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Freitag, 27. Oktober 1911.(Sabina)

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Nr. 253. Morgen=Ausgabe.

Chefredakteur: Frauz Kuappe in Nachen.

Zuschriften an die Redaktion wolle man nicht mit einer Namensadrosse versehen. Fernsprechanschluß der Redaknon Nr. 362.

Aelteste Aachener Zeitung.

63. Jahrgang.

Rotationsdruck und Verlag von

Kaatzers Erden, Verlag des Echo der Gezenwart in dachen, Seilgraben 18.

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Deutscher Reichstag.

198. Sitzung.(*) Berlin, 26. Okt.(Telgr.)

Präsident v. Schwerin=Löwitz eröffnet die Sitzung um 12,20 Uhr. Fortsetzung der

Teuerungsdebatte.

Abg. Brudzewo=Mielzynoki(Pole): Die Teuerung ist zumteil auf die ungesunde Spekulation zurückzuführen. Bezüglich der Einfuhrscheine wün­schen auch wir deren zeitweilige Aufhebung auf Petro­leum und Kaffee, sowie eine zeitweilige Aufhebung des Ausfuhrzolles. Die französische Grenze zur Fleisch­einfuhr zu öffnen, hat wenig Wert, da in Frankreich die gleichen Mißstände bestehen. Dagegen sollte argentinisches und russisches Fleisch, na­türlich unter den nötigen hygienischen Sicherheits­maßnahmen, zugelassen werden. Die Teuerung ist eine schwere Krankheit, an der viele Aerzte kurieren wollen. Die Regierung aber gibt homöopatische Dosen.(Heiterkeit.) Der Hauptfehler scheint in einer falschen Organisierung des Zwischen­handels

zu liegen. Ein schwerer Fehler unserer Innenpolitik iegt in der Tätigkeit der Aussichtskommission, durch die das polnische Volk von der Scholle, die es mehr iebt, als das eigene Leben, vertrieben wird.(Beifall bei den Polen.)

Abg. Wachhorst de Wente(nl.): Die Preise sind nicht nur abhängig von Angebot und Nachfrage, son­dern auch von der öffentlichen Meinung. Von einer Fleischnot und Fleischteuerung kann man heute nicht reden. Die Preise für Fleisch und Gemüse sind nicht so hoch, daß die arbeitende Bevölkerung sie nicht zah­len könnte. Wenn die kleinen Landwirte wüßten, daß sie die Schweine, die sie züchten, auch loswürden, dann würden noch mehr Schweine gezüchtet, und von einer Fleischnot würde bei uns nicht mehr die Rede sein. Die Preise für Kartoffeln kann man nicht als Notstandspreise bezeichnen. Einem Abbau des Schutzzolles, der notwendig ist für unsere Land­wirtschaft, Industrie und Arbeiterschaft, kann ich nicht zustimmen. Auch die Einführung des argentinischen Gefrierfleisches kann ich nicht befür­worten. Bis jetzt haben wir noch genügend Fleisch im Inlande. Im Namen der deutschen Bauernschaft protestiere ich entschieden gegen jeden Versuch, die Grenzsperre zu beseitigen. Wenn die Bodenpreise zu sehr gestiegen sind, dann möge die Regierung doch einige preußische Domänen aufteilen und Bauern an­siedeln, die doch bedeutend mehr für die Viehzucht tun als die Domänen. Wenn der Landwirtschaftsminister in der Ostmarkenpolitik nicht den neuen Kurs auf­geben und mehr für die innere Kolonisation tun will, dann wird er nicht nur bei meiner Partei, sondern auch beim deutschen Bauernbund den energischsten Widerstand finden. Wir sind stets für eine nationale Wirtschaftspolitik eingetreten. Wir wollen aber keine Politik, die nur den Interessen des Großgrundbesitzes zugute kommt, sondern wollen für den deutschen Bauern= und Bürgerstand sorgen.(Lebhafter Beifall bei den Nationalliberalen.)

