56. Jahrgang. Nr. 379.

Vorobend=Anügabe.

Sonntags=Ausgabe.

Sonntag, 29. Mai 1904.

Wew Aeizenitrerny

Chefredakteur: Karl Schütte in Nachen.

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A Unpolitische Zeitläufe.)

Berlin, 26. Mai.

Welcher Monat ist der schönste unter den zwölfen? Neulich las ich eine Abhandlung über die Frage, welche Altersperiode die schönste im menschlichen Leben sei. Bei beiden Untersuchungen kommt nicht viel heraus. Des Lebens ungemischte Freude ward keinem Monat und keiner Altersstufe zu Teil. Bei jeder Rose stehen die Dornen. Und wenn es im Jahre oder im Men­schenleben mal einen Augenblick gibt, der uns den Ruf entlockt:O, bleibe doch, Du bist so schön! dann tut uns der Augenblick nicht den Gefallen. Er geht, denn nur der Wechsel ist ewig.

In gereimter und ungereimter Rede hat man tausendfach den Mai für den allerschönsten Monat er­klärt. Wer klug ist, der liest solche Malgesänge nur vor der Walpurgisnacht. Dann kann er sich wenig­stens in Hoffnungen wiegen, die für den Augenblick süß sind, wenn es auch nachher anders kommt. Im Laufe des Wonnemonats muß man sich von allen Maidichtern und Mailobhudlern hüten; denn die kühle und windige Wirklichkeit steht oft in zu scharfem Gegen­satz zu dem Ideal, so daß die Seele leicht ebenso ver­schnupft werden kann, wie der Körper. Und jetzt am Schlusse desWonnemonats wären wir sehr töricht, wenn wir der gemischten Maiherrlichkeit Klagelieder nachriefen, statt sich nun zu freuen auf die Herrlichkeit des Juni mit seiner Rosenpracht und seinem Sonnen­schein. In der Tat, der Juni gerät etwas ins Hinter­treffen durch die hergebrachte Maischwärmerei. In den südlichen Gegenden mag wohl der Juni zu heiß und zu grell sein; bei uns aber trifft oft erst im Juni ein, was wir dem verhätschelten Mai schon angedichtet hatten. Darum geht mein Ratschlag dahin, haltet die Nase voraus und schaut nicht wehmütig zurück, son­dern frohmutig voraus. Jetzt kommt der vollblüthige

Monat des Lichtes, der Gegenfüßler des dunklen De­zember. Genießen wir ihn auch im Gegensatz zu den Dezembersitten. Damals haben wir stille am warmen Ofen gesessen und häusliche Behaglichkeit genossen. Jetzt sollten wir alle freie Zeit benutzen, um frische Luft und Sonnenschein zu genießen. Namentlich für das Sonnenbad ist der Juni die richtige Zeit. In den Hundstagen wird die Hitze zu groß, der Sonnen­schein zu stechend, sodaß man den Schatten sucht. Im Juni aber kann man sich noch eher durchleuchten lassen. Zu den neuen Moden mit bedenklichem Beigeschmack ge­hört die Einrichtung der sog. Sonnenbäder,.h. Abschlägen, in denen die Menschen möglichst nackigt in der Sonne herumlungern sollen. Ich haltenichts von diesen künstlichen Getue, soweit nicht etwa der Arzt aus besonderen Gründen eine derartige Kur verordnet. Ich glaube, für normale Menschen reicht es vollständig aus, wenn sie in landesüblicher Normalkleidung sich den belebenden Strahlen der Mutter Sonne aussetzen, so oft sich dazu Gelegenheit findet. Wenn die modernenAdamiten die Natur anrufen, so weise ich sie darauf hin, daß die Tiere, die doch gewiß eine natürliche Lebensweise führen, auch im Sommer nicht mit blanker, nackter Haut herumspazieren. Sie tragen vielfach ein erleichtertes Feder= oder Haarkleid; aber sie tragen eins und be­finden sich wohl dabei. Der Mensch hat kein ange­wachsenes Kleid, sondern ein angezogenes, und wenn

