Duuch unsore Cräger so Pfg.,
Urenzband 50 Ofennig. Verteisährt Bezugeprete:
Durch die Dost 90 Ofennig.
Erscheint
wüttwoche und Samstagg.
Druck und Verlag von Josef Kroth, Venn Breitestraße 13.
Fernruf 516.
Nr. 14.
BUIKPATCINTT
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Fernruf 515.
Mittwoch, den 16. Februar 1916.
11. Jahrgang
Eine Kriegsrede,
die kürzlich der frühere Präsident des österreichischen Abgeordnetenhauses, Geheimrat Dr. Robert Pattai, Mitglied des österreichischen Herrenhauses, auf der Jahresversammlung der deutschösterreichischen Schriftstellergenossenschaft gehalten hat, erscheint bemerkenswert genug, um sie bekannt zu werden, besonders jetzt, wo wir vor ernsten und bedeutsamen Entscheidungen stehen. Redner erinnerte die Versammlung an einen Teins spruch, den(der leider bei uns viel zu wenig gekannte und gewürdigte hervorragende österreichische Schriftstelle:) Ferdinand Käenberger in unserm Schicksalsjahr 1870 ausbrachte, der gerade heute wieder besonderen Gegenwartswert
„Haben uns doch die Zähne geklappert, als das perfide Judaswort umschlich: Deutschland will keine Eroberungen, es will sich nur verteidigen als der angegriffene und beleidigte Teil! So? Will keine Eroberungen? Gegen einen Feind, der immer Eroberungen will, will es keine Eroberungen? Mit andern Worten: Du warst in der Geschichte von jeher nur da, armes deutsches Opserlamm, um geschoren zu werden; fällt aber die Schere dir seldst zu, so schere beileibe nicht selber, sondern sei großmätig in diesem Falle! Sehr ritterlich— wenn es nicht sehr dumm wäre!.... Zu solchen Foxen einer blasterten Höflichkeit schickt man nicht eine Million Männer in den Tod, welche zehn Millionen Frauen, Bräute, Mütter, Schwestern und Töchter hinterlossen.... Wie? So oft den Relten die Neugierde anwandelt: Wer von uns beiden der Stärkere?— müßten wir ihm den Gefallen tun, Hobel und Hammer hinlegen und mit seinen Afrikanerhunden uns katzbalgen? Aber wir haben Besseres zu tun.... Die Partie ist nicht gleich, denn der Deutsche ist ein höheres Wesen als der Relte! Er ist der wirkliche Pionier der Kultur, was das verlogene Gascogner Schandmaul bloß sich anmaßt, und was ihm ein paar Jahre lang ein paar alte Weiber geglaubt haben.... Wäre der Relte der Stärkere, wißt ihr nicht, daß er mit beiden Händen die Rheingrenze packte? Is's aber der Deutsche, wißt ihr nicht, daß er die Maasgrenze haben muß. um der Stärkere einsach zu bleiben? Eroberung Rennt es Sicherung! Wären wir Narren genug, als die Stärkeren hinter unsere schwachen Grenzen zurückzugehen und das Ausfalltor der Bogesen hinter uns offen zu lassen, wißt ihr nicht, daß der Tanz demnächst wieder von neuem losginge?... Von der Lauter bis an die Maas liegt unter jedem Fußbreit Erde ein deutscher Mann begraben, von Weißenburg bis Sedan ist jede Scholle mit deutschem Blute überschwemmt, als hätte es Wolkenbrüche von Blut geregnet. Und dieses Land sollen wir aufgeben, mit der gewifsesten Aussicht, die Chiliaden Leichen noch einmal einzuscharren, die Ströme von Blut noch einmal zu vergießen, die ganze lange Todesstraße zum zweiten=, zum drittenmai zurückzulegen, so oft es dem Raufbold drüben gefällig ist, eine seiner Venegarcen zu nehmen?“
Unsere Gegner— fuhr Dr. Pattai sort— sind vor den stärksten Mitteln nicht zurückgeschreckt,
um uns zu vernichten, und da wagt man nun