Abg. Pachnicke(s. Vp.): Höchst bedenklich ist ein Erlaß an die Landräte, in dem sie aufgefordert werden, Vorschläge zur Er­widerung auf Angriffe gegen die Regierung zu machen. Sie sollen das Volk aufklären durch die Presse oder Flugblätter(Hört, hört! links), oder durch Volksversammlungen. Dann sollen sie und das ist recht bezeichnend die Kosten angeben. Wer zahlt diese? Die Landräte doch nicht! Da sollen also Gelder aus öffentlichen Mitteln verwendet werden, durch welche alle Steuerzahler, welcher Richtung sie auch angehören, für die einseitige Parteipolitik bei­tragen sollen.(Lebhaftes Hört, hört! Ohol rechts. Großer Lärm.) Die Wirtschaftspolitik wird aufrecht erhalten, weil unter ihr Landwirtschaft und Industrie sich gehoben haben. Ist darauf auch etwa die Bevölke­rungszunahme zurückzuführen? Wir wollen nicht den Schutzzoll beseitigen, es handelt sich nicht um das Prinziv der Zölle, sondern um das Maß des Zoll­schutzes. Die Zölle sollen so gestellt werden, daß vor­

teilhafte Handelsverträge erzielt werden können. Wenn die innere Kolonisation vernünftig gehandhabt würde, könnten unsere Bauern auch die letzten paar Prozente der Fleischversorgung der fehlenden Pro­duktion abgeben. Die Zahl der Fideikommisse ist ständig im Steigen. Die Nachfrage nach Fleischabfällen in Berlin wird immer größer, die Eingaben der Staatsbeamten und=Arbeiter immer dringender, Schuld allein soll die Presse, der Klein= und Zwischen­handel sein. Nein, in der Nähe der Minister liegt die Ursache. Die Vorschläge des Landwirt schaftsministers gegen die Schlächtermeister stehen schlecht im Einklang mit der sonstigen Mittelstandsfreund­lichkeit der Regierung. Daß es mehrere Monate nicht geregnet hat, dafür kann die Regierung nichts, aber sie sollte Mittel ergreisen, um die Folgen der ürre zu beseitigen oder zu mildern. In Bayern und Baden haben die Regierungen eine Suspension des Maiszolles bewilligt. Den mittleren und kleinen Landwirten muß man durch Beseitigung der Futter­mittelzölle unter die Arme greifen. In den Land­wirtschaftskammern werden die kleinen Landwirte fast grundsätzlich ausgeschlossen.(Lebhafter Wider­spruch rechts.) Wären die Kammern anders zusam­mengesetzt, so würden wir andere Gutachten bekom­men.(Lachen und Unruhe rechts, Sehr richtig! links.) Fördern wir die Rentabilität des kleinen Besitzes, der der Träger der Viehzucht ist. Wir haben eine Mehr­heit im Reichstage für die Suspension der Futter­mittelzölle, und diese sollte von der Regierung eine Milderung der Not verlangen. Unsere Wirtschafts­politik in Zukunft wird abhängen von der Zusammen­setzung des nächsten Reichstages. Das konservativ­klerikale Regiment hat lange genug gedauert.(Lachen und Widerspruch.) Nur 30 bis 40 Mandate genügen, um den schwarz=blauen Block zu zertrümmern.(Leb­haftes Bravo! links, Lachen rechts.)