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*) Nachdruck verboten.

er den natürlichen Vorbildern folgt, so hält er auch im Sommer seine Blößen bedeckt. Wenn er zeitweilig noch seine Haut ins Wasser bringt, so hat er wahrlich Hautpflege satt, und ein Spaziergang in der Sonne macht ihn trotz der nötigen Kleidungdurchleuchtig" genug. Nebenbei seien alle Eltern und sonstigen verantwortlichen Personen darauf hingewiesen, daß die neue Mode derSonnenbäder, die sich von den Groß­städten in die Weite zu verpflanzen droht, in sittlicher Hinsicht ihre ernsten Gefahren hat. Mögen die berufenen Schützer der Jugend zusehen, daß nicht die Jugend an Seele und Leib Schaden leide.

Wenn wir nun heute die Schönheiten des Juni uns so hübsch ausmalen, was machen wir dann nach vier Wochen? Nun, dann suchen wir dem Juli die besten Seiten abzugewinnen, und die hat er ja auch als Erntemonat und für einen Teil des Landes als Ferienmonat. Und wieder vier Wochen später freuen wir uns auf den August, der in mancher Hinsicht eine Ergänzung des Juli und sogar eine Vervollkommnung bildet und sich namentlich durch die lauwarmen Abende auszeichnet. Haben wir dann den Sommer durch­gekostet, so freuen wir uns auf den Herbst, der wieder seine besonderen Vorzüge hat. Und so weiter. Immer froh genießen, was kommt. Immer hoffnungsfrisch den Wechsel mitmachen, dea uns der gütige Schöpfer als irdisches Naturgesetz verordnet hat und der in der Tat das Leben in diesem Jammertal ganz wesentlich erleichtert und verschönt. Man denke einmal darüber nach, wie langweilig, ungesund und ungemütlich es auf Erden wäre, wenn wir nicht den langsam und sicher vorschreitenden Wechsel der vier Jahreszeiten hätten. Ja, auch der ewige Sommer würde uns verzweiselt schlecht bekommen, wie wir schon an den Erfahrungen in den Tropen sehen, wo die Menschen unter zu viel Sommer erschlaffen.

Mit dem Wechsel der Lebensalter steht es ähnlich. Wir von den ältern Jahrgängen singen und schwärmen gern von der schönen Jugend und dem wonnigen Mai des Lebens. Aber als wir jung waren, da wollten wir nicht jung bleiben, sonderngroß werden, und alle gesunden Kinder und Jungleute haben noch heute denselben Wunsch. Nicht stehen bleiben, sondern immer vorwärts, aufwärts!

Schön. Nun kommt aber der kritische Punkt. Immer aufwärts bis zur Vollkraft; auf dem Gipfel gibt es dann ein kleines Plateau, auf dem sich die Gesundheit und die Arbeitskraft eine zeitlang auf der höchsten Höhe halten können. Dann aber heißt die ParoleAbstieg. Bei dem einen geht es schneller, bei dem andern lang­samer mit dem Nachlassen der Kräfte, aber eine herbst­liche Schrumpfung ist unvermeidlich. Man merkt, daß man alt wird. Ist nun diese Periode des Abstiegs von der Lebenshöhe auch noch glücklich zu preisen? Verschiedene Greise von hervorragender Einsicht haben bekannt, daß sie sich im Herbst ihres Lebens sehr glück­lich und zufrieden gefühlt haben. Die Leidenschaften, die früher oft den Frieden gestört haben, sind dann gedämpft; wenn der Körper nicht mehr von Kcaft strotzt, so wird der Geist um so klarer, das Herz um so friedlicher. Früher suchte man das Glück in Auf­regungen, die immer zweischneidig waren; jetzt sucht man es in stillem Behagen, ia friedlichem Genuß der sonnigen Augenblicke. Der Ehrgeiz, der Erwerbstrieb und die Sinnlichkeit, die früher den Menschen in so

ek.

