52. Jahrgang. Nr. 393.

Vorabend=Ausgabe.

Donnerstag, 31. Mai 1900.

Erstes Blatt.

Chefredakteur: Carl Schütte in Nachen.

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2. Die Gewährung von Diäten an die Reichstagsabgeordneten.

Die im Morgenblatt wiedergegebene Nachricht, es

schwebten in Bundesrathskreisen Erwägungen wegen der Gewährung von Tagegeldern an die Reichstagsabge­ordneten, Vorbedingung sei eine Aenderung des Artikels 25 der Verfassung nach der Richtung, daß die Frist für die Anberaumung von Neuwahlen abge­kürzt wird, kann, wie wir schon bemerkten, in ihren Einzelheiten nicht korrekt sein. Die Vorbedingung, die die Regierung stellen soll, ist sinnlos. Es besteht doch nach dem Artikel 25 der Verfassung nicht die Ver­pflichtung, die Neuwahlen bis zum 60. Tage und die Wiedereinberufung des Reichstags bis zum 90. Tage zu verschieben, sondern nur die, sie nicht länger hinaus­zuschieben. Die Regierung besitzt also schon das Recht, die Frist abzukürzen, und hat auch stets davon Ge­brauch gemacht. Sollen die Wahlen schon nach 14 Tagen stattfinden, so hat sie allerdings dafür zu sorgen, daß die Vorbereitungen rechtzeitig beendet sind. Die Wahllisten sind nach den geltenden Vorschriften es ist hier dasWahlgesetz vom 31. Mai 1869 maß­gebend spätestens vier Wochen vor der Wahl öffentlich zur Einsicht auszulegen. Wollte man die Wahlen schon 14 Tage nach der Auflösung des Reichs­tags oder nach Schluß der Legislaturperiode vornehmen, so müßte man die Listen entweder schon vorher aus­legen und diese Vorschrift, nicht Artikel 25 der Ver­fassung müßte geändert werden. Die bloße Neu­aufstellung der Listen erfordert auch schon länger als 14 Tage; sie müßte darum gleichfalls vor Auflösung oder Schluß angeordnet werden oder die Listen müßten ständig von einer Wahl bis zur anderen geführt und für den sofortigen Gebrauch bereit gehalten werden.

Ueber die Abkürzung des Zwischenraumes läßt sich ja immerhin reden. Aber wir verstehen erstens nicht, was diese Terminverkürzung mit der Diätenfrage zu schaffen hat, und zweitens nicht, wie man auf diese Terminfrage erheblichen Werth legen kann. Kann die Regierung gute Gründe für die Abänderung des Wahlgesetzes beibringen, so wird der Reichstag mit sich reden lassen. Einen Druck auszuüben durch die Er­klärung, mir unter, dieser Bedingung gebe rs Diäten, scheint uns überflüssig und verfehlt zu sein. So ein Erpressungsversuch würde erst recht Mißtrauen und Widerstand wecken.

Zür Sache selbst bemüht sich heute dieNat.=Ztg. nachzuweisen, daß im Falle einer Auflösung die lange Wahlagitation von 5 oder 6 Wochen nicht gut sei, weil dadurch der Grund der Auflösung bald zurück­und gänz andere Streitpunkte immer mehr in den Vordergrund steten. Wenn es z. B. jetzt, zu einer Auflösung wegen der Flottenvorlage gekommen wärt, so würde, wie das nationalliberale Blatt meint, in der Wahlbewegung einige Tage von der Flotte, dann aber wochenlang von Getreidezöllen, Fleischeinfuhrverboten, vielleicht auch von der Waarenhaussteuer und dem Konitzer Mord die Rede sein.

Wir würden dieser Darlegung sofort zustimmen, wenn der neue Reichstag nur die einzige Frage, deret­wegen er aufgelöst ist, zu erledigen hätte, und nach dieser Amtshandlung einem anderen Hause Platz machte. Das ist aber nicht der Fall. Wenn z. B. unter einer Militärparole in aller Eile eine Kartellmehrheit ge­wählt würde, so würde diese Kartellmehrheit 5 Jahre lang die ganze Gesetzgebung des Reichs beherrschen; sie würde nicht bloß das betreffende Militärgesetz machen, sondern wahrscheinlich auch ein Wahlgesetz, das den Fortbestand der Kartellwirthschaft dauernd sicherte. Eine Konfliktswahl hat also jedenfalls eine große Be­deutung und kann sogar eine entscheidende Bedeutung für die ganze künftige Entwickelung haben. Deßhalb ist es nicht ungerechtfertigt, wenn die Wähler sich erst gründlich die Sache überlegen und außer dem Auf­lösungsgrund auch noch die übrigen politischen Interessen in Betracht ziehen.