Abg. Dr. Ahrens(Reichsp.): Der Abg. Pachnicke hat keinen Vorschlag auf wirkliche Beseitigung der bestehenden Teuerung gemacht.(Lärm links, Rufe: Doch!) Er hat nur Maßnahmen zur Verbilligung des Fleisches vorgeschlagen, ohne aber geprüft zu haben, ob eine Teuerung überhaupt besteht. Die Einkaufs­preise sind teilweise erheblich gesunken, die Laden­preise aber gestiegen. Die schwierige Lage des Mittel­standes verkenne ich nicht, auch nicht die der Fleischer­meister. Der Verkehr zwischen den Konsumenten und dem Fleischer ist nicht in der richtigen Weise geregelt. Hier liegt die Hauptursache des Uebels. Einen so glänzenden Sieg der schutzzöllnerischen Ideen, wie bei dieser Teuerungsdebatte, habe ich noch nicht erlebt. Der Abg. Dr. Pachnicke hat die kleinen Landwirte gegen die Großgrundbesitzer aufzuhetzen versucht. Dr. Pachnicke: Hetzen? Ahrens(ff.): Jawohl, hetzen. Dr. Pachnicke: Ist das parlamentarisch? Ahrens(ff.): Das freihändlerische England zeigt, daß das Fleisch für den Arbeiterkonsum zwar billiger, aber bedeutend schlechter ist, als bei uns, daß aber die Preise für besseres Fleisch dort geradezu uner­schwinglich sind. Zu unserem Bedauern haben die beiden nationalliberalen Redner eine einseitige Stel­lung gegen rechts genommen. Bei ihrem Eintreten für die Reichsinteressen und die deutsche Weltpolitik wäre für die Nationalliberalen der Kampf im Bunde mit der Rechten besser, als ihr Bündnis mit der Lin­ken, die zum größten Teile aus Sozialdemokraten be­stehen wird. Die Nationalliberalen sollten zum Schutz der Reichsverfassung mit uns zusammenstehen. (Hurral bei den Sozialdemokraten.) Derartig ernste Sachen(zu den Nationalliberalen) sollten Sie nicht mit ironischen Rufen begleiten.(Entrüsteter Wider­spruch bei den Nationalliberalen.) Wir vertrauen auf den gesunden Sinn der Bevölkerung, daß sie sich nicht verhetzen lassen wird durch eine Sache, für die nicht die Wirtschaftspolitik, sondern der Himmel an­geklagt werden muß. Wir hoffen, daß unsere Wirt­schaftspolitik durch die Wahlen ihre Bestätigung findet und daß das deutsche Volk keinen Sprung ins Dunkle machen wird.(Beifall rechts.)

Landwirtschaftsminister v. Schorlemer: Für die Zahlen der Statistik des Landwirtschaftsetats kann ich natürlich keine Verantwortung übernehmen. Ich will auch nicht weiter auf diese Zahlen eingehen. Auch

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aus den Zahlen des statistischen Amtes in Berlin er­gibt sich, daß zwischen den Preisen für das Fleisch und denjenigen für lebende Schweine ein sehr gro­ßer Unterschied besteht. Die Schlächter sollten nicht jene Fleischsorten teurer verkaufen, die die ärmere Bevölkerung kauft, sondern jene, die die Wohl­habenden kaufen. Wenn Herr Pachnicke meine Aus­führungen kritisiert, so muß ich bemerken, daß ich vom Kleinhandel, nicht vom Großhandel gesprochen habe. Auf die Forderung, die Maiszölle zu suspen­dieren, muß ich erklären, daß die Maiszölle keine Verminderung der Einfuhr zur Folge hatten. Die Frage der Kolonisation beschäftigt das preußische Landwirtschaftsministerium sehr eingehend. Bereits sind einige Domänen den Ansiedlern zur Verfügung gestellt worden.

Abg. Werner(D. Rp.): Der deutsche Kaffee ist mit deutschem Gelde verteuert worden.(Hört, hört!) Die Schutzzölle dürfen nicht aufgehoben werden, denn wenn der Bauer Geld hat, hat die ganze Welt Geld.

Abg. Lehmann(wild): Die Kämpfe gegen den Bund der Landwirte sind ungerecht. Der Bund ist auf Wahrheit und Wahrhaftigkeit aufgebaut.(Lachen links, Bravo! rechts.) Schuld an der Teuerung sind die Aus­wüchse in der sozialen Gesetzgebung. Landwirt sein heißt ein Opfer bringen für das Vaterland.