Düsseldorfer Kunst­und Gartenbau=Ausstellung.

(Nachdruck untersagt.)

IV.

Elwas über Eintrittsgelder. Vergnügungspark 1902 und 1904. Ostindien am Rhein.

Die FrageWas kostet ein Ausstellungsbesuch? ist be­lanntlich unmöglich mit einer fixen Zahl zu beantworten. Frägt nan allgemeiner, ob der Besuch der Düsseldorfer Ausstellung billig oder teuer ist, so wird man draußen in der Provinz oder im Lande meist recht unzufriedene Antworten hören.Ja, es stne teure Sach'! Man bezahlt sein Eintrittsgeld und dafür kann man überall nachzahlen. Das ist fürne ganze, da ne halbe Mark, das Herz wird immer schwerer und das Portemonnate leichter! Manchem, der die Absicht hegt, auch in Kürze mal zur Ausstellung zu fahren, mögen daher einige aufklärende Angaben über diesen Punkt willkommen sein.

Wie vor zwei Jahren beträgt auch dieses Mal der Ein­triltspreis zum einmaligen Betreten des Geländes eine Mark, Mittwochs 50 Pfennige, und dafür hat man Gelegenheit, so­lange es behagt, alles, was im Freien und in den Hallen ein­schließlich der jeweiligen Sonder=Ausstellungen geboten ist, zu besichtigen, also die ganze Gortenbau=Ausstellung. Die einzige Ausnahme auf dem weiten großen Gelände bildet das im letzten Brief geschilderte Diorama der historischen Gärten usw., das seloständig ein besonderes Eintrittsgeld von einer Mark Ur Erwachsene, fünfzig Pfennig für Kinder bis zu 16 Jahren erhebt. Auch keines der vielen Restaurants, die doch fast alle ihren Gästen eigene Unterhaltung durch Musik=Kapellen, Ge­und Tanz=Gruppen, oder, wie das originelleAlt­Düßseldorf=, durch sehenswerte Ausstattung bieten, erhebt meines Wissens ein Eintrittsgeld. So ist es also Tatsache, daß man für eine oder höchstens, mit Einschluß des Dioramas, für zwei Reichsmark eine solche Fülle von Augenkost findet als man mit Mühe und Not in einem halben oder ganzen Tagedurch­arbeiten kann.

Die internationale Kunstausstellung ist wie ihre Vorgängerin, die deutsch=nationale Kunstausstellung des Jahres 1902, in dem übherd. r,,Tu Palast untergebracht, der alle Ausstellungsbauten werdauernd ständig zu gleichen Zwecken der Stadt Büsseldorf eehoren soll. Angegliedert in ihr auch diesmal eine kunst­Anschuag.ung, und im Obergeschoß findet außerden im von zau, die Gartenbauausstellung eine große Schaustellung g. nsierisch ausgeführten Blumen=Vasen und=Gefäßen aller Mar Der Eintritt zum Kunstpalast kostet gleichfalls eine ähnlich, gering dieses Entgelt im Bergleich zu den für Bug" Veranstaltungen sonst üblichen Taxen ist, beweist ein in den Orientierungsplan des Kataloges, wonach die Unausstellung allein insgesamt etwa 40 große und kleine Losenaus#t; eine Nachzahlung zur kunsthistorischen oder zur

venausstellung wird nicht erhoben. Etwas teurer stellt sich

der Besuch des Kunstpalastes für denjenigen allerdings, der nur seinetwegen herkommt, also seinen Kunsthunger solange stillt, daß der Hallenschluß bei Eintritt der Dämmerung und die abend­liche Heimfahrtstunde zu nahe zusammenfallen, um noch Zeit zur Besichtigung der Gartenbauausstellung zu gevinnen. Der Ein­tritt zum Kunstpalast ist nämlich nur vom Ausstellungsgelände aus möglich, sodaß der Kunstbeflissene zuerst den Obolus zu diesem und dann noch zum Musentempel zu zahlen hat.

