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Nr. 56

Samstag, den 21. November 1908

1. Blatt.

Für das Staatshaupt.

Unter den deutschen Staatsoberhäuptern gibt es in den kleineren Bundesstaaten etliche, die zwar offiziell keine Zivilliste erhalten, doch wird hier nur der Form nach ein Unterschied gemacht, da ihnen als Einnahmen ein großer Teil des Do­minalvermögens und der Domäneneinkünfte über­lassen wurde. Es erhalten die Staatsoberhäupter von:

Preußen.....:.. 15 719 296 M.

Bayern 5 403 986

Württemberg 2 115 877

Sachsen 4 074 568

Baden1 876 269

Hessen1 265000

Braunschweig. 1 125 323

Anhalt1 688 169

Sachsen=Altenburg 800 000

Oldenburg 510000

Sachsen=Koburg=Gotha 104 000

Sachsen=Meiningen.... 800 000

Sachsen=Weimar=Eisenach 960000

Mecklenburg=Schwerin und Strelitz 400000

Reuß ältere und jüngere Linie 300000

Schaumburg=Lippe,... 250 000

Lippe=Detmold 200 000

Schwarzb.=Rudolst. und Sondersh. 400000

Waldeck 200 000

38 192 488 M.

Zusammen also über 38 Millionen Mark! Dazu kommt noch die Steuerfreiheit der Für­sten aus ihrer Zivilliste und aus ihrem zum Teil sehr großen Kapitalvermögen. Dazu kommt ferner die Portofreiheit für alle ihre Post­sendungen auch privater Natur, zum Beispiel auch der Versandgegenstände aus ihren Gewerbe­betrieben, die natürlich gleichfalls gewerbesteuerfrei sind. Rechnet man demgemäß das zusammen, was die Fürsten bekommen, und das, was sie vermöge ihrer besonderen Privilegien nicht zu zahlen brauchen, so ist der Gesamtansatz ihrer Jahresbezüge aus öffentlichen Mitteln mit 40 Millionen eher zu niedrig als zu hoch berechnet. Die besonderen Steuern, die hier und da noch erhoben werden, wie zum Beispiel in Mecklenburg die sogenannte Prinzessinnensteuer, sind, dabei noch nicht in Ansatz gebracht.

Waldeck, ein Land, nicht größer als ein preußischer Landkreis im Durchschnitt es hat 60 000 Einwohner hat gleichwohl für seinen Landesfürsten 200 000 Mk. aufzubringen. Man vergleiche damit die räumlich 8300 mal so großen Vereinigten Staaten mit ihren 86 Millionen Einwohnern. Und was zahlen diese 86 Millionen Menschen ihrem Staatsoberhaupt? Außer freier Wohnung, Heizung und Beleuchtung im Weißen Hause zu Washington beträgt das Gehalt(Zivil­liste braucht man hier nicht zu sagen) des Präsi­denten der nordamerikanischen Union 225 000 M. Wollte man die Zivilliste des Fürsten von Wal­deck nach Maßgabe der Kopfzahl in Waldeck und und Nordamerika unter Zugrundelegung des Ge­halts Roosevelts bemessen, so würden dem Fürsten von Waldeck etwa 160 M. zufallen.

Umgekehrt, wollte man den Präsidenten der Vereinigten Staaten nach dem Maßstabe der

Irrwege.

Roman von Hedwig Lange.

12) Nachdruck verboten.

9.

Herr von Steffen hatte vor etwa zehn Jahren sein Gut in sehr heruntergewirtschaftetem Zustande von seinem Vater übernommen und war dann, um seine finanziellen Verhältnisse aufzubessern, eine Geldheirat eingegangen, welche er während der Dauer seiner Ehe aufs schmerzlichste zu be­klagen Ursache hatte. Seine Frau war Tochter eines reich gewordenen Fabrikanten gewesen; an­fangs hatte das hübsche, lebhafte Mädchen, welches ihm mit großer Liebenswürdigkeit entgegenge­kommen war, wohl, weil es in der Hand des adligen Gutsbesitzers den Schlüssel zu vornehmer und unabhängiger Lebensweise erblicken mochte, ihm nicht mißfallen, bald aber, nachdem er un­löslich an sie gebunden, lernte er ihren wahren Charakter kennen.