Das geht freilich auch in einer kurzen Frist; aber dann muß mit Hochdruck gearbeitet werden, und die überstürzte Agitation könnte schließlich noch unangenehmere Früchte treiben, als die verlängerte Agitation.

Ferner muß man bedenken, daß die Verkürzung der Wahlvorbereitungszeit die ländlichen Wahl­kreise empfindlicher trifft, als die städtischen. In den städtischen Bezirken lassen sich schnell die nöthigen Wahlversammlungen veranstalten; in den ländlichen Bezirken braucht man aber dazu eine Anzahl von Sonn= und Feiertagen. Die Linke des Reichstags, welche sich hauptsächlich aus städtischen Kreisen rekrutirt, würde also durch die Verkürzung der Agitation nicht sehr behemmt werden, während die Rechte und das Centrum in 14 Tagen kaum würden durchkommen können. Wenn wir auch für unsere Partei davon keinen unmittelbaren Schaden befürchten, da sich unsere Leute so leicht nicht überrumpeln lassen, so halten wir es doch im Allgemeinen für bedenklich, wenn man die politische Heranbildung der ländlichen Wählerschaften beeinträchtigt; denn jede Vernachlässigung auf diesem Gebiete kommt schließlich der Sozialdemokratie zu Gute.

Der ganze Gedanke, für Konfliktswahlen mit ver­blüffender Plötzlichkeit den Weg frei zu machen, kommt uns noch recht unreif vor. Wenn der Bundesrath keine besserenKompensationen weiß, so sollte er nur die Tage= oder Anwesenheitsgelder ohne Weiteres be­willigen.

Der weitschauende Centrumsführer Windthorst hat fast auf jeder Katholiken=Versammlung betont, daß die Katholiken ihre Kraft vorzugsweise auf dem wirthschaft­lichen Gebiet bethätigen sollen. Ein anderer Freund der Centrumssache(H. M. Wiese) hat auf der Katho­likenversammlung in Dortmund im Jahre 1896 über denselben Gegenstand eine lange vortreffliche Rede ge­halten, deren Resultat er in folgenden Worten zusammen­faßte:Arbeiten wir auf wirthschaftlichem Wege rüstig voran, dann wird auch der Erfolg nicht fehlen. hoffe, daß nach 25 Jahren unter den Zuhörern auf der Generalversammlung eine ganze Schaar mit dem Befähigungsnachweise des Kommerzienrathes in Form eines Steuerzettels für über 30,000 Mark Einkommen­steuer in der Tasche hier vor den Rednern sitzt. Ar­beiten wir mit Pflichttreue und Gewissenhaftigkeit auf dem wirthschaftlichen Gebiete weiter, damit wir nament­lich auf diesem Gebiete die Stellung erringen und be­wahren, die uns gebührt." Derselbe Redner wandte sich auch an den Adel mit der Aufforderung, in den Wettbewerb einzutreten, indem er das Wort des Guido von Henckel=Donnersmark anführte:Ich bedauere lebhaft, daß so wenig Männer in bevorzugten Lebens­stellungen sich mit Sachkenntniß und Schaffensfreude an die Spitze der Entwickelung unseres Erwerbslebens stellen und meist nur konsumirende, nicht produzirende Mitglieder der bürgerlichen Gesellschaft sind. Der wahre Grund, warum Englands Aristokratie ihre wirth­schaftliche Bedeutung: und Existenzberechtigung im modernen Staate sich zu bewahren gewußt hat, ist eben der, daß sie die Bedürfnisse ihrer Zeit begreift und zu arbeiten versteht.