Für denNormal"=Besucher aber, der Kunst und Natur hübsch nebeneinander an einem Nachmittage zu genießen pflegt, stellt sich also der Kostenpunkt für Kunst= und Gartenbau­ausstellung einschließlich desDioramas auf einen Taler, am billigen Mittwoch auf die Hälfte. An den Tagen der großen Illuminationen oder Feuerwerke tritt kein Aufschlag ein.

Der Titel des der Fröhlichkeit gewidmeten Vergnügungs­parks erweckt allerhand Erinnerungen, vor dem geistigen Auge des Besuchers von anno 1902 erhebt sich jene Stätt:, wo Fessel­ballon, Wasserrutschbahn und Höhlenfluß, addiert mit einem Dutzend Bier=, Sekt=, Likör= und Theebuden, einegrande attraction, darstellten, wenigstens nach der Meinung der Unternehmer. Denn im Grunde genommen, hat wohl jeder ernste Besucher das damalige Unternehmen als ein recht un­würdiges Anhängsel der herrlichen Industrie=Ausstellung empfunden. Ganz ohne lustige Schleppe kann man sich jedoch schließlich ebensowenig eine moderne Ausstellung denken, und so kam auch diesmal der Vergnügungspark zustande, allerdings unter strengerer Bewachung seitens der Ausstellungsleitung, besser organisiert und großzügiger angelegt als damals. Eine größere Einheitlichkeit durchzieht diesmal das Ganze. Zuerst bestand der Plan, eine Ansiedelung wilder trauskaukastscher Reitervölker zu gründen, aber Rußlands Krieg mit Japan machte einen Strich durch die Rechnung, die Kaukasier durften das Land nicht verlassen, und es mußte Ersatz gesucht werden. So griff man etwas tiefer nach#sten und holte aus den Dschungeln Indiens braune Bölker an den grünen Rhein. Nun entrollt sich dem Besucher ein buntes, interessantes Bild ost­indischen Lebens, wenn auch die stattlichen Gebäude, äußerlich ihrer ersten Bestimmung entsprechend, den altrussischen Stil recht farbenfroh äußern. Das Hauptleben konzentriert sich im vorderen Teil des Vergnügungsparkes, doch erstrecken sich die Nieder­lassungen der einzelnen Stämme weit über das Gelände, das diesmal an Umsang dem eigentlichen Ausstellungsgelände wenig nachsteht, bis dahin, wo Wasser= und Landrutschbahn diese Welt der Fidelitas recht modern=abendländisch abschließen. Dort löst sich denn auch alles durcheinander, das Theater Alt=Japan und das Berz=Restaurant Oberbayern, das ostindische Dorf und die italienische Osteria zu einem großen internationalen Jahrmarkt auf. Das nächste Mal also einen echten Kirmesbrief!

mühselige und sorgenvolle Abenteuer stürzten, setzen jetzt nicht mehr die Sporen in die Flanken, die häus­liche Gemütlichkeit wird erst im ausgereisten Alter in voller Reinheit genossen, die Sorgen vermindern sich oder werden wenigstens von dem abgeklärten Geist nicht mehr so scharf empfunden, und wenn man nicht mehr so massenhaft arbeiten und schaffen kann, wie früher, so hat man doch das Bewußtsein, aufgrund der reichen Erfahrung und Uebung noch recht Gutes zu leisten, und hat an den Ergebnissen des ausdauernden Fleißes eine vollere Freude, als die Jugend und strotzende Kraftalter an äußerlich größeren Taten. Darum ist es auch kein Wunder, wenn alte Leute oft unter dem Ehrenkranze der weißen Haare ein so frohes Gesicht und so vergnügte Augen leuchten lassen, daß sie manches blasse Jünglings= und sorgenvolle Mannes­gesicht beschämen.