Anspruchsvoll, lannenhaft, auf ihr Geld pochend, so machte sie sich im Laufe der Zeit immer unerträglicher, obgleich er verschlossen und schweigsam, wie er war, niemand etwas von dem Martyrium seiner Ehe merken ließ. Nur der Besitz seiner reizenden kleinen Mädchen versöhnte ihn wieder mit dem Dasein und ließ ihn geduldig die Ketten weiterschleppen.

Noch zu Lebzeiten seiner Frau hatte er die damals eben erblühende Magdalene Holm kennen gelernt und einen tiefen Eindruck von dem Mäd­chen erhalten, welches in der anmutigen, gehalt­vollen Ruhe seines Wesens einen so reizvollen Gegensatz zu seiner nervösen launischen Gattin bildete.

Als diese gestorben, war es da ein Wunder, daß seine Blicke und Wünsche sich wieder auf Magdalene richteten, Wünsche, die durch die ge­legentliche Anspielung seiner Mutter noch genährt wurden? Er hatte es nicht gewagt, zu Magda­

Einwohnerzahl von Waldeck und der dort ge­zahlten Zivilliste besolden, so hätte er Anspruch auf ein Jahreseinkommen von 319 Millionen M. Der nordamerikanische Präsident aber macht's für 225000 M. Etwas mehr erhält der Prä­sident der französischen Republik, nämlich außer freier Wohnung, Heizung und Beleuchtung 1 200 000 Francs bei 38 Millionen Einwohnern. Er steht sich immerhin noch nicht so gut wie der Herzog von Braunschweig, das noch nicht eine halbe Million Einwohner hat.

Aus Mehlem.

Schreiben im Volksmund.

Es werden in letzter Zeit öfter Stimmen darüber laut, daß es etwas nicht notwendiges, wenn nicht sogar Schädliches sei mit dem Schrei­ben imVolksmund.

Da auch ich durch einen gelegentlichen Beitrag zu diesen Schreibern gehöre, möchte ich mir erlauben, mit Bezug auf denVolksmund hier einige Zeilen folgen zu lassen.

Zuerst bin ich der Ansicht, daß derVolks­mund nicht dazu dienen soll und auch nicht dazu will, lediglich gegen die Verwaltung zu stänkern durch wissentlich unwahre Behauptungen oder ge­chässige Anwürfe. Ich glaube, wer vorurteilsfrei zu denken versteht, wird dieses von den Mehlemer Korrespondenten niemals annehmen.

Es gibt ja freilich auch Leser, welche aus einem nicht verstandenen Satz, eine ganze Fata morgana sich zusammen denken. Allem es wird auch im Leserkreise die nicht ganz von Hand zu weisende Ansicht laut, über Verwaltungssachen zu urteilen sei lediglich Sache der dazu berufenen Personen, nämlich des Gemeinderates. In ge­wisser Beziehung ist dieses richtig, aber wann ist denn den Gemeinderäten Gelegenheit gegeben, sich der Gemeindeangelegenheiten so anzunehmen, wie es eigentlich geschehen sollte. Wer da glaubt, es sei alle Monate eine Gemeinderatssitzung, ist schwer im Irrtum. Es vergehen Vierteljahre darüber, ehe einmal eine Sitzung stattfindet, und dann ist die Tagesordnung so groß, daß der Stoff in den paar Stunden kaum zu bewältigen ist. Zudem werden die Sitzungen angeordnet vom Bürgermeister, und zwar nur dann, wenn Maß­nahmen notwendig sind, welche er gesetzlich nicht ohne den Gemeinderat vornehmen kann. Es steht zwar nach der Landgemeindeordnung dem Ge­meinderat das Recht zu, eine Sitzung zu veran­lassen, wenn ein dahin gehender Antrag von drei Gemeinderatsmitgliedern unterzeichnet dem Bür­germeister eingereicht wird, allein dieses kann sich nur immer um einen einzelnen Fall handeln, ist aber auf den Gesamtgang der Geschäfte nicht anwendbar.

Die Sache liegt mit Bezug auf die Gemeinde­verwaltung ähnlich wie mit der Verwaltung des Reiches. Der Reichstag dient in der Hauptsache dazu, die für des Reiches Macht und Herrlichkeit nachgerade in's Unheimliche wachsenden Schulden zu bewilligen. Wie es nun der Presse freisteht, die Angelegenheiten des Reiches zu besprechen, so muß es auch das Recht der Presse sein, kommu­nale Angelegenheiten zu besprechen, unter Um­ständen auch in kritischem Sinne.