Es regt sich also auf den verschiedensten Seiten das Bewußtsein, daß wir Katholiken auf wirthschaft­lichem Gebiete mehr leisten können und mehr leisten müssen. Warum geschieht es trotz aller Anregung nicht? Bei Beantwortung dieser Frage halte man folgende Thatsachen im Auge:

1. Die Katholiken stellen eine unverhältnißmäßig hohe Zahl von Studirenden auf Gymnasien und Pro­gymnasien(s. Artikel.). 2. Nur ein kleiner Theil

erreicht das Reifezeugniß. In dem Jahresbericht eines Pregymnasiums lesen wir:Wie an den Gymnasien 80 Prozent der Schüler der Unterklassen nicht das gesteckte Ziel, das Reifezeugniß, erreichen, so kommen auch bei den Rektoratschulen(Ersatz für die staatlichen Progymnasien) selten mehr als ein Drittel oder ein Viertel der Schüler zur Sekunda. Ein entsetzliches Resultat! ein unbe­rechenbarer Verlust an Zeit und Geld und Talent! wenn wir uns auf die Jahresberichts=Angaben verlassen dürfen und wer möchte sie bezweifeln?

DerJahresbericht sagt:Knaben von 1214 Jahren müssen sich schon im vierten Jahre mit 3. fremden Sprachen (Latein, Französisch, Griechisch) abmühen. Das wird Talenten nicht leicht. Erst recht wäre es für diese Mehrzahl der mittel­mäßigen und für das praktische Leben bestimmten Schüler besser, dafür lieber eine lebende Fremdsprache gründlicher zu erlernen. Man verwendet auf jene Sprachen jede Woche in Sexta und Quinta 8, in Quarta 12, in Tertia 17 Stunden, also über die Hälfte der Wochenstunden. Und der Erfolg? Vielfach Unlust und Ekel an allem Studium, ja oft sind diese Knaben für jede Arbeit verdorben. Wie könnten diese Stunden(ohne Latein und Griechisch) für sie eine weit nützlichere Beziehung zum praktischen Leben erhalten! Mit Rücksicht auf diese Verhältnisse richteten wir schon vor 10 Jahren unsere Real­abtheilung ein und schrieben damals im 5. Jahresberichte:

Es muß jeder einsehen, daß insbesondere für diejenigen Knaben, welche nur4 Jahre die Schule besuchen sollen, welche nicht für die höhere Laufbahn, sondern für die gewerbliche Thätigkeit bestimmt sind, eine andere Vorbildung gehört, als die gymnasiale. einmal weil der so kurze Besuch einer gymnasialen Anstalt doch nicht die allgemeine klassische Bildung erreichen läßt, da die lateinische Sprache in dieser kurzen Zeit noch nicht ihre formalbildende Kraft vollständig entfalten kann, und dann auch, weil ihnen für ihren praktischen Beruf ein mehr praktisches Wissen nützlicher ist....

Gewiß wäre es zu wünschen, daß auch andere Anstalten sich ähnlich wie wir in 2 Abtheilungen organisiren könnten. Dazu fehlt es aber meistens an der genügenden Zahl Schüler und Lehrer.

Daraus ergibt sich, welchen Nutzen die vielen Schüler von den nicht vollendeten Studien haben, von selbst. Abgesehen von denjenigen, welche die betreffen­den Anstalten nur besucht haben, um das Zeugniß für den einjährigen Militärdienst zu erlangen, und von einigen anderen, welche zum Subalterndienst mit dem Zeugnisse für Prima abgehen, haben alle anderen von ihren5jährigen Studien sonst gar keinen Nutzen. Mit unvollendeter Elementarbildung im 9. bis 12. Jahre sind sie zu jenen Anstalten gekommen, haben ihre Zeit und Kraft vorzugsweise auf die alten Sprachen verwendet, die ihnen später gar nichts nützen, und bleiben meistens in der Handschrift, im Rechnen, im Deutschen und der Religion zurück hinter den­jenigen, welche die Elementarschule bis zum Ende be­sucht haben! Was sie im Leben nöthig haben, können sie nicht, und von dem, was ihnen im Leben nichts nützen kann, haben sie ungenügende Kenntniß. Daher für jede Arbeit verdorben!

Knaben, welche für das praktische Leben bestimmt und mit praktischen Talenten ausgestattet sind, sollen außer einer gründlichen Elementarbildung sich auf den Real= und Fachschulen weiterbilden, und nur die Knaben, welche für die höheren Studien ausgesprochenes Talent und Charakterfestigkeit haben, auf den Gym­nasien und Universitäten.