Aber die Gesundheit? Nun ja, im Alter stellt sich allerlei Ungemach ein und es geht ohne Entsagungen, Schmerzen und Krankheiten nicht ab. Sind denn die Jugend= und Mannesjahre von allem Ungemach und jeder Krankheit verschont? Wahrlich nicht. Es gibt sogar alte Leute, die glaubhaft versichern, daß sie alles in allem gerechnet sich in ihrer Herbstzeit körperlich be­haglicher fühlen als in der Sturm= und Drangzeit oder in der sog. Kraftperiode. Die gütige Natur sorgt auch in diesem Punkte für einen lindernden Ausgleich. Der Mensch in seinen blühenden Jahren ist empfindlicher und ärgerlicher bei jeder Störung seines körperlichen Wohlbefindens, während die alten Leute die unvermeid­lichen Heimsuchungen dieser Art mit mehr Geduld und Gleichmut ertragen, also den Stachel der Vergänglich­keit nicht so schmerzlich fühlen.

Also mögen die jungen Leser und Leserinnen sich nicht bauge machen lassen vor dem Herbst des Lebens, den sie doch alle gern erleben wollen. Nun können sie sich rechtzeitig eine Sparkasse für Kraft und Gesund­heit anlegen. In dem hohen Alter sind diese Güter sehr kostbar, weil sie rar werden; in der Jugend aber geht man leicht verschwenderisch damit um, weil man ihren Vorrat für unerschöpflich hält. Spare in der Zeit, so hast Du in der Not des Alters. Alle Kraft­vergeudung, jeden Frevel an der Gesundheit mußt Du büßen, entweder durch einen frühen Tod oder durch ein verbittertes Alter. Je solider die Jugend, desto seliger das Alter, desto länger das Leben. Die Tugend ist das Klügste und Profitabelste.

Wenn der Winter kommt, so trösten wir uns mit der Hoffnung auf den nächsten Frühling. Wie ist es denn beim Lebenswinter? Hinter ihm steht doch nur das Grab, nicht neue Jugend? Ja, die Ungläubigen sehen nur den Tod und das Grab oder gar den Leichenofen. Aber der Christ sagt sich bei dem allmäh­lichen Verfall seines Körpers: Und neues Leben blüht aus den Ruinen! Wie die Hoffnung uns über die dunklen Punkte des Wechsels der Jahrzeiten hinweg­hilft, so hilft der christliche Glaube mit seiner frohen Zuversicht uns auch über den kritischen Punkt des Lebenswechsels hinweg. Ein zufrie enes Alter, ein seliger Tod, eine fröhliche Auferstehung das sind wahre Schätze des Glückes, die Jeder haben kann, wenn er sich nur der rechten Zauberformel bedienen will.

Vermischte Nachrichten.

Die Allgemeine Radfahrer=Union(Deutscher

Touren=Club) seit nahezu zwei Jahrzehnten bestehender Verband, irkt bahnbrechend aus dem Gediete des Wanderfahrens. Den Bemühungen der Allgemeinen Radfahrer=Union ist es gelungen, den Radtouristen eine Reihe schätzenswerter Erleichterungen und Beauemlichkeiten zu schaffen. Dieser Tätigkeit verdankt die

Radsportwelt eine Reihe hervorragender touristischer Arbeiten, zu denen als Neuheit im lausenden Jahre die Herausgabe von Profiszeichnungen der hauptsächlichsten deutschen Verkehrsstraßen getreten is. Die Errungenschaften der Allgemeinen Radfahrer­Union auf dem Gebiete des Unterkunftswesens und der Erleich­teiung der Grenzüberschreitung sind für die übrigen Verbände des In= und Auslandes geradezu vorbildlich geworden. Auch das Jahr 1903 brachte der Union wieder verschiedene neue Er­rungenschaften, so den zollfreien Grenzübergang mit Motor­rädern nach Oesterreich, Schweiz, Holland und Norwegen, eine überaus billige Unfall= und Haftpflicht=Versicherung für Motor­fahrer und schließlich vor allem vollständig kostenlosen Haftpflicht­Schutz allen Unionsmitgliedern beim Radfahren. Außer der Hastpflicht=Vericherung strebt die Union jetzt auch die kostenlose Versicherung ihrer Mitglieder gegen Radunfall an, und es steht zu erwarten, daß auch diese neue Wohlfahrts=Einrichtung recht bald den Unionsmitgliedern gesichert werden kann. Diesen Wohlfahrtseinrichtungen und den sonstigen vielen Vorteilen, die sie ihren Mitgliedern bietet, verdankt die Union den stattlichen Zuwachs an neuen Mitgiiedern, der für das mit dem 1. April begonnene Geschäftsjahr bereits über 1500 beträgt.