davon zu sprechen, daß wir bescheiden sein müssen, und empfiehlt uns eine Mäßigung, die ein Verrat an uns selbst wäre?... Man wollte uns vernichten, und wir sollen so hirnlos sein, die Räuber, die uus überfielen, und deren Abwehr uns Ströme von Blut gekoftet hat, wieder im Vollbesitze ihrer Machtmittel ziehen zu lassen und sie als hohe Herren behandeln, bis es ihnen wieder beliebt, uns aufs neue anzufallen? Das wäre nicht nur ehrloseste Erniederung, sondern auch verbrecherische Dummheit! Oesterreich=Ungarn und Deutschland müssen nach Nordosten und nach Westen dauernd gesichert werden. Ihr politisches Bündnis zu einem wirtschaftlichen vertiefend, müssen sie mit den Völkern des Ostens in gefestigte wittschaftliche Berhältnisse treten, und zu diesem Zwecke müssen Rußland und England aus ihrer unnatürlichen Machlstellung derausgeworfen werden, zumal England in diesem Keiege auch Aegypten gestohlen hat. Erreichen wir das nicht, dann endet dieser Krieg ohne wirkliche Entscheidung, und der Friede wird die Welt nicht von der ständigen Keiegsgefahr durch England und Rußland befreien. Unverständlich ist deshalb das Gerede von einem„ehrenvollen" Frieden, wenn in England oder Frankreich sich irgendeine Stimme erhebt, welche die Partie jetzt abbrechen möchte. Das gibt uns noch keinen Aalaß, von einer Friedensstimmung zu sprechen, denn wenn wir es tun, wird man nur im Lager unseter Gegner sagen, daß wir um Feieden betteln! Gewitz wünschen auch wir einen ehrenvollen Frieden: allein davon zu sprechen, ist es noch nicht an der Zeit. In diesem surchtbaren Kriege muß der Frieden, soll er ein wirklicher und dauernder Frieden sein, von uns mit dem Schwerte in der Hand diktiert werden, und diese Ueberzeugung immer tieser ins Volk zu tragen, ist eine der dringendsten und vornehmften Aufgaben der deutschen Presse. Der Krieg legt auch uns im Hinterlande ungeheure Lasten auf, allein dies darf nicht zum politischen Argumente für einen unzeitgemäßen Pazifismus werden, weil ein solcher nur den Krieg verlängern oder uns zu den Füßen der Gegner niederzwingen würde. Und so muß unsere Presse täglich den öffentlichen Geist zum Ausharren stählen, denn wir haben diese ungeheuren Opfer nicht gebracht, um nur zu behalten, was wir bereits beseffen haben. Es gilt auch heute für uns Deutsche in Oesterreich sowohl im Keiege als auch für die Zeit nach dem Kriege, was einst Goethe, der gewiß kein Chauvinist, sondern ein Apostel der Mäßigung war, gesagt hat:
Du mußt herrschen und gewinnen,
Oder dienen und verlieren,
Leiden oder triumphieren,
Amboß oder Hammer soin!
Vom Weltkrieg.
„Verwandten" besuch in Rom.
Beiand, der Geschäftsfährer der besser ge
stellten„lateinischen Schwefler“ an der Seine, ist, wie wohl gar nicht anders erwartet worden ist, an der Tiber pflichtschuldig„herzlich" begrüßt und gefeiert worden. Der König und die Köni
gin=Mutter haben den blutroten Republikaner empfangen und sicher ihre Freude ausgesprochen über diesen Besuch, der Bürgermeister von Rom, Fürst Colonna, hat Biiand andeklamiert wie einen Bringer besserer Zeiten, Briand und Salandra, die beiden Ministerpräsidenten, haben einander zugeteunken mit einer vorhergehenden unvermeidlichen Wortflut. Aber in der Außenwelt weiß keiner, ob und welche Bisprechungen zwischen den beiden Häuptlingen stattgefunden, welche Abmachungen getroffen worden fiad. Die Off ziösen schweigen oder drücken sich höchst orakelhaft aus. Regierungsfeindliche Blätter schätzen das Ergebnis dieser pomphaften Zusammenkunft auf Null. Briand hat auch die italienische Front besucht und ist dann nach Paris zurückgekehrt. Gleich hinterher hieß es, Salandra werde den Besuch erwideen; neuerdings läßt Salandra aber verkünden, die Nachricht sei verftüht, der Zeitpunkt des Besuches und die Begleiter des Ministeiptäsidenten seien noch nicht bestimmt. Er hätte vielleicht hinzusetzen können, auch über die Person des Ministerpräsidenten, der den Besuch abzustatten, sei noch keine Einigung erzielt.
