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Pererst=angu. kr. 12. Amtliches Kreisblatt für den Stadt= und Landkreis Mülheim a. d. Ruhr.

Offizielles Organ für die amtlichen Veröffentlichungen des Kreisausschusses, des Amtsgerichts, der Stadtverwaltung und der Landbehörden.

Chefredakteur: H. Ottweiler, Mülheim(Ruhr). Verlag: Mülheimer Zeitung G. m. b. H. Druck von Ernst Marks in Mülheim(Ruhr). Hauptgeschästsstelle: Eppinghoferstraße 38.

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Marktplatz.

K 8

10. März 1910

38. Jahrgang

Die heutige Nummer umfaßt 8 Seiten.

Deutsches Reich.

Berliner Nachrichten.

Prinz Joachim, der jüngste Sohn des Kaiser­raares, wird, einer Meldung derVoss. Ztg. zufolge, den Seemannsberuf ergreifen. Er wird, sobald er die Prinzenschule in Plön verlassen haben wird, in die Kriegsmarine eintreten. Der Gouverneur von Deutsch­Ostafrika, Freiherr v. Rechenberg, kehrt nach Been­digung seines Urlaubs auf seinen alten Posten zurück.

Das preußische Staatsmin isterium hielt, wie am Montag, so auch am Dienstag wieder eine Sitz­ung ab, die möglicherweise dem Wahlrechtsgesetzentwurf und der Stellungnahme der Regierung zu der umgeänder­ten Vorlage gegolten hat. Die Freifahrkarten für die Landtagsabgeordneten vom Wohnsitz nach Berlin und zurück dürften nunmehr gesichert sein. Das Staatsministerium beschäftigte sich damit in der heutigen Sitzung und genehmigte gründsätzlich die Be­willigung der Freifahrkarten. Die Einführung soll auf dem Verwaltungswege erfolgen, sobald einige Bedenken und formale Schwierigkeiten beseitigt sind. Die Be­freiung von der Jagdscheinabgabe in Preu­ßen ist, wie in einer ministeriellen Erklärung ausge­führt wird, nur bei solchen Personen zulässig, die mit dem Forstschutz betraut sind. Zu diesen können auch Per­sonen zählen, die eine andere Stellung als die eines Forstschutzbeamten oder Oberförsters bekleiden, denn bei­stieisweise können auch Forsträte und Oberforstmeister in die Lage kommen, den Forstschutz praktisch auszuüben.

Zur Wahlrechtsvorlage.

Für das Schicksal der Vorlage scheint alles daron abzuhängen, ob die Nationalliberalen dem Kom­promiß der neuen Mehrheit beitreten, da die Regierung kein Wahlgesetz gegen die Nationalliberalen machen möchte. Das wenigstens ist der Kern der vielen und langen Erör­terungen, die in den Blättern über den Gegenstand ge­pflogen werden. Nun hat aber namens der national­liberalen Fraktion deren Führer Friedberg erklärt, daß die Wahlrechtsvorlage der Regierung die Zustim­mung seiner Partei niemals finden werde, ebenso wenig das Kompromiß der Kommissionsmehrheit. Da wer­den wir Genaueres wohl erst zu Ostern wissen.

Herr Wetterle M. d. N.

Dem elsässischen Reichstagsabgeordneten Wetterle wurde von der Pariser Studentenschaft für seineVerdienste um die französische Kul­tur ein Ehrengeschenk in Gestalt einer wert­vollen Bronze dargebracht. Herr Wetterle war über diese Ehrung hocherfreut, zumal er in ihr zugleich einen kleinen Nadelstich gegen die Gräfin Wedel, die Gemahlin des Statthalters der Reichslande, erkannte. Ueber das Kotillongeschenk der Gräfin an Herrn Wetterle sind die leitenden Stelten des Reiches jedoch zur Tagesordnung übergegangen, und die Pariser Studentenschaft täuscht sich, wenn sie glaubt, durch ihr Vorgehen die Sache noch einmal in Fluß zu bringen. Dagegen kann man erneut fragen, wie kommt Herr Wetterle eigentlich dazu, im deutschen Reichstage zu sitzen? Daß er dahin nicht gehört, sollte er doch selbst einsehen.

