue ihm außerordentlich leid, daß aus so trauriger Veranlassung das Programm, das der Kaiser in überraschend liebenswürdiger Weise befohlen habe, eine Aenderung habe erfahren müssen. Trotzdem freue ex sich, daß sein langgehegter Wunsch in Erfüllung gehe und er Geregenheit habe, Deutsch­tands ritterlichen Herrscher persönlich kennen zu lernen. Ich bedaure nur, schloß Roosevelt,daß ich so heiser bin und kaum ein Wort reden kann. Dem Publikum winkte Roosevelt immer und immer wieder grüßend zu, manchmal wies er in komischer Verzweiflung pantomi­misch auf seine Heiserkeit hin, weil man offenbar er­wartet hatte, er werde einige Worte sprechen.

Berlin, 11. Mai. Roosevelt empfing gestern mor­gen einen Berliner Pressebertreter und sagte zu ihm u..:Ich freue mich außerordentlich, Sie als ersten deutschen Pressevertreter begrüßen zu können. Mein Ver­liner Aufenthalt ist ja auf volle sechs Tage berechnet, und da hoffe ich, noch Gelegenheit zu haben, öfter mit Ihnen zu sprechen. Es interessiert mich sehr, Deutsch­land wiederzusehen, wo ich glückliche Tage als Student verbracht habe. Auf das Zusammentreffen mit Ihrem Kaiser, den ich außerordentlich verehre, bin ich sehr ge­spannt. Die Freundlichkeiten, die er, wie die deutschen Staatsbehörden, mir bisher erwiesen haben, verpflichten mich außerordentlich. Es wäre mir angenehm, wenn Sie meinen Gefühlen der Dankbarkeit und der Bewun­derung für das deutsche Volk in der Presse Ausdruchk geben würden.

DieNordd. Allg. Btg. widmet dem Exprä­sidenten Roosevelt einen überschwänglichen Leitarti­kel, in dem sie u. a. schreibt:Wenn die Tage, die Herr Roosevelt in Berlin verbringen wird, wegen des Ablebens König Eduards äußerlich, stiller verlaufen, so wird die Wärme der Empfindung, die ihm bei uns ent­gegengebracht wird, darum doch nicht geringer sein.

Berlin, 10. Mai. Bei Roosevelt stellte Ge­heimrat Professor Fränkel Kehlkopfkatarrh als Jolge von Bronchitis fest, eine Erkrankungsform, die bei Personen, die längere Zeit in tropischen Gegenden ge­weilt haben, häufig vorkommt.

Döberitz(Truppenübungsplatz), 11. Mai. Anläß­lich der Anwesenheit Roosevelts wurde heute vormittag eine große Truppenübung abgehalten. Die An­märsche der Parteien, denen beiden Truppen aller drei Waffengattungen zugeteilt waren, begannen schon um 8 Uhr. Das Gefecht wurde mit einem langen Ar­tilleriekampf eröffnet, worauf die Infanterie und Ka­vallerie sich entwickelten. Der Kaiser, die Prinzen des Königshauses, soweit sie nicht, wie der Kronprinz, eingetreten waren, waren Zuschauer. Sie hatten in dem ehemaligen Dorfe Döberitz ihre Automobile verlassen, waren zu Pferde gestiegen und verfolgten den Verlauf des Gefechtes meistens vom Mühlenberge aus, von dem man bei schönem Wetter nach Norden und Süden einen gleich schönen Ausblick hatte. Um halb 1 Uhr wurde Kritik abgehalten. Nach der Kritik fand ein Vor­beimarsch der beteiligten Truppenteile statt. Die In­fanterie ging in Regimentskolonnen vorüber. Der Vor­beimarsch endete gegen 2 Uhr. Hierauf begab sich der Kaiser nach dem Neuen Palais und Roosevelt nach Berlin zurück.

*

Wie unangenehm ein Doppelgänger werden kann, bewies eine Gerichtsverhandlung in Ver­lin. War da ein junger Müßiggänger auf der Straße von einer jungen Dame als der Gardeleutnant Soundso angesprochen worden, mit dem er eine auffallende Aehn­lichkeit besaß. Der junge Herr hielt die ihm zugewor­fene Rolle fest, ließ sich in den Kreisen der jungen Dame auch als der Oberleutnant einführen und lebte herrlich und in Freuden. Nun erfuhr aber ein verlassenes Schätzchen des richtigen Leutnants von dem Treiben des vermeintlichen Ungetreuen und flugs schrieb es dem Oberst des betreffenden Regiments einen langen Schreibe­brief. Der richtige Leutnant wurde zum Oberst befohlen, um hier ein heiliges Donnerwetter in Empfang zu neh­men, verließ aber den Gestrengen als Reingewaschener, da man dahinter kam, daß eine grobe Mystifikation vor­liegen müsse. Bald hatte man denn auch die Streiche des Doppelgängers aufgedeckt. Der aufgebrachte Leut­nant klagte und der Toppelgänger erhielt 300 Mark Geldstrafe.

Ueber das neue englische Luftschiff, von dem in der Londoner Presse bereits viel Aufhebens gemacht wird, werden einige nähere Angaben bekannt. Danach bestätigt sich, daß die englischen Konstrukteure bei dem Modell unseres Zeppelin=Fahrzeuges große An­leihen gemacht haben. Der Ballon ist starr, daß Ge­rippe besteht jedoch nicht aus Muminium, sondern aus einem noch leichteren, aber doch haltbaren Metall, des­sen Zusammensetzung einstweilen Geheimnis ist. Der Ballon ist ebenso wie beimZeppelin in eine Anzahl Easkammern geteilt, die auch doppelten Tuchbezug er­halten. An Größe soll das neue englische Luftschiff den längstenZeppelin übertreffen. Mehrere Motore sol­len dem Fahrzeug eine Geschwindigkeit von 70 Kilo­metern in der Stunde geben.

Englische Missionare haben berichtet, daß unter den Eingeborenen der Savage Islands, die erst kürzlich einige Europäer erschlugen und verspeisten, die Menschenfresserei als Kultus betrieben werde. Die Ab­schlachtung eines Gefangenen ist mit großem religiösem Zeremoniell verbunden. Die Sache ist übrigens nicht neu. Bei den meisten Stämmen der Südseeinjulaner herrscht der Plaube, daß die Kraft eines erschlagenen Feindes auf die übergehe, die seinen Körper verspeisen.