*) Vergl. Nr. 356 und 358.

Deutsches Reich.

Berlin, 30. Mai.

Englisches Kapital in Südwestafrika. Durch die Presse geht eine Meldung der englischen Blätter Daily News undDaily Expreß, wonach in Deutsch­Südwestafrika, etwa 400 englische Meilen land­einwärts von Walfischbai, reiche Funde an Gold, Silber, Kupfer und Bleierzen gemacht seien und dieenglisch=deutsche Westafrikagesellschaft", zu der Cecil Rhodes undandere Notabilitäten gehörten, eine Expedition unter dem Mineningenieur Christopher James abgesandt habe, um die Abbauwürdigkeit der Edelmetalle zu untersuchen; eventuell werde dann ein Abbau großen Stiles ins Werk gesetzt werden. Bei dieser Meldung, die deutschen Blättern schon zu weit­gehenden Befürchtungen wegen Ausbeutung Deutsch­Südwestafrikas durch englische Unternehmer An­laß gegeben hat, liegen, schreibt dieNordd. Allg. Ztg., mehrfache Unrichtigkeiten und Verwechslungen vor. Zunächst ist nicht einmal klar ersichtlich, welcher Fund­ort gemeint ist. Dem Anscheine nach handelt es sich um die bekannten Otavi=Minen, wo die South=West­Africa=Company auf Grund der Damaralandkonzession vom Jahre 1892 schon in den Jahren 1893 und 1894 umfangreiche Untersuchungen veranstaltet hat. Neuerdings ist es gelungen, durch Gründung der Otavigesellschaft hier­für auch deutsches Kapital in erheblichem Umfange heranzu­ziehen, und diese noch in der Bildung begriffene Ge­sellschaft, die eine deutsche Kolonialgesellschaft mit über­wiegend deutschem Einfluß werden soll, hat jetzt unter der Oberleitung des Dr. Hartmann die Expeditionen entsandt, bei denen neben anderen Bergleuten auch der Ingenieur Christopher James angestellt ist. Ferner hat nach dem etwa 400 Kilometer landeinwärts von Walfischbai liegenden Gebiet von Rehoboth die deutsche Hanseatische Land= und Minengesellschaft unter dem Bergmeister Eichmeyer eine Expedition entsandt, die dort mit bislang noch unbekanntem Erfolge geschürft hat. Endlich ist noch zu erwähnen, daß einige Privatleute, deutsche Reichsangehörige, von der deutschen Kolonial= gesellschaft für Südwestafrika Schürfscheine erworben und etwa 120 Kilometer landeinwärts von Walfischbai Kupferfunde gemacht haben, zu deren Ausbeutung dem Vernehmen nach ein Syndikat gebildet werden soll. Alle diese Unternehmungen, die einzigen, die hier Betracht kommen können, stehen entweder ausschließlich, oder, wie die Otavi=Gesellschaft, bei der nach Lage der Verhältnisse ein völliger Ausschluß des englischen Kapitals unmöglich war, doch überwiegend unter deutschem Einfluß.

** Der Unterstaatssekretär im Kultusministerium, Dr. v. Bartsch, hat sein Abschiedsgesuch eingereicht. In Dr. v. Bartsch repräsentirte sich der kulturkämpfe­rischeGeheimrath im Kultusministerium, dessen Geist" bei allen Wechseln in den Personen der Kultus­minister gewissermaßen alsruhender Pol in der Erscheinungen Flucht" im Kultusministerium herrschend blieb. Die Katholiken in Preußen werden daher den Rücktritt des Unterstaatssekretärs Dr. v. Bartsch nicht zu bedauern haben. Bartsch wurde 1874 vom Minister Falk in das Ministerium gerufen.