= Ein Hof ohne Frauen. Der Tod der Prinzessia Johann Georg von Sachsen, der Gemahlin des zweiten Sohnes des Königs von Sachsen erfolgte so unerwartet und plötzlich, daß von den Verwandten der hohen Patientin niemand an­wesend sein konnte; nur zwei Krankenpflegerinnen waren un sie beschäftigt. Nach der Operation(Beseitigung einer Muskel­geschwulst im Unterleibe) erhielt sich die Temperatur fortgesetzt auf über 100, was Komplikationen befürchten ließ. Der Tod erfolgte dadurch, daß eine größere Anzahl Blutgerinnsel aus dem Unterleib in das rechte Herz und von da in die Lunge geriet. Da auf den Unglückstag gerade der Geburtstag des sächsischen Kconprinzen fiel, mußte die Gratulationscour abge­sagt werden. Die einzige weibliche Repcäsentantin der könig­lichen Familie ist gegenwärtig Prinzessin Mathilde, die vierzig Jahre zählt und unvermählt geblieben ist. Der König ist be­kanntlich seit langen Jahren verwitwet, der Kronprinz ge­schieden, der dritt: Sohn des Königs, Prinz Max, ist Priester: somit sind sämtliche Mitglieder des sächsischen Königshauses gegenwärtig ohne Gattin.

9 Das römische Volksfest derDivin Amore hat

am Pfingssonntag seinen Ansang genommen und wird nun eine volle Woche dauern. Weit draußen in der Campagna aus dem Wege nach Albano liegt eine kleine Kirche, in der sich das uralte Madonnenbild von der göttlichen Liebe befindet. Hierhin pilgern am Pfingstmontage ganze Scharen von Römern, sowie unzählige Landleute aus den benachbarten Ortschaften der römischen Campagna. Aber diese Pilgerschaft vollzieht sich auf eine ganz besondere Weise: die die Pilger befördernden Fuhr­werke sind über und über mit Blumen und bunten Bändern, die Pferde und Maulesel wie die menschlichen Insassen ebenfalls in dieser Weise geschmück. Viele führen diese Sitie aus einen altheidnischen Römerbrauch zurück, der im Lause der Zeiten vom Christentume übernommen wurde, wie so manche andere. Am Nachmittage begeben sich die meisten dieser Fuhrwerke nich Albano, wo eine Art von Preisverteilung an die am originellsten geschmückten Wagen stattfindet, und Abends erfolgt der Einzug in Rom, woran sich eine Korsofahrt anschließt. Die modernen Zeiten dokumentieren sich dadurch, daß neuerdings auch blumen­geschmückte Belozipeds und selbst Automobile die Fahrt mit­machen.

8 Ueber den Brand der Bibliothek in Turin, der

so viele wertvolle Manuskripte vernichtete hat G. Bourgin, Mitglied der französischen Schule in Rom, einen umfasserden Bericht erstattet. Die Bibliothek besaß 4183 Manuskripte, und gerabe in dieser Abteilung hat das Feuer arge Verwüstungen angerichtet. Man hat etwa den fünften Teil der Sammlung retten können. Die Flammen haben u. a. vier Manuskripte desRoman de la Rose; aus dem 14. Jahrhundert, die Reden von Bessarion, das einzige Manuskript desChevalier errant von Margain von Saluzzo, ein Manuskript derScriptores histortac augustae aus dem 15. Jahrhundert und zwei Bände Miscellauca über Bobbio vernichtet. Von den Druckschriften wurde ein numeriertes Verzeichnis der verschwundenen Bände

in Der deutsche Gymnasialverein der die Interessen

des humanistischen Gymnastums vertritt und gegenwärtig nahezu 2200 Mitglieder zählt, hielt am letzten Mittwoch in Marburg unter dem Vorsitz des Geheimrats O. Jäger(Bonn) seine