Aus den Kommissionen.

Die Budgetkommission des Reichstages erledigte den Etat des Reichs=Eisenbahnamts, ohne an dem Entwurf Aenderungen oder Abstriche vor­zunehmen und bemängelte bei der Beratung des Etats des Reichsschatzamtes die unzweckmäßige Gestalt der neuen 25 Pfennigstücke, während die neuen 3 Markstücke gelobt wurden. Beim Etat der Reichseisenbahnen warnte Präsident Wackerzapp vor einer Ueberschätzung der gün­stigen Konjunktur. Die Eisenbahneinnahmen haben sich zwar seit Dezember vorigen Jahres etwas gehoben, man weiß aber noch nicht, ob die Besserung anhalten wird. Die Lage der Eisenbahnarbeiter ist günstig. Die Löhne sind seit 20 Jahren um 39,8 Prozent, seit zehn Jahren um 18,5 Prozent, seit 5 Jahren um 15.5 Prozent und seit 1908 um 3,7 Prozent gestiegen und somit den Arbeits­markt=Verhältnissen gefolgt. Trotz des zeitweiligen Ver­kehrsrückganges erfolgten weder Arbeiterentlassungen noch Lohnkürzungen. Viele Arbeiter gehen in das Beamten­verhältnis über. Die Erklärungen des Ministers wur­den zu Protokoll gegeben.

Der Streit Kautzky=Umbreit vor dem Parteisorum.

Der Gewerkschaftsstatistiker Umbreit und Kauts­ky, der Parteipapst der unfehlbaren Lehre, sind hart aneinander geraten. Das ist sehr erklärlich, weil Kautsky der angestammten Verelendungstheorie wegen die ge­werkschaftlichen Erfolge hinwegdisputiert und der Ge­werkschaftler Umbreit durch dieseRoßtäuscherkünste", wie er es genannt hat, seinen statistischen Nachweis der erfolgreichen Gewerkschaftsarbeit bedroht sieht. Diesen Streit hat Kautsky schließlich wie folgt zugespitzt:

Hat Umbreit recht, dann verdiene ich nicht tänger ren Ehrennamen eines Sozialdemokraten und noch weniger ein Vertrauensamt in der Partei, dann bin ich ein ehrloser Fälscher. Bin ach es nicht, dann ist Umbreit ein scham­loser Verleumder

Wer soll nun zwischen diesen beiden Möglichkeiten entscheiden? Am besten wäre es, es würde ein pari­tätisches Schiedsgericht von Partei und Gewerkschaften eingesetzt. Aber bazu kommt es wohl nicht. Kautsky hat seine Sache dem Parteivorstand übertragen, bei dem sie sicher ruht. Ihn wollen die Gewerkschaften erklärli her­weise in diesem Pünkte nicht als Richter anerkennen. Das gewerkschaftliche Zentralorgan teilt nämlich mit: Ob wir mit unserer Polemik gegen Kautsky im Rechte waren, darüber werden gewerkschaftliche Instanzen zu entscheiden haben. So wird jedes Gericht seinen Klien­ten decken und man wird immer noch nicht wissen, ob Herr Kautsky ein ehrloser Fälscher oder Herr Umbreit ein schamloser Verleumder ist.

Polizeipräsident von Jagow

Der Berliner Polizeipräsident hat keinen leichten Stand, denn die Polizei hat nun einmal mehr Kritiker als Bewunderer. Herr von Jagow insbesondere, der sich mitten in die Wahlrechtsdemonstrationen bei seinem Amtsantritt hineinversetzt sah, findet nur in der kon­servativen Presse des Inlands Zustimmung; von den