Abg. Korsanty(Pole): Wenn die Regierung nicht einen gerechten Ausgleich schafft zwischen Industrie und Bevölkerung, dann müssen wir die Wirtschafts­politik bekämpfen.

Abg. Kobelt(wildlib.): Daß der Landwirtschafts­minister die Verhältnisse in der Viehzucht nicht richtig beurteilen kann, ist klar. Da muß man unter Schwei­nen aufgewachsen sein.(Schallende Heiterkeit.) Der übergroße Auftrieb von Schlachtvieh beruht nicht auf Ueberproduktion, sondern auf der Furcht vor der Maul= und Klauenseuche. Lassen Sie doch ruhig argentinisches Fleisch herein. Man soll den ärmeren Leuten Gelegenheit geben, sich billiges Fleisch zu ver­schaffen.(Beifall.)

Darauf wird die Weiterberatung auf Freitag vertagt.

Schluß Uhr.

Privatbeamtenversicherung.

Die Reichsversicherungskommission nahm den§ 1 des Pensionsgesetzes für Privatbeamte, der den Umfang der Versicherung festlegt, mit einem sozialdemokratischen Antrag an, der die Bureau­angestellten in das Gesetz einbezieht.

Wahltermin und Arbeitsplan.

Die allgemeinen Neuwahlen für den Reichstag sollen am Freitag den 12. Januar 1912 statt­finden. Es bleiben also noch 11 Wochen für die Vor­bereitung.

Am 12. Januar ist die Wahlperivde des jetzigen Reichstages noch nicht ganz abgelaufen. Auch dann nicht, wenn man als ihren Anfang den Hauptwahltag vom 27. Januar 1907 betrachten wollte. Es wird also der Form wegen die Auflösung des gegenwärtigen Reichstages ausgesprochen werden müssen. Den Ter­min für den Auflösungsakt will die Regierung von dem Fortgange der parlamentarischen Arbeiten be­dingt sein lassen. Dieser Umstand verstärkt das Be­streben, die Tätigkeit des gegenwärtigen Reichstages möglichst früh zum Abschluß zu bringen.

Der Seniorenkonvent hat denn auch den Arbeitsplan so festgestellt, daß bereits Ende November oder spätestens in den ersten Dezembertagen der alte Reichstag das Feld räumen kann. Der Arbeitsplan sieht so aus:

26. Oktober: Schluß der Teuerungsdebatte.

27. Oktober: Interpellation über die Maul= und Klauenseuche.

28. Oktober bis 7. November: Pause für Plenum. Kommissionsberatung des Gesetzes über die Angestell­ten=Versicherung.

8. November: Interpellationen über die Marokko­Angelegenheit.

.15. November: Zweite Lesung des Schiffahrts­abgabengesetzes und anderer Vorlagen.

16.18. November: Dritte Beratung des Arbeits­kammergesetzes usw.

18.22. November: Pause zum Studium des Be­

richts über die Angestellten=Versicherung.

23. November: Beginn der zweiten Lesung dieses Gesetzentwurfs.

Dieses Programm wird sich wohl durchführen lassen, wenn nicht etwa in der Versicherungskommission Zwistigkeiten und Schwierigkeiten entstehen sollten, was aber nach dem bisherigen Gang der Dinge kaum zu befürchten ist. Ueberhaupt ist es sehr erfreulich, daß der Wunsch gewisser Fanatiker von links, die Schlußtagung des Reichstages durch Obstruktions­künste unfruchtbar zu machen, bisher gar keinen An­klang gefunden hat.

Auf der vorstehenden Speisekarte ist das inter­essanteste Gericht zweifellos die Marokkodebatte. Der Präsident des Reichstages hat natürlich erst nach Benehmen mit der Regierung die Beantwortung der hochpolitischen Interpellationen für den 8. November in Aussicht gestellt. Die Regierung ist also offenbar des Abschlusses der diplomatischen Verhandlungen in der Zwischenzeit gewiß.