** Zur Frage des Maximal= und Minimal=Tarifs schreiben dieBerl. Pol.. sie dürfte schwerlich in der Weise geregelt werden, daß zwei Tarife eingeführt werden sollten, von denen der Minimaltarif unser Vertragstarif wäre und der Maximaltarif allen Ländern gegenüber Anwendung fände, die keinen Vertrag mit uns schließen. Man wolle vielmehr bei dem bisherigen System der einheitlichen Zollsätze beharren, aber die Vertretungen der einzelnen Gewerbszweige würden Gelegenheit erhalten, den Behörden anzugeben, welcher Zollsatz für sie unter allen Umständen gegenüber der ausländischen Konkurrenz nöthig ist. Es würde danach der Minimaltarif gewissermassen doch, aber nur so auf­gestellt werden, daß er anderen Kreisen als den heimischen Behörden nicht bekannt würde. Einen solchen Vorschlag hat dieser Tage schon dieDeutsche Industrie=Ztg. gemacht. Da nun dieses Blatt ebenso im Dienste des Centralverbandes deutscher Industrieller steht wie dieBerl. Pol.., so weiß man nicht, ob sich da nicht, wie dieNat. Ztg. sagt, Pontius auf Pilatus beruft und lediglich der Centralverband spricht. Gegen beide Arten des Vorgehens lassen sich Ein­wendungen erheben; gegen den geheimen Minimal=Tarif, den bloß einige Interessenten feststellen, aber doch wohl mehr als gegen den gesetzlich und öffentlich aufgestellten.

(2 Anträgen auf Aenderung jüdischer Familien= namen ist neuerdings ohne ausreichende Veranlassung oder doch ohne gebührende Rücksichtnahme auf die Be­denken, welche aus der Wahl des anzunehmenden Namens herzuleiten waren, von Seiten einzelner Be­hörden wiederholt stattgegeben worden. Um Einheitlich­keit in der Behandlung derartiger Anträge sicher zu stellen, hat der Minister des Innern, wie offiziös ge­schrieben wird, durch Cirkularerlaß bestimmt, daß künftig Gesuchen, welche auf die Genehmigung der Namens­änderung von Personen jüdischen Glaubens oder jüdischer Herkunft, beziehungsweise auf die Bestätigung des von einem zum Christenthum übergetretenen Juden bei der Taufe angenommenen Familiennamens gerichtet sind, nicht ohne die vorher einzuholende Ermächtigung des Ministers Folge gegeben werde. Das ist ja etwas. Allein deutsche Familien mit bekanntem Namen möchten gegen die Annahme desselben durch Juden ge­schützt werden. Wird der Minister etwa dieInter­essenten auffordern, sich zu melden, falls sie etwas gegen die Namensänderung einzuwenden haben?

w Hamburg, 29. Mai.(Tel.) Die Konferenz über die Einrichtung eines wettertelegraphischen

sPlaset in Zuteresse der dautscen dant wirthschaft hat heute Vormittag unter dem Vorsitz des Geheimen Admiralitätsraths Professor Dr. v. Neu­mayer in den Räumen der Seewarte begonnen. Die Konferenz wird voraussichtlich drei Tage dauern. Unter den 42 Theilnehmern befinden sich Vertreter des Reichsamts des Innern, des preußischen Kultusministe­riums, des Reichsmarineamts usw.

Oesterreich.

m Wien, 29. Mai.(Tel.) Bei der heutigen Stichwahl im Bezirke Neubau wurde der Christlich=Soziale Ahorner zum Gemeinderath gewählt. Der Führer der Fortschrittlichen Vogler unterlag.

Es stehen jetzt noch die Wahlen des vierten Wahl­körpers aus, die am Donnerstag stattfinden werden. In diesem Wahlkörper werden voraussichtlich die Sozial­demokraten eine Anzahl Sitze gewinnen. Gegenüber der schon errungenen erdrückenden Mehrheit der Christlich=Sozialen ist jedoch diese Wahl ohne ausschlag­gebende Bedeutung.

§ Antwerpen, 30. Mai.(Tel.) Eine Gruppe von 150 Katholiken, welche vor der Wohnung des Bürger­meisters van Vyck, welcher von den hiesigen Liberalen in die Kammer gewählt wurde, eine feindliche Kund­gebung organisirte, wurden von Liberalen und Sozia­listen angegriffen und schließlich in die Flucht getrieben. Bei der heftigen Schlägerei, welche hierbei ent­stand, wurden zahlreiche Katholiken verwundet und eine große Anzahl von Kundgeber verhaftet.

Frankreich.

Kriegsminister Gallifet demissionirt. w Paris, 29. Mai.(Tel.) Gallifet richtete an den Ministerpräsidenten folgendes Schreiben: Ich habe die Ehre, Sie zu bitten, dem Präsidenten der Republik meine Demission zu unterbreiten. Ich bin sehr leidend und meine durch meine jüngste Krankheit erschütterte Gesundheit gestattet mir nicht allen Aufregungen des Augenblicks Widerstand zu leisten. gez. Gallifet.

Das Amtsblatt wird morgen früh das Dekret ver­öffentlichen, wodurch General André zum Kriegs­minister an Stelle Gallifets ernannt wird, dessen Demission angenommen ist.

m Paris, 29. Mai.(Tel.) Da General André auf einer Reise befindlich ist, telegraphirte der Minister­präsident Waldeck=Rorsseau an ihn; man glaubt, daß des Generals Antwort erst gegen Mittemacht be­kannt werden dürfe.

w Paris, 30. Mai.(Tel.) Den Blättern zufolge legte Waldeck=Rousseau das Demissionsschreiben

Gallifets bereits im gestrigen Ministerrath vor. Da Gallifets Entschluß unwiderruflich war, beschäftigte sich der Ministerrath sofort mit der Wahl seines Nachfolgers. Der Vorschlag, dem General André, Kommandeur der 5. Division, das Portefeuille zu übergeben, fand all­gemeine Billigung. General André, welcher im 62. Lebensjahre steht, gilt als ein sehr energischer Offizier und entschiedener Republikaner. Er war der Erste, der sämmtliche politische Zeitungen aus den Kasernen aus­schloß. In Folge dieses Verbots, das hauptsächlich die nationalistische Presse traf, wurde André von der letzteren scharf angegriffen.

DemEcho de Paris zufolge sei Gallifet sowohl wegen der beleidigenden Angriffe der Kammer, als auch wegen des WortesTreubruch, das Waldeck=Ronsseau gegen den Haupt­mann Fritsch gebrauchte, zurückgetreten. DerGaulois will wissen, daß Gallifet zuerst einen sehr scharf gefaßten Brief geschrieben habe, es habe vieler Mühe bedurft, um ihn zur Abfassung eines anderen zu bewegen.

Petit Republik zufolge beabsichtigen die Nationalisten, am Donnerstag eine neue Debatte über die Affäre Tomps im Parla­ment hervorzurufen.

Afrika.

w Der Aufstand der Aschantis. London, 29. ai. M (Tel.) Eine amtliche Depesche an das Kolonialamt theilt mit, ein kleiner britischer Truppentheil, aus Haussas bestehend und von einem englischen Offizier befehligt, sei von einer weit stärkeren Abtheilung Aschantis bei Kwiosa angegriffen worden. Ein Offizier und mehrere Haussas wurden getödtet.

Maßregeln gegen die Boxer. m London, 30. Mai.(Tel.) Reuters Bureau berichtet aus Tientsin: Eine bewaffnete Entsatzkolonne, bestehend aus Franzosen und Deutschen, verließ am Nachmittag Tientsin, um die bei Changsastien eingeschlossenen Bel­gier zu befreien. Der Vizekönig erlaubte die Benutzung der Eisenbahn bis Fengfai, wo der Schutz der chi­nesischen Behörden sein Ende erreicht. Diese Erlaubniß wurde nur auf einen starken Druck des französischen Konsuls ertheilt. Von dem Kreuzer der Vereinigten StaatenNewark" werden 100 Seeleute erwartet, welche heute Abend hier eintreffen sollen.

Aus Shanghai wird telegraphisch gemeldet: Der russische Minister in Peking telegraphirte, man müsse ihm alle Kanonenboote, die sich in Taku befinden, zu­senden. Die chinesische Regierung hat bedeutende Truppenverstärkungen aus den Provinzen heran­gezogen. Ein französischer Ingenieur ist von den Boxern verwundet worden. Gerüchtweise verlautet, der russische Kommandant in Port Arthur bereite die Entsendung russischer Truppen nach Taku vor.

Der Krieg in Südafrika.

Das Verhängniß der Buren vollzieht sich rasch. Die britische Uebermacht dringt im Transvaalstaat vor wie eine Ueberschwemmung, die Alles vor sich nieder­wirft, nur noch stärker wird, wenn man sie an irgend einem Punkte staut. Es ist ein hoffnungsloses Schau­spiel, die kleine Schaar der Trankvaalluren im