freisinnigen, den nationalliberalen und den Zentrums­blättern des Reiches wie von nahezu allen größeren Organen des Auslandes wird er wegen seines Verhaltens am letzten Berliner Wahlrechtssonntag scharf angegriffen. Herr von Zagow selber ist von dem Resultat seiner Maß­nahmen befriedigt, wie aus den Worten der Anerkennung hervorgeht, die er seinen Beamten zollte. Danuch ist offenbar auch die preußische Staatsregierung mit der Taktik des Herrn von Jagow einverstanden. Und hat: die Sitzung des preußischen Staatsministeriums am ver­gaugenen Montag der Wahlrechtsdemonstration und ihrer Bekämpfung gegolten, so hat man dort wahrscheinlich eine schärfere, nicht aber eine mildere Tonart als not­wendig erkannt. Bis zum 18. März, dem Gedenktage der Berliner Revolution von 1848, werden die Stra­ßendemonstrationen kaum=verschwinden. An dem genann­ten Tage tritt auch das preußische Abgeorduetenhaus nach Erledigung der Wahlrechtsvorlage die Osterferien an. Da häufen sich also die erregenden Momente und lassen nichts Gutes erwarten. Abergläubische denken so­gar daran, daß der 18. März diesmal auf einen Frei­tag fällt.

Das Schleppmonopol.

Die dem Gesamtwasserstraßenbeirat zugegangene Vor­lage über die gesetzliche Einführung des Schleppmono­pols auf dem Rhein=Weser=Kanal wird jetzt veröffentlicht. Ueber den Geltungsbereich heißt es in der Vorlage:

Nach dem Wasserstraßengesetz soll der Staat unter Ausschließung privaten Wettbewerbs die Schleppkraft er­halten: auf dem Kanal vom Rhein zur Weser und nach Hannover(307 Kilometer lang), auf der auszubauenden Lippewasserstraße von Wesel bis Lippstadt(139 Kilo­meter), auf den Zweigkanälen, die von diesen Schiffahrts­straßen nach Dortmund(16 Kilometer), Herne(3 Kilo­meter), Osnabrück(15 Kilometer), Minden(1 Kilometer) und Linden(11 Kilometer) abzweigen. Der Schlepp­betrieb ist auf den Wasserstraßen nach ausdrücklicher Vor­schrift des Gesetzes einheitlich einzurichten. Was ins­besondere den Rhein=Hannover=Kanal angeht, so bildet sein Mittelglied die 101 Kilometer lange Strecke des be­stehenden Dortmund=Ems=Kanals von einem rund drei Kilometer östlich von Herne gelegenen Punkte bis Be­vergern. Die Strecke kann mithin als solche nicht räum­lich aus dem Monopolbereiche ausgeschieden werden.

Heer und Flotte.

Diesjährige Kaisermanöver.

Die Kaisermanöver zwischen dem 1. und 17.1 Armeekorps finden nach derNeuen politischen Korre­spondenz vom 6. bis 10. September statt. Als Manö­rertlatz ist die Gegend zwischen der unteren Weich­sel und der Passarge bestimmt. Die Kriegsgliederung der beiden Korps, die der Chef des Generalstabs der Armee der kaiserlichen Genehmigung unterbreitet, wird bis zu den Manövern geheim bleiben. Ueber eine Be­teiligung der Flotte verlautet noch nichts, doch gilt dies nicht für ausgeschlossen.

Den eben ergangenen kaiserlichen Bestimmungen über größere Truppenübungen im Jahre 1910 ent­nehmen wir für die Armeekorps in unseren Provinzen: Beim 7. und 8. Armeekorps wird je eine Kavallerie­division aufgestellt. Die Kavalleriedivisionen halten auf den Truppenübungsplätzen Senne und Elsenborn Gefechtsübungen ab. Ueber die Besichtigung der Kavalle­riedirisionen werde ich besonders verfügen. Bei der Zeit­einteilung für die Uebungen der Armeekorps, die nicht vor mir Manöver haben, sind die Ernteverhältnisse mög­lichst zu berücksichtigen. Alle Fußtruppen müssen bis zum 30. September 1910. dem spätesten Entlassungstage in ihre Standorte zurückgekehrt sein.

Ausland.

Rußland.

Die russisch=österreichischen Verhandlun­gen, welche die Wiederaufnahme der alten freundschaftlichen #rlomatischen Beziehungen zwischen den beiden Ländern zum Ziele haben, rücken nur langsam vorwärts, sind aber weder ins Stocken geraten noch gar gescheitert. Es ist erfreulich, daß jetzt auch Rußland öffentlich Wert auf die baldige Wiederher­stellung des alten Verhältnisses legt.

Drient.