Ueber einen verunglückten Versuch der nationalliberalen Partei, die parlamenta­rische Behandlung der Marokko=Angelegenheit zu be­schleunigen, macht dieTägl. Rundschau eine Mit­teilung, die nach unserem Gefühl die antragstellende Partei mehr vordringlich als klug erscheinen läßt. Danach wollte die nationalliberale Partei den Antrag stellen, der Reichstag solle den Reichskanzler um die Erklärung ersuchen, daß vor dem Abschluß des Ab­kommens der Reichstag als der berufene Vertreter des deutschen Volkes darüber gehört werden und daß ohne Genehmigung des Reichstages kein Kolonial= besitz abgetreten oder erworben werden soll. Dieser Antrag, der angeblich eineeinmütige Kundgebung des Reichstages bezweckte, wurde nach derTägl. Rundschau infolge des Widerspruches der Konser­vativen und des Zentrums zurückgezogen. Daraus folgert das Blatt, daß die widersprechenden Parteien ihren Frieden mit der Marokkopolitik der Regierung gemacht haben. Nach unserer Ansicht mußte der An­trag auch denen bedenklich erscheinen, die der Ma­roktopolitik der Regierung unbefangen gegen­überstehen. Der Antrag hätte nämlich nicht zu einer sachlichen Erörterung der Marokko=Angelegenheiten sondern zu staatsrechtlichen Streitigkeiten über die Kompetenzen von Regierung und Volks­vertretung. Wollte man die Marokkoangelegenheiten im Wege eines Dringlichkeitsantrages selbständig zur Besprechung bringen, so mußte man den Forderungen und Erwartungen der öffentlichen Meinung im Lande und im Parlament einen kurzen und klaren Ausdruck geben, ohne die Grenzen der anerkannten Befugnisse des Parlaments irgendwie zu überschreiten. Ein solches Vorgehen hätte aber vernünftigerweise schon vorige Woche einsetzen müssen, als der Reichskanzler die Antwort auf die Interpellationen verschob. Nach­

dem man soeben noch in den Aufschub gewilligt hatte, lag gegenwärtig noch kein Anlaß vor, das Abkommen mit der Regierung zu durchbrechen. Offenbar war dieser Versuch der nationalliberalen Partei, in der sensationellen Angelegenheit die Führung des Reichs­tages an sich zu reißen, mit untauglichen Mitteln un­ternommen.

Hoffentlich werden die paar Arbeitswochen, die der Reichstag sich noch gesetzt hat, nicht weiter gestört durch Effekthascherei und Schauspielerei.

Der italienisch-türkische Krieg.

Die Lage in Tripolis

gestaltet sich für die Italiener immer ungemütlicher, seitdem die Araber, die anfänglich mit ihnen frater­nisierten, sich zu den türkischen Truppen geschlagen haben und am 24. d. M. den Italienern bei einem Gefecht sogar in den Rücken gefallen sind. Mehr als 300 Tote soll man auf italienischer Seite an dem einen verhängnisvollen Tage gezählt haben. Von türkischer Seite wird versichert, daß bisher 30000 Ein­geborene eingetroffen sind mit zahlreichen Kamelen und großen Vorräten. Zwei einflußreiche Scheiks

Das Extemporale.

* Berlin, den 26. Okt. 1911.

Der in derNordd. Allg. Ztg. veröffentlichte Erlaß des Kultusministers über das Extemporale hat felgenden Wortlaut:

In den Lehrplänen von 1901 ist unter III, 6 Abs. 2 bestimmt, daß mit aller Entschiedenheit einer ein­seitigen Wertschätzung des sogenannten Extemporales entgegenzutreten ist. Trotz dieser Mahnung werden die vorgeschriebenen schriftlichen Klassenarbeiten noch immer vielfach als Wauptwertmesser der Leistungen der Schüler behandelt und so von den Lehrern, den Schülern und den Eltern eingeschätzt. Bei solcher Auffassung hängt Wohl und Wehe der Schüler von dem Ausfall dieser Arbeiten ab, und bei ihrer durch die Lehrpläne angeordneten häufigen Wiederkehr führen sie dann zu einer in vielen Hinsichten schäd­lichen dauernden Spannung und Beunruhigung der Schüler wie der Lehrer. Insbesondere ist die Er­leinung der alten Sprachen durch den unzweckmäßigen Betrieb des lateinischen und griechischen Extemporales wesentlich erschwert worden. Aber auch in anderen Fächern, in den neueren Sprachen und in der Mathe­matik, werden die schriftlichen Klassenarbeiten oft in den Mittelpunkt des ganzen Unterrichts gerückt, und die Gefahr liegt nahe, daß die Lehrer ihre Zeugnisse nach dem Durchschnitt der diesen Arbeiten erteilten Prädikate geben. Dabei zeigen die Beobachtungen bei Revisionen nicht selten, daß mehr als die Hälfte der schriftlichen Klassenarbeiten nicht genügend ausfällt, so daß sie keine geignete Unterlage für eine richtige Beurteilung der Schüler bilden können. Das Urteil der Lehrer geht in der Regel dahin, daß die münd­lichen Leistungen der Schüler unverhältnismäßig besser seien, als ihre schriftlichen Klassenarbeiten. Hierin zeigt sich klar, daß ein solcher Betrieb dieser Arbeiten an einem inneren Fehler leidet und grund­sätzlich geändert werden muß.

Die schulmäßige Erlernung einer fremden Sprache ist nicht möglich ohne vielfältige schriftliche Uebungen in der Sprache selbst, mögen sie in Uebersetz­ungen bestehen oder in freierer Gestaltung gegebenen Stoffes. Unrichtig aber ist es, wenn diese Uebungen, durch die der Schüler lernen soll, schriftlich genau zu formen, was er durch Auge und Ohr ausgenommen hat, zur Prüfung seiner Leistungen so benutzt werden, daß von dem Ausfall dieser Arbeiten das Zeugnis und die spätere Versetzung wesentlich abhängt. Bei solchem Verfahren arbeitet der Schüler unter einem Druck, der dem Erfolg des Unterrichts schädlich ist. Die Sicherheit in der Anwendung des Erlernten kann erst dann von ihm verlangt werden, wenn er durch häufige mündliche und schriftliche Anwendung eine völlige

Vertrautheit mit dem Sprachstoff erlangt hat, in dem er sich ausdrücken soll.

Um eine diesen Erwägungen entsprechende Be­handlung der schriftlichen Uebungen zu erreichen, hebe ich die Bestimmungen der Lehrpläne über die schrift­lichen Klassenarbeiten auf und ordne statt dessen fol­gendes Verfahren an:

Möglichst in jeder Unterrichtsstunde, die für gram­matische und stilistische Uebungen in den fremden Sprachen angesetzt ist, sind von den Schülern unter Be­nutzung eines besonderen Heftes einige Sätze zu über­setzen oder, wo freies Nacherzählen geübt werden soll, nach Angabe des Lehrers schriftlich zu formen. Die Behandlung wird sich auf den einzelnen Unterrichts­stufen verschieden gestalten, jedenfalls aber ist in den unteren Klassen der sprachliche Stoff für diese Uebungen in derselben Stunde vorher mündlich und unter Benntzung der Wandtafel zu verarbeiten. Die Schüler sind zur sorgfältigen Verbesserung der Fehler anzuhalten, die Hefte sind regelmäßig nachzusehen. eine Zensierung dieser Uebungsarbeiten findet nicht statt.