Wenn in einer Gemeinde wie Mehlem un­geheure Anstreugungen gemacht werden, den Ort zu heben und in jeder Beziehung auf die Höhe der Zeit zu bringen, so ist dieses natur­gemäß nicht ohne große Kosten möglich. Es unterliegt aber auch keinem Zweifel daß alle Bürger an diesen Kosten zu tragen haben, arm wie reich, jeder zu seinem Teil.

Wenn nun aber den berufenen Vertretern der Gemeinde so wenig Gelegenheit gegeben ist, sich mit Verwaltungsangelegenheiten zu befassen, so wird man es ihnen nicht verübeln können, wenn ein solches Gemeinderatsmitglied irgend eine Sache einmal öffentlich bespricht, um sich gegen den Vorwurf zu decken, man ließe einfach Gottes Wasser über Gottes Boden laufen und sinke zum grundsatzlosen Jabruder herab. Daß aus dem Kreise der übrigen Bürger noch weit mehr Besprechungen in einem öffentlichen Blatte erfolgen, kann füglich nicht Wunder nehmen, denn wer gehörig blechen muß, hat dann doch wohl auch das Recht, einmal seine Ansicht zu sagen.

Doch abgesehen von Verwaltungssachen, ist derVolksmund speziell bei uns noch zu etwas anderem notwendig.

Es finden zuweilen Vereinsversammlungen statt. Da gibt es nun Vereinsmitglieder, welche einen förmlichen Sport daraus machen, die Worte des Vortragenden gänzlich entstellt und unwahr mit allerlei gehässigem Beiwerk versehen draußen herum zu kolportieren. Es ist bei uns leider so weit gekommen, daß auf derartigen Versammlun­gen ein Stenograph notwendig wäre, damit alles, was gesprochen wird, nachher authentisch wieder­gegeben werden kann. Wie es jetzt bei uns steht, hat der von solcher Maulwurfs= und Dunkel­männerarbeit Betroffene zu seiner Rechtfertigung keinen andern Ausweg, als die Flucht in die Oeffentlichkett, und wenn es dann scharfe Hiebe giebt, so haben die Maulwürfe sich dieses selbst zuzuschreiben. Agricola.

Wandel der Zeiten.

Rückschan und Ausschau eines alten Bonners.

1.

Die alte Sterntorkaserne.

Andere Zeiten andere Bedürfnisse. Das zeigt sich auf keinem Gebiete so in die Augen springend wie auf dem des Städtebaues und der Städteentwicklung. Unsere Vorfahren siedelten sich in enge Gassen an und lebten darin mit Be­hagen. Die befestigte Stadtniederlassung war zum Schutz mit einem Mauerngürtel umgeben. Um nicht zu viele Verteidigungskräfte zu benötigen, wie auch aus finanziellen Grunden, durfte dieser keine zu große Ausdehnung annehmen. Wir neu­zeitlichen Menschen verlangen Luft, Licht und weiten Raum als erste Lebensbedingungen. Diese Gegensätze treten für uns so recht in die Erschei­nung, wenn wir heute unsere Schritte aus der Altstadt zu dem aufgeschlossenen Gelände der ehemaligen Sterntorkaserne lenken.

Was würde wohl der Kurfürst Klemens August Augen machen, wenn er heute, wie früher so oft, mit seinem Gefolge über die Sternstraße hinauszöge, um im Kottenforst des Waidwerks zu pflegen. Wie würde Serenissimus auffahren,

wenn er sähe, wie man mit seinem Marschstall, aus dem ja die Kaserne entstanden, so gründlich aufgeräumt. Alt ist ja der Zug nach dem Westen, der hier schon vor bald 200 Jahren eine neue, breite Straße anlegen wollte. Plante doch der Oheim und Vorgänger von Klemens August, der Kurfürst Josef Klemens, im Jahre 1715 die An­lage eines breiten, vom Mittelbau des Residenz= schlosses ausgehenden Straßenzuges, dem schon damals das Sterntor geopfert werden sollte. Der Anfang dazu wurde mit Anlage der heutigen Fürstenstraße gemacht.

Damals endete hier das Weichbild der Stadt und jenseits der kurfürstlichen Stallungen war freies Feld. Wo damals die städtischen Wein­gärtner wirtschafteten, hinter dem jetzt freigelegten Kasernenterrän erstrecken sich heute Straßen, pul­siert gewerbliches Leben aller Art. Gar manche Wandlung hat das Gelände des jetzt erschlossenen Baublocks zwischen der heutigen Münsterstraße und dem Friedrichsplatze erlebt. Halten wir ein­mal Rückschau nach dem Dichterwort:

Es ist ein groß Ergetzen,

Sich in den Geist der Zeiten zu versetzen.