König Peter von Serbien, der gegen Ende die­

ses Monats seinen Besuch beim Zaren abstattet, berührt auf der Rückreise möglicherweise Wien und besucht Rom. Auch daraus ersieht man, daß in Petersburg keine Oesterreich feind­liche Balkanpolitik getrieben wird. In Rom hatte übrigens auch der griechische Kronprinz Konstantin Unterredungen mit den leitenden Ministern.

Marokko.

Die Unzufriedenheit Frankreichs mit seiner Politik läßt

sich der marokkanische Sultan Mulay Hafid so wenig zu Herzen gehen, daß er sogar an eine neue Heirat denkt. Er wird die Tochter des Beis von Fez in seinem Harem aufneh­men. Einige Berichte meinen allerdings, der Sultan tue diesen Schritt, um sich darüber zu trösten, daß er den Anleihevertrag mit Frankreich unterzeichnete. Im Schausa=Gebiete und anderen Teilen Marokkos soll unter den Eingeborenen eine so starke Verstimmung gegen Frankreich herrschen, daß man den Ausbruch neuer Unruhen befürchtet.

Aus Ceuta wird über Gibraltar gemeldet: Im Mai vorigen Jahres begannen Genietruppen den Bau zweier Stra­ßen, die Ceuta einerseits mit Tetuan und andererseits mit Tanger verbinden sollten. Als es zu den Kämpfen bei Me­lilla kam, wurden die Arbeiten eingestellt. Seither ist die Be­satzung beträcktlich verstärkt worden und zühlt jetzt unzefähr 12 000 Mann. Auch Munition und Material zum Bau von Ba­racken wurde andauernd in aller Stille nach Ceuta gebracht, und Lebensmitteldepots wurden errichtet. Es geht das Ge­rücht, daß die Zitadelle 100 Geschütze besitzt, abgesehen von denen, die Ceuta bereits früher besaß. Die Uebungen und Märsche, die sich über die Grenzen des spanischen Lagers hin­aus erstrecken, machen auf die benachbarten Stämme einen gro­ben Eindruck. Wie versichert wird, soll der Bau der Straßen nach Tetuan und Tanger im April oder im Mai wieden be­gonnen werden. Man befürchet, daß die Arbeiten zu Zwi­schenfällen Veranlassung geben werden.

Von Hah und Fern.

Die Zweimillionensammlung Roseggers abgeschlossen.

Ter tausendste Baustein für die Rosegger=Stiftung ist jetzt auch gezeichnet worden. Rosegger hatte für die Erreichung dieses Zieles fünf Jahre festgesetzt, während diese Summe in kaum einem Jahre zusammengebracht worden ist. Peter Rosegger veröffentlicht in der Grazer Tagespost folgenden Brief: Vor

elf Monaten habe ich die Anregung gegeben, es möchte durch 1000 gegenseitig bedingte Zeichnungen von je 2000 Kronen eine Summe von 2 Miltionen Kronen gesammelt werden für einen Schutzfonds zur Gründung und Erhaltung deutscher Schulen

an den Sprachgrenzen, nicht zum Augriff auf Nachbarvölker, nur zum Schutz unseres eigenen Volles. Zu meiner Freude hat sofort die Hauptleitung des Teutschen Schulvereins in Wien diese Auregung aufgegriffen, um im Verein mit mir und in meinem Sinne die Aktoon durchzuführen. Run ist die Arbeie vollbracht, der tausendste Baustein ist gezeichnet. Somit schetrachte ich meine Aufgabe für gelöst und überlasse das Werk mit seiner weiteren Arbeit und Verantwortlichkeit dem in nationialen Röten unseres Volkes wohlerfahrenen Deutschen Schulverein, an den man sich von jetzt ab in allem, was diese Sammlung betrifft, direkt wenden möge. Der Teutsche Schul­verein wird die gezeichneten Beträge einziehen und sie nach unserer Vereinbarung im Sinne der Spender verwalten und verwender. Bei der Hauptversammlung des Teutschen Schul­vereins zu Pfingsten dieses Jahres in Graz werden die sich darauf beziehenden Rechenschaften gelegt und Beschlüsse gefaßt werden. Unser Ziel ist nicht boß erreicht, sondern überschritten. Mit dem Erfolge ist die Opferfreudigkeit noch gewachsen, und ich bin der Zuversicht, die vom Deutschen Schulverein stott fortgeführte Sammlung wird weit in die dritte Million hin­eingehen. Rosegger schließt mit der Bemerkung, er nehme sehr leichten Herzens von den Millionen Abschied. Doch tiefbe­wegt dränge es ihn, allen und jedem Mitwirkenden zu danken für die beispiellose gemeinsame Opferwilligkeit, durch die die­ses nattonale Werk zustande gekommen sei.