Damit der Lehrer Sicherheit darüber gewinnt, in­wiewett die Schüler den durchgenommenen Lehrstoff verstanden und sich angeeignet haben, oder ob einzelne Teile noch weiter mit ihnen durchgearbeitet und be­festigt werden müssen, sind in größeren Zeitabschnitten, etwa alle 4 bis 6 Wochen, aus dem bis dahin gewonne­nen Sprachmaterial Arbeiten zusammenzustellen. Die Texte sind den Schülern im Zusammenhang zu diktie­ren oder hektographiert in die Hand zu geben, bei der Bearbeitung ist reichliche Zeit zu gewähren. Der Ter­min für diese Arbeiten darf nicht vorher angekündigt werden, damit eine besondere Vorbereitung dafür möglichst verhindert wird. In diesen zu zensierenden Klassenarbeiten ist eine Häufung grammatischer Schwierigkeiten und absonderlicher Wendungen und Konstruktionen zu meiden. Wenn der Schüler den vom Lehrer beabsichtigten Ausdruck nicht trifft, aber einen solchen, der sich im Sinne der fremden Sprache rechtfertigen läßt, so ist ihm deshalb kein Fehler anzu­rechnen. Bemerkt der Lehrer bei der Korrektur, daß ein erheblicher Teil, etwa ein Viertel, der Arbeiten der Klasse geringer als genügend ausgefallen ist, so hat er von der Zensierung dieser sämtlichen Arbeiten abzusehen.

Die schriftlichen Klassenarbeiten im Rechnen und in der Mathematik, sowie die orthographischen und stilistischen deutschen Klassenübungen auf der unteren und mittleren Stufe sind in entsprechender Weise zu

sandeln., ,unggg, K G. W

Die Bestimmungen der Leu#plane über die schrift­hen Hausarbetten bletben unberührt.

Den Lehrern wird aus dieser Art der schriftlichen assenübungen eine größere und verantwortlichere

Aufgabe erwachsen. Ich vertraue darauf, daß sie sich ihr gern unterziehen werden, und bemerke schließlich, daß durch diese Aenderung der Lehrpläne keine Herab­setzung der Anforderungen beabsichtigt ist, sondern ein besserer Weg gesucht werden soll, um die Schüler zur Sicherheit in der Anwendung des Gelernten und Er­arbeiteten zu führen und sie zu gewissenhafter und er­folgreicher Arbeit anzuleiten.

Ueber eine deutsche Kellner=Invasion] in Paris wird in denHamburger Nachrichten bei Erwähnung des dortigen Kampfes gegen die Stellenvermittlungs vereine geschrieben:Jedoch, die Wut gegen die Vereine hat noch einen tieferen Grund. Die Bezahlung der Stellenvermittlung ist der Anlaß, nicht die Ursache. Die Ursache ist, daß die französischen Hotelkellner usw. nur noch schwer einen Platz finden. Die Plätze werden ihnen weggenommen von den Deutschen, ferner von den Schweizern. Daß die Zahl deutscher Hotel­angestellter in Paris groß ist und sich in den letzten Jahren ständig vermehrt hat, kann nicht geleugnet werden. Und es sind gerade die großen und ganzerst­klassigen Hotels, die fast ihr gesamtes Hotelpersonal aus Deutschen zusammensetzen. Ein nicht geringer Teil von ihnen ist ja auch in deutschem Besitz, sehr viele stehen unter deutscher Leitung. In den genann ten Vereinen soll die erste Frage an die Stellensuchen­den immer lauten: Sind Sie Franzose? Und wird die Frage bejaht, so wird achselzuckend geantwortet, dann sei nichts frei. So erzählen die unzufriedenen franzö­sischen Kellner, und sie behaupten, die Zahl der Deut­schen in den Pariser Gasthäusern betrage mehr als 40 000: was schwer zu kontrollieren sein würde. Es versteht sich von selbst, daß nationalistische und chauvi­nistische Blätter bereits von einerInvasion deutscher Kellner sprechen, und es versteht sich von selbst, daß sie in allen diesen Kellnern preußische Spione wittern. Die Erklärung dafür, daß deutsche und auch Schweizer Kellner neuerdings in Paris immer mehr gesucht wer­den, ist höchst einfach. Das liegt gerade daran, daß die Zahl guter Hotels überhaupt und die Zahl der soge­nannten Palasthotels internationalen Charakters sich stark vermehrt hat. Da bedarf man Angestellter, die mehrere Sprachen, mindestens doch zwei, sprechen und auch sonst den Anforderungen dieses internationalen Stils genügen. Die französischen Kellner usw. aber kennen im allgemeinen nur die französische Sprache und sind in den seltensten Fällen aus Frankreich hin­ausgekommen. Die Franzosen sind auch in diesem Punkte hinter der Weltentwicklung zurückgeblieben.