13. Hauptversammlung ad. Der Vorsitzende wies in seiner Einleitungsrebe auf die derzeitige schwierige Lage des humanistischen Gymnasiums hin und hob hervor, daß der Verein sich über den den Realanstalten ermöglichten Weitbewerb in der Vorbereitung zu akademischen Studten durchaus freuen könnte, seine Erfolge aber allerdings erst abwarten müßte. Von dem Reformgy nnasium scheide den Verein die Ueberzeugung, daß das Lateinische früh und als erste Fremdsprache in den Unter­richt eintreten müsse, wenn es seine zur Wissenschaft erziehende Kraft bewähren solle. Daran schloß sich der Vortrag des Pro­fessors der Archäologie an der Universität Marburg, v. Sybel, über Pflege des Kunstsinnes im Gymnasialunterricht". Er verlangt noch besondere Stunden für Kunstunterricht, aber Bertiefung der dem Gymnasium obliegenden humanistischen Erziehung nach der ästhetischen Seite durch Verwertung auch der bildenden Kunst. Sodann sprach Gymnasialdirektor Aly (Marburg) überDie Bedeutung Ciceros für das humanistische Gymnasium. In der Diskussion wurde die Ansicht des Referenten durchaus geteilt, daß Cicero in erster Linie um des sachlichen Interesses willen Gegenstand der Lek­türe sein müsse. An Stelle des durch Krankheit ferngehaltenen Geheimrat Uhlig erstattete Direktor Paul Cauer(Düsseldorf) Bericht über den gegenwärtigen Stand der schulpolitischen Bewegung. Grund zur Bennruhigung für die Sache des Gymnasiums glaubte Redner darin zu finden, daß Direktor Reinhardt vom Frankfurter Reformgymnasium als vortragender Rat in das Kultusministerium berufen wurde.

c Etwas über das Rauchen. Das Tabakrauchen hat von jeher viele Feinde gehabt, aber man ist versucht zu be­haupten: fast ebenso viele Verteidiger. Mäßig genossen, ist der Tabak gewiß den Erwachsenen nicht gesundheitsschädlich, doch muß immer wieder hervorgehoben werden, daß den Kindern auf jeden Fall das Tabakrauchen unmöglich gemacht werden sollte und daß heranwachsende Jünglinge sich defleißigen sollten, beim Rauchen die größte Mäßigung zu beobachten. Die fran­zösische Gesellschaft gegen den Mißbrauch des Tabakrau dens hat vor nicht langer Zeit eine Liste von 40 verschiedenen Krank­heiten festgestellt und veröffentlicht, die als Folgen des Tabak­rauchens zu betrachten seien. Ohne Zweisel ist diese Liste über­trieben und wird schon deshalb einen wenig abschreckenden Ein­fluß ausüben. Die Argumente gegen das Tabakrauchen sind übrigens Legion, und ste vermochten wohl nie einen Raucher zu bestimmen, dem trauten Pseischen valet zu sagen. Anders liegt jedoch die Frage: Sollen Kinder rauchen? Heutzutage kann man sowohl auf der Dorfstraße als auf dem Trottoir der Großstadt jungen Burschen begegnen, eine möglichst auffällige große Pfeise im Munde zwischen den noch nicht ganz festen Zähnen hängen, oft genug auch sieht man ganz junge, der Schule noch nicht entwachsene Knaben ganz verstohlenihre Zigarette" verdampfen. Leider, das Zigarettenrauchen in der Knabenwelt greist furchtbar um sich; ist doch das Zeug so schrecklich billig geworden, daß fast jeder Knabe am Sonntag in der Lage ist, sich eine ganze Portion dieser scheinbar so un­schuldigen Dinger für wenige Pfennige zu verschaffen, deren