Ein ungetreuer Liquidator.

Paris, 8. März. In politischen Kreisen hat die Verhaf­tung des gerichtlichen Liquidators Duez großes Aufsehen her­vorgerufen. Tuez gestand, daß er bei der Liquidation der Kongregationsgüter vier Millionen Francs und bei der Liquidatton anderer ihm vom Gericht zugewiesener Geschäfte eine Milion veruntreut habe. Der Verhaftung war auf An­weifung der Staatsanwaltschaft eine Prüfung der Bücher des Liqnidators vorausgegangen, mit der ein Buchführungssachver­ständiger betraut worden war. Die Untersuchung zog sich etwas in die Längs, als man plötzli riefige Unterschla­gungen entdackte. Der Staatsauwalt forderte hierauf von

Lucz Aufklärung, Tieser versicherte, ir 24 Stunden diese Summe herbeischaffen zu wollen, deren Verschleuderung man ihm vor­warf. Da Tuez dieses Versprechen nicht hielt, ließ ihn der Staatsanwalt verhaften.

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Feuer auf einem deutschen Kriegsschif Ein gefährliches Zeuer wütete an Bord des im Kieler Hafen Fegenden neuen LinienschiffesPosen. Ein Arbeiter hatte aus Unachtsamkeit ein Licht stehen lassen, durch das die großen zur Lagerung der Munition dienenden Regale in Brand ge­rieten. Das Zeuer entwickelte eine solche Hitze, daß die einein­halb Zentimeter starken Eisenplatten der Ummantelung sich bogen. Es war für die Feuerwehrleute außerordentlich schwer, an den Brandherd zu gelangen, da das ganze Unterschiff voll­Ländig verquaimt war. Die Reparatur wird mehrere Wochen in Anspruch nehmen.

Parzeslierung eines Fürstenschlosses. Tas Palais des Fürsten von Pless in der Wilhelmstraße in Berlin ist parzelliert und an eine Baugesellschaft und eine Bank ver­kauft worden. Anstelle des Palais sollen Geschäftshäuser ent­stehen. Tamit wird der vornehmste Teil der Berliner Wilhelm­straße eine Umwandlung erfahren, die man bisher kaum für mög­lich gehalten hätte. Neben dem Reichskanzler=Palais, in der Nähe der höchsten Reichs= und Staatsbehörden sollen Läden aufgemacht werden.

Die Passagierfahrten der Zeppelin=Ge­sellschaft, die Ansang Mai von Friedrichshafen aus ihren Anfang nehmen, kosten 200 Mk. pro Person. Gelegentlich follen indes auch billigere Fahrten zu 75100 Mk. pro Person, z. an den Pfingstfeiertagen, veranstaltet werden, um weiteren Kreisen Celegenheit zu einer Lustsahrt zu bieten. Da werden dieweiteren Kreise sich aber doch wohl vorläufig noch in be­stimmten engen Grenzen halten!

Erkneift, nämlich der italienische Abgeordnete Chiesa, dem wegen seiner Beleidigung der italienischen Geneväle in der Angelegenheit der Frau von Siemens eine Reihe von Luellen angetragen worden ist. Der Ehrenrat, der zweifellos Herrn Chiesas Leben schonen will, diktierte für das erste Duell, das mit dem General Cossato auszufechten war, so milde Bedingungen, daß der General verzichtete und die Angelegenheit auf aufere Weise auszutragen erklärte. Jetzt muß Herr Chiesa entweber vor Gericht, oder aber der General läßt ihm erziehe­rische Maßnahmen angedeihen.