Hier ist ein fast 2000 Jahre alter Kultur­boden, der heute der modernen Bebauung er­schlossen wird. Ein Gräberfeld aus römischer Zeit zog sich hier vom jetzigen Friedrichsplatz in südlicher Richtung hin. Ungefähr dort, wo die vom Mülheimerplatz kommende Straße mit der verlängerten Sternstraße zusammenläuft, fanden sich Kulturreste römischer Zeit. Die der Erde enthobenen kermanischen Erzeugnisse weisen auf das erste Jahrhundert hin. Unmittelbar anstoßend, nach Süden hin, entstand zu Beginn des 9. Jahr­hunderts nun das dort begründete Cassiusstift eine dörfliche Ansiedlung, die Villa Basilica. Die Hütten der Hörigen mögen sich auch wohl über das hier besprochene Gelände erstreckt haben, wie Funde andeuten. Wahrscheinlich durch die Raubzüge der Normanen verwüstet, erstand die Ansiedlung um das Stift herum im 10. Jahr­hundert auf's Neue und führte nun den Namen [Verona. Während das römische Bonn das ursprüngliche militärische Standlager im Norden, Bonna civitas, im 10. Jahrhundert verfiel und verging, entwickelte sich die Ansiedlung Verona zu einem mit einer Ringmauer versehenen, etwa 9 ha großen Ort. Die Ringmauer folgte den vorhandenen Wegezügen, welche auch für die Tor­anlagen maßgebend waren. Außerhalb der jetzt umwallten Ansiedlung Verona lagen größere, Ackerbau treibende Höfe, wie der Marhof im Nor­den, an der heutigen Margasse und der dem Stiftsprobst gehörige Fronhof Mülheim im Westen. Das hier behandelte Gelände ward durch die Umwallung von dem nun bald aufblühenden Verona abgeteilt. An der südwestlichen Ecke lag die Mülheimerpforte,*) durch welche der Weg zu dem genannten Fronhof führte. Als letzter Rest dieser Pforte, ist die Steinumfassung des Mülheimertörchens in den Gartenanlagen des Provinzialmuseums aufgestellt.

Es mag von Interesse sein, uns das Bild des probsteilichen Fronhofes zu vergegenwärtigen.

*) an der Stelle, wo sich heute das Haus von Justizrat Mayer befindet.

lene davon zu sprechen, weil er glaubte, daß er der Witwer mit den trüben Erfahrungen seiner Ehe nicht mehr das Recht habe, die Hand nach einer so jungen, unschuldigen Menschenblüte aus­zustrecken, bis ihm Hellwig zuvorgekommen war. Und nun, nachdem sie frei, war es da ein Wunder, daß die längst eingesargten Wünsche zu neuem Leben in seinem Herzen erwachten? Und wieder ließ er in alter Zaghaftigkeit die Zeit verstreichen und fand den Mut nicht zu einem offenen Geständnis.

Magdalene hatte in letzter Zeit schon öfter von der Abreise gesprochen, weil es sie bedrückte, die Gastfreundschaft Steffenhagens auf so lange in Anspruch zu nehmen; aber immer noch hatte Frau von Steffen sie mit allen Mitteln der Ueberredungskunst zum Bleiben zu bewegen gewußt.

Ihr Sohn hatte nie ein Wort der Bitte gewagt, aber mit grenzenlosem Bangen hatte er bei den jedesmaligen Debatten daran gedacht, wie es sein würde, wenn Magdalene Holms Ge­stalt aus seinem Hause verschwunden wäre, und in solchen Momenten raffte er sich dann zu dem Entschluß auf, ein Geständnis zu wagen, um es jedesmal wieder hinauszuschieben, sobald sie zu bleiben versprochen. Nichts in ihrem Wesen gab ihm Sicherheit dafür, daß sie den Wünschen seines Herzens freundlich gesinnt sein werde. Hatte sie nicht für alle Welt ein freundliches Lächeln, ein gütiges Wort, war er nicht ein Tor, wenn er vermessene Hoffnungen daran knüpfen wollte?