übermäßigen Genuß schon manchen zu geistiger Umnachtung verurteitte. Das Tabakrauchen der schulpflichtigen Knaben hat schon manchem Lehrer Verdruß bereitet, indem er oft Gelegen­het hatte zu beobachten, daß ein bis dahin guter Schüler fast plötzlich lernfaul, gleichgültig, gedächtnisschwach wurde, ja zu einem ganz minderwertigen Schüler herabsank. Forschte der Lehrer nach den Ursachen, so ergab sich bald, daß der Knabe zu rauchen angefangen hatte. Eine belgische Lehrerzeitung ver­anstaltete 190304 eine Enquête über Knaben im Alter von 1214 Jahren, welche die Volksschule besuchen, und das Ergebnis dieser Enquêteist vielleicht die schwerste Anklage, die jemals gegen das Tabakrauchen erhoben worden ist. Die Fragebogen der Enquete weisen folgende Rubriken auf: A. Gesamtzahl der der Beobachtung unterstellten Schüler. B. 1. Zahl der Kinder, die jeden Tag rauchen, 2. Zahl der Kinder, die ab und zu rauchen, 3. Zahl der Kinder, die niemals rauchen. Die drei Unterrubriken von B. waren ferner noch ein­geteilt in a. Zahl der sehr guten Schüler, d. Zahl der guten Schüler, c. Zahl der minderwertigen Schüler. Die Erhebungen fanden in den verschiedensten Gegenden Belgiens statt und zwar mit Rücksicht auf die Verschiedenheiten der Rassen, der Sitten und Gebräuchen. Der Beobachtung wurden 4180 Knaben unterstellt, und das Ergebnis war folgendes: 442 Knaben, die jeden Tag rauchen= 10.6 Prozent, unter diesen galten als sehr gute Schüler 47= 10,6 Prozent, als gute Schüler 118= 26,7 Prozent, als minderwertige Schüler 277= 62,7 Prozent; an Knaden, die dann und wann rauchen, entfielen auf die erwähnte Gesamtzahl 1594= 31,1 Prozent, und unter diesen 312= 19.6 Prozent sehr gute Schüler, 623= 39,1 Prozent gute Sylller und 659 41,3 Prozent schlechtere Schüler; die Zahl der Knaben, die niemals rauchen, betrug 2144= 51 Prozent, wovon 724= 33,8 Prozent sehr gute Schüler waren, 940= 43,8 Prozent gute Schüler und 480, also bloß 22,4 Prozent schlechtere Schüler waren. Diese Statistik ist äußerst exalt; stellen wir zum Schluß unserer Ausführungen die Zahlen noch klarer zusammen:

Sehr gute Schüler unter Kindern, die a. täglich rauchen: 10.7 Prozent; d. unter Kindern, die dann und wann zauchen: 19.6 Prozent; c. unter Kindern, die nie rauchen: 33,8 Prozent; gute Schüler unter.: 26,7 Prozent; unter.: 39,1 Prozent; unter.: 43,8 Prozent; minderwertige

Schüler unser.: 62.7 Prozent; unter.: 41,3 Prozeat; unter.: 22,4 Prozent. Wie man sieht, vermindert sich die Zahl der schlechteren Schüler ganz bedeutend, sobald man von der Gruppe der Raucher zu der Gruppe der Nichtraucher über­geht. Die Logik dieser Statistik entbindet jeden Kommentars,

aus ihren Zahlen erhellt zur Genüge, daß ganz besonders der Schuljugend der Volksschule wie der höheren Anstalten das Verabreichen von Rauchtabak gleichviel unter welcher Form unmöglich gemacht werden sollte. Ist erst der Jüngling zum Manne herangereift dann mag er sich das Pfeischen schmecken lassen!