Abdul Hamid ist physisch gesund, leidet aber an aus­gesprochenem Verfolgungswahnsinn. Von seinen eigenen Kindern befürchtet er, daß sie gegen ihn ein Attentat verüben könnten. Vor der türkischen Flotte hat Abdul Hamid große Angst; er zittert, wenn er ein Kriegsschiff sieht. Er fürchtet, daß man ihn auf einem Kriegsschiff gefangen setzen, dieses anbohren und ihn so ins Meer versenken könnte.

Der Prozeß gegen die russische Gräfin Tarnowska in Venedig hat bereits unzählige Feuilletonisten­Jedern in Bewegung gesetzt, die mit mehr oder weniger Geschick die Dämonennatur der Angeklagten schildern, die durch uner­klärliche Kräfte ihre Aubeter in den Bann schlug und ihren Ab­sichten dienstbar machte. Das ist eine Erscheinung, die bei allen großen Mordprozessen bisher aufgetreten ist. Was ist, um nur das letzte Beispiel zu erwähnen, nicht alles über die Steinheil zusammengefabelt worden! Gräfin Tarnowska hat erklärt:Als Konkurrentin um einen Tugendpreis will ich nicht erscheinen, aber man wird auch schen, daß ich keine Mör­derin und kein dämonisches Weih bin.

Die Preisträgerin in einer Pariser Hut­konkurrenz erhielt nicht weniger als 90 Heiratsanträge. Der Hut war nach derFrankf. Ztg. einwahrer Traum aus mattlila Sammet, gesüttert mit gelber Seide und garniert mit einer absinthfarbenen Paradissreiherfeder, deren Schweif bis auf die Schultern der schönen Trägerin herabfiel.

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Kleine Chronik.

Das Kommando der Kaiserjacht Hohenzollern erhielt heute vom Hofmarschallamt in Berlin die Mitteilung, daß die Mittel­meerreise von Mitgliedern der kaiserlichen Familie aufgegeben worden sei. Die Nacht Hohenzollern bleibt in Kiel. An dem Wahlrechts=Spaziergang in Berlin am Sonntag haben nicht 150= bis 200 000, sondern nach nüchterner Schätz­ung 30- bis 50.000 Personen teilgenommen. Die Beschleu­nigung des Postverkehrs wird immer mehr gesteigert, Die Postverwaltung der Reichshauptstadt hat zur Beschleunigung des Briefverkehrs versuchsweise Motor=Dreiräder für die Zwecke der Briefkastenentleerung bauen lassen. Paket=Automobile gibts bekanntlich schon lange. Die Einfuhr von Eis aus Schweden ist infolge des milden Winters in allen Gegenden Teutschlands diesmal stark. Der Bedarf Berlins, mit dessen Teckung begonnen worden ist, wird auf 5 Millionen Zenutner geschätzt. Die Untersuchung des Werftskandals von Toulon förderte die überraschendsten Dinge Tageslicht, die Buchhalter und Registerführer fälschten, die Vorgesetzten, vom Bureauvorsteher bis zum Oberinspektor unterzeichneten, was ihnen vorgelegt wurde. Ein Subdirektor hat erklärt, daß er in einem Monat 58.000 Unterschriften zu geben hattel Die

Rus dem Gerichtssaal.

Der beleidigte Stadtbaurat.

u. Witten, 8 März. Ein interessanter Beleidigungsprozeß beschäftigte in der Berufungsinstanz die Bochmumer Strafkammer. Er richtere sich gegen den Stadtverordneten Bauunternehmer Karl Franzen von hier, dem zur Last gelegt wurde, den Stadtbaurat Schubert durch den Vorwurf bewußter Unwahrheit empfindlich gelzünkt, zu haben. Der Sachverhalt ist folgender: Eine im Jahre 1885 für den Stadtkreis Witten erlassene Baupolizeiver­ordnung schreibt vor, daß Gebäude entwnrder hart an der Nachbar­grenze oder mindestens anderthalb Meter davon entfernt zu er­richten sinb. Das Haus, in welchem Stadtbaurat Schuber­wohnt und für welches der Stadtvaurat den Plau entworsen hatte, genügte nach den Feststellungen des Stadtverordneten Franzen dieser Bestimmung nicht und Franzen sah sich deshalb veranlaßt, bei Besprechung eines neuen Fluchtlinienplanes für die Viktoriastraße auf diese Abweichung von der Ordnung hinzu­weisen. Zu ter nächstfolgenden Stadtverordnetensitzung gab Stadt­baurat Schubect unter Zurückweisung des Franzenschen Angriffe die Erklärung ab, daß bei dem betreffenden Hause der Vorschrift Genüge geleistet sei. Damit war die Sache aber noch nicht ab­getan; als die Stadtväler wieder tagten, brachte der Stadt­verordnele Franzen einen von einem vereideten Landmesser an­gesertigten Plan mit, aus welchem hervorging, daß er mit seiner Behauptung doch im Recht gewesen sei. Vorher hatte Frauzen an die einzelnen Mitglieder des Stadtverordneten­kollegiums und des Magistrats ein Rundschreiben versandt, worin er seinen Standpunkt verfocht. Die Stadtverwaltung reagierte darauf nicht, vielmehhr beschränkte sich Bürgermeister Laue in der öffentlichen Sitzung auf die einfache Erklärung; daß diese Angelegenheit die Stadtverordneten nichts angehe, da sie der Baupolizei unterstehe. In der geheimen Sitzung wurde aber von Franzen der Faden weitergesponnen; er inter­reilierre nochmals den Magistrat und als auch jetzt weder Bürgermeister Laue noch Stadtbaurat Schubert auf seine Fragen eingingen, machte er Schubert den Vorwurf, daß er in der früheren Sitzung bewußt die Unwahrheit gesagt habe. Das wvollte die Behörde auf dem Stadtbaurat nicht sitzen lassen; Bürgermeister Laue stellte Strafantrag wegen Beleidigung. Das Schössengericht Witten hat seinerzeit auf Freisprechung erkannt. In der jetzigen Berufungsverhandlung stellte Stadtbaurat Schu­bert den Hergang so dar, als habe er in der ersten in Frage kommenden Sitzung schon zugegeben, daß der Abstand des Hauses von dem Nachbargrundstück nicht der Vorschrift entspreche; er glaube aber auf einen schwebenden Grundstückskauf hingewiesen zu haben, durch welchen die Grenze in das richtige Verhältnts gebracht werden sollte. Dieser Tarstellung weiß sich keiner der vernommenen Zeugen zu entsinnen. Das vorgelegte Protokoll der Stadtverordnetenversammlung deckt sich an der kritischen Stelle mit der Franzenschen Behauptung. Auch der Stadt­verordnetenvorsteher Justizrat Fautsch hat den Eindruck gehabt, als habe Stadtbaurat Schubert behauptet, es sei bei der Grenze des betreffenden Hauses alles in Ordnung; ebenso der Prow­kollführer. Bevor die Beweisaufnahme beendet war, gab der Rechtsbeistand des als Nebenkläger zugelassenen Stadtbaurats Schubert folgende Erklärung ab:Angesichts der Tatsache, daß die bisherige Beweisaufnahme den von dem Angeklagten gegen den Nebenktäger erhobenen Vorwurf nicht bestätigt hat, nehme ich die Berufung zurück. Da auch der Staatsanwvalt auf eine Fortführung der Verhandtung verzichtete, war die Sache damit abgetan. Es bleibt also bei dem freisprechenden Erkenntnis des Schöffengerichts.

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Dortmund, 8. März. Wegen Verbrechens gegen § 218 des Strafgesetzbuches bezw. Beihülfe dazu wurden vom Schwurgericht die Hebamme Westerschulte zu 1 Jahr 6 Monaten Zuchthaus und die Arbeiterin Anna Käsling zu 7 Monaten Gefängnis verurtelt. Die Frau des Invaliden Gundlach wurde freigesprochen. Der sachverständige Kreisarzt Dr. Wollweber erklärte in der Verhandlung, daß die Zahl der Fehlgeburten gerade im rheinisch=westfälischen Industriebezirk erschreckend groß sei und daß er auch seinen Amtsgenossen ge­genüher geäußert habe, die Verbrechen gegen§ 218 müßten an irgendeiner Stelle gewerbsmäßig betrieben werden.

Aud brzsct Saskeler der Satnaoge dtach Kesch. Whrse Roßla, Frankfurt a.., Mainz, Karlsruhe, Stuttgart, München und Regensburg.

Rheinland und Westfalen.

u Duisburg, 9. März. Aus dem Stadtrat. Der in Charlottenburg verstorbene Dr. Gallenkamp hat der Stadt Duisburg 10000 Mark dermacht. Die Stadt­terordneten erklärten sich in ihrer gestrigen Sitzung mit der Annahme dieser Schenkung einverstanden. Zum tech­nischen Beigeordneten von Groß=Duisburg wurde der Direktor des Städtischen Elektrizitäts-, Gas= und Was­serwerks Buhe gewählt. Dem Erlaß eines Ortsstatuts zum Schutze des Stadtbildes gegen Verunstaltungen wurde zugestimmt. Dagegen wurde eine andere Vorlage be­treffend den Erlaß einer neuen Baupolizeiverordnung mit Einteilung der Straßen nach Bauklassen vorläufig zurückgestellt. Zur Vergrößerung des Friedhofes soll ein Gelände hinzuerworben werden, welches für 15000 wei­tere Grabstätten Platz bietet. Die Kosten in Höhe von 15 650 Mark hierfür wurden bewilligt. Eine längere Erörterung entspann sich über den Antrag auf Errich­tung einer städtischen Handelslehrschule für Mädchen nach dem Muster der in Bochum, Essen, Düsseldorf, Elberfeld und anderen westdeutschen Städten bereits be­stehenden Augalten. Der Antrag wurde schließlich mit allen gegen 11 Stimmen abgelehnt. Dasselbe Schick­sat hatte ein Antrag, der die Erhöhung der Hundesteuer von 12 auf 15 Mark verlangte.

Duisburg, 9. März. Für die Errichtung eines Bis­marcknationaldenkmals auf der Elisenhöhe bei Bingerbrück hat sich unter dem Vorsitz des Landgerichts­präsidenten Müller nach ansprechenden Bismarckreden von Dr. Liebreich und Justizrat Mantell eine Ortsgruppe Duisburg gebildet. An die Spitze des aus 21 Mitglie­dern bestehenden Vorstandes wurde Oberbürgermeister Lehr berufen.

Duisburg, 8. März. Der von der Raumannschen Handels­Lehranstalt veranstaltete Vortrag des Direktor Lantos von der Smith Premier Typewriter=Co. in Berlin überEntwicke­lungsgeschichte und moderne Anwendungsge­biete der Schreibmaschine hatte eine große Zahl von Interessenten aller Berufsstände nach dem großen Saale desWithelmshof gelockt, evenso wie die vor dem Vortrage zu besichtigende Ausstellung der neuesten Schreibmaschinensysteme, der mit diesen hergestellten verschiedensten Formulararbeiten ustw., sowie sonstiger, den Kontorbetrieb ganz erheblich vereinfachender und verbessernder Apparate. Ausstellung und Vortrag wurden von über 500 Personen, Damen und Herren, besucht. Der Redner begann mit der Geschichte der Schreibmaschine. Die Erfindung der Schretbmaschine geht bis auf das Jahr 1744 zurück, wo der Engländer Hill eine Maschine für die Acrmsten der Armen, die Blinden, ersunden hat. Eine ganze Reihe weiterev Erfindungen hatte denselben Zweck. Die erste Schreibmaschine für Sehende stellt die von dem Dänen Hansen erfundene Schreibtugel dar. Im Jahre 1874 wurde die ersie Schreibmaschine für den all­gemeinen Gebrauch von dem Amerikaner Glidden, gemeinsam mit den Buchdruckern Sholes und Soule erfunden; diese Maschine wurde später von der Reminaton Gewehrfabrik fabrikmäßig unter dem NamenRemington hergestellt. Das erste Modell hatte nur große Buchstaben. Der Erfinder der Kalligraph=Schretb­maschine ermöglichte vermittels der Volltastur von 76 Einzel­tassen das Schreiben auch von kleinen Buchstaben. Das gleich­Prinzip, jedoch auf wissenschaftlicher Grundlage, leitete den