Auch Frau von Steffen dachte mit wahrem Schrecken an Magdalenens Abreise, nicht allein, weil sie dadurch die Erfüllung der Wünsche, welche sie für ihren Sohn in der Brust nährte, in weitere Ferne gerückt sah, auch weil sich ihr das junge Mädchen in jeder Beziehung unent­behrlich zu machen gewußt hatte. Ihr geräusch­loses, anmutiges Schalten und Walten im Hause, die gleichmäßige Ruhe ihres Wesens, die Sorg­falt, welche sie den Kindern widmete, das alles

künftig missen zu sollen, erschien ihr undenkbar. Und auch die Kinder! Wie hatten sie sich an sie gewöhnt; wie die Kletten hingen sie an Magda­lene, die seit kurzem begonnen hatte, ihnen den ersten Schulunterricht zu erteilen; war sie erst fort, so mußte, damit dieser fortgesetzt werden konnte, eine Erzieherin ins Haus genommen werden, also Gründe genug, sie immer von neuem zum Bleiben zu veranlassen.

Und Magdalene? Nur zu gern blieb sie, weil sie, trotz aller Sehnsucht nach Mutter und Bruder, mit Grauen an die Rückkehr nach Arn­stein dachte. Was sollte sie dort, wo jeder Tag ihr die gefürchtete Begegnung mit Otto Hellwig bringen konnte? So sehr sich Magdalene Holm auch äußerlich in der Gewalt hatte, daß niemand zu ahnen vermochte, wie manche einsame Stunde, wie manche schlaflose Nacht sie ihrem Herzens­glück nachweinte, noch fühlte sie sich nicht stark genug, um in die alten Verhältnisse zurückkehren zu können, und mit einer Art von stumpfer Un­entschlossenheit schob sie deshalb die Gedanken an ihre Zukunft und ihre Heimkehr von sich. Ihr tat ja auch die Stille und Abgeschiedenheit des ländlichen Aufenthalts, die Güte und zarte Rück­sichtnahme ihrer Wirte, welche nie mit einer Silbe an ihre Herzenswunde rührten, unendlich wohl. So war der August fast zu Ende gegangen.

An einem der letzten Tage in den Nach­mittagsstunden während Magdalene mit den Kindern im Garten weilte, saß Ernst von Steffen, ermüdet von einem anstrengenden Vormittag, in leichtem Halbschlaf in dem bequemen Armstuhl seiner Mutter, während diese strickend in der Sofaecke lehnte und ihren Gedanken Audienz gab. Ein Klopfen an die Stubentür ließ sie beide er­schrocken emporfahren; die zu dieser Zeit unge­wohnte Erscheinung des Briefträgers, der eine Depesche für Fräulein Holm abgab, versetzte sie noch in größeren Schrecken. Unheil für ihren

asceh bschnle is an un eisean. Depesche auf.

Magdalene muß sofort nach Hause, sagte sie dann in bedauerndem Tone zu dem Sohne, der sich halb erhoben hatte und gespannt zu ihr hinüberblickte,Frau Holm ist schwer erkrankt.

Ein Seufzer war seine Antwort. Er war auf seinen Platz zurückgesunken und bedeckte die Augen mit der Hand. Endlich sagte er aus seinem Gedankengange heraus, völlig unvermittelt: Weißt du genau, Mutter, daß jede Beziehung zwischen Magdalene und Doktor Hellwig ge­löst ist?

Ich weiß nicht mehr, als was Magdalene mir in der leidenschaftlichen Erregung des ersten Abends freiwillig mitgeteilt hat. Aber vermutlich besteht nicht der geringste Zusammenhang mehr zwischen den beiden. Nie sah ich Magdalene außer den Briefen von Mutter und Bruder solche mit anderer Handschrift erhalten, noch hat sie selber jemals andere als nach Hause geschrieben.

Welches mag nur der Grund zu diesem Bruche mit dem Doktor sein?

Man munkelt in Arnstein, daß er seine Braut in letzter Zeit der schönen Toska von Borowski wegen stark vernachlässig habe.

Der Elende, sagte Ernst von Steffen er­regt,ein so herrliches Mädchen wie Magdalene Holm um einer Kokette willen zu vergessen!

Er war aufgestanden und ging mit starken Schritten im Zimmer umher, endlich blieb er vor seiner Mutter stehen und sagte hastig:

Gib mir die Depesche, ich will Fräulein Holm aufsuchen, um sie zu benachrichtigen. Doch möglichst schonend! rief sie ihm nach. Er hörte es kaum noch, so eilig ging er hinaus und in den Garten hinunter. Frau von Steffen sah ihm mit einem Seufzer nach; ihr ahnte, daß der heutige Tag die Entscheidung bringen müsse, und so dicht davor, bangte ihr plötzlich um das Glück ihres Sohnes.