Anscheinend hat der Besuch beider Teile enttäuscht. Salandra erwartete zweisellos von dem Besuch Bliands eine Stärkung seines Ansehens bei den republikanischen und radikalen Elementen. Nebenher wohl auch eine Verständidigung über gewisse Vereinbarungen, die von der einen oder anderen Regierung noch nicht anerkannt sind. Frankreich hat das Londoner Uebereinkommen über den Ausschluß des Papstes von dem zukünftigen Friedenskongreß noch nicht unterzeichnet, wodurch Italien die Besprechung der römischen Frage und die Lage des päpstlichen Stuhles zu verhindern hofft. Italien dagegen ist noch immer nicht gewillt, Truppen nach der Westfront zu schicken, überhaupt über den Isonzo hinaus sich besonders militärisch anzustrengen. Beide können nicht anders. Die Regierung in Frankreich hat in den Klerikalen ihre befte Stütze, ihre hervorragendsten Hetzer, die sich andauernd bemühen, ihren Glaubensgenossen in den feindlichen Staaten der ganzen Welt zu verdächtigen und den Kampf der Mittelmächte als einen Kampf gegen die katholische Kirche hinzustellen. Beland, der die Trennung der Kirche vom Staat in Frankreich durchgeführt, ist auf die Unterstätzung der bisher Verfolgten angewiesen, kann sie nicht, wie bisher, nur immer vor den Kopf stoßen, muß ihnen Zugeständnisse machen, so lange er sie, wie gegenwärtig, nötig hat. Er konnte dem Abkommen bezüglich des Papstes, das nur zwischen England und Italien abgeschlossen worden ist, nicht beitreten.
Und Italien kann, nach dem übereinstim. menden Urteil seiner militärischen Sachverständigen, keine Truppen für andere Keiegsschauplätzt entbehren, es bedarf der Auspannung aller seiner Kräfte, um„Oesterreich niederzuwerfen“, heißt es offiziell(während es, wie die Berhältnisse gegenwärtig liegen, heißen müßte: um von Oesterreich nicht niedergeworfen zu werden). Bielleicht haben sich die Vertreter der beiden„Schwesternationen“ aber doch über etwas verständigt, was, wie in den offiziösen Blättern angedeutet wird, demnächst
sich zeigen werde. Wahrscheinlich haben sie sich
seste zusammengeschlossen gegen das Ueberragen Englands im Bunde, das beide„Schwesternationen“ gleich empfindlich spären. Beide sind aus England angewiesen, können sich ihm kaum entziehen, es höchstens durch eine gewisse„passive Refistenz“ zu größerem Entgegenkommen zwingen. England läßt inzwischen aber Italien durch die russische Presse abkanzeln, die es übernommen hat, den Verbandsgenossen an der Tiber seine Pflichten vorzuhalten. Die„Nowoje Wremja“ sagt, es könne nicht geduldet werden, daß Italien des Trentino wegen einen Sonderkeieg führe, es habe sich dem Garzeu ohne eigenen Willen und ohne Eigennutz einzusügen. Mend wic
Italien kann aber nicht mihr. Briano wird das eingesehen haben und wird nicht mit den besten Eindrücken aus Rom zurückgekehrt sein. Italien ist finanziell und militätisch erschöpft. Seine Industrie ist durch Kohlenmangel und ungehenerliche Steigerung aller Rohstofspreise vollständig lahmgelegt. Die Fremden, die so viel Geld nach Italien brachten, bleiben aus, und die Landeskinder, die soviel Geld aus dem Auslande schickten, stehen an der Front oder sind vielleicht auch schon längst gefallen oder verwundet oder sonstwie kampf= und erwerbsunsähig gemacht. Italien ist auf die Unterstätzung seiner Berwandten und Berbandsgenossen augewiesen; bleibt sie aus, dann kann Italien einfach nicht mehr kämpfen. Cardorna wird an den Fronten ja noch eine Weile demonstrieren, um den guten Willen Italiens zu bezeigen. Hernach aber wird, wenn keine umfassende Hilfsaktion eingeleitet wird, Italien zu verhängusvollen Entschlüssen gezwunter er.„
Der„Verwandten besuch in Mom ist ein wenig verheißungsvoller Auftakt zu der wieder einmal so großtuerisch angekündigten„Großen Frühjahrsoffensive“ der Berbändler.
Inzwischen haben die Bulgaren Elbassan in Albanien besitzt und marschieren auf Wallona, die Oesterreicher nähern Durazzo, das aufgegeben werden soll. Albanien wird für Italien unhaltbar. Der Großmachtstraum Italiens dürfte ausgeträumt sein.
Die„Lusitania“=Angelegenheit
ist anscheinend noch nicht, wie die Köln. Zig. schon gemeldet hatte,„erledigt“, sondern„schwebt“ noch. Die in den Vereinigten Staaten und im Ausland verbreiteten Nachrichten widersprechen einander. Nach der einen Lesart ist„begründete Hoffnung" vorhanden, in den nächsten Tagen zu einer gründlichen Verständigung zu gelangen. Wilson und sein getreuer Schildhalter Lansing sollen bereit sein, die letzte deutsche Note anzunehmen, wenn einige kleine Aenderungen des Textes zugestanden werden. Nach einer andern Mitteilung ist der„Lusitania“fall„hoffnungslos“. Nach unserer Auffassung ist keinerlei Grund zur Beunruhigung vorhanden. Wilson denkt, wie er wiederholt erklärt hat, an keine kriegerische Auseinandersetzung mit irgendeinem europäischen Staat. Er wäre auch gar nicht imstande, einen solchen Krieg zu führen. Mag der Maulheld Roosevelt auch noch so schreien: im Lande herrscht
Aus dem Leben eines Taugenichts.
Von Joseph v. Sichendorff.
13.—
Auf einmal hörte ieh jemand hinter mir lachen. Ich drehte mich rasch um. Es war der Maler von heute ftüh.„Was stellst du wieder für tolles Zeug an!“ sagte er,„ich warte schon eine halbe Stunde auf dieh. Die Lust ist wieder kühler, wir wollen in einen Garten vor der Stadt gehen, da wirst du mehrere Landsleute finden und vielleicht etwas Näheres von der deutschen Gräfin erfahren.“
Darüber war ich außerordentlich erfreut, und wir traten unsern Spaziergang sogleich an, während ich den Papagei noch lange hinter mir drein schimpfen hörte.
Nachdem wir draußen vor der Stadt auf schmalen, steinigen Fußpfaden lange zwischen Landhäusern und Weingärten hinaufgestiegen waren, kamen wir an einen kleinen, dochgelegenen Garten, wo mehrere junge Männer und Mädchen im Grünen um einen runden Tisch soßen. Sobald wir hineintiaten, winkten uns alle zu, uns still zu verhalten, und zeigten auf die andere Seite des Gartens hin. Dort saßen in einer großen, grünverwachsenen Laube zwei schöne Frauen an einem Tische einander gegenüber. Die eine sang, die andere spielte Gitarre dazu. Zwischen beiden hinter dem Tische stand ein freundlicher Mann, der mit einem kleinen Stäbchen zuweilen den Takt schlug. Dabei funkelte die Abendsonne durch das Weinlaub, bald über die Weinfloschen und Früchte, womit der Tisch in der Laube besetzt war, bald über die vollen, runden, blendendweißzen Achseln der Frau mit der Gitarte. Die andere war wie verzückt und sang
auf italienisch ganz außerordentlich künstlich, daß ihr die Flechsen am Halse ausschwollen.
Wie fie nun soeben mit zum Himmel gerichteten Augen eine lange Kadenz anhielt und der Mann neben ihr mit aufgehobenen Stäbchen auf den Augenblick paßte, wo sie wieder in den Takt einfallen würde, und keiner im ganzen Garten zu atmen sich unterstand, da flog plötzlich die Gartentür weit auf, und ein ganz erditztes Mädchen und Hinter ihr ein junger Mensch mit einem seinen bleichen Gesichte stärzten in großem Gezänke herein. Der erschrockene Mufikdircktor blieb mit seinem aufgehobenen Stabe wie ein versteinerter Zauberer stehen, obgleich die Säggerin schon längst den langen Teiller plötzlich abgeschnappt hatte und zornig aufgestanden war. Alle übrigen zischten den Neuangekommenen wütend an.„Barbar!“ rief ihm einer von dem runden Tische zu,„du rennst da mitten in das finnreiche Tableau von der schönen Beschreibung hinein, welche der selige Hoffmann, Seite 347 des Frauentaschenbuches für 1816, von dem schönsten Hummelschen Bilde gibt, das im Herbste 1814 auf der Berliner Kunstausstellung zu sehen war!“(Gemeint ist Johann Ecdmann Hummels (zeb. 1769, gest. 1852] Bild: Gesellschaft in einer italtenischen Locando, das E. T. A. Hoffmann am Ansang seiner Erzählung„Fermate“ beschreibt, die 1816 im Frauentaschenbuch erschten.) — Aber das half alles nichts.„Ach was!“ entgegnete der junge Mann,„mit euren Tableaus von Tableaus! Mein selbsterfundenes Bild für die andern und mein Mädchen für mich allein! So will ich es halten! O du Ungetreue, du Falsche!“ fuhr er dann von neuem gegen das arme Mädchen fort,„du keitische Seele, die in der Malerkunst nur den Silberblick und in der Dichtaunft nur den goldenen Faden sucht und
keinen Liebsten, sondern nur lauter Schätze hat! Ich wünsche dir hinsüro, anstatt eines ehrlichen malerischen Pinsels einen alten Duca mit einer ganzen Mänzgrube von Diamanten auf der Nase und mit hellem Silberblicke auf der kahlen Platte und mit Goldschnitt auf den paar noch übrigen Haaren! Jo, nur heraus mit dem verruchten Zettel, den du da vorhin vor wir versteckt haft! Was hast du wieder angezettelt? Von wem ist der Wisch, und an wem ist er?“
Aber das Mädchen sträubte sich standhaft, und je eistiger die andern den erbosten jungen Menschen umgaben und ihn mit großem Lärm zu trösten und zu beruhigen suchten, desto erhitzter und toller wurde er von dem Rumore, zumal das Mädchen auch ihr Mäulchen nicht halten konnte, bis sie endlich weinend aus dem verworrenen Knäuel hervorflog und sich auf einmal ganz unverhofft an meine Brust stürzte, um bei mir Schutz zu suchen. Ich stellte mich auch sogleich in die gehörige Pofitur, aber da die andern in dem Getümmel soeben nicht auf uns achtgaben, kehrte sie plötzlich das Köpfchen nach mir herau und flästerte mir mit ganz ruhigem Gesichte sehr leise und schnell ins Ohr:„Du abscheulicher Einnehmer! um dich muß ich das alles leiden. Da, steck' den fatalen Zettel geschwind zu dir, du findest darauf bemerkt, wo wir wohnen. Also zur bestimmten Stunde, wenn du ius Toi kommft, immer die einsame Straße rechts fort!“ Ich konnte vor Verwunderung kein Wort hervorbringen, denn wie ich sie unn erst recht ansab, erkannte ich sie auf einmal: es war wahrdafstig die schnippische Kammerjungser vom Schlosse, die mir damals an dem schönen Sonntagsabende die Flasche mit Wein brachte. Sie war mir sonst niemals so schön vorgekommen, als da sie sich jetzt so erhitzt an mich lehnte, daß
die schwarzen Locken über meinen Arm herabhingen.—„Aber, verehrte Mamsell.“ sagte ich voller Erstaunen,„wie kommen Sie“— Um Gottes willen, still nur, jetzt still!“ erwiderte sie und sprang geschwind von mir sort aus die andere Seite des Gartens, eh' ich mich noch auf alles recht befinnen konnte.
Unterdes hatten die andern ihr eistes Thema saft ganz vergessen, zankten aber untereinander techt vergnüglich weiter, indem sie dem jungen Menschen beweisen wollten, daß er eigentlich betrunken sei, was sich für einen ehrliebenden Maler gar nicht schicke. Der runde fixe Mann aus der Laube, der— wie ich nachher ersuhr— ein großer Kenner und Freund von Künsten war, und aus Liebe zu den Wissenschaften gern alles mitmachte, hatte auch sein Stäbchen weggeworfen und flankierte mit seinem fetten Gesichte, das vor Freundlichkeit ordentlich glänzte, eifrig mitten in dem dicksten Getämmel herum, um alles zu vermitteln und zu beschwichtigen, während er dazwischen immer wieder die lange Kadenz und das schöne Tableau bedauerte, das er mit vieler Mähe zusammengebracht hatte.
Mir aber war es so sternklar im Herzen wie damals an dem glückseligen Sonnabende, als ich am offenen Fenster vor der Weinflasche bis tief in die Nacht hinein auf der Geige spielte. Ich holte, da der Rumor gar kein Ende nehmen wollte, frisch meine Bioline wieder hervor und spielte, ohne mich lange zu befinnen, einen welschen Tanz auf, den sie dort im Gebirge tanzen, und den ich auf dem alten, einsamen Waldschlosse gelernt hatte.
Fortsetzung folgt.