Ein Match zweier Kanalschwimmer.] Der Kanal­schwimmer Jabez Wolffe hat an den Bezwinger des Kanals Burgeß eine Herausforderung ergehen lassen und von diesem eine Gegenforderung erhalten. Wolffe will sich mit Burgeß in einem Match über 12 Stunden

um die lange Meisterschaft von England messen, wäh­rend Burgeß eine bestimmte Strecke festgesetzt und dieses Match bei einer bestimmten Wassertemperatur ausgetragen haben will, da ihm ein Wettschwimmen über 12 Stunden zu gering ist.

Beschlagnahmte Ausstellungswagen.] In den Ausstellungshallen der Internationalen Automobil­Andneuung zu Berlin beschlagnahmte der Ge­richtsvollzieher Wagen von drei franzö­sischen Automobilfirmen, die ausgestellt hatten. Die Beschlagnahme erfolgte auf einen Antrag der Daimler=Motoren=Gesellschaft. Die Daimler=Mo­toren=Gesellschaft glaubt Grund zu der Annahme zu haben, daß drei französische Automobilfabriken, näm­lich Clement=Bayard, Mors und La Buire ihre Pa tente verletzt hätten, und zwar soll sich diese Patentver­letzung vornehmlich auf das Getriebe der Mercedes­Wagen beziehen, das von den drei genannten französi­schen Fabriken nachgebaut worden ist. Die Daimler=Ge­sellschaft erwirkte einen Gerichtsbeschluß auf Beschlag­nahme. Zwischen dem Gerichtsvollzieher und den Ver­tretern der französischen Firmen, die die deutsche Sprache nicht beherrschen, kam es zu sehr erregten Szenen, aber selbstverständlich behielt der Gerichts­vollzieher die Oberhand.

Der düpierte Gesänguiswärter.] Auf der Ber­liner Kriminalpolizeit hat sich ein österreichischer Ge­fangenenaufseher namens Rudolf Rath aus Graz selbst gestellt. Rath hat sich im Grazer Untersuchungs­gefängnis der Gefangenenbefreiung schuldig gemacht und ist dann mit dem Häftling gemeinsam nach Berlin geflüchtet. Hier sind ihm die Mittel aus gegangen, er war obdachlos und er zog es deshalb vor, sich freiwillig zu stellen.

Seit einigen Wochen saß im Grazer Untersuchungs­gefängnis der Bankbeamte Samuel Schwarz wegen Unterschlagung. Schwarz hatte bei seiner Bank 100.000 Kronen defraudiert. Während der Untersuchungshaft. setzte er sich mit dem Gefangenenaufseher Rath in Verbindung und versprach ihm 10000 Kronen für den Fall, daß er ihm zur Freiheit verhelfe. Rath ließ sich durch diese Versprechungen verlocken und öffnete in der Nacht zum 21. Oktober die Tür der betreffenden Zelle, so daß Schwarz aus dem Untersuchungsgefäng­nis entfliehen konnte. Schwarz und Rath reisten daraufhin zusammen nach Berlin. Statt der ver­sprochenen 10000 Kr. gab der Defraudant dem Gefange­nen=Aufseher nunmehr nur 220 Kronen und ließ ihn dann in Berlin im Stich. Das Geld war rasch ver­ausgabt, und Rath irrte nun obdachlos in Berlin umher. Er wird an Oesterreich ausgeliefert werden. Der Bankdefraudant Schwarz hat sich wahrscheinlich nach Frankreich gewandt, und zwar in Begleitung einer Frau, mit der er zusammen aus Graz nach Ber